Hinterher blieben sie nebeneinander auf dem Bett liegen. Kristinas Duft, der Geruch ihres Shampoos, ihrer Haut und ihres Schweißes löste in Robert ein Wechselbad zwischen Glück und Angst aus.
»Bist du okay?«, fragte er.
»Nein.« Kristina kroch dichter an ihn heran und schlang die Arme um ihn. »Ich bin betrunken.« Sie kicherte. Dann seufzte sie und lächelte. »Es ist lange her. Ich habe dich vermisst.«
»Verdammt.« Robert löste sich vorsichtig aus ihrer Umarmung und drehte sich auf den Rücken. Kristina legte ein Bein über seins. »Das war keine gute Idee. Ich stecke zwar mitten in der Scheidung, aber du bist verheiratet, verflucht noch mal.«
»Ach, Johan und ich haben schon lange keinen Sex mehr. Ich brauchte das. Er muss es nicht erfahren.«
»Nein, muss er nicht.« Scham breitete sich in Robert aus. »Aber ich hätte es besser wissen sollen.«
»Warum? Ich habe mich schließlich nicht gerade gewehrt.« Kristina kicherte wieder. »Im Gegenteil, wenn meine Erinnerung mich nicht täuscht, habe ich angefangen?«
»Das stimmt, aber …« Robert seufzte. »Unter uns: Eine Situation wie diese hat meine Scheidung verursacht.«
»Was meinst du?«
»Dass ich alles verbockt habe. Ich wollte Green nicht verlassen, ich wollte Partner werden. Ich wollte Jessika nicht verlieren, um nichts in der Welt. Aber dann … sind Dinge passiert. Bei der Arbeit. Verstehst du?«
Kristina lachte laut auf. »Willst du mir erzählen, dass du in flagranti erwischt wurdest? Im Büro? Mit einer Kollegin?«
Obwohl Robert nicht zum Lachen zumute war, lachte er. Er nickte. »Ja, und nicht nur mit einer, sondern mit zweien.«
Kristina sah ihn grinsend an. »Doch nicht gleichzeitig, oder?«
»Nein, wofür hältst du mich? Und fürs Protokoll: Es war in beiden Fällen einvernehmlich. Ich mag ein untreuer Mistkerl sein, aber ich bin kein Vergewaltiger.«
»Nein, aber du magst es, Sex mit mir zu haben, oder nicht?«
Robert nickte. Das stimmte. Er mochte es. Zwischen ihm und Kristina würde sich nie etwas Ernstes entwickeln, aber vielleicht war genau das der Reiz. Sie hatten es schon öfter getan, damals auf dem Gymnasium – vor allem um zu experimentieren – und dieses eine Mal, als sie sich durch Zufall in einer Göteborger Kneipe begegnet waren und anschließend in Kristinas Hotelzimmer gelandet waren. Er erinnerte sich noch immer daran, wie Kristinas Finger damals mit seinem Brusthaar gespielt hatten. Er wollte es nicht zugeben, aber es erregte ihn. Die rationale Hälfte seines Verstandes wollte ihre Hand von seiner Brust nehmen, ihr sagen, dass sie aufhören sollte. Die andere Hälfte wollte die Berührung genießen, sie auskosten.
»Hast du Lust, es noch mal zu tun?«, fragte Kristina jetzt.
»Musst du nicht nach Hause?«
»Doch. Aber ich war jetzt schon so lange weg, dass eine Stunde mehr oder weniger keinen Unterschied macht.«
Robert seufzte. »Ich weiß nicht«, sagte er. »Was ist, wenn du schwanger wirst?«
Kristina lachte und setzte sich rittlings auf ihn. »Das fällt dir ja früh ein, aber die Gefahr besteht nicht. Nach Miras Geburt habe ich mir eine Spirale einsetzen lassen. Wir sind heute also besser geschützt als damals.«
»Was meinst du damit?«
Kristina seufzte, rutschte von ihm herunter, hielt kurz inne, als überlege sie, was sie antworten solle, zog mit einer Hand das Laken über ihre Brust und sagte: »Ich weiß nicht, wie ich es dir schonend beibringen soll.«
»Was?« Robert richtete sich auf die Ellbogen auf. Sein Körper kribbelte vor böser Vorahnung.
Kristina lächelte und sah ihm in die Augen. »Mira ist deine Tochter.«
Robert zuckte zusammen und spürte, wie sich sein Kopf von den Schultern löste. Er sank auf die Matratze zurück und versuchte, ruhig zu atmen. Sein Blickfeld schrumpfte. Er schloss die Augen und hob den Arm vors Gesicht.
»Geht es dir gut?«, fragte Kristina.
Robert schüttelte den Kopf. »Nein«, stöhnte er. Als er die Augen wieder aufmachte, sah er, dass Kristina dichter an ihn herangekrochen war und ihn mit zur Seite gelegtem Kopf musterte. Sie wollte seine Wange streicheln, aber er schob ihre Hand sanft beiseite. »Nimmst du mich auf den Arm?«, fragte er, obwohl er die Antwort kannte.
»Nein.«
»Und warum hast du mir das nicht schon viel früher gesagt?«
Kristina seufzte. Sie schmiegte sich an ihn. »Ich weiß es nicht«, sagte sie. »Zuerst war ich nicht sicher, und Johan hat sich so sehr ein Kind gewünscht.«
»Aber findest du nicht, dass er und ich ein Recht darauf haben, die Wahrheit zu erfahren?«
»Die Wahrheit, was ist das eigentlich?« Kristina blickte an die Zimmerdecke. »Außer mir weiß niemand, dass Johan nicht Miras leiblicher Vater ist. So leben wir seit zwölf Jahren, und alle sind glücklich damit. Wäre es besser gewesen, ich hätte ihm mit der Wahrheit das Herz gebrochen? Oder ihn verlassen und Mira alleine aufgezogen?«
Robert schüttelte den Kopf. »Du wärst nicht alleine gewesen. Ich wäre da gewesen.«
»Du und ich? Das hätte niemals funktioniert«, sagte Kristina. »Wir können ab und zu miteinander ins Bett gehen, aber als Paar taugen wir nichts. Tut mir leid.«
»Du hättest uns eine Chance geben können«, erwiderte Robert. »Ich frage mich, ob Erik weiß, dass er meine Tochter entführt hat.« Robert setzte sich auf und lehnte sich mit dem Rücken an das Kopfende des Bettes.
»Ändert das irgendetwas?« Kristina hockte sich im Schneidersitz vor seine Füße.
»Für mich ja«, sagte Robert. »Bis zu diesem Moment war es schlimm genug, dass er deine Tochter entführt hat und uns erpresst. Aber jetzt …« Er machte eine Pause und holte Luft.
Doch Kristina kam ihm zuvor: »Jetzt hat er unsere Tochter entführt. Das macht die Tat noch viel persönlicher, oder nicht?«