VORWORT

von Dr. Natalie Grams-Nobmann

Dieses Buch hätte ich gerne schon vor vielen Jahren gelesen. Es hätte mich so sehr beruhigt. Als ich mein erstes Kind bekam, war das bindungsorientierte Leben noch eher verpönt: Laisser-faire! Schwäche! Planlosigkeit! Vorherrschend war die fixe Idee von der „richtigen Erziehung”. Von meinen Eltern und Großeltern habe ich noch Ratschläge bekommen wie: „Lass das Baby ruhig mal schreien, das kräftigt seine Lunge!” oder „Verwöhne es bloß nicht, das Baby braucht seinen Rhythmus!” und „Das Baby mit ins Elternbett zu nehmen, macht es nur abhängig von Nähe!”

Ratschläge wie diese wurden sicherlich in bester Absicht gegeben: Sie hatten zum Ziel, die erste Zeit mit dem Baby für die Mutter so angenehm wie möglich zu machen – schließlich ist sie es ja, die sich vornehmlich kümmert. Funktioniert haben solche Ratschläge jedoch nicht, jedenfalls nicht für mich. Es gab nämlich nicht nur den Stress der ersten Wochen und Monate, sondern auch noch den Stress des Spagats zwischen meinem inneren Empfinden und den „offiziellen” Empfehlungen. Mir war intuitiv klar, dass diese strengen Regeln nicht das sind, was mein Baby braucht, was ich brauche und was wir auch gemeinsam brauchen. Aber irgendwie habe ich mich für diesen Bindungswunsch fast schon geschämt. Es kam mir zu „alternativ”, fast schon anrüchig, vielleicht auch esoterisch vor. Trotzdem hat sich mein inneres Gefühl durchgesetzt und ich bin mit Tragetuch, ohne zeitliche Vorgaben für die Entwicklungssprünge und ohne einen vollgepackten Terminplan durchgekommen – und es wurde von Kind zu Kind besser.

Trotzdem gab es immer wieder Phasen, in denen ich ratlos, manchmal verzweifelt war. Dann wurde mir doch wieder ein Ratgeber zum besseren Kinderschlaf in die Hand gedrückt, der mir damals (und bis heute) einfach nur gruselig erschien. Aber was tut man nicht alles in seiner Verzweiflung? Umso wichtiger finde ich es, dass heute so viel Wert auf die Bindung gelegt wird und dass es so wundervolle Bücher, Kurse und Ratgeber wie die von Inke Hummel gibt. „Zu eng kann eine Bindung, gerade im ersten Lebensjahr wohl kaum sein, nur das elterliche Verhalten kann einengend sein”, lerne ich darin. Wie gern hätte ich dies schon früher gesagt bekommen und mich so viel mehr entspannen können! Ganz besonders wichtig finde ich Inke Hummels Ratschläge, was Eltern für sich selbst tun können. Denn die erste Zeit ist, egal was man tut und wie man sich verhält, oft unendlich anstrengend und kräftezehrend. Wenn die Nerven blank liegen, ist es wichtig, nicht allein auf das Baby, sondern auch auf die eigene Gesundheit, die eigene Selbstfürsorge zu achten. Die Erlaubnis zu bekommen und auch eine Anleitung dafür, wie das im Baby-Alltag gelingen kann, finde ich unglaublich wertvoll.

Denn, und hier überschneiden sich Inke Hummels und mein Wunsch nach Aufklärung wohl am allermeisten: Verunsicherung und Stress können dazu beitragen, dass man nach Antworten und leichten Lösungen sucht, wo es letztlich keine gibt. Dadurch verliert man nicht nur Nerven, Zeit und im Zweifel auch Geld, sondern vor allem auch Entspannung und Zuversicht. Egal ob das dann der schnelle Griff zu vermeintlich wirksamen Globuli ist oder der Gang zur Osteopathie.

Beides mag nicht schaden, aber eine wissenschaftlich nachgewiesene Hilfe über den Placeboeffekt hinaus ist unwahrscheinlich bis unmöglich. Ich würde mir also schon allein deshalb wünschen, dass die erste Baby-Zeit miteinander besser gelingt, sodass falsche Heilsversprechen oder zu kurz gedachte Lösungsansätze gar keine Chance haben. Und natürlich gibt es noch viele andere gute Gründe, dass Kinder von Anfang an die Möglichkeit haben sollen, bindungsstark und sicher in Beziehungen aufzuwachsen – und ihre Eltern mit ihnen und an ihnen wachsen.

Dr. Natalie Grams-Nobmann

Ärztin, Autorin von „Was wirklich wirkt – Kompass durch die Welt der sanften Medizin” und Mutter von drei Kindern

So findest du dich in diesem Buch zurecht

Die Entwicklung deines Babys ist ganz individuell, es wird gewisse Fähigkeiten zu einem Zeitpunkt erlernen, an dem es für es passt. Damit du immer an den richtigen Stellen nachlesen kannst, was für dein Baby gerade aktuell ist, kannst du dich an der Kopfzeile orientieren. Die Bilder dort zeigen den motorischen Entwicklungsstand deines Babys. Schau sie dir genau an und lies dir auch die Beschreibung dazu durch, damit du weißt, worauf du achten kannst. (Gefettet ist jeweils die Fähigkeit, die neu dazugekommen ist.)

image Dein Neugeborenes liegt in Bauchlage, den Kopf abgelegt, Beine unter dem Po und hat eine geschlossene Hand.
image Dein Neugeborenes in Bauchlage hebt nun den Kopf leicht an, die Beine sind weiterhin noch nah am Körper, die Hand kann geöffnet sein.
image Dein Baby hat in Bauchlage den Bauch noch fest am Boden, den Kopf leicht gehoben, die Arme stützen sich jetzt mehr und mehr vorne ab, die Beine ruhen noch hinten eng am Boden, die Hand ist meist geöffnet.
image Dein Baby hat in Bauchlage den Bauch weiterhin fest am Boden, den Kopf gehoben. Es streckt die Arme jetzt länger nach vorne, die Beine nach hinten und hebt die Füße leicht an; seine Hand kann jetzt etwas festhalten.
image Dein Baby hat in Bauchlage den Bauch weiterhin fest am Boden, sein Kopf ist jetzt häufig hoch erhoben, einen Arm kann es in die Luft strecken. Die Beine werden nach hinten gestreckt mit leicht angehobenen Füßen; seine Hand kann jetzt bewusst loslassen.
image Dein Baby steht jetzt im Vierfüßlerstand, seine Hand wird immer noch oft bewusst loslassen.
image Das Baby steht weiterhin im Vierfüßlerstand, seine Hand kann feinmotorischer spielen, zum Beispiel mit einer Schnur.
image Dein Baby zieht sich jetzt auf den Knien an einem Gegenstand hoch und beherrscht den Pinzettengriff mit gestreckten Fingern.
image Dein Baby steht nun an einem Gegenstand und übt den Zangengriff mit gebeugten Fingern.

Lass dich nicht verunsichern, wenn andere Babys im gleichen Alter schon weiter sind als deines. Die Zeitangaben in den Kapitelnamen sind nur ungefähre Orientierungsangaben! Im Laufe dieses Buches wirst du lernen, wie individuell die Entwicklung im ersten Lebensjahr trotz aller Parallelen ist, warum das gut so ist und wie du dein Baby am besten dabei unterstützen kannst.

Auch wenn ich im Buch gelegentlich von Papa und Mama spreche, sind immer alle Familienformen mitgemeint – alle Fakten und Ratschläge sind so bunt und flexibel wie eure individuelle Konstellation.