KAPITEL 15
Parker Natalia brauchte nur drei Proben, um die Stücke einzustudieren, die Triple Threat beim Djangofest aufführen wollten. Und als der erste Tag des Festivals anbrach, war der junge Kanadier bereit. Er wollte es den Mitgliedern von BC Django 21 unbedingt zeigen.
Seth konnte ihm das nicht verübeln. Er und Parker hatten eine Jamsession der Gruppe in der Konzertmuschel vom Useless Bay Coffee House, einem trendigen Café mit Kaffeerösterei auf der Second Street in Langley, gehört. Die Musik drang bis in den Vorgarten des South-Whidbey-Gemeindezentrums auf der anderen Straßenseite, wo Triple Threat gerade ihr Programm durchgingen, sodass alle Bandmitglieder sich davon überzeugen konnten, wie gut die Jungs waren.
BC Django 21 hatten Parker durch ein Mädchen ersetzt. Seth sah, wie Parker die Schultern hängen ließ, als er sie spielen hörte. Als loyaler Freund sagte er zu Parker: »Du bist genauso gut, Alter«, was Parker ihm jedoch nicht abkaufte. Völlig niedergeschlagen ging er davon. Na ja, dachte Seth, mit Triple Threat hat er viele Gelegenheiten, zu zeigen, was er kann.
Der Fünf-Uhr-Slot an der Highschool war für Gruppen reserviert, die kein großes Publikum anziehen würden, doch die Organisatoren hatten nicht mit dem riesigen Darrow-Clan gerechnet. Seths Großvater hatte fünf Brüder, die alle auf der Insel geblieben waren und selbst auch große Familien hatten. Die Familien waren ebenfalls auf der Insel geblieben und hatten in andere Inselfamilien eingeheiratet, bis die familiären Verbindungen der Darrows so zahlreich waren, dass die Leute es aufgegeben hatten, den Überblick zu behalten. Eine Sache stand jedoch fest. Jeder Inselbewohner mit einem Tropfen Darrow-Blut in seinen Adern erschien zu dem Konzert, zusammen mit Seths Arbeitgeber, seinen Kollegen und seinen Freunden.
Das Konzert fand in der Aula der Schule statt. Seth freute sich, als er hinter der Bühne sah, dass nicht nur seine Familie, sondern auch Hayley gekommen war. Ebenso wie Becca und Derric, die Jenn McDaniels mitgebracht hatten. Der Junge, den er bei seinem Großvater kennengelernt hatte – Aidan Martin – war auch bei ihnen. Und ein Mädchen, das Seth noch nie gesehen hatte, das man ihm aber in der Pause vorstellte, als er mit Parker hinüberging, um ihn allen bekannt zu machen.
Bei dem Mädchen handelte es sich um Isis Martin, Aidans Schwester, und wie sich herausstellte, verstand sie sich gut mit Hayley. Sie war echt heiß, und Seth warf Parker einen Blick zu, um zu sehen, ob ihm das auch aufgefallen war. Doch der junge Kanadier hatte offensichtlich nur Augen für Hayley, die ihm ebenfalls interessierte Blicke zuwarf. Sie wurde sogar rot. Seth hörte, wie Jenn McDaniels Becca zuraunte: »Wow, jetzt fehlt nur noch romantische Musik«, was ihm verriet, dass er sich diese unmittelbare Anziehung zwischen Hayley und Parker nicht einbildete.
Überall um ihn herum redeten Leute, aber er hörte nur Hayley zu, die Parker erzählte, dass sie in der zwölften Klasse und eine alte Freundin von Seth sei und weiter nördlich auf einer Farm namens Smugglers Cove Blumenfarm lebe. Dann sprach ihn jemand direkt an, sodass Seth den Rest nicht mehr mitbekam. Er war jedoch erleichtert, als Parker sagte, er würde nach draußen gehen, um vor dem Auftritt seine Nerven mit einer Zigarette zu beruhigen. Allerdings verflog seine Erleichterung schnell wieder, als Parker zu Hayley gewandt ergänzte: »Bis später?«
Als Parker sich einen Weg aus der Aula bahnte, bemerkte Derric: »Netter Fang, Hayley«, worauf Isis Martin einwarf: »Der Typ? Der ist doch total schwul. Das sieht man auf den ersten Blick.«
Sie betrachtete Parker nachdenklich, während sie sprach. Er zog gerade eine Packung Zigaretten aus der Brusttasche seines Hemds. Sie machte eine Bemerkung über die Art, wie er seine Hüften bewegte, und schob dann hinterher: »Ich brauch auch ’ne Zigarette«, und ging ihm hinterher nach draußen.
Jenn kommentierte sarkastisch: »Ja klar. Er ist extrem schwul. Drück lieber die Daumen, dass er rechtzeitig zu eurem Auftritt zurück ist, Seth, denn ich wette mit dir, dass es ’ne Weile dauern wird, was Isis vorhat.«
»Jenn!«, rief Hayley entrüstet. »Das ist unfair.«
Jenn verdrehte die Augen. »Komm schon. Habt ihr etwa noch nicht gemerkt, dass jedes Mal, wenn sie da ist …« Doch dann erinnerte sie sich, dass Isis’ Bruder auch bei ihnen gestanden hatte. Sie drehte sich zu ihm und sagte: »’tschuldige, Aidan«, aber er war bereits gegangen.
»Er raucht auch«, erklärte Hayley ihnen.
»Komischer Typ«, meinte Jenn. »Wahrscheinlich will er zugucken.«
Becca sagte etwas, das Seth nicht hörte, weil seine ganze Aufmerksamkeit Hayley galt. Er wusste, dass er sie und ihre Gefühle nicht beeinflussen konnte, dennoch gab es Augenblicke, in denen er hoffte, er könnte etwas an ihrer Beziehung ändern. Ihr fiel sein Blick auf. Sie schenkte ihm ein Lächeln und sagte: »Viel Glück da oben«, und das war’s.
Da fing er an, sich Sorgen zu machen, dass Parker nicht rechtzeitig zurückkommen würde. Die Zeit verstrich, und der Moderator war gerade auf die Bühne gekommen, um zu verkünden, dass das Konzert gleich weitergehen würde. Jemand machte die Tür auf und sagte denen Bescheid, die die Aula verlassen hatten, worauf Parker Natalia umgehend wieder hereinkam. Ihm folgte Isis Martin. Wie’s aussieht, dachte Seth, hat Jenn recht. Isis lächelte vielsagend. Sie gesellte sich zu den anderen und das Letzte, was Seth sie im Weggehen sagen hörte, war: »Äh … vielleicht ist er doch nicht schwul.«
Danach betraten Triple Threat mit ihren Instrumenten die Bühne. Ein Raunen ging durch die Aula. Das liegt wohl an Parker, ging es Seth durch den Kopf. Der Kanadier lieferte den Ahhhh-Faktor für die Damen. Sobald er mit seinem Solo dran war, wurde aus dem Ahhhh jedoch ein Oh mein Gott. Er war ein höllisch guter Geiger.
Nach ihrem Auftritt war es Zeit für die letzte Gruppe des Abends. Aber sie hatten gerade ihre Instrumente aufgenommen, als die erste Sirene dem Abend ein jähes Ende bereitete und der Alarm losging.
Es brannte nicht in der Schule. Der Alarm und die Nähe der Sirenen ließen die Menge jedoch aufspringen und auf die Türen zu eilen. Manche versammelten sich vor der Schule; andere verließen das Gebäude durch die Kantine und den Hintereingang. Von dort konnten sie das Feuerwehrauto auf der Anhöhe sehen, die zum South-Whidbey-Gemeindepark führte. Rote und gelbe Lichtblitze flackerten im Nachthimmel, während in einiger Entfernung eine Gruppe von Feuerwehrleuten einen Brand zu löschen versuchte, der eine alte Hütte neben einem der Baseballfelder im Park verzehrte.
Dort stand auch ein Sheriff-Wagen. Seth hörte, wie Derric zu Becca sagte: »Sieht aus, als hätte der Plan nicht funktioniert.«
Einen verrückten Moment lang dachte Seth, Derric würde über seinen eigenen Plan reden, eine Hütte während des Konzerts abzufackeln. Aber Derric und Becca erklärten ihm, dass das Büro des Sheriffs und der Feuerwehrhauptmann an allen Veranstaltungsorten Sicherheitsvorkehrungen getroffen hatten, für den Fall, dass der Brandstifter, der im Sommer sein Unwesen getrieben hatte, wieder auftauchte und einen weiteren Brand in nächster Nähe zu einer großen Menschenmenge legte.
»Sie dachten, er würde einen Brand direkt an einem Veranstaltungsort legen«, sagte Becca zu Seth.
»Das ist nah genug, wenn du mich fragst«, erwiderte Seth. Dann sah er sich um, obwohl er nicht hätte sagen können, wonach er in der Menge Ausschau hielt.
Was er jedoch entdeckte, waren Hayley und Parker, der den Arm schützend um Hayley gelegt hatte, als wolle er ihr beweisen, dass er ihr Retter in der Not sei, falls sie sich in Sicherheit bringen mussten.