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Die Durham-House-Gruppe

Anne wusste, dass sie ihre Taktik, Heinrichs sexuelle Begierde hinzuhalten, nicht endlos beibehalten konnte. Bislang hatte diese Taktik funktioniert, weil sie beide das gleiche Ziel verfolgten: die Heirat. Doch die Monate unmittelbar nach dem Scheitern der Verhandlung in Blackfriars und nach Wolseys Entlassung waren anstrengend. Heinrich schien von einer Scheidung weiter denn je entfernt. Er und Katharina waren noch verheiratet; Anne war immer noch schlicht «Mistress Boleyn» oder «Mistress Anne». Er hatte versprochen, sie zu seiner Frau zu machen, und sie, ihm einen legitimen Sohn zu schenken. Ihre Beziehung steckte in einer Sackgasse, und sein Verlangen dürfte gerade wegen der Hindernisse, die einer Erfüllung im Weg standen, nur noch zugenommen haben: Später im Leben, während einer vergleichbaren Phase des Zwangszölibats, sollte er über seine feuchten Träume sprechen. Doch während er Anne umwarb, wagte er es nicht, eine Affäre anzufangen.[1] Am Hof gab es kaum Privatsphäre, nicht einmal in seinen «privaten» Gemächern. Höflinge und Lakaien waren überall und hielten Augen und Ohren offen. Und eine Affäre war auch nicht das, was er wirklich wollte: Trotz der langen Wartezeit, die Anne ihm auferlegte, glaubte er wirklich, dass er ihr immer so treu sein würde, wie es sein Vater gegenüber seiner Mutter gewesen war. Er liebe Anne so sehr, munkelten Beobachter des Hofs, dass er kaum mehr als eine Stunde von ihr getrennt sein könne.[2] Für ihn war allem Anschein nach die süßeste Umarmung die, die erst noch gekostet werden musste.

Das galt nicht für Anne. Konnte sie sich wirklich darauf verlassen, dass er mit der Scheidungsangelegenheit noch einmal von vorn anfing, nachdem er sich zwei Jahre vergeblich darum bemüht hatte? Sein Zögern bei der Abkehr von Wolsey war aus ihrer Sicht äußerst bedenklich. Sie hatte sich für Heinrich entschieden, doch er pendelte immer noch zwischen ihr und Katharina und schien in einer Zwickmühle zu stecken zwischen der Frau, mit der er verheiratet war, und der, die er so gerne heiraten wollte. Es war nicht das erste Mal, dass Anne Zweifel kamen. Als Heinrich sich während des Schweißfiebers von ihr distanziert und nach Hunsdon zurückgezogen hatte, fühlte er sich verpflichtet, ihre «unvernünftigen Gedanken» bezüglich seiner Treue zu zerstreuen, wobei er großspurig verkündete: «Wo immer ich bin, bin ich der Eure» und mit «Heinrich der Unwandelbare» unterzeichnete. Aber große Worte allein genügten nicht. Sie wusste, um voranzukommen, musste sie seine Nerven stählen. Wenn sie Heinrich schon nicht heiraten und seine Mit-Regentin werden konnte, so würden sie und ihre Familie ihm zumindest bei den Regierungsgeschäften unter die Arme greifen, so, wie sie es bei der Mutter und der Schwester von König Franz I. in Frankreich beobachtet hatte. Dass Anne Königin sein wollte, hieß noch lange nicht, dass sie keine Ideale und Prinzipien gehabt hätte: Genau genommen konnte sie es kaum erwarten, sie in die Praxis umzusetzen.

Am 12. Oktober 1529, nur drei Tage nachdem Wolsey des Verstoßes gegen das Statute of Praemunire angeklagt worden war, schickte Jean du Bellay in seinen letzten Wochen als französischer Gesandter dem Herzog von Montmorency eine offenherzige, aber verschlüsselte Depesche. Anne und ihr Vater (Monsieur Boullan et la Demoiselle), sagte er, schickten sich an, die Macht an sich zu reißen. Ihr Vater habe ihm, fährt er fort, versichert, dass die anderen Ratsmitglieder, nicht einmal die Dukes of Norfolk und Suffolk, «kein Verdienst hätten bis auf den, den es ihr [Anne] beliebe, ihnen zu gewähren, was so wahr wie das Evangelium sei». Er hätte noch hinzufügen können, dass Suffolk bereits aus dem Drehbuch gestrichen worden war: Bis zum Jahresende sollte er nur noch selten an Ratssitzungen teilnehmen, weniger weil er faul geworden wäre, wie häufig behauptet wird, sondern wegen seiner Feindseligkeit gegenüber Anne. Die Abneigung beruhte auf Gegenseitigkeit. Da Anne sich über seine wahren Gefühle und vor allem die seiner Frau ihr gegenüber vollkommen im Klaren war, sollte sie in den folgenden Monaten gehässig auf jede wahrgenommene Kränkung antworten. Ihre Wortwechsel wurden so hitzig, dass sie einmal Suffolk vorwarf, seine Tochter sexuell zu belästigen. Zu den anderen Akteuren, die über die sich Anne echauffierte, zählten Gertrude Blount und zwei weitere Hofdamen Katharinas.[3]

Du Bellay riet, dass Montmorency «für die völlige Umsetzung der französischen Angelegenheiten» Annes Bruder George, den «kleinen Prinz» (petit prince) der Familie, hofieren solle, der zum Sondergesandten in Paris ernannt werden sollte.[4] Die Ernennung Georges auf diesen traumhaften diplomatischen Posten konnte nur auf Intervention seiner Schwester hin erfolgt sein. Weil er kaum fünfundzwanzig Jahre alt war und keinerlei diplomatische Erfahrung hatte, war seine Wahl eine kühne Entscheidung. In Anbetracht dieses Nachteils bat Anne ihren Vater, du Bellay zu ermahnen, dafür zu sorgen, dass George mit größeren Ehren als üblich empfangen werden würde. Er sollte nicht nur fürstlich von führenden Höflingen, die sie namentlich nannte, bewirtet werden, sondern sollte auch das gleiche Ausmaß an Respekt genießen, das ihrem Vater entgegengebracht wurde, dem erfahrenen Diplomaten der Familie, selbst wenn, wie du Bellay sarkastisch anmerkte, das ganze Unterfangen für alle anderen vermutlich in einer einzigen Farce enden werde.[5]

Nicht nur politisch forderte Anne eine neue Architektur, sie wünschte auch buchstäblich einen Neubau. Nur zwei Tage nachdem sich Wolsey Heinrich ergeben hatte, fuhren Anne und ihre Mutter mit dem König heimlich nach York Place in Westminster, um das Anwesen zu inspizieren. Begleitet wurden sie von Henry Norris. Dort sahen sie, wie die Beamten des Königs ein detailliertes Inventar der Besitztümer des gestürzten Kardinals aufstellten. Einige Wochen später legten Heinrich und Anne James Nedeham, dem königlichen Architekten, ihre Pläne für einen neuen Palast vor, der «Whitehall» heißen sollte. In einer gigantischen Erweiterung, die die Umbaupläne von Wolsey noch bei Weitem übertraf, wünschten sie neue Wohnräume, enorm vergrößerte Parkanlagen, einen Kampfplatz, Tennisplätze, Bowlingbahnen, einen Hahnenkampfplatz und ein Jagdrevier. Der Hahnenkampfplatz sollte mit Tierfiguren aus Stein und vergoldeten Wetterfahnen versehen sein und mit Sitzplätzen für Heinrich und Anne angelegt werden, weil Anne sich gerne Hahnenkämpfe ansah. Einen ähnlichen Kampfplatz wollte sie für Heinrich beim Greenwich Palace anlegen lassen. Ferner forderte sie, dass Holzställe für den «Pfau und den Pelikan gebaut werden, die man aus Neufundland [d.h. Nordamerika: was Anne einen Pfau nannte, war vermutlich ein Truthahn] dem König gebracht hatte», damit man sie nachts einschließen konnte, weil sie «wegen des Lärms derselben auf ihre morgendliche Ruhe nicht verzichten wollte». Das neue Jagdgebiet um Whitehall war hauptsächlich mit Federwild und Kaninchen aus benachbarten Höfen zu bestücken, sollte von einem Wassergraben und einem inneren Wall mit einer Länge von gut drei Kilometer umschlossen werden und sich im Süden, Westen und Norden an den Palast anschmiegen. Das Ganze sollte, sobald die Bau- und Landschaftsarbeiten ausreichend fortgeschritten waren, durch den Bau eines zweiten Palastes jenseits des Parks, des St James’s Palace, gekrönt werden, der später das Zuhause von Heinrichs und Annes künftigem Sohn und Erben werden sollte.[6]

Das war Heinrichs bislang ambitioniertestes Bauprojekt. Die Bauarbeiten verschlangen gewaltige Summen und erforderten den Abriss von Hunderten benachbarten Gebäude, die zum größten Teil ehemaligen Mitgliedern des Haushalts von Wolsey gehörten – all dies im Verein mit Tausch, Kauf und weiterer Enteignung von Grund und Boden. Im Zuge der umfangreichsten Enteignung mussten der Abt und die Mönche der Westminster Abbey rund 40 Hektar Land für den neuen Park abtreten. Im Gegenzug erhielten sie Ländereien in Berkshire. Für den Bau des St James’s Palace wurde ein mittelalterliches Hospital für weibliche Leprakranke dem Erdboden gleichgemacht, und die Schwestern wurden in den Ruhestand geschickt.[7]

Die schönsten Wohnungen im neuen Whitehall (jene, in die Wolsey geglaubt hatte, selbst einzuziehen, sobald die von ihm beauftragten Umbaumaßnahmen abgeschlossen sein würden) sollten Anne vorbehalten sein. Die Innenausstattung sollte – so, wie bei der umfassenden Neugestaltung, die Anne und Heinrich für Hampton Court bestellten – Beispiele «antiker Arbeit» umfassen und so den Renaissancestil aufgreifen, den Anne damals im Château de Gaillon des Kardinals Georges d’Amboise hatte Gestalt annehmen sehen. Whitehall sollte ihr Lieblingspalast werden, teils aus diesen Gründen, hauptsächlich aber aus einem anderen: Der Grundriss, den sie sich ausgedacht hatte, sah keine Gemächer für Katharina vor. Der Baubeginn wurde in den ersten Monaten des Jahres 1530 angeordnet.[8]

Um ihrer Familie noch mehr Einfluss zu verschaffen, erwirkte Anne Beförderungen für ihren Vater und Bruder. Am 8. Dezember übertrug Heinrich Sir Thomas Boleyn, dem Viscount Rochford, die Grafschaften Wiltshire und Ormond und ernannte ihn einen Monat später zum Lordsiegelbewahrer, was ihm Einblick in einen Großteil der Regierungsgeschäfte verschaffte. Als Nächstes überließ Heinrich dem neuen Earl of Wiltshire das in der Strand gelegene Durham House, eine weitere von Wolsey verlassene Immobilie, mitsamt wertvollem Inventar sowie einer ganzen Reihe üppiger Jahrespachten und Pensionen. George wurde Viscount Rochford, seine Frau damit Viscountess und «Lady Rochford». Anne wünschte fortan mit dem Titel «Lady Anne Rochford» angesprochen zu werden.[9]

Die Verleihung des Ormond-Titels, mit der eine offizielle Übertragung vieler der englischen Güter einherging, auf die Annes Vater bereits seit über einem Jahrzehnt Anspruch erhob, wurde durch eine endgültige Einigung mit den Butlers ermöglicht. Mit im Februar 1528 besiegelte Urkunden trat Piers Butler seine umstrittenen Ansprüche ab und erhielt im Gegenzug die Grafschaft Ossory sowie eine langfristige Pacht für viele ehemalige Ormond-Ländereien in Irland. Anne musste also nicht mehr länger Single bleiben, um dann irgendwann Piers Sohn, Sir James, zu heiraten.[10]

Am Tag nach den Beförderungen gab Heinrich in Whitehall für die Boleyns und andere handverlesene Gäste ein Festessen, bei dem Anne an der Seite des Königs saß, als wäre sie bereits die gekrönte Königin. Das «ist etwas, was es in diesem Land noch nie zuvor gegeben hat», rief ein empörter Eustace Chapuys aus. Auf das Mahl folgten Tanz und Vergnügungen, «sodass man meinen könnte, als fehlte nichts, als dass der Priester den Ehering überreicht und seinen Segen erteilt hätte». Um eine Szene zu vermeiden, hatte Heinrich Katharina weggeschickt, «um ihr eigenes Fest des Kummers und der Tränen zu feiern».[11]

Anne wünschte eine ständige Verbannung Katharinas vom Hof, die Entlassung ihrer Bediensteten und eine Einschränkung oder sogar ein Verbot des Umgangs mit ihrer geliebten Tochter, Prinzessin Mary, damit sich die beiden Frauen – Mary war jetzt fast vierzehn – nicht so leicht gegen sie verschwören konnten. Doch ganz so einfach ging es nicht. Neun Tage vor dem Bankett, am Tag des heiligen Andreas, hatte Katharina Heinrich wegen seiner Weigerung, mit ihr zu speisen und sie in ihren Gemächern aufzusuchen, getadelt, was zu einem spektakulären Streit führte. Da er ihrer Vorwürfe überdrüssig war, belehrte er sie über seine Levitikus-Deutung. Auf solche Argumente gab sie zurück: «Ich schere mich keinen Deut darum.» Es sei Sache des Papstes, dies zu entscheiden, und: «Für jeden Doktor oder Juristen, der zu Euren Gunsten und gegen mich entscheiden mag, werde ich tausend finden, die erklären, dass die Ehe rechtmäßig und unauflöslich ist.»

Dieser Streit war wiederum Auslöser einer Auseinandersetzung mit Anne, die sehr wohl erkannte, dass Heinrich in einem Schimpfduell mit seiner Frau den Kürzeren ziehen würde. «Habe ich Euch nicht gesagt», rüffelte sie ihn, «dass sie, wenn Ihr mit der Königin streitet, gewisslich die Oberhand behalten werde? Ich sehe schon, dass Ihr Euch eines schönen Morgens ihren Beweggründen fügen und mich abschreiben werdet.» Noch aufschlussreicher ist ihre Klage über ihre vergeudete Jugend. Wegen seiner Unschlüssigkeit, so Anne, warte sie «schon so lange». «Ich … hätte unterdessen wohl bereits eine vorteilhafte Heirat eingehen können, aus der ich womöglich Nachkommen hätte, die der größte Trost in dieser Welt sind – doch weh’, leb’ wohl meine Zeit und Jugend.» Trotz dieses mutigen Auftretens war sie sich ihrer selbst nie so sicher, wie man vielleicht hätte meinen können.[12]

Am Ende weigerte sich Anne, Weihnachten mit Heinrich zu feiern. Es beunruhigte sie erheblich, dass er daraufhin, um sich zu revanchieren, die Festtage mit Katharina in Greenwich verbrachte.[13] Der erste Streit der beiden Liebenden endete fast so schnell wie er begann, indem Heinrich klein beigab. Am Silvesterabend schickte er Walter Walsh mit einem Friedensangebot von 110 Pfund (heute über 110.000 Euro) zu Anne und leitete damit eine fast schon unanständige Flut an Geschenken und Belohnungen über die nächsten gut zwanzig Monate ein. Eine Lieferung aus purpurfarbenem Samt und «gewissem Stoff» kostete £ 219 11s 4d. William Locke, ein evangelischer Kaufmann aus Norfolk und einer von Annes regelmäßigen Lieferanten für edle Stoffe, stellte dem König £ 232 10s 3d für «Seide und diverse andere Dinge» in Rechnung. Ein einziger Kauf karmesinroten Samts belief sich auf 16 Pfund. Regelmäßige Zahlungen wurden für Annes Tages- und Nachtkleider, Mäntel und modische Umhänge geleistet, die teils von John Scut gearbeitet wurden, einem der persönlichen Schneider Heinrichs, den er später eigens in ihre Dienste stellte, sowie für Pelze, Lammfelle und Leinenstoffe.[14]

Damit Anne ihrer Liebe zu Vergnügungen im Freien frönen konnte und vielleicht, um sie daran zu erinnern, dass sie «ihm das Herz durchbohrt» hatte, schickte Heinrich ihr Armbrüste, Bögen, Pfeile, Schießhandschuhe und einen Armschutz für ihr Handgelenk. Zu ihrer Reitausrüstung zählten Sättel, darunter einer in «der französischen Art, mit einem Daunenkissen, bezogen mit schwarzem Samt», und mit «einem Kupferknauf und vergoldeten, eingelassenen Buchstaben». Eine passende Reithose, einen Schemel zum Aufsteigen, Geschirr «mit Seide gesäumt und golden mit Quasten und Knöpfen aus Seide und Gold», eine Trense, Zügel und Gurte durften natürlich nicht fehlen. Zwei weitere Sättel aus dem feinsten spanischen Leder waren als «Damensättel» gedacht, wenn Anne und Heinrich gemeinsam ausritten. Heinrich bestellte sogar Sättel aus schwarzem Leder mit einem speziellen, doppelten Geschirr und Kummet für die Maultiere, die Annes Sänfte trugen.

Ein anderes Geschenk war möglicherweise eine pistolenförmige, goldene Pfeife mit einer Blätter-Gravur, die sich heute im Victoria and Albert Museum befindet und traditionell die «Anne-Boleyn-Pfeife» genannt wird. Abgesehen davon, dass es sich um eine Pfeife handelt, die für den Rückruf eines Falken oder Habichts zum Handschuh seines Besitzers genutzt wurde, enthält sie einen geraden Zahnstocher, einen weiteren Zahnstocher mit einem sichelförmigen Ende und einen winzigen Löffel zur Entfernung von Ohrenschmalz. Solche Pfeifen waren häufig dekorativ – getragen als Schmuck oder an Kostüme genäht –, aber sie waren auch enorm praktisch.[15]

Heinrich zahlte regelmäßige Vergütungen und Pachten an Annes Generalverweser George Taylor, der zuvor in Diensten ihres Vaters gestanden hatte und nun in Vollzeit «mit den Geschäften meiner Lady Anne Rochford beschäftigt» war, sowie an Bedienstete, die mit Anne in Kontakt gekommen waren.[16] Der König belohnte einen ihrer Diener, der einen Hasen für sie auftrieb, und Diener ihres Vaters dafür, dass sie dem König Falken, einen Wanderfalken und einen Habicht zum Geschenk brachten. Der Diener von Lady Russell wiederum erhielt eine Belohnung von 2 Pfund dafür, dass er «einen Hirsch und einen Windhund meiner Lady Anne brachte». Der Diener des Bürgermeisters von London bekam 6s 8d, weil er ihr Kirschen brachte. Heinrich bezahlte auch Annes nicht unerhebliche Spielschulden und gab ihr 20 Pfund, um einen Edelstein, der ihrer Schwester Mary gehörte, bei einem Pfandleiher auszulösen. Im Februar 1531 wurden £ 66 13s 4d an George Taylor für den Kauf einer Farm in Greenwich zu ihrem Vergnügen gezahlt. Ein paar Wochen später erhielt Heinrichs Waffenschmied £ 2 4s 7d dafür, dass er «einen Tisch mit latten [einer Legierung aus Kupfer, Zink, Blei und Zinn] und Gold für meine Lady Anne Rochford verzierte», und ihre Stickerin erhielt £ 18 14s 9½d für noch mehr Stickereien.[17]

Heinrich war so vernarrt, dass er Anne ganze Kisten voller erlesener Juwelen schenkte – man könnte meinen, er sei ein Welpe, der um die Zuneigung seines Frauchens bettelt. Seinem Goldschmied Cornelius Hayes zahlte er £ 7 18s 8d für neunzehn Diamanten, eingefasst in ein Liebessymbol aus Kronengold,[*1] womöglich, um ihn am Valentinstag zu tragen. Danach zahlte er £ 9 0s 3d für neunzehn größere Steine, um ihre französischen Hauben zu verzieren. Ein Katharinen-Rad aus massivem Gold, besetzt mit dreizehn Diamanten, kostete £ 3 19s 4d. Einundzwanzig Rubine, eingefasst in Rosen aus Kronengold, kosteten £ 4 4s. Unter den weiteren Geschenken fanden sich einundzwanzig Diamanten, «die auf Rosenherzen aufgesetzt» waren, ein goldener Gürtel, zwei mit Diamanten und Perlen besetzte Armreife, Tabletts aus Kronengold, «Bordüren aus Gold für ihre Ärmel, besetzt mit Diamanten und Perlen», Goldknöpfe, eine «Borassus-Pflanze aus Diamanten», ein Ring mit einem großen flachen Diamanten und eine Brosche mit einem Porträt von Our Lady of Boulogne, einer beliebten Heiligen für englische Reisende, die den Ärmelkanal überquerten.[18] Die Brosche, möglicherweise ein Neujahrsgeschenk für Anne von 1531, zeigt, dass ein charakteristisches und traditionelles Abbild der Jungfrau Maria weder dem Geber noch der Empfängerin – einer Anhängerin Lefèvres – unangemessen schien.[19]

Aber selbst als Heinrich Anne mit zahllosen Geschenken überschüttete, ließ sie sich nicht kaufen. Sie war immer noch sein «guter Schatz», nicht seine Frau. Rückhalt suchte sie bei ihrer Familie, die sich inzwischen in Durham House eingerichtet hatten. Mehr denn je funktionierten die Boleyns wie ein Familienunternehmen, und sie waren überzeugt, im Besitz einer Geheimwaffe zu sein. Während der Sommerreise des Königs Anfang August 1529 hatten sich Heinrich und Anne zusammen mit seinen Höflingen, darunter Stephen Gardiner und Edward Foxe, in Essex in der Waltham Abbey einquartiert; und ebendort wurden Gardiner und Foxe mit einem vierzigjährigen Theologen wiedervereint, den sie einst in Cambridge kennengelernt hatten. Es handelte sich um Thomas Cranmer, der sich in der Nähe aufhielt, bei der Familie Cressy, mit der er verwandt war und deren Söhne er als Hauslehrer unterrichtete. Gardiner und Foxe wurden bei den Cressys einquartiert und erzählten beim Abendessen Cranmer von der Scheidung. Cranmer war derjenige, der als Erster anregte, den Blick von der Annullierungsklage in Rom auf einen allgemeineren Ansatz zu weiten, indem man gelehrte Meinungen zugunsten des Königs von den führenden europäischen Universitäten einholte. Auf diese Weise würde Heinrich eine moralische Autorität für sein Anliegen erlangen, das man beim Vatikan nutzen konnte.[20]

Nach der königlichen Sommerreise brachte Foxe Cranmer zu Heinrich. Dieser schickte ihn prompt zu dem Team aus Autoren, die ihm bei der Zusammenstellung des libellus geholfen hatten, das er dem legatinischen Gericht vorgelegt hatte.[21] Diese Gruppe, der weiterhin Foxe selbst, John Stokesley und Niccolò de Burgo angehörten, war bereits nach Durham House umgezogen, wo sie unter Thomas Boleyns Aufsicht arbeiteten. Ihr aktueller Auftrag lautete, neue, gewagtere Argumente für eine Scheidung zu finden.[22]

Als Heinrich damit begann, Scharen von Agenten und Gesandten nach Europa zu schicken, war es Annes Bruder, der als Erster abreisen sollte. Ausgestattet mit einer Vorauszahlung von 240 Pfund, um seine Auslagen zu decken, sowie mit von Heinrich unterschriebenen Beglaubigungsbriefen, in denen er als «gentleman of our privy chamber» bezeichnet wird, brach George just zu der Zeit nach Paris auf, als Wolsey sich des praemunire schuldig bekannte. George nahm John Barlow als Kurier mit.[23] Stokesley sollte ihn begleiten, um seine Unerfahrenheit zu kompensieren. Ihre Anweisungen lauteten, König Franz I. die zentralen Elemente der Argumente des Königs zu erläutern, wie sie im libellus dargelegt wurden; ihn zu überreden, sich in Rom für Heinrich einzusetzen; sowie – und das war die vordringlichste Aufgabe – sich ans linke Ufer der Seine zu begeben und die Koryphäen der theologischen Fakultät an der Sorbonne zu drängen, eine günstige Meinung zur Scheidung abzugeben.[24]

Als Nächster reiste Annes Vater an der Spitze einer handverlesenen Delegation, darunter Cranmer, nach Bologna ab, mit dem Auftrag im Gepäck, sich mit Karl und Papst Clemens auseinanderzusetzen.[25] Karl, den der Papst während ihres verlängerten Aufenthalts schließlich zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und König der Lombardei krönte, war mächtiger als je zuvor. Am 14. Oktober 1529, während der türkischen Belagerung Wiens, hatten seine spanischen Schützen mit ihren Arkebusen die Truppen Sultan Suleimans in Grund und Boden geschossen, so, wie sie es in Pavia vier Jahre zuvor bereits mit den Franzosen getan hatten. Damit hatte Karl freie Hand, sich auf Italien und Deutschland zu konzentrieren.

Am 5. November zog Karl im Triumph in Bologna ein und wurde mit Rufen wie «Karl, Karl, Reich, Reich, Sieg, Sieg!» empfangen. Bei der Begegnung mit Clemens, mit dem er im Palazzo Pubblico (dem heutigen Palazzo d’Accursio) untergebracht war, wo sie benachbarte Gemächer belegten, stieg er von seinem Pferd ab und fiel vor dem Papst auf die Knie. Er strotzte so vor Selbstvertrauen, dass er es ablehnte, die beiden jungen Söhne von Franz aus ihrer langjährigen Gefangenschaft in Spanien zu entlassen, bis ihr Lösegeld bis auf den letzten Heller bezahlt war. Zumindest dieser Umstand verschaffte den Boleyns einen gewissen Handlungsspielraum bei Franz und seiner Mutter, die die Jungen unbedingt zurückholen wollten.[26]

Als Annes Vater in der zweiten Märzwoche in Bologna ankam, stellte er fest, dass Karl taub für sämtliche Argumente Heinrichs war. Er erklärte, man könne Boleyn «keinen Glauben schenken», weil er «Partei sei», und weiter: «Ich habe die Absicht, die Angelegenheit die Gerichte entscheiden zu lassen.» Wie Sir Thomas später Heinrich berichtete, trug Karl seine Ansichten leidenschaftlich vor: «Er steht auf der gegnerischen Seite der großen Angelegenheit von Euer Gnaden», nicht allein «durch die Art seiner Rede» oder durch das, was er sagte, sondern «indem er häufig das Gleiche wiederholte».[27]

Bei Clemens erging es der Delegation des Königs nicht besser. Vielmehr legte der Papst die Latte noch höher, indem er von Heinrich verlangte, nach Rom zu kommen, und seine Wiederverheiratung bis zur Anhörung von Katharinas Einspruch untersagte. Bei einer Audienz am 23. März zeigte sich der Papst fest entschlossen. Und Boleyn jammerte kläglich: «Der Papst wird von dem Kaiser gelenkt, sodass er diesen nicht verärgern wird, geschweige denn dies überhaupt wagt.»[28]

In Paris hielten unterdessen die Franzosen den jungen Diplomaten George Boleyn für höflich, bezaubernd und für einen Freund des notwendigenfalls offenen Wortes. An der theologischen Fakultät erzielte er gewisse Fortschritte, aber bevor die Gelehrten ihr Urteil abgeben konnten, reiste Franz nach Dijon ab. Als George dann am oder um den 10. Januar in der Nähe von Troyes eine Audienz bekam, schien ihm der französische König ausweichend. Er gab George eine Goldkette im Wert von 2445 Livre, ein stolzer Preis, aber einer, der ihm weniger nutzte als das Urteil der Sorbonne, das er nicht beschaffen konnte. Mitte Februar kehrte er mit leeren Händen nach Durham House zurück.[29]

Um Georges Scheitern wettzumachen, machte Thomas Boleyn auf dem Rückweg von Italien einen Abstecher nach Angoulême, um sich an König Franz I. und Luise von Savoyen zu wenden, und hatte mehr Erfolg. Als Gegenleistung für die Zusage von mehr als 100.000 Sonnenkronen als Beitrag zum Lösegeld für seine beiden Söhne wies Franz den Präsidenten der Pariser Universität Pierre Lizet an, die Abweichler der Sorbonne zum Schweigen zu bringen. Als mit 53 zu 47 endlich ein günstiges Urteil fiel, brachte John Barlow es unverzüglich nach Rom. Heinrich war so erfreut, dass er das Urteil durch einen Ausrufer auf den Straßen Londons verkünden ließ.[30]

Während der Abwesenheit von Thomas und George begaben sich Gardiner und Foxe nach Oxford und Cambridge, um weitere Munition gegen Rom zu sammeln. Gardiner, der sich nach Wolseys Niedergang flink neu orientiert hatte, war nunmehr Heinrichs Sekretär. Andere Agenten, die hauptsächlich, aber nicht ausschließlich auf Stokesleys Weisung handelten, setzten Akademiker an Universitäten in ganz Europa unter Druck: Angers, Orléans, Bourges, Poitiers und Toulouse in Frankreich; Venedig, Padua, Pavia und Ferrara in Italien; Salamanca und Alcala in Spanien; und noch weitere in Deutschland. Die nach Italien geschickten Vertreter durchstöberten Bibliotheken vor allem in Rom, Venedig und Padua nach lateinischen, griechischen und hebräischen Quellen zur Ehe und zu den päpstlichen Vollmachten. Anfangs wurden ihre Bemühungen durch den Widerwillen der Bibliothekare, ihnen die Türen zu öffnen, behindert. In Venedig beschwerte sich ein Agent Stokesleys über den Verrat von Casalis Bruders Giambattista, der ihn auf Griechisch bezüglich des Aufenthaltsorts eines Briefes belogen hatte und ihn dann noch wochenlang mit einem falschen Katalog der Bibliothek von Sankt Markus hingehalten hatte. Den Gerüchten, Giambattista sei ein päpstlicher Spion, schenkte Anne besondere Beachtung.[31]

Im Sommer 1530 hatte Stokesley aus neun europäischen Fakultäten Urteile zugunsten des Königs zusammengetragen. Ein Taschenspielertrick kam bei dem unentschiedenen Urteil aus Angers zum Einsatz, das angeblich für Heinrich günstig ausgefallen sei, obwohl die dortigen Theologen betonten, dass es nicht verboten sei, die Witwe eines verstorbenen Bruders zu ehelichen und der Papst dieses Ehehindernis aus einem vernünftigen Grund aufheben könne.[32]

Aber was sollten Heinrich und Anne nun mit dieser neuen Munition anfangen? Es dauerte mehrere Monate, bis die Arbeit der Durham-House-Gruppe Resultate vorweisen konnte, aber als es endlich so weit war, konnte Foxe Heinrich mit einem 110-seitigen, auf Latein verfassten Dossier beglücken, das den «wahren Unterschied zwischen königlicher und kirchlicher Macht» erklärte. Das folgenschwere Dokument, dessen zerfleddertes, unansehnliches Äußeres seiner Bedeutung nicht gerecht wird, trägt den Titel Ex sacris scripturis et authoribus Catholicis («Aus den Heiligen Schriften und katholischen Autoren») und ist heute unter der Bezeichnung Collectanea satis copiosa («Ausreichend umfassende Sammlungen») bekannt. Das Dossier ging vom King’s Book aus und führte in der Folge neue, der Bibel, den Kirchenvätern, den Beschlüssen der Kirchenkonzile, dem römischen Recht, angelsächsischen Gesetzen und den Landesgeschichten und -chroniken entnommene Texte ins Feld und stellte die kühne These auf, dass der Papst nicht mehr als der Bischof von Rom sei. Und als solcher erstrecke sich seine Zuständigkeit nicht über seine eigene Diözese hinaus, der König von England hingegen sei in seinem Königreich der «Vikar Christi».[33]

Laut Dossier waren Heinrichs «rechtmäßige» Befugnisse ebenso «imperial» wie jene der frühen byzantinischen Kaiser, allen voran Konstantins des Großen und Justinians, oder der Herrscher des Alten Testaments David und Salomo (die Lieblingskönige Heinrichs waren David und Salomo, und er konnte wörtlich aus dem Alten Testament sowie dem Codex und den Institutiones von Justinian zitieren). Sollte er nunmehr beschließen, sich seine königlichen Vollmachten wiederanzueignen, könnte er seine eigenen Bischöfe ernennen, statt dem Papst lediglich Kandidaten zu nominieren, und er könnte darüber hinaus die Klöster reformieren. Ferner könnte er auch den Erzbischof von Canterbury oder ein Gremium aus Bischöfen ermächtigen, wegen seiner «Gewissensbisse» zu ermitteln und zu einem Urteil zu gelangen, ohne die Möglichkeit einer Berufung. Kein einziger dieser Schritte, argumentierte Foxe, würde Heinrich zu einem Schismatiker wie Luther machen. Er «restauriere» damit für sich lediglich legitime königliche Rechte, die angelsächsische und normannische Könige, historisch betrachtet, ausgeübt hätten und die sich der Papst angeeignet habe. (Ein Teil der Thesen des Dossiers entsprach der Wahrheit, auch wenn ihre historischen Kontexte falsch verstanden werden konnten; andere wurden so gedreht, dass sie das bewiesen, was die Verfasser dem König glauben machen wollten.) Nur Heinrich II. hatte Ende 1169, auf dem Höhepunkt seines Streits mit Erzbischof Thomas Becket, gewagt, derartige Ansprüche zu stellen, und er war damals nach dem entsetzlichen Skandal um den Mord an Becket gezwungen gewesen, Änderungen vorzunehmen.

Als das Gutachten Heinrich präsentiert wurde, gefiel es ihm sehr. An 46 Stellen versah er es mit anerkennenden Kommentaren wie «ubi hic?» («woher kommt dies?»), «de illicitis matrimoniis» («über unzulässige Eheschließungen») und «bene nota» («man beachte»). Sein Verstand jubilierte geradezu, als er erkannte, wie sehr er – auf der Grundlage dieser Beweisführung – mit vollem Recht gefordert hatte, dass Wolsey seinem Antrag auf Annullierung seiner Ehe prompt hätte nachkommen müssen, und zwar in England.[34]

Zu diesem Zeitpunkt war die Sitzung des Parlaments, die Heinrich ursprünglich einberufen hatte, um Wolsey abzusetzen, beendet. Die einzige Amtshandlung, die der König der Kammer vorgelegt hatte, war ein dreister Gesetzentwurf, um die Rückzahlung seiner Schulden zu canceln. Nachdem dies erledigt war, nutzten einzelne Mitglieder des Unterhauses die Gelegenheit, um im Gegenzug eine Kirchenreform zu fordern. Gesetze wurden verabschiedet, um die Gebühren für die Beglaubigung von Testamenten und die Beisetzung der Toten zu begrenzen und um Geistliche zu bestrafen, die ihre Pflichten vernachlässigten. Fortan sollten Geistliche in ihren Gemeinden wohnen und für Aktivitäten, die als nicht geistlich erachtet wurden, schwere Bußgelder zahlen.[35]

Daraufhin vertagte Heinrich das Parlament bis zum 1. Oktober 1530. In der Zwischenzeit wartete er auf Nachrichten aus Europa und drängte seinen neuen Lordkanzler Thomas More, die «große Angelegenheit» erneut zu prüfen. Da More sehr wohl bewusst war, dass die Stimmung dabei war zu kippen und dass die Gunst des Königs ihren Preis hatte, blieb ihm kaum etwas Anderes übrig, als einzuwilligen. Nach einem Besuch in Durham House, wo ihm ein Teil des Materials von Foxe vorgelegt wurde, blieb er jedoch bei seiner Meinung. Wie er sich später erinnerte, erwiderte Heinrich, als er diese unliebsame Neuigkeit erfuhr, dass er «nie vorgehabt habe, irgendeinen Menschen in Unruhe oder Schwierigkeiten mit seinem Gewissen zu bringen» und dass er bei seiner Scheidungsklage nur jene Berater nutzen werde, «deren Gewissen Seine Gnaden in jener Beziehung für gut und vollkommen überzeugt wahrnehme». Im Gegenzug erbot sich More, Heinrich «in anderen Dingen» treu zu dienen. Es war ein Teufelspakt mit einem gewissen Maß an Toleranz seitens des Königs, die, wie More wohl wusste, hauchdünn war, die er für den Moment aber zu schätzen wusste.[36]

Der für sein Meisterwerk Utopia – das sich eine neue Welt vorstellte, in der Könige Philosophen und Philosophen Könige waren – berühmte More wartete klug den geeigneten Zeitpunkt ab. Katharinas andere Fürsprecher hielten sich jedoch nicht zurück. Ihre Wortführer waren John Fisher, der in Blackfriars so eloquent gesprochen hatte, und Thomas Abel, einer ihrer Kaplane. Fisher appellierte an Clemens, die kürzlich eingeführten Gesetze zur Kirchenreform für «null und nichtig» zu erklären, mit der Begründung, dass das Parlament überhaupt nicht befugt sei, sie zu beschließen. Danach schrieb er ein Buch zur Verteidigung Katharinas mit dem Titel De Causa Matrimonii («Über die Sache der Eheschließung»), das Chapuys zur Drucklegung nach Spanien schmuggelte. In den Augen der Boleyns waren sowohl More als auch Fisher damit gezeichnete Männer, die sie unbedingt aus Heinrichs Räten ausschließen und wenn möglich davon abhalten mussten, an der nächsten Sitzung des Parlaments teilzunehmen. Als ein einfacher Koch, sei es als Streich, aus Versehen oder womöglich absichtlich, Fisher und einige seiner Diener um ein Haar umgebracht hätte, indem er ihrem Essen Abführmittel beigefügt hatte, wiesen so manche auf Anne und ihren Vater. Katharina war in London so beliebt, dass viele einfache Bürger den Boleyns alles zutrauten, sogar einen Bischof zu vergiften.[37]

Im Frühjahr 1530 waren Heinrich und Anne wieder versöhnt und ritten gemeinsam aus. Sie probierten ihre neuen teuren Sättel aus, bei deren Anblick vielen Dorfbewohnern vor Staunen der Mund offen blieb. Wie sie es sich immer vorgenommen hatte, ritt Anne ohne weibliche Begleiterinnen aus, sodass die beiden Zeit zu zweit verbringen konnten.[38] Es war Zufall, aber womöglich Pech, dass fast genau in diesem Moment in einer Synagoge in Rom eine Heirat zwischen einem Juden und der Witwe seines toten Bruders stattfand, direkt vor Clemens’ Nase.[39] Auch würde Heinrich in Kürze einen Verteidiger oder excusator berufen müssen, der ihn vor dem päpstlichen Konsistorium vertrat, wenn er verhindern wollte, dass das Urteil automatisch zugunsten von Katharina ausfiel.[40] Ein weiteres Hindernis, das das Paar noch überwinden musste, war Katharinas Weigerung, aus Heinrichs Palästen auszuziehen. Während sich Thomas Boleyn im Ausland aufgehalten hatte, hatte Katharina die besten Räume in den Königspalästen in Beschlag genommen und so Anne gezwungen, um ihren Platz zu kämpfen.[41] Bei aller offensichtlichen Zuneigung Heinrichs zu ihr hatte der Kampf, Katharina aus seinem Leben zu drängen, gerade erst begonnen.

Fußnoten

*1 Mit Kronengold wird eine 22-karätige Goldlegierung bezeichnet, die Heinrich in England für das Münzen einführte.