Vom Umgang mit Eisenofen-Menschen am Arbeitsplatz

Der Mensch im Eisenofen in der Rolle als Chef

Zunächst ist es sinnvoll, sich daran zu erinnern, daß es leichte, mittelschwere und schwere Formen narzißtischer Persönlichkeitsstörung gibt. Eine Klassifizierung ist nicht einfach, zumal es bei den leichten Formen oft nicht korrekt ist, von einer Persönlichkeitsstörung zu sprechen, da fast alle Menschen in westlichen Industrienationen Eisenofen-Probleme haben, also Probleme mit ihrem Selbstwertgefühl. Mitunter sind die Anzeichen der Störung jedoch deutlich zu erkennen:

Herr B. ist neuer Produktionsleiter einer Großbäckerei mit 45 Beschäftigten. Er hatte sich durch großen Einsatz und gute Zeugnisse für diese Position empfohlen. Mit seinen Mitarbeitern gab es bald täglich Auseinandersetzungen und Ärgernisse. Daß Herr B. Anweisungen an die Mitarbeiter gab, war seiner Rolle entsprechend notwendig, jedoch war damit ein Problem verbunden: Herr B. provozierte Widerspruch mit seiner mitunter willkürlichen und unsinnigen Aufgabenverteilung. Bei genauer Untersuchung ging es in erster Linie darum zu zeigen, daß er der Boss sei. In der Auseinandersetzung mit der Auflehnung seiner Mitarbeiter konnte er sich als der Mächtige spüren. Je mehr Auflehnung der Mitarbeiter, um so mehr das Gefühl von Bedeutung. Alle menschlichen Aspekte traten in den Hintergrund.

Mit Abstand betrachtet ging es Herrn B. nicht um die Sache, sondern um die Bestätigung seines Machtgefühls. Es bereitete ihm ein heimliches Vergnügen, die Untergebenen zu quälen. Auch, daß er selbst damit auf heftige Ablehnung stieß und kaum oder keinerlei Wertschätzung von den Mitarbeitern erfuhr, hatte wenig Wirkung. Im Gegenteil, hier wiederholte sich das vertraute Drama eines Menschen, der schon früh abgelehnt wurde.

Nicht selten sind solche Vorgesetzte gefährlich für Mitarbeiter und letztlich für das Unternehmen bzw. die Bereiche, für die sie zuständig sind.

Die Sucht, ein krankhafter Ehrgeiz nach Macht, ist ein verbreitetes Phänomen in unserer Gesellschaft. Gerade Menschen mit Eisenofen-Syndrom streben in Positionen, die eine Zufuhr von Bewunderung und Überlegenheitsgefühlen vermitteln. Da dies auf dem Hintergrund ihrer emotionalen Defizite geschieht, ist es ein bedenklicher Vorgang, daß gerade Manager, Politiker, Führungskräfte und Funktionäre, die in diese Rollen streben, oft an dem Eisenofen-Syndrom leiden. Sie steuern die Geschicke größerer bzw. kleiner Systeme, von denen viele andere abhängig sind. Menschen mit gewisser Selbstzufriedenheit ist es oft zu lästig, sich für Führungspositionen, politische Parteien oder Organisationen stark zu machen.

In der Rolle des Vorgesetzten ist der Eisenofen-Mensch vielfach eine Fehlbesetzung, weil es ihm letztlich darum geht, Prestige, Ansehen und Macht zu vermehren und die Interessen der Auftraggeber erst an zweiter Stelle stehen. Kann er sich damit brüsten, daß er dem Unternehmen zum Erfolg verhilft, wird er seinen Ehrgeiz investieren, und es kann sein, daß er Beachtliches leistet. Nach außen wirkt er wie jemand, der wenig Angst hat. Dies hat damit zu tun, daß er gelernt hat, seine Angst nicht zu zeigen, da Angst in seinen Augen Schwäche bedeutet. Er wird sich immer dort drücken, wo er befürchtet, eventuell eine Niederlage zu erleiden. Demgegenüber wird er nicht müde, sich seiner Taten zu rühmen, und wird keine Gelegenheit verstreichen lassen, sich ins Zentrum zu stellen. Überall, wo er Publikum findet, ist er zur Stelle. Nicht selten hat solch ein Mensch ein Talent zur Schauspielerei. Wenn es seinen Zielen dient, kann er kollegial, freundlich und sogar äußerst charmant sein. Er ist ein Verführer und hat viele Gesichter, die seine Mitmenschen blenden. Dies macht ihn als Chef äußerst gefährlich. Er ist nur schwer einzuschätzen, da er seine Positionen nach Belieben wechselt. Spürt er Aufruhr bei den Untergebenen, wird er Wege finden, diese zu besänftigen. Traumwandlerisch sicher wird er die «weichen Stellen» in der Gruppe finden, um seinen Einfluß geltend zu machen und um zu vermeiden, daß er alle gegen sich hat. Er wird seine Herrschaft am liebsten mit offener Machtdemonstration vertreten, bei Bedarf kann er sich scheinbar schwach, bedürftig und als armes Opfer beschreiben, um die Unterstützung anderer zu gewinnen oder um sie davon abzubringen, ihn zu stürzen. Verbünden wird er sich nur mit einem Stärkeren und wenn es seinen selbstsüchtigen Plänen entspricht.

Auffällig ist seine starke Tendenz zur Übertreibung. Entweder etwas ist phantastisch, einmalig und gigantisch (damit ist meist etwas gemeint, das mit ihm zu tun hat), oder etwas ist schwach, erbärmlich, falsch, fehlerhaft und schlecht (damit ist meist etwas gemeint, mit dem er konkurriert). Er spaltet in «schwarz» und «weiß». Da er nicht verlieren kann, ist Gewinnen immer ein «Muß».

Er spürt ein großes Bedürfnis, seine Bedeutung mit Statussymbolen (Auto, Hobby, Reisen, Haus etc.) zur Schau zu stellen. Alles, was er hat und tut, ist das Tollste und Beste. Sein Leben richtet sich fast ausschließlich nach Erfolg, privates Glück in der Partnerschaft ist immer weniger wichtig und wird geopfert. Affären gibt es oft und haben das Ziel sofortiger Bedürfnisbefriedigung.

Als Chef duldet der Mensch im Eisenofen keinen Widerspruch, dafür ist sein Selbstwertgefühl viel zu brüchig. «Alles tanzt nach meiner Pfeife! Ich bin der Boss!» Jeder, der mit ihm konkurriert, wird gnadenlos bekämpft, mit legalen und illegalen Mitteln. Das Gewissen ist mitunter stark eingeschränkt, und besonders zum Machterhalt ist jedes Mittel recht. Entweder ist jemand für mich oder gegen mich. Gerade im Kampf gegen Feinde spürt er sich selbst als bedeutend, und so kann er seine Fähigkeiten unter Beweis stellen. Er sieht nur seine Realität, und es gilt nur seine Sicht der Dinge.

Eisenofen-Chefs kleben an ihren Positionen und geben sie am liebsten nur auf, um einen höheren Rang zu erreichen. Müssen sie tatsächlich ihren Posten räumen, fühlen sie sich wie amputiert. Der Verlust von Prestige, Anerkennung und Macht wird sehr gefürchtet und löst regelrechte Panikgefühle aus; denn dies bedeutet den Absturz ins Nichts! Wenn dies geschieht, wenn er seine Position verliert, sind nicht selten existentielle Krisen die Folge. Es ist möglich, daß er in diesem Fall z. B. suchtkrank wird. Der zuvor häufig praktizierte latente Alkoholismus eskaliert zum offensichtlichen Kontrollverlust.

Die im Grunde Hilfsbedürftigen haben keinerlei Leidensdruck, wenn die Zufuhr von Bewunderung und Machtgefühlen ausreichend erfolgt. Erst ernste Krisen, psychosomatische Krankheiten oder bedeutende Verluste rütteln an der starren Fassade und sind immer eine Gelegenheit, das Bewußtsein zu erweitern und Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Der erlöste Eisenofen-Mensch in der Rolle als Chef

Natürlich muß ein Mensch nicht erst im Eisenofen gewesen sein, um folgender Beschreibung gerecht zu werden, die idealtypisch ist. Ideal-typisch meint, daß es die beschriebene Person in der Weise vermutlich nicht oder selten in reiner Form geben wird. Aber die Darstellung zeigt das gemeinte in einer idealen Manier.

Ein Chef, der seine Mitarbeiter schätzt und sich um sie kümmert wie ein väterlicher Freund, entspricht diesem Ideal am ehesten. Er sieht sie als das wertvollste Kapital des Unternehmens, mit dem entsprechend umzugehen ist. Er weiß um ihre Stärken und Schwächen und verstärkt in erster Linie das Positive. Er kritisiert selten oder nie, denn Kritik demotiviert; sondern er zeigt, wie es bessergeht. Er bemüht sich um eine angstfreie Atmosphäre und schätzt die Leistung. Er ist nicht an Selbstdarstellung interessiert, sondern an positiven Teamleistungen. Er besitzt natürliche Autorität, da er vertrauenswürdig, verläßlich, aufrichtig und unbestechlich ist. Es geht ihm immer um die Sache, die dem Ganzen dient, und nicht um persönliches Prestige. Er ist nicht verbissen, sondern offen für Neues und Kreatives. Er ist gelassen und kann auch Kritik an seiner Person als bereichernd schätzen.

Der erlöste Mensch im Eisenofen liebt seine Aufgabe und liebt seine Mitarbeiter (auch die Schwierigen). Er hat noch andere Interessen als seine Arbeit, er hat Hobbys und ist an persönlicher Reifung und Weiterentwicklung interessiert. Sein Verantwortungsgefühl für die Natur und für den Umgang mit den vorhandenen Ressourcen ist stark ausgeprägt.

Was tun, wenn ein Eisenofen-Mensch der Vorgesetzte ist?

Leider ist dies nicht selten der Fall, da gerade diese Menschen in Positionen streben, in denen sie über vermeintliche oder tatsächliche Macht verfügen. Es ist oft wenig erfreulich, mit einem Chef zusammenzuarbeiten, der auf Grund seiner Persönlichkeitsstörung schwierig ist. Für Mitarbeiter ist es daher sinnvoll, sich mit dieser Thematik zu beschäftigen, um der Situation weniger ausgeliefert zu sein. Zuallererst ist es daher erforderlich, die Störung genau zu kennen (Märchen und Deutung öfter lesen).

Es wird nicht leichtfallen, das verletzte Kind zu erkennen, denn mitunter leiden Angestellte sehr und entwickeln ihrerseits starke Wut- und Haßgefühle auf den Vorgesetzten, der demütigt und nicht selten völlig willkürlich und unberechenbar verfährt. Natürlich reagieren Menschen aufgrund ihrer Persönlicheitsstruktur unterschiedlich. Vor allem ist jetzt aber ihr Selbstbewußtsein gefordert.

Der Eisenofen-Chef wird genau die Seiten in seinen Mitarbeitern anrühren, die sie vermutlich selbst am wenigsten gern haben wollen, nämlich ihre eigenen Eisenofen-Anteile, die, wie bereits erwähnt, in fast jedem Menschen mehr oder weniger stark schlummern. Die Frage bleibt, wie souverän kann jemand mit Kränkung, Abwertung und Mißachtung umgehen, die in der Zusammenarbeit zwangsläufig auftreten.

Damit eine gewisse Unabhängigkeit erhalten bleibt, ist es sinnvoll, den Prozeß der Kränkung genau zu untersuchen. Im Falle einer Kränkung, etwa einer ungerechtfertigten Maßregelung oder Abwertung, reagieren die meisten Menschen mit Wut und Ärger (oder mit Depression und Angst als unterdrückte Aggression), sie sind aufgebracht und wollen auf der Stelle am liebsten zurückschlagen. Dies ist verständlich und völlig normal. Wenn der eigene Chef jedoch über Möglichkeiten verfügt, zu Konsequenzen zu greifen, die weitreichende Folgen haben, z. B. Kündigung, dann ist es notwendig, diese Impulse zu unterdrücken. Ärger und Wut werden «geschluckt». Dies ist auf Dauer gefährlich, da hierdurch psychosomatisch Krankheiten, etwa Magengeschwüre, entstehen können. Oft ist dies auch Hintergrund für eine Suchtkrankheit, da Beruhigungsmittel wie Alkohol das quälende Gefühl zwar unmittelbar beseitigen, aber nachdem die Wirkung verflogen ist, das Problem in verstärkter Form auftaucht. Die einzige sinnvolle Alternative besteht darin, den Verstand einzuschalten! Es muß gelingen, die Dinge auseinanderzuhalten. Was ist was? Es ist erforderlich, sich gedanklich eine Auszeit zu nehmen, sich nicht von Wut und Ärger überschwemmen zu lassen, sondern einen kühlen Kopf zu bewahren! Die Fragen, die man sich stellen sollte, könnten in etwa folgenden Inhalt haben:

Selbstkritisch und ehrlich sollte zunächst eine realistische Einschätzung der Situation aus der eigenen Sicht erfolgen. Es ist oft hilfreich, sie mit einem Vertrauten zu besprechen, von dem man annehmen kann, daß er objektiv ist. Es geht darum, die eigenen Anteile zu verstehen, damit dann auch die Anteile des Gegenüber klarer gesehen werden können. Selbstbetrug, der auch darin bestehen kann, die eigenen Anteile überkritisch zu bewerten, hilft nicht weiter.

Im Laufe der Zeit werden, wenn der Chef tatsächlich an einem Eisenofen-Syndrom leidet, die typischen Strukturen deutlich werden. Dann ist es wichtig zu erkennen, daß diese mit der eigenen Person nichts zu tun haben. Es handelt sich also nicht um eigene Unzulänglichkeiten, sondern um Defizite in der Persönlichkeit des Vorgesetzten. Jetzt ist der entscheidende Schritt in die Unabhängigkeit zu tun. Indem erkannt wird, daß das Problem nicht in der eigenen Person liegt, kann es auch da belassen werden, wo es hingehört. Mit anderen Worten: Ich nehme zwar wahr, daß mich eine Reaktion des Vorgesetzten ärgert, aber ich realisiere gleichzeitig, daß dies sein Problem ist. Es ist nicht meine Aufgabe, ihn zu ändern, noch trage ich die Verantwortung für seine Schwierigkeiten. Das, was er tut, soll mich zwar treffen, jedoch für das, was mich trifft, bin ich selbst verantwortlich. Wieso soll ich mich von etwas treffen lassen, was nicht meine Angelegenheit ist? Wieso reagiere ich auf etwas Unsinniges? usw. Indem ein realistischeres, anderes Denken möglich wird, löst sich auch die gefühlsmäßige Verstrickung.

Sicherlich ist es nicht für jeden gleich so einfach, auf diese Weise Distanz zu schaffen. Dies will geübt und möglichst mit Freunden und Gleichgesinnten besprochen werden.

Eisenofen-Chefs haben immer Parteigänger, die willig nicken, wenn sie etwas sagen. Diese untermauern ihre Macht und treten im Zweifelsfall für sie ein. Sie fühlen sich durch ihre Anpassung nicht bedroht, sondern genießen es, selbst an dem Machtgefühl teilzuhaben. Alle Mitarbeiter, die nicht willig nicken, erscheinen gefährlich und werden bekämpft, oft schon bevor sie in die Quere kommen. Meist haben diejenigen, die dem Eisenofen-Chef nicht zujubeln, mit mehreren Gegnern zu tun. Eine Situation, die oft nicht ungefährlich ist.

Dinge nicht überbewerten

Menschen haben als einzige Lebewesen die Fähigkeit, sich selbst zu beurteilen oder dies zumindest zu versuchen. Indem sie sich von sich selbst distanzieren, kann es ihnen gelingen, ihre Situation wie aus der Vogelperspektive zu betrachten. Es wird dadurch möglich, größere Zusammenhänge zu sehen und, vor allem, sich selbst nicht mehr für das Zentrum der Welt zu halten. Wird nicht die gesamte Situation gesehen, ist ein Steckenbleiben in eigenen Verstrickungen unumgänglich, und die eigene Position wird geschwächt.

Die häufigsten Fehler bei der Beurteilung einer Situation werden aus zwei unrealistischen Blickwinkeln heraus gemacht. Zum einen verzerren Übertreibungen, wie: Das ist beängstigend, gräßlich, furchtbar; unerträglich, entsetzlich, grauenhaft, wahnsinnig etc., eine Situation. Selten geht es wirklich um Sein oder Nichtsein – Leben oder Tod; aber viele Menschen reden oder denken so. Der amerikanische Psychologe Albert Ellis formulierte: «Wir halten alles aus, es sei denn, wir sterben daran.» Betrachtet man eine Lage oder einen Zustand unter einem Blickwinkel, der Übertreibungen enthält, werden die Gefühle entsprechend stark beeinflußt. Es entstehen starke Ängste oder starke Ärger- und Wutgefühle, die nicht in der realen Situation wurzeln, sondern einzig die Folge unrealistischer Übertreibungen sind.

Ein weiterer häufiger Fehler sind absolute Forderungen. Auch diese führen zu Streß und unrealistischen Einschätzungen. Sie verbergen sich zum Beispiel hinter Sätzen wie: «Er hat mich ernst zu nehmen. Er darf mich nicht kränken. Er sollte so nicht mit mir umgehen …» Werden diese Sätze untersucht, kann man die absoluten Forderungen erkennen. Besonders durch Worte wie muß, sollte, darf nicht, hat zu lassen sie sich identifizieren.

Der Stress wird dadurch verstärkt, daß sich der Betroffene der Situation ausgeliefert fühlt. Niemand ist davor sicher, daß jemand versucht, ihn zu kränken, oder daß man ihn nicht ernst nimmt. Die absolute Forderung, daß dies nicht sein darf, ist unrealistisch! Gesünder ist folgende Einstellung: «Es ist nicht angenehm, daß jemand versucht, mich zu kränken; ob ich jedoch gekränkt bin, das entscheide ich selbst; auch wer mich beleidigt, entscheide ich. Ich kann nicht verhindern, nicht ernst genommen zu werden. Viel wichtiger ist, daß ich mich selbst ernst nehme. Ich habe Geduld und weiß, daß sich letztlich das Richtige durchsetzt.» Dieser Blickwinkel ist realistischer und führt zu mehr Gelassenheit und Autonomie. Man ist nicht gezwungen, auf alles zu reagieren, was andere tun beziehungsweise nicht tun!

Wehren, aber richtig!

Je besser es gelingt, den Blick für das gesamte Problem zu öffnen, um so besser wird es möglich, zu entscheiden, ob es notwendig ist, sich zu wehren. Mitunter ist Kampf der falsche Weg, da sich so Probleme nur verstärken und der Schaden größer wird. Umgekehrt wurde nicht selten in der Geschichte der Menschheit den negativen Kräften zu spät oder zu wenig Widerstand entgegengesetzt. Eine falsche Form der Duldsamkeit, hinter der sich nicht selten ein Mangel an Mut verbirgt, hält destruktive Zustände aufrecht.

Bei der Analyse der Situation sollten möglichst viele Meinungen zusammengetragen werden, um zu verhindern, daß eine eigene Verstrickung stattfindet. Immer muß bedacht werden, daß Eisenofen-Menschen im Gegenüber gerade die ungeliebten eigenen Eisenofen-Anteile aktivieren.

Wenn deutlich ist, daß sich wehren notwendig ist – im wahren Sinn des Wortes –, dann ist es wichtig:

Es ist richtig, für eine Sache, für die es sich lohnt, einzutreten. Es geht aber nicht darum, mit gleichen Mitteln zurückzuschlagen – obwohl das ein verständlicher Impuls ist –, sondern um eine gewisse «Abstinenz».

Der Eisenofen-Mensch als Mitarbeiter

In dieser Rolle ist er oft nicht wesentlich pflegeleichter als in der Rolle des Chefs. Am liebsten wäre er selber gerne der Boss. Seine Tendenz, die eigene innere Unzufriedenheit wie auf einen Bildschirm in seine Umgebung zu projizieren, ist nicht selten beeindruckend. Er leidet häufig unter Stimmungsschwankungen und kann es oft nicht ertragen, daß sich andere wohl fühlen und es ihnen gutgeht. So sieht er die Welt in erster Linie pessimistisch und kann die Stimmung eines Teams von Mitarbeitern «herunterziehen», nach dem Motto: Wenn sich alle mies fühlen, geht es mir eventuell besser.

Oft fühlt er sich als der Rächer der Enterbten und Verfolgten. In dieser Rolle kann er seiner inneren Wut eine Richtung geben. Er fühlt sich edel, weil er sich für Underdogs einsetzt. Er kann kämpfen und nach dem ehrenwerten Ziel handeln, keine Ungerechtigkeiten zu dulden. Verräterisch ist die Vehemenz, mit der er Ziele verfolgt, die jegliche Verhältnismäßigkeit verloren hat.

Meist hat der Eisenofen-Mensch wenig Freunde. Vielleicht gibt es Bewunderer, die sich von seiner Großartigkeit beeindrucken lassen, oder aber sie fürchten sich vor seiner Rücksichtslosigkeit. Im Grunde ist er jedoch meist feige und scheut Situationen, die ihn bloßstellen könnten; ein wirkliches Risiko geht er lieber nicht ein. Sein schwaches Selbst erträgt keine Kritik, und so hat Kritik nicht selten lebenslängliche Feindschaft zur Folge. Oft findet sich bei ihm eine geniale Gabe im Erfinden von Ausreden (wer Kränkungen nicht ertragen kann, muß im Erfinden von Ausreden gut sein). Seine schauspielerischen Fähigkeiten sind beeindruckend, wenn es darum geht, Vorteile zu ergattern oder Schwächen zu vertuschen. Besonders Konkurrenten müssen den Eisenofen-Menschen fürchten, da er sich aller fairen und unfairen Mittel bedient, um sie zu schlagen. (Ein gesunder Wettbewerb ist wünschenswert und fördert den Evolutionsprozeß. Im Falle der Gewinnmaximierung um jeden Preis ist leider die rücksichtslose Eisenofen-Haltung gesucht und gefragt.) Was für ihn zählt, sind Bewunderung und der Zugewinn materieller Werte; mitunter ist hier eine Unersättlichkeit zu beobachten, die durchaus süchtigen Charakter haben kann.

Der tiefe Neid des Eisenofen-Menschen läßt es nicht zu, die Erfolge anderer zu würdigen oder wertzuschätzen. Er wird sie möglichst ignorieren, herunterspielen oder versuchen, sich in ihrem Licht zu sonnen. Wird er mit eigenen Unzulänglichkeiten konfrontiert, entwickelt er oft geniale Fähigkeiten, um sich vor der Verantwortung zu drücken.

Da er sich mit seiner Arbeit auf extreme Weise verbunden fühlt, kann er den Verlust derselben nicht ertragen. Wird er pensioniert oder verliert die Arbeitsstelle aus sonstigen Gründen, fühlt er sich entwertet; dies hat tiefe Krisen zur Folge.

Mit zunehmendem Alter und körperlichem Verfall geht es dem Eisenofen-Menschen meist schlechter. Er spürt, daß er zurücktreten muß, daß er von anderen überholt wird – seine innere Unzufriedenheit wächst, da er sich außerdem vor dem Altern fürchtet. Die einzige Alternative ist, die Krise als Chance zu nutzen und sich auf den beschwerlichen Weg der Erlösung zu machen, wie er sich im Märchen spiegelt.