Robert warf das Telefon aufs Bett, trat ans Fenster, stützte die Hände auf die Fensterbank und schaute über den Fluss zu Kristinas Haus hinüber, das auf der Anhöhe thronte und auf Trollhättan herabblickte.
Er schüttelte den Kopf. Er wusste, was Maria versuchte. Aber er hatte nicht vor, nach ihrer Pfeife zu tanzen. Tatsächlich erstaunte es ihn, dass sie es überhaupt probierte. Sie hatte weder das Talent noch die Motivation, die Art Spielchen zu spielen, die Kristina schon ihr Leben lang spielte. Die Art Spiel, die Robert immer zu durchschauen geglaubt hatte.
Bis heute. Bis seine Frau, deren größtes Verdienst darin bestand, die Cover einiger einigermaßen salonfähiger Herrenmagazine geschmückt zu haben, ihn schachmatt gesetzt hatte. Gut, ihre Eltern und diese Anwältin hatten sie unterstützt, aber sie hatte alles kaltschnäuzig Schritt für Schritt eingefädelt, Ehevertrag, Gütertrennung während der Ehe, ein Winkelzug nach dem anderen, bis sie ihre Position so gut gefestigt hatte, dass er klein beigeben musste, um einen Rechtsstreit zu vermeiden. Und er hatte gekuscht. Es stimmte. Er war kein guter Anwalt, und er würde es auch nie werden. Vielleicht war es an der Zeit, neue Wege zu beschreiten.
Er blickte wieder auf Kristinas Haus. Kristina war eine gute Schriftstellerin, er hoffte, dass sie auch eine gute Mutter war, denn dann hätte seine Tochter bis vor einigen Tagen ein schönes Leben gehabt. Eine unbeschwerte Kindheit an der besten Adresse einer beschaulichen Kleinstadt, mit einer liebevollen Mutter und einem liebevollen Vater. Er lachte bitter. Damit konnte er nicht konkurrieren. Er war so pleite, wie man nur sein konnte. Und er hatte fünf Tage, um eine unbehaglich große Summe von seinem Konto auf das Konto seiner Ex-Frau zu überweisen. Das war alles, was ihm nach der Scheidung blieb. Er hatte keinen blassen Schimmer, woher er das Geld nehmen sollte, und die Erpressung machte das Ganze nicht leichter.
Robert lächelte, als ihm der Gedanke durch den Kopf schoss, dieselbe Masche abzuziehen wie Erik. Allerdings durfte er nicht vergessen, dass Maria nicht gezaudert hatte, Erik deswegen umzubringen. Und dabei hatte sie immer eine Schwäche für diesen erbärmlichen Junkie gehabt und ihn, Robert, nie ausstehen können. Das wusste er, auch wenn sie es vielleicht nicht zugeben würde. Sie würde ihn mit Freuden um die Ecke bringen, sollte er einen Erpressungsversuch unternehmen. Er wandte sich vom Fenster ab und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Fensterbank. Das Bett war nach wie vor von Kristinas und seiner gemeinsamen Nacht zerwühlt, er wollte nicht, dass sein Zimmer gereinigt wurde, so lange er es bewohnte.
Plötzlich ging ihm auf, dass Marias Versuche, Kristina zur Schurkin des Dramas zu machen, auf etwas ganz anderes hindeuten konnten, auf etwas, das ihm erst jetzt in den Sinn kam. Die Behauptung, Kristina könnte in die Geschehnisse verstrickt sein, war absurd. Sie mochte ihnen einen Schritt voraus sein, aber der Gedanke, dass sie ihre eigene Tochter einer Gefahr aussetzte, war vollkommen abwegig. Erik war der glasklare Verdächtige gewesen, derjenige, der alles zu gewinnen und nichts zu verlieren gehabt hatte. Erik war aus dem Spiel, aber er hatte Mira nicht entführt. Also, wer steckte dahinter?
Robert erschauderte. Alles deutete auf Maria. Die Zurückgezogene, die alles dafür tat, ein unscheinbares Leben zu führen, die sich so sehr an Regeln und Vereinbarungen klammerte, dass sie Polizistin geworden war, um die Ordnung aufrechtzuerhalten, bei der Polizei aber den stumpfsinnigsten Posten bekleidete, den er sich vorstellen konnte. Und das war noch nicht alles. Sie hatte mehrmals gedroht, ihr Geheimnis zu verraten. Entweder machten ihr die Konsequenzen keine Angst mehr, oder sie waren ihr egal. Obendrein hatte sie eine erschreckende Seite von sich offenbart: Sie war eine kaltblütige Mörderin, imstande, ihre eigenen Freunde zu ermorden.
Wenn einer von ihnen fähig war, ein kleines Mädchen zu entführen und Lösegeld zu erpressen, dann Maria.
Robert kochte innerlich. Er fühlte sich wie bei den seltenen Gelegenheiten, wenn es ihm gelang, eine Schwachstelle in den Ausführungen des Staatsanwalts zu finden. Es begann als warmes Gefühl in der Brust, schwoll zu einem Kribbeln am ganzen Körper an, bis sich ein triumphierendes Lächeln auf seinem Gesicht ausbreitete. So musste es sein. Er trat an den Spiegel und musterte sein Gesicht. Er sah müde aus. Matt und abgekämpft nach einer langen Nacht und einem noch längeren Tag. Aber in seinen Augen lag ein siegesgewisser Glanz.
Er musste mit Kristina reden. Traf sein Verdacht zu, mussten sie mit Maria auf ganz andere Art verfahren als mit Erik.