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Megan Renshaw war ein Härtefall. Als wir Mrs Kurtz’ Analysisaufgaben vom ersten Schultag durchgingen, hatte Megan jede einzelne falsch. Sie drehte sich schwungvoll auf ihrer Bank herum (dabei streiften ihre Haare wieder über meine Hand – ja!), und sie hatte richtig Tränen in den Augen, als sie sich bei Joey und mir beklagte: »Ich glaube, ich bin den Sommer über komplett verblödet!«
Worauf Joey entgegnete, wozu mir der Mumm gefehlt hätte: »Mit Betch zusammen zu sein würde, glaube ich, bei jedem den IQ senken.«
»Schau mal«, sagte ich. Ich fuhr mit dem Bleistift über ihre Aufgaben und kam dabei ihrer Hand so nahe, dass ich ihre Wärme fühlen und die Ginger Lotion auf ihrer Haut riechen konnte. »Hier an der Stelle wird es verkehrt.«
Megan strich sich die Haare aus dem Gesicht, legte den Ellbogen auf meinen Tisch und stützte den Kopf auf. Sie seufzte resigniert.
Sie war definitiv das heißeste Mädchen, das ich jemals vor multivariater Analysis hatte resignieren sehen.
Megan sagte: »Ihr Jungs, die ihr bei diesem Zeug durchsteigt …«, und sie blickte dabei von Joey zu mir. Als unsere Blicke sich trafen, musste ich wegschauen. Megan Renshaw sah mich an, als ob sie mich mögen würde oder so. Und sie sagte: »Auf schlaue Jungs könnte ich echt total abfahren.«
Joey räusperte sich.
In wenigstens einer Sache, auf die Megan Renshaw stand, musste Chas Becker ein Genie sein.
Mrs Kurtz hatte uns beobachtet, und als sie Megans Niedergeschlagenheit sah, sagte sie: »Wie wär’s, wenn ihr drei eine Arbeitsgruppe bildet und die Aufgaben von heute zusammen bearbeitet?«
Das war, dachte ich mir, als ob Seanies Haiku wahr werden würde, nur dass wir mit Megan sozusagen dreisam büffeln würden. Und Megans wegen bekam ich beinahe ein Aneurysma, als sie mir ihre Ginger-Lotion-Hand auf den Arm legte und mit hilflosen, flehenden Augen sagte: »Hilfst du mir, Ryan Dean? Bitte?«
Ich war mir nicht sicher, ob mein Körper das ganze jähe Auf und Ab der Blutversorgung verkraften konnte, das ich an diesem Vormittag erlebte. Ich schwöre, ich konnte unter dem Pullunder richtig mein Herz in der Brust klopfen sehen.
»Na klar.« Und da ich ein bisschen Bammel hatte – nein, eine Heidenangst –, sagte ich: »Und Joey bestimmt auch.«
So kam es, dass wir drei uns für den Abend nach dem Essen in der Bibliothek verabredeten, mit Mrs Kurtz’ Einverständnis. Schüler durften in der Bibliothek bis zur Nachtruhe Hausaufgaben machen, aber wer in der O-Hall wohnte, brauchte dazu die Genehmigung eines Lehrers. Damit hatte ich dank Mrs Kurtz’ freundlicher Unterstützung schon am zweiten Tag meines elften Schuljahrs das zweite Date mit einem superheißen Mädchen gelandet.
Es ging definitiv aufwärts mit mir.
Am Tag davor, nach der Pokerrunde und der Strafe, war mir zu Mute gewesen, als hätte man mich mit einer Mischung aus Zement und Schlaftabletten vollgestopft. Aber an diesem Dienstag schwebte ich praktisch durch den ganzen Schultag.