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Kristina spähte durch die Lamellen der Jalousie auf die Straße. »Dieser Wagen fährt jetzt schon zum vierten Mal in einer Stunde an unserem Haus vorbei.«

Johan schüttelte den Kopf. »Bist du sicher?«

»Ganz sicher«, sagte sie. »Und der Typ auf dem Beifahrersitz hat die Kamera im Anschlag. Das Teleobjektiv ist nicht zu übersehen.«

Johan trat zu ihr ans Fenster und blickte hinaus. Das Auto war verschwunden.

»Zu spät«, seufzte Kristina. »Komm, wenn wir Glück haben, sehen wir es von Miras Fenster aus. Dann erkennst du es, wenn es das nächste Mal vorbeifährt.« Kristina packte Johan am Arm und zog ihn in Miras Zimmer. Und wie erwartet hielt gerade ein weißer Van am Vorfahrtsschild am Fuß des Hügels. Jetzt fädelte er sich hinter einem grünen Volvo in den Verkehr ein.

»Warum fahren sie in einem Van durch die Gegend?« Johan schüttelte wieder den Kopf.

»Weil sie so ihre ganze Ausrüstung transportieren können«, sagte Kristina. »Ich glaube, ich habe das SVT-Logo auf der Tür gesehen, aber ich bin nicht sicher.«

»Sie sind zu weit weg.« Johan kniff die Augen zusammen und blinzelte in den Regen, wo der Übertragungswagen Kurs auf die Innenstadt nahm und verschwand.

»Das schwedische Fernsehen ist immer noch besser als dahergelaufene Paparazzi.« Kristina blickte in Richtung Spikön. »Aber wenn man vom Teufel spricht«, seufzte sie und deutete mit dem Kopf auf einige Männer, die dabei waren, mit Monsterobjektiven ausgestattete Kameras auf Stative zu montieren und sie auf ihre Fenster zu richten.

Zum ersten Mal seit Miras Verschwinden reagierte Johan schneller als sie. Er ließ die Jalousie mit einem Knall herunter und schloss die Lamellen. Miras Zimmer versank mitten am Tag im Halbdunkel. Johan keuchte.

»Verdammte Aasgeier«, fluchte er. »Reicht es nicht, dass unsere Tochter entführt wurde? Müssen sie sich auch noch an unserem Leid weiden?«

Kristina kümmerte es nicht, ob die Regenbogenpresse ein Foto von ihr bekam oder nicht. Diese Leute wussten, dass sie im Haus war. Bei jedem Blick aus dem Fenster registrierte sie, wie die Paparazzi nach einem Winkel suchten, um sie abzulichten. Solange ihr Schleichweg durch den Garten unentdeckt blieb, konnten die Klatschzeitungen so viele unscharfe Aufnahmen von ihr veröffentlichen, wie sie wollten.

Behutsam nahm Johan Miras Gitarre in die Hand. »Ob sie je wieder darauf spielen wird?«, brachte er mit erstickter Stimme hervor.

»Sie übt doch sowieso kaum.« Kristina schüttelte den Kopf. »Trotzdem musste unsere kleine Göre unbedingt das teuerste Instrument haben.« Kristina konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. In dieser Hinsicht kam Mira ganz nach ihr.

»Ja.« Johan schnitt eine Grimasse, um die Tränen zurückzudrängen. »Unsere kleine Göre. Trotzig wie ein Teenager. Wo soll das noch enden?«

»Wer weiß?« Kristina lächelte. »Aber sie ist klug. Sie wird ihren Weg machen.«

»Wenn sie überlebt.« Johan schlug die Hände vors Gesicht und stöhnte gequält.

Kristina setzte sich auf Miras Bett, vergrub das Gesicht in den Händen und atmete tief durch, um die aufwallende Panik zu bekämpfen.

»So etwas darfst du gar nicht denken. Ich halte das nicht mehr aus.« Sie spürte Johans Gewicht, als er neben ihr auf die Matratze sank und den Kopf an ihre Schulter lehnte. »Ich kann nicht hier sitzen und warten, ich muss an die frische Luft.« Wie sollte sie diesen Schlamassel lösen, wenn sie nur telefonieren konnte? Sie musste aus dem Haus kommen, sonst war alles umsonst.

Johan deutete zum Fenster. »Während Fotografen unser Haus belagern? Hältst du das für klug?«

Kristina sprang auf und lief rastlos auf und ab. »Ich verliere den Verstand, wenn ich weiter hier herumsitze.«

»Kannst du nicht hierbleiben?«, bat Johan. »Es gibt nichts, was du tun könntest.«

»Das ist es doch gerade!« Kristina sah ihn an. »Wenn ich etwas tun könnte, wäre es etwas anderes. Aber so?« Sie hob die Arme. »Ich verliere den Verstand, wenn ich mich nicht wenigstens bewegen, frische Luft atmen kann. Und ich habe nicht die Kraft, mit dir darüber zu streiten«, schloss sie und wandte sich zum Gehen.

»Wo willst du hin?«, rief er ihr nach.

Kristina drehte sich um, legte eine Hand auf den Türrahmen und sah ihn an. »In den Garten«, sagte sie und suchte nach Anzeichen von Zustimmung in Johans Blick. Er atmete erleichtert aus. Sie war sicher, dass er es lieber sah, sie lief im Schutz ihrer hohen Thujahecke im Garten auf und ab wie im Freiganghof einer Haftanstalt, statt durch die Stadt zu streifen.

Johan nickte und ließ sie ohne weiteren Protest gehen.