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Joey beobachtete mich, als ich zum Analysisunterricht zur Tür hereinkam. Wir hatten seit dem Training kein Wort mehr gewechselt, nicht einmal nach dem Streit mit Chas im Waschraum, aber er musste auch nichts sagen. Sein angesäuerter Gesichtsausdruck sagte genug. Ich wusste auch so, was er gesagt hätte.

Kaum saß ich auf meinem Platz, drehte Megan sich schwungvoll um, so dass ihre goldblonden Haare über meinen Tisch und meine Finger strichen – verdammt! Sie lächelte mich an und sagte: »Hi, Ryan Dean!«, als ob nie etwas gewesen wäre.

Da schaltete sich Joey ein. Mit der gleichen ernsten Miene, die er am Abend zuvor gehabt hatte, nachdem Chas abgezogen war, schob er sich zwischen Megan und mich, fasste mich fest am Kinn und sagte: »Lass mal sehen.«

Er drehte meinen Kopf zur Seite wie ein ungeschickter Friseur und betrachtete kurz meine Wunde. Meine Haare waren vom Laufen noch nass.

»Wirst du morgen spielen können?«, fragte Joey sachlich und hielt dabei weiter meinen Kopf.

»M-hm. Das weißt du doch.«

Dann sagte er halb flüsternd, aber so, dass Megan es trotzdem genau verstand: »Sieh zu, dass du deinen Scheiß auf die Reihe kriegst, Ryan Dean.«

Ich wusste nicht, ob er damit JP oder Megan oder Annie oder nur mich meinte. Doch … ich wusste es wohl.

Da kam Mrs Kurtz angeflattert und zwitscherte heiße-Therapeutin-mäßig in süßen Vogeltönen: »Ach, du liebe Güte, Ryan Dean! Was ist denn mit dir passiert?«

Joey ließ mein Gesicht los.

»Ich spiele Rugby«, sagte ich. »Ich bin mit achtzehn Stichen genäht worden.«

»Ein richtiger Mann!«, sagte Mrs Kurtz. Sie sagte immer die schrägsten Sachen, aber ich kenne keinen Schüler, der nicht auf sie abfährt. Dann zauste sie mir die nassen Haare, was mich wegen ihrer unbegreiflichen, Mom-meines-besten-Freundes-mäßigen heißen Art ganz schwach und verwirrt machte. Ich war mir auf einmal sicher, dass es mir bestimmt war, bei Mädchen immer wieder die gleichen dummen Fehler zu machen, auch wenn ich Annie gegenüber noch so sehr mit 2 x EI aufgetrumpft hatte. Mrs Kurtz sagte: »Vielleicht solltest du heute ein bisschen sachte machen, Ryan Dean.«

»Ich glaube, Ryan Dean sollte unsere Arbeitsgruppe heute Abend ausfallen lassen«, sagte Joey. »Damit er sich ausruhen kann. Wir haben morgen unser erstes Spiel.«

Ich schoss einen Blick auf Joey ab, dann auf Megan.

Ich seufzte.

Joey hatte recht, und mir wurde in dem Moment klar, dass ich mich immer noch mit Ausreden davor drückte, meine verfahrene Geschichte mit Megan zu klären.

Megan sagte: »Ich werde dich heute Abend vermissen, Ryan Dean.« Dann legte sie ihre Hand auf meine.

Puh!

»Du solltest definitiv heute Abend im Bett bleiben«, sagte Mrs Kurtz. Ich fand es natürlich zu heiß von ihr, das zu sagen.

»Danke, Mrs Kurtz«, sagte ich. »Danke, Joe. Sorry, Megan.«

Aber meine Stimme klang mir dabei voll kläglich, als ob ich gleich weinen würde.