Herzlichen Glückwunsch! Das Abenteuer hat begonnen. In den ersten zwei bis drei Monaten des Babyjahres kannst du dich mit deinem Kind in Ruhe eingrooven in eure einzigartige Verbindung. Lerne es kennen und wachse so sicher in deine Elternrolle hinein. Du erfährst in diesem Kapitel, was dein Baby schon mitgebracht hat und welche Fertigkeiten es Tag für Tag erwirbt. Du lernst, wie du es unterstützen kannst und welche Anforderungen der Außenwelt du getrost ignorieren darfst.
Dein Baby ist noch ganz neu in dieser Welt und doch ist ihm nicht alles fremd, denn es bringt bereits einige Fähigkeiten mit ins Leben und hat auch im Bauch schon viel mitbekommen. Nicht alles, was dein Säugling zeigt, ist tatsächlich angeboren, sondern hat sich vielleicht erst in der Schwangerschaft entwickelt. Diese neun Monate haben bereits eine große Bedeutung. Mit diesen Startbedingungen geht es in den ersten sechs bis acht Wochen für dein Neugeborenes vor allem um Anpassung: Töne, Temperatur und Bildeindrücke sind anders als im Bauch, das Fruchtwasser, in dem es sich so leicht gefühlt hat, ist weg und so vieles mehr.
Unsere Babys sind, anders als viele Tiere, keine „Nestflüchter*innen”, die rasch ohne Eltern auskommen, aber auch keine „Nest-hocker*innen”, die viel allein sein können, wenn die Eltern Nahrung organisieren. Sie sind auf eine enge Verbindung angewiesen und wahre Traglinge: „Nimm mich überall mit hin!” Erst einmal ins Wochenbett, aber dann wirklich an jeden anderen Ort. Am liebsten auch aufs Klo!
Sie fordern Sicherheit, Nähe und Beziehung ein, notfalls mit Lautstärke. Denn nur so gestärkt können sie sich optimal an alles anpassen, was die Welt von ihnen erwartet. Du darfst diese Welt anfangs für dein Baby gestalten.
Komplexe Gedanken kann dein Baby natürlich noch nicht fassen, aber dennoch spielt sich schon sehr viel in seinem Kopf ab. Es nimmt seine Umwelt wahr und lernt von Anfang an – das begann schon im Bauch der Mutter. Die Eindrücke sammelt es wie auch wir Großen über seine Sinne, die aber anfangs noch beschränktere Möglichkeiten haben als unsere und sich über einen längeren Zeitraum erst entfalten müssen. Anfangs nimmt dein Baby alle Eindrücke noch vorwiegend getrennt auf, doch auf seinem Entwicklungsweg werden die Wahrnehmungen rasch zusammengeführt: Dann schaut es beispielsweise nach, was es gefühlt oder gehört hat, weil alle Sinnesorgane und das Gehirn sich verknüpfen. Das kannst du unterstützen, indem du alle Sinne spielerisch ansprichst und zu viele Eindrücke auf einmal vermeidest.
Auch Gefühle spielen ins Denken hinein – je jünger ein Mensch ist, desto stärker. Ihnen widmen wir uns im nächsten Abschnitt.
Babys kann man nicht befragen. Aber durch das Beobachten ihrer Reaktionen auf Temperatur, Schmerzen, Druck, Berührungen und weitere Reize, sowohl im Bauch der Mutter als auch im ersten Lebensjahr, ist viel über ihre angeborenen und seit der Frühschwangerschaft erworbenen Fähigkeiten bekannt. Wie gut sie wahrnehmen und diese Wahrnehmungen verarbeiten, ist schon von Geburt an individuell verschieden: Einige Babys sind besonders aufmerksam und feinfühlig, andere eher zerstreut bis unempfindsam. Letztere brauchen etwas mehr Zeit und über die Jahre vermutlich mehr Unterstützung beim Wahrnehmen, bei der Reizverarbeitung und in Bezug auf ihr Handeln.
Dein Baby fühlt mit jedem Millimeter seiner Haut und besonders stark mit den Lippen. Durch Daumennuckeln und Fruchtwassertrinken hat es diese im Bauch schon gut genutzt. Weitere sensible Bereiche sind die Handinnenflächen, die Fußsohlen und auch die Genitalien, weil die Haut dort über viele Rezeptoren, also Reizaufnehmer, verfügt. Sei also besonders behutsam, wenn du dein Kind dort berührst. Es wird die Gefühle mögen, aber eventuell auch rasch überreizt sein und benötigt dann die Chance, sich abwenden zu dürfen. Solange es das noch nicht aus eigener Muskelkraft kann, musst du vorsichtig darauf achten, ob ihm etwas zu viel wird. Meist kannst du es seinem Blick und seiner Kopfhaltung entnehmen, die signalisieren: „Ich habe genug!”
Dein Baby fühlt mit seinem ganzen Körper, beispielsweise wenn du es trägst, und kennt schnell die typischen Tragehaltungen von euch Eltern. Nimmt jemand anderes es auf ungewohnte Weise hoch, kann es dadurch – oft auch in Kombination mit zum Beispiel einem fremden Geruch – erschrecken. Dieser Person, die dann häufig traurig ist, kannst du sagen: „Es lehnt nicht dich ab, sondern ist einfach vorsichtig Neuem gegenüber. Denn das bedeutet Unsicherheit.”
KÖRPERTEMPERATUR
Temperaturunterschiede kann dein Baby von Anfang an spüren, ist dabei aber auf deine Hilfe angewiesen, um sich vor starker Kälte oder großer Hitze zu schützen. Viele Erwachsene erschrecken, wenn das Baby kalte Füße und Hände hat. Sie deuten das als Zeichen dafür, dass es friert, und ziehen es daraufhin viel zu warm an. Dabei ist es dort oft kühl, weil die Durchblutung im Babyalter noch nicht so gut funktioniert und der Körper vor allem das Wesentliche heizt: Bauch und Kopf. Kalte Hände oder Füße sind also kein klares Zeichen für zu wenig schützende Kleidung, sondern für die noch nicht ganz rund laufende Durchblutung der Extremitäten. Hier helfen keine Handschuhe und dicke Socken, sondern alles, was die Durchblutung anregt: Hilf deinem Baby durch Beugen und Strecken der Arme und Beine oder Streicheln der Hände und Füße – und sag das auch aufgeregten Verwandten, die sich sorgen.
Erste Orientierungshilfe beim Anziehen deines Babys ist die eigene Kleidung. Orientiere dich daran und ziehe ihm eventuell eine Lage zusätzlich an. Der zweite wichtige Anhaltspunkt ist der Nacken: Fühlst du dort Schweiß oder eine erhöhte Körpertemperatur, ist es deinem Baby wirklich zu heiß. Schweiß auf der Kopfhaut unterm Babyhaar oder an den Käsefüßchen ist nicht der beste Indikator.
Du wunderst dich trotzdem über müffelige Käsefüßchen, die gar nicht herrlich nach Baby duften? Kein Grund zur Sorge: Die Babyfüße haben von Anfang an so viele Schweißdrüsen wie die Füße Erwachsener, nur auf viel weniger Fläche. Das riecht dann auch mal intensiv.
Spätestens ab der Mitte deiner Schwangerschaft reifte bei deinem Baby langsam das Hörvermögen. An Töne und Stimmen, die es damals häufig hörte, erinnert es sich nun und reagiert merklich darauf, wenn sie wieder auftauchen. Das sind erste Gedächtnisleistungen. Mamas Stimme ist natürlich besonders präsent, aber auch die Sprechweise vom Papa oder möglichen Geschwistern oder Melodien aus der mit Babybauch ständig geschauten Serie können ein wohliges Gefühl der Sicherheit auslösen: „Juhu, das kenne ich schon!” Personen, die seine Muttersprache sprechen, sind bereits dem Neugeborenen näher als Menschen, die Worte aus fremden Sprachen nutzen. Menschliche Stimmen kann dein Baby aus anderen Geräuschen herausfiltern und bevorzugt sie sogar, denn es ist durch und durch sozial.
Die Tatsache, dass dein Baby Geräusche bereits zuordnen kann, kannst du dir zunutze machen.
Ist es aktiv und möchte spielen? Deine Stimme, die Melodie der Spieluhr und andere bekannte Töne können zu begeisterndem Spielzeug werden. Recht früh beginnt dein Baby, die Geräusche zu lokalisieren und Hören und Sehen besser miteinander zu verbinden. Bietest du den Sound von verschiedenen Stellen aus an, kannst du in den ersten Lebensmonaten gut beobachten, wie es immer besser darin wird, zu erkennen, von wo ein Geräusch kommt: Der Kopf oder der ganze Körper wenden sich den Tönen zu, anfangs fast unmerklich, bald – mit steigender Körperkontrolle – immer deutlicher.
Oder ist dein Baby überreizt und unruhig? Dann können die bekannten Tonabfolgen ebenfalls helfen. Besonders berührt sind Babys in dem Fall oft von Rauschen: der Dunstabzug, der Föhn, das Meer, der Schleudergang der Waschmaschine (alles auch als App zu bekommen). Rhythmisch eintöniges Sausen erinnert vermutlich an das, was dein Kind im Bauch die meiste Zeit gehört hat: „Juhu, das kenne ich noch!”
Zum Hören gehört auch das Sprechen. Dein Kind beginnt mit Schreien und nach und nach den ersten, unglaublich niedlichen Lauten. Diese sind weltweit zunächst sehr ähnlich, aber passen sich rasch entsprechend der Umgebungssprache an. Melodien und Tonhöhen sind sogar von Beginn an beim Schreien verschieden, je nachdem welche Muttersprache das Baby im letzten Schwangerschaftsdrittel gehört hat.
Bis dein Kind vielleicht kurz vor dem ersten Geburtstag sein erstes wirkliches Wort sagt, saugt es erst mal ganz viel Sprache auf und probiert seine Artikulationsorgane wie Lippen, Zunge und Stimmbänder spielerisch aus.
Im Grunde ist bei den meisten Babys das Erste, was sie sagen, nicht „Mama”, sondern eher so etwas wie „erööö”.
Wir zählen solche Lautfolgen nicht als Wörter, weil sie nicht mit Bedeutung gefüllt sind. Zunächst hörst du nur solche Babytönchen, Quäken und vor allem viel Geschrei. Dennoch ist es wichtig, wie du mit deinem Kind sprichst:
• Wenn du etwas mit ihm oder in seiner Nähe machst, sprich darüber. Es spürt deine Zuwendung, hört deine Worte, fühlt sich geborgen. Versorgen Eltern ihre Kinder, ohne zu sprechen, und vielleicht auch noch, ohne zu lächeln, ganz mechanisch, „weil sie doch eh noch so klein sind”, irritiert und verunsichert das das Baby.
• Du darfst dabei auch die sogenannte „Ammensprache” verwenden: einfache Worte und Laute, Wiederholungen, zugewandte Betonung. Sie ist ansprechend für dein Baby, weniger komplex und verbindend: „Papi ist schon da-da!”, „Mag Pepe mit der Mama kuscheln?” Du musst dafür gar nichts üben, denn diese Art des Sprechens beherrschen eigentlich alle Erwachsenen intuitiv und zeigen sogar automatisch eine ganz herzliche Mimik dabei.
• Wächst dein Kind mit zwei Sprachen auf, hilft ihm derartig vereinfachtes Sprechen dabei, die Sprachen im weiteren Verlauf leichter zu unterscheiden.
• Doch sprich immer wieder auch wie mit einem Erwachsenen mit ihm und verwende korrekte Grammatik. Dein Baby kann relevante Information im Laufe des ersten Lebensjahres immer besser heraushören und die Komplexität fördert seine geistigen Fähigkeiten.
• Reime, Singsang und Lieder werden deinem Baby besonders gefallen. Wiederholst du hier bestimmte Verse oder Melodien, erinnert es sich und fühlt sich durch die Bekanntheit ein Stückchen wohler.
Im dritten Lebensmonat etwa kannst du schon Lallen, Gurren und Kehllaute ausmachen. Dein Baby betreibt spielerisch Stimmbildung und testet alle Artikulationsmöglichkeiten aus, die es hat. Dazu gehört auch, Spuckebläschen auf den Lippen zu bilden und platzen zu lassen. Dieses erste Sprechen ist vor allem sozial: Dein Kind will mit dir eine Verbindung aufbauen, sehnt sich danach, dass du es anschaust und ihm zugewandt antwortest. Die Evolutionsbiologie würde sagen, es geht in Beziehung, um zu überleben.
DAS KINDLICHE GEHÖR
Diese ersten Laute machen auch gehörlose Kinder. Ob dein Baby vielleicht nicht richtig hört, wird mehrfach in den verschiedenen Vorsorgeuntersuchungen durch die kinderärztliche Praxis untersucht. Wenn sich hier eine Unsicherheit ergibt oder du selbst aufgrund deiner Beobachtungen das Gefühl hast, es könnte etwas nicht stimmen, mach einen Termin in einer pädaudiologischen Praxis aus. Dort ist man spezialisiert auf Kinder und hat auch die entsprechenden Geräte und Hilfsmittel, über die eine normale HNO-Praxis womöglich nicht verfügt.
Auch Schreien ist Kommunikation. Babygeschrei ist bunt. Du wirst schnell spüren, dass dich das Schreien manchmal mehr fordert als in anderen Fällen. Denn du bist verschieden stark relaxt oder gestresst. Und es gibt Unterschiede in der Intensität oder der Tonlage beim Kind. Manchmal ist zu spüren, dass die Dringlichkeit sehr hoch ist, andere Male klingt es eher wie ein gelangweilt schimpfender Rohrspatz. Leider gibt es hierfür kein „Wörterbuch”. Alle Eltern müssen ihr Kind kennenlernen und Reaktionen ausprobieren. Wenn du dein Kind dann versorgst, ist das schon die halbe Miete, auch wenn du nicht sofort genau weißt, weswegen es wohl gerade schreit.
Schreien kannst du durchaus als etwas Positives sehen – versuche es mal. Denn dein Baby kommuniziert mit dir.
Es sucht dich, es will mit dir in Verbindung gehen. Und es lässt raus, was sich an Stress angesammelt hat. Dein Baby ist nämlich gar kein so „hilfloses kleines Würmchen”, wie es den Anschein hat. Allerdings braucht es dich als Gegenpart, um richtig stark sein zu können.
Die Babyaugen haben schon in der Frühschwangerschaft etwas wahrnehmen können, zum Beispiel ob es draußen vor der Bauchdecke hell oder dunkel war. Aber vor allem: „Hach, es ist alles so schön rot hier.” Dieses Können zeigt sich in den ersten Monaten nach der Geburt deutlich: Dein Baby liebt alles, was starke Kontraste zeigt (schwarz und weiß oder bestimmte Muster zum Beispiel), rot oder sehr groß ist, sich direkt vor ihm befindet oder sich bewegt. Unbewegliche Reize sind rasch langweilig. Außerdem mag es alles, was auch nur im Entferntesten ein Gesicht hat, denn Menschen sind durch und durch soziale Wesen. Uns Erwachsenen geht es besser, wenn wir nicht allein sind, und unsere Säuglinge brauchen diese Anbindung erst recht.
Viele Babysachen passen gar nicht zum Sehvermögen der Kinder, denn sie haben beispielsweise blasse Pastellfarben. Häufig als edel angesehene zarte Grau-, Braun- und Blautöne sind besonders schlecht zu erkennen. Damit sind die Spielsachen für dein Baby besonders langweilig. Manchmal kann man ein Püppchen oder Tierchen upgraden und das Gesicht mit schwarzem Garn nachsticken oder mit wasserfestem Stift nachmalen. Hat ein Spielzeug kein Gesicht, wähle lieber starke, leuchtende Farben als gedämpfte. Dein Baby wird dann definitiv mehr Interesse und Begeisterung zeigen.
Die Babyaugen sind im ersten Vierteljahr noch sehr träge. Vielleicht schielt dein Baby zeitweise – das ist in der Regel kein Grund zur Sorge und spielt sich rasch ein. Schielt es dauerhaft, ist das ein Thema für die nächste Vorsorgeuntersuchung.
Es tut sich außerdem noch schwer, etwas zu fokussieren. Darum ist dein Baby darauf angewiesen, dass du beim Spielen mit ihm langsame Bewegungen machst. So hat es die beste Chance, dir zu folgen. Als Entfernung solltest du etwa 25 Zentimeter wählen – deine halbe Armlänge. Wiegst du es in deinen Armen, hat es also genau dein Gesicht gut im Blick. Bis dorthin reicht seine Sehkraft. Alles, was weiter entfernt ist, verschwimmt noch.
Manchmal bedeutet die Trägheit der Augen aber auch, dass dein Baby sich von einem einmal fokussierten Gegenstand schwer abwenden kann. Wenn du den Eindruck hast, es kommt nicht los, ist aber eigentlich überreizt, bring deine Hand oder dein lächelndes Gesicht in sein Blickfeld. So kannst du ihm helfen.
Es gibt jede Menge Spiele, die Handbewegungen und Gesang vereinen. Wenn du keinen Babykurs besuchst, lohnt sich die Anschaffung eines entsprechenden Buches mit Ideen für Texte, Melodien und Gesten. Summt deine Hand beispielsweise langsam während eines Bienenliedes über dein Kind hinweg, sprichst du Augen, Ohren und Sprachverständnis sowie Motorik an und verbindest die Entwicklung der einzelnen Sinne wunderbar.
Das Sehvermögen wird in den kinderärztlichen Vorsorgeuntersuchungen überprüft, so gut es in diesem jungen Alter geht. Hast du Vorbelastungen in der Familie oder ist dir etwas aufgefallen, was dich verunsichert, sprich das an. Eventuell schickt man euch weiter zu einer fachärztlichen Praxis oder gibt dir auch weitere Ideen zum spielerischen Umgang mit diesem Sinn für zu Hause mit. Häufig werden Sehfehler jedoch erst etwas später im ersten Lebensjahr festgestellt und sind dann immer noch gut behandelbar.
Wenn du Schnupfen hast, schmeckst du nicht mehr viel, denn Schmecken und Riechen sind eng miteinander verknüpft. So ist das auch bei deinem Baby. Es kennt schon die herrliche Süße des Fruchtwassers und ist dadurch auf zuckrig gepolt. Wie clever von der Evolution, denn in der Natur ist Süßes meist ungiftig. Auch Mutter- oder Pre-Milch sind dank des enthaltenen Milchzuckers natürlich und unschädlich süß. Das reicht, damit dein Baby sie liebt. Durch die Ernährung einer stillenden Mutter verändert sich der Muttermilchgeschmack auch mal, aber die Hauptprägung bleibt. Deswegen werdet ihr später wahrscheinlich öfter über „Mehr Schokolade!” diskutieren als über „Mehr Bohnen!”
Sowohl beim Schmecken als auch besonders beim Riechen ist dein Baby sehr empfindlich und kann kleinste Spuren erfassen. Das ist im Grunde bewundernswert, denn wir Großen sind manchmal schon sehr abgestumpft und brauchen extra viel Curry oder Lavendel für den Kick. Dein Baby hingegen kann anhand einer kleinen Duftprobe seine Sippe wiedererkennen oder bemerken, dass die Milch (oder die Brust) nahe ist.
Aber diese Empfindsamkeit kann dein Kind auch stressen: Für Reizüberflutung reicht manchmal das starke Parfüm der Omi. Dann hast du einen schreienden Winzling, der sich vielleicht kaum beruhigen lässt. „Zu viel! Zu fremd!” Hier solltet ihr als Familie darauf achten, dass die Reize nicht zu stark sind (denke auch an Weichspüler & Co.), und euer Umfeld um Rücksichtnahme bitten.
Irgendwann kann ein Mensch seinen Körper trotz verschiedenster Sinneseindrücke gut kontrollieren. Deinem Baby fehlen dafür aber noch einige Fähigkeiten. Weder sein Gehirn ist weit genug, um bewusst etwas steuern zu können, noch würde seine Muskelkraft dafür ausreichen, gezielt etwas zu nehmen oder von sich wegzuschieben. Zum Glück hat die Natur dafür gesorgt, dass manches daher anfangs nahezu automatisch abläuft. Dein Baby ist mit Reflexen und Reaktionsprogrammen ausgestattet, mit denen es auf Reize bereits typisch reagieren kann:
• Es kann schreien, wenn es überfordert ist, und zappeln, wenn es Bauchweh spürt.
• Es reagiert umgehend verängstigt, wenn etwas ungewohnt oder besonders intensiv, zum Beispiel sehr laut, ist.
• Es verkrallt sich in deinen Haaren, wenn es sie zu fassen bekommt, es breitet seine Arme aus und zieht sie wieder heran (versucht also sich festzuhalten), sobald es das Gefühl hat zu fallen.
• Es saugt an allem, wenn seine Lippen etwas berühren, und lässt deinen Finger nicht mehr los, wenn es ihn einmal umfassen konnte.
• Das gilt auch für die Zehen: Dein Baby kann damit noch ähnlich gut greifen wie mit den Fingern! Legst du einen Finger von dir unterhalb seiner Zehen an den Fuß, wird es versuchen, ihn zu halten.
Ein wenig angepasst und variabel sind die Reflexe aber doch, denn Wachheit und Hunger können zum Beispiel den Saugreflex verstärken und Müdigkeit und Sattheit können ihn verringern.
Manches schafft dein Baby auch aus Zufall: Dann trifft ein Füßchen beim Ganzkörperzappeln den rasselnden Ball oder das Fäustchen landet im Mund. (Saugt das Baby es an und beruhigt sich dabei, ist das hingegen wieder ein Reflex und kein Zufall.) Doch wirkliche Kontrolle lernt es erst später im ersten Lebensjahr, wenn die Sinne stabil verbunden sind und das Gehirn reichlich reifen konnte.
Schon Babys haben sogenannte Spiegelneuronen im Gehirn, die sie immer weiter verfeinern. Diese helfen ihnen dabei, die Stimmung ihrer Bezugspersonen aufzunehmen. Das bedeutet aber auch, dass ein Baby nicht immer selbst etwas machen oder spüren muss. Manchmal reicht es aus, wenn es dich oder jemand anderen bei etwas beobachtet, damit es die gleiche Reaktion, das gleiche Gefühl in sich spürt.
Denken, Fühlen und Handeln sind bei kleinen Kindern nicht getrennt.
Oft heißt es, dass die Spiegelneuronen in den ersten Lebensmonaten schon so toll funktionieren, dass dein Kind dich in sehr einfachen motorischen Vorgängen imitieren würde. Denn manchmal reißt es wie du den Mund oder die Augen weit auf oder zeigt seine Zunge. Und auch du wirst häufig entsprechend reagieren und mit ihm schmatzen, lächeln, gähnen oder das Gesicht verziehen. Das ist alles schon soziales Miteinander, Kommunikation, die in deinem Kind für gute Gefühle sorgt und es außerdem dabei unterstützt, seine Sinne immer besser zu verknüpfen.
Inwieweit das aber tatsächlich bewusst passiert oder doch eher Zufall ist und im Grunde viel mehr du dein Kind nachahmst, ist laut neuerer Studien nicht ganz eindeutig zu sagen. Erst kurz vor dem ersten Geburtstag entdeckst du ganz bewusste Imitationen (wie z. B. Klatschen, Winken oder Klopfen), die dann wirklich vom Kind ausgehen und mit viel Freude verbunden sind.
Kann dein Baby sich schon irgendetwas merken? Was glaubst du? Vieles ist Zufall, Gewohnheit oder Reflex, aber tatsächlich lässt sich belegen, dass Babys sehr schnell bis zu drei Tage lang etwas im Kopf behalten können. Zum Beispiel, dass die eine Puppe immer Musik macht, wenn an dem Band zwischen ihren Beinen gezogen wird (es erwartet dann den Sound), oder dass am Wickeltisch immer das Bild vom Clown mit der roten Nase hängt. (Das Wiedererkennen kann ein wohliges oder auch freudig-aufgeregtes Gefühl auslösen.)
Musst du etwas für die Reifung von Hirn und Sinnesorganen tun? Ja, dein Baby ist auf Unterstützung angewiesen. Natürlich entwickelt sich ein Kind auch ohne jedes Zutun aus eigenem Antrieb, aber ohne entwicklungsfördernde Umgebung und gute Bindungspersonen wirklich nur auf Sparflamme. Studien konnten nachweisen, dass sich die Unterschiede in Ansprache und Fürsorge im ersten Lebensjahr bei Kindern im weiteren Leben deutlich bemerkbar machen. Abweichungen bei den intellektuellen Möglichkeiten sind ebenso wahrscheinlich wie grundsätzliche Bindungsunsicherheit, wenn sensible elterliche Begleitung fehlt.
Das bedeutet nicht, dass du Frühchinesisch und Babyschwimmen buchen musst. Stress und Druck durch derlei Verpflichtungen und feste Kurszeiten können je nach Temperament sogar nachteilig sein. Beim Lernen ist es für jeden Menschen immer wichtig, wie sicher gebunden er sich fühlt und wie gut die Beziehung zu dem oder der Lehrenden oder zum Umfeld ist. Ganz unabhängig von den Inhalten. Du kennst das sicher: Die einfachsten Vokabeln können nicht in den Kopf, wenn man Hunger hat oder in der Schule ständig heruntergemacht wird.
Du bist die Person, welche für menschliche Wärme und Sicherheit sorgen und die Tage für dein Kind in einem guten Wechsel aus Anregung und Entspannung planen sollte. Denke daran, was du über die Sinne gelesen hast und spiel mit deinem Kind in seinen aktiven Phasen entsprechend. Auch simples Wiegen, Singen, Bei-ihm-Sein ist Entwicklungsförderung. Handle langsam und ruhig mit vielen Wiederholungen. Vielfalt wird im Babyalter immer nur für die Eltern geboten; Babys würden sie nicht wählen. Ihre Gehirne freuen sich über immer Gleiches, denn das erleichtert ihnen das Lernen.
Schütze dein Kind vor Überreizung. Das kann bedeuten, dass du immer mal wieder Pläne umschmeißen und Angefangenes abbrechen musst und vielleicht deine Vorstellungen zu kurz kommen. Das wird auch wieder anders!
Hast du Angst, dein Baby könnte etwas verpassen, weil dich beispielsweise eine Krankheit oder ein forderndes großes Geschwisterkind daran hindert, ihm die Entwicklungsgelegenheiten zu geben, die dir wichtig und sinnvoll erscheinen? Es ist richtig, dass es für jeden Menschen Zeitfenster gibt, in denen er bestimmte Fähigkeiten besonders gut lernen kann. Und dass es später schwieriger wird, wenn dieses Zeitfenster verpasst wurde. Aber erstens ist es in der Regel so, dass das Erlernen zu einem anderen Zeitpunkt zwar herausfordernder, aber nicht unmöglich ist. Selbst ein unsicheres Bindungsverhalten kann umgelernt und repariert werden! Zum anderen ist deine Begleitung sicher ausreichend intensiv, wenn du dich mit all diesen Inhalten hier befasst, auch wenn dein Baby hier und da mal zu kurz kommen sollte.
Denken und Fühlen sind eng verknüpft. Bei Kindern ist dies noch besonders stark der Fall, nicht nur im ersten Lebensjahr. Das kindliche Gehirn muss erst noch reifen, um irgendwann bewusster trennen zu können. Dein Baby schwimmt in einem See aus Sinneseindrücken, Gefühlen und dem Glück, mit seinen Bezugspersonen zusammen zu sein. Dabei nimmt es schon jede Menge wahr und muss mit diesen Empfindungen zurechtkommen. Das ist gar nicht so leicht, du musst es dabei unterstützen.
Egal wie anstrengend das ist: Dein Kind tut nichts gegen dich, sondern nur für sich. Um zu überleben, nicht um „einen Machtkampf zu gewinnen”. Lass dich auf die Begleitung ein.
Schon im Bauch hatte dein Baby Empfindungen. Durch äußeren Einfluss können diese negativ geprägt sein. Musste die Schwangere geröntgt oder operiert werden, hat sie Alkohol oder ähnliche Substanzen eingenommen oder ging es ihr besonders schlecht durch außergewöhnlichen Stress, hat ihr Baby das mitbekommen. Das hat unter Umständen Spuren hinterlassen. Möglicherweise zeigt es selbst verstärkt Stress bei Themen wie Schlafen oder Essen und in seinem Schreiverhalten.
Aber: Zeigt dein Baby Regulationsprobleme, ist also leicht irritierbar und hat offensichtlich immer wieder einen hohen Stresslevel, muss das nicht mit deinem Verhalten oder Erleben in der Schwangerschaft zusammenhängen, sondern kann viele andere Gründe haben. Selbst wenn du um möglicherweise auslösende Momente oder Phasen weißt, geh bitte vorsichtig mit dem Schuldbegriff um. Vorsätzlich konsumierte Drogen, um deren Schädlichkeit jede Schwangere weiß, sind etwas ganz anderes als notwendige medizinische Maßnahmen oder unbeeinflussbare Voraussetzungen im Alltag. Auch diese müssen sich nicht schädigend auf das Baby auswirken, es handelt sich hier wirklich um sehr komplexe Zusammenhänge.
Natürlich kann dein Baby spüren, ob seine Umgebung warm oder kalt ist, etwas weich oder pieksig ist. Aber es kann auch schon ganz andere Dinge fühlen, die viel weniger konkret sind und für die es „Antennen” braucht, nicht die Sensoren seiner Haut: Unruhe oder Angst, Freude oder Staunen, Anspannung oder Entspannung. In den ersten Lebensmonaten ist das für alle Menschenkinder ziemlich gleich. Bestimmte Irritationen drücken quasi Knöpfe und lassen eindeutige Reaktionen folgen. Zum Beispiel würde ein Feuer ebenso jedes Baby ängstigen wie ein ständig abgewandter, distanzierter Elternteil. Beide Fälle lassen sich aus der Evolution heraus begründen, denn sie signalisieren dem Kind: Lebensgefahr! Erst im weiteren Verlauf des ersten Lebensjahres mischt hier immer mehr das Gehirn mit. Kennt dein Baby mit der Zeit beispielsweise kurzes Versteckspielen, empfindet es keine Angst mehr, wenn du verschwindest, sondern eher Spaß.
Bereits in den ersten Lebenswochen hat dein Baby ein Talent für Mimik. Manchmal bewegt es die Gesichtsmuskeln zufällig, manchmal hast du das Gefühl, die Bewegungen seien gezielter. Oft verzieht es sein Gesicht auch reflexartig als Reaktion auf einen Reiz, wie zum Beispiel ein nicht so lecker schmeckendes Fingerchen. In solchen Momenten kannst du seine Gefühle gut erkennen. Nach den ersten Wochen wird das immer kontrollierter. Weit geöffnete Augen und Lippen sind ein wertvolles Signal für dich, denn sie bedeuten, dass dein Baby Lust auf aktive Zeit mit dir hat.
Das Signal, dem du wahrscheinlich am meisten entgegenfieberst, ist das erste Lächeln. Manchmal formt dein Kind seinen Mund schon in den ersten Tagen so, dass es nach engelsgleichem Glück aussieht. Aber das ist noch Zufall. Bewusst kann es seine Freude erst nach etwa sechs bis acht Wochen zeigen. Oft ist das nicht nur ein Zeichen, dass es sich wohlfühlt, sondern es steckt mehr dahinter: Dein lächelndes Baby will sich mit dir verbinden und sichergehen, dass ihr ein Team seid.
Merke dir das für die weiteren Lebensjahre deines Kindes: Auch Kleinkinder lächeln, wenn sie Verbindung suchen. Je älter der Nachwuchs wird, desto eher vermuten wir Großen dahinter etwas Boshaftes. Drückt das Kind nach dem zehnten Nein den Knopf am Fernseher, grinst es uns doch an, weil es uns ärgern will – oder? Nein. Dein Kleinkind kann keine derartigen Pläne schmieden. Wie dein Baby auch will es sich rückversichern, wie die Bindung ist und ob es geliebt wird. Es braucht dann Zuwendung und Miteinander und kein Schimpfen.
Zu Beginn des Lebens beeinflussen die Gefühle den Menschen noch, ohne steuerbar zu sein, vor allem die negativen. Ein Baby kann sich nicht sagen: „Das, was ich da spüre, ist ja in echt gar nicht so tragisch.” Es nimmt, auch über die Spiegelneuronen, viel auf und muss diese Gefühle – besonders Anspannung, Stress, Frust – regulieren, um gut durch den Tag zu kommen. Hier gibt es schon entscheidende Unterschiede von Kind zu Kind, die uns Eltern die Begleitung leicht oder schwer machen können.
• Manche Babys kommen regulationsstark zur Welt und können meistens sehr gut für sich selbst sorgen. „Anfängerbabys” heißt es da gern, weil sie so leicht zu begleiten sind. Mit deinen Fähigkeiten als Mama oder Papa hat das allerdings nichts zu tun.
• Andere Babys sind weniger regulationsstark, können aber gut signalisieren, was sie wann benötigen. Sie sind bindungsstark. Ihre Begleitung ist ein wenig anspruchsvoller, aber meist gut zu leisten. Oft reicht ihnen schon, etwas Gewohntes zu riechen, zu sehen oder zu hören, um sich zu beruhigen.
• Wieder andere sind besonders regulationsschwach und sehr leicht irritierbar. Sie kommen allein nicht zurecht, können ihre Hilfsbedürftigkeit auch nicht gut anzeigen und müssen über die Jahre Strategien lernen, um sich selbst zu regulieren. Als Säuglinge (und auch später noch) brauchen sie besonders viel Körperkontakt und Nähe. Das sind die Babys, die uns besonders fordern. Je älter sie werden, desto besser können sie Anpassung und Bewältigung bei guter Begleitung lernen.
REGULATIONSSCHWACH ODER GEFÜHLSSTARK?
Die Autorin und Journalistin Nora Imlau prägte den Begriff gefühlsstark (statt regulationsschwach). Mit diesem Wort und den Begriffen regulations- und bindungsstark lässt sich beschreiben, wie Kinder von Geburt an mit ihren Gefühlen umgehen können: entweder sehr kompetent im Steuern, sehr fähig darin, für Hilfe zu sorgen, oder aber sehr ausgeprägt im Er- und Ausleben und damit hilfsbedürftig beim Regulieren. Nutzt du statt „regulationsschwach” lieber „gefühlsstark”, ermöglichst du dir und auch deinem Umfeld einen wertschätzenden Blick auf das betreffende Kind.
Saugen reguliert, beruhigt also ein Baby sehr zuverlässig. Zum Glück kann es das ganz allein, es muss nur etwas Geeignetes im Mund haben. Manchmal ist es die Faust oder es sind ein paar Finger, aber Brust und Schnuller darfst du auch von dir aus anbieten. Dein Baby saugt dann normalerweise gleich los. Du musst nur die Wange berühren und schon sucht und findet es die Stelle, an der es saugen muss. Mach dir keine Sorgen um schiefe Zähne oder „schlechte Angewohnheiten”. Das Saugbedürfnis ist ganz natürlich und sehr stark. Es wird der Zeitpunkt kommen, zu dem das Thema ein Ende findet, aber ganz sicher nicht jetzt. Achte nur auf passende Schnullergrößen.
Mitgebrachte Regulationsstrategien von Babys sind:
• das reflexhafte Abwenden, wenn es ihnen zu viel wird
• ein glasiger Blick, wenn sie genug aufgenommen haben
• Einschlafen
• Schreien
Im Grunde ist vor allem Letzteres ein super Konzept: „Ich kann nicht sagen, was ich brauche, ich kann auch nicht weg aus der Situation. Also mache ich meine Helfer*innen lauthals darauf aufmerksam, dass es mir schlecht geht!” Wenn es uns Erwachsene nur nicht so angreifen würde. Schreien ist aber niemals Manipulation, auch wenn das immer wieder einige Stimmen hartnäckig behaupten. Im Grunde ist es toll, welche Cleverness deinem Baby da zugetraut wird, aber dahinter steckt eher ein abwertendes Kinderbild. Schreien ist ein simples Signal, das gerade im Babyjahr noch ganz unbewusst losgeht: „Hör mir zu!”
Ein Baby schreit zum Glück meist nicht sofort los, sondern zeigt vorher körperliche Unruhe oder startet mit leicht meckernden Tönchen. Manchmal hast du Glück, bemerkst es früh und kannst gut reagieren, indem du die fordernde Situation beendest.
Du hast ein großes Repertoire an Unterstützungsmöglichkeiten:
• Baby auf den Arm nehmen
• den lauten Moment mit Baby verlassen
• Singen und Wiegen
• ab in die Tragehilfe
• Saugenlassen
• beim Einschlafen helfen
Manchmal wirst du aber auch zu spät dran sein oder dein regulationsschwaches Baby fordert durch extralanges Schreien Hilfe ein. Das sind die Momente, die kaum ein Schwangerschaftsratgeber erwähnt. Die Lautstärke und die Not des Babys können enorm belasten.
Du bist kein schlechter Elternteil, wenn dich das Geschrei extrem fordert. Jedes Baby ist anders und jede*r Erwachsene auch.
In diesen Situationen ist die „Emotionelle Erste Hilfe” (EEH) sehr wertvoll, bei der es viel um deinen Körper und deine Wahrnehmung geht. Professionelle EEH-Berater*innen schauen sich euer ganzes Familiensystem an und regen teilweise Psychotherapie an. Dabei geht es darum, eure Bindung so zu fördern, dass du dein Kind gut begleiten kannst und es sich sicher fühlt.
Fühlst du dich überfordert, bist vielleicht sogar aggressiv, weil dein Baby so viel schreit, lohnt sich die Kontaktaufnahme mit der EEH, einer Schreiambulanz oder einer anderen Beratungsstelle zu diesem Thema. Sprich offen darüber und lass dir helfen. Das ist nichts wofür du dich schämen müsstest! Eine gute Anlaufstelle sind hier ebenso die „Frühen Hilfen”, die es inzwischen fast überall gibt.
Auch sonst können dir einige Erkenntnisse aus der EEH helfen, um erst einmal allein gut zurechtzukommen, wenn du dich dazu imstande fühlst:
• Ist dein Baby nicht hungrig und hat wahrscheinlich keine Schmerzen, dann schreit es, um Regulationshilfe zu bekommen. Es möchte aus der Überreizung heraus.
• Dafür braucht es auf keinen Fall etliche weitere Reize (noch eine Spieluhr, noch eine Rassel, noch eine Lichtquelle …), sondern nur Entspannung.
• Die findet es am besten, wenn du selbst entspannt bist, und dafür darfst du sorgen. Gehörschutz, ruhige Musik per Kopfhörer, konzentriertes Atmen, abschweifende Gedanken an schöne Erinnerungen oder tolle Pläne können hier dein Weg sein.
• Komm weg von dem Gedanken „Ich muss dafür sorgen, dass das Schreien schnell aufhört!” und hin zu dem Blick „Ich muss nur da sein. Meine Ruhe wird seine Ruhe.”
• Trage dein Kind, wenn möglich, aufrecht in einem Tuch oder einer anderen Tragehilfe. Halte oder streichle es trotzdem, wenn du kannst. Die Berührungen sind unheimlich wertvoll für dein Baby.
• Wenn du es nicht tragen kannst, weil der Rücken schmerzt oder du fürchterlich müde bist, ist es auch okay, einen großen Hüpfball zu nutzen oder dich einfach hinzulegen und dein Baby zu halten, auch wenn das Beruhigen im Laufen vielleicht schneller funktionieren würde. Du bist auch wichtig!
• Manchmal schreit ein Baby so stark, dass es plötzlich das Einatmen zu vergessen scheint. Dann puste es an, damit es reflexhaft wieder Luft holt.
Bevor du deinem Kind vielleicht vor lauter Überforderung und Last wehtust, lass es lieber kurz in einer sicheren Situation allein, beruhige dich und hol Hilfe, wenn möglich. Das ist kein Zeichen für Schwäche, sondern für Stärke. Du bist ehrlich zu dir, erkennst, dass du dich kurz aus der Situation nehmen musst und hast vielleicht sogar den Mut, um Hilfe zu bitten.
In meiner Begleitung von zahlreichen Babys war es oft eine Hilfe, dem auf dem Rücken liegenden Kind leise Mut zuzusprechen, ihm in die Augen zu schauen und dabei beide Hände eng um seinen Kopf zu legen sowie sein Gesichtchen mit einem Daumen sanft zu streicheln.
Viele Kinder schreien regelmäßig am Abend. Die eine Hälfte deines Freundeskreises sagt dir wahrscheinlich, das seien Drei-Monats-Koliken, also Bauchweh. Die andere erklärt dir womöglich, dein Baby verarbeite nur den Tag. Wer recht hat, kannst du schwerlich herausfinden. Wichtig ist, dass der Umgang damit im Grunde identisch ist: Begleite dein Kind wie oben beschrieben. Wenn du das Gefühl hast, es könnten tatsächlich Schmerzen dahinter stecken, sprich mit der kinderärztlichen Praxis.
BERUHIGENDE GERÄUSCHE
Viele Eltern nutzen gleichmäßige Geräusche wie die eines Föhns oder der Dunstabzugshaube, das sogenannte „White Noise”, wie schon im Abschnitt über Hören und Sprechen kurz erwähnt. Dafür gibt es sogar Apps, um den Ton jederzeit und überall abrufen zu können. Denn fast alle Babys reagieren darauf mit Entspannung und können leichter in den Schlaf finden. Sie hören das Rauschen, von dem vermutet wird, dass es an die Geräuschkulisse im Bauch der Mutter erinnert.
Du solltest darauf achten, das Rauschen nicht zu laut und nicht direkt am Babyohr abzuspielen sowie es auszustellen, wenn dein Kind gut eingeschlafen ist. Sonst kann eine Gewöhnung eintreten.
Dann hilft es entweder nicht mehr beim Einschlafen oder es geht gar nicht mehr ohne. Häufig ist das etwa nach den ersten sechs Lebensmonaten der Fall. Das wäre der Zeitpunkt, „White Noise” auszustellen und sich auf andere Hilfsmittel zu besinnen. Umgewöhnen ist immer möglich, nur mit etwas Einsatz verbunden.
Wie regulationsstark oder -schwach ein Baby ist, ist ein fester Teil seines Wesens, zu dem auch noch weitere Merkmale gehören. Für dich interessant sind sicher die folgenden:
• Reizbarkeit: Ein Baby kann sehr rasch von Reizen überfordert und nervös sein oder ganz lange ein sonniges, ruhiges Gemüt behalten.
• Aufmerksamkeit: Manche Babys sind in der Lage, etwas schon erstaunlich lange zu beobachten, während andere mit weniger Ausdauer auf die Welt kommen.
• Grundstimmung: Einige Babys wirken gleich, als steckten sie voller Optimismus. Sie sind von Grund auf sehr entspannt, während anderen die Zuversicht noch zu fehlen scheint. Sie zeigen eher starke Angst, verlassen zu werden.
• Offenheit und Aktivität: Einige Babys haben viel Lust, die Welt zu entdecken, und sind geradezu gesellig, manchmal auch übermütig. Sie sind richtige Macher und Weltentdecker. Andere sind sehr zurückhaltend und ängstlich, wirken eher zögerlich und gemütlich.
• Rhythmus: Etliche Babys scheinen schon einen ganz guten Tagesrhythmus mitzubringen. Aktive und passive Phasen wechseln sich berechenbar ab oder finden immer zu ähnlichen Zeiten statt. Aber bei vielen lässt sich eine derartige Verlässlichkeit lange nicht feststellen und bildet sich erst klarer bis zum ersten Geburtstag aus.
• Bindungsverhalten: Viele Babys können gut zeigen, wieviel Nähe oder Freiheit sie benötigen, und wirken kooperativ. Andere können das von Anfang an nicht so gut und erscheinen fast misstrauisch.
Das alles und noch viel mehr macht eine Person aus und bleibt recht stabil erhalten. Wie stark das mitgebrachte Temperament sich zeigt, ist aber in den folgenden Jahren auch abhängig vom Erziehungsstil der Bezugspersonen und den allgemeinen Lebensbedingungen.
All diese und weitere Merkmale in ihren verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten unterscheiden die Kinder voneinander. Sehr reizbare, eher unaufmerksame, ängstliche und passive Babys kommen allgemein langsamer in dieser Welt und auch in ihrer Familie an. Reizbare, unaufmerksame, wilde und aktive Babys benötigen besonders viel Unterstützung. Es lässt sich jedoch nicht definitiv sagen, dass ein Kind mit den Merkmalen X, Y und Z besonders anstrengend in der Begleitung ist, denn das hängt immer auch von seinem Gegenüber ab. Manche Merkmalkombination wird dich ganz persönlich mehr herausfordern als andere Menschen. Deswegen ist es unsinnig zu sagen „Das Baby macht es so schwer!” oder „Ich mache alles falsch!” Denn Probleme entstehen immer im Zusammenspiel dieser Puzzleteile.
Die beste Begleitung aller Wesensarten ist eine bedürfnisorientierte, bei der du darauf schaust, was dein Kind benötigt, und genauso auch darauf, was du brauchst, um noch kompetenter zu werden. Das sind in der Regel vor allem Informationen rund um die Entwicklung, Ideen für den Alltag und Platz für dich selbst.
Das Schlafverhalten deines Babys ist abhängig von
• einigen Temperamentsmerkmalen,
• den zuvor besprochenen Regulationsfähigkeiten,
• aber besonders von der Gehirnreifung (Was nichts mit Intelligenz zu tun hat!)
• und der Umgebung, die es vorfindet.
Entgegen mancher Aussagen, Zitate und Buchtitel kann ein gesundes Baby von Anfang an schlafen, nur meist nicht so, wie es für uns Große angenehm wäre:
• Dein Baby braucht mehr Schlafunterbrechungen, um zu checken, ob noch alles sicher ist.
• Es braucht fast immer jemanden an seiner Seite.
• Es hat sehr leichte Schlafphasen, in denen es seinen Tag verarbeitet und eventuell sehr aktiv, halbwegs wach erscheint.
• Es braucht i. d. R. noch Nahrung, um durch die Nacht zu kommen.
Es existiert eine Vielzahl von Tabellen und Übersichten, die dir erzählen wollen, es gäbe ein klares Alter, bis zu dem nächtliches Essen okay sei und danach nicht mehr. Die schiere Menge derartiger Ratschläge bedeutet nicht, dass diese Angaben stimmen. Jedes Kind ist anders! Es gibt keine Schlusslinie. Viele kommen nach dem ersten Geburtstag ohne Essen durch die Nacht, manche nach dem zweiten noch nicht. Wenn du dazu konkrete Fragen hast, lass dich am besten beraten.
Erst mal heißt es ganz klar: Wer Hunger hat, darf essen!
Eine Schwangere kann oft spüren, dass ihr Baby in den letzten Wochen eindeutig wache und dann wieder ruhige Phasen hatte. Die haben aber nichts mit unserem Tag-Nacht-Rhythmus zu tun. Der ist deinem Baby jetzt noch unbekannt und Kinder brauchen eine Weile, bis sie ihn verstehen und ganz annehmen können. Sie schlafen nach Müdigkeit, nicht nach Dunkelheit oder Uhr. Allerdings lässt sich rasch und spätestens nach etwa drei Monaten beobachten, dass die Mehrzahl der verschlafenen Stunden zum Glück auch in deine Schlafenszeit fallen, nur leider oft mit Unterbrechungen.
Wenn du dir den Tag deines Neugeborenen als Pizza vorstellst, sind anfangs im Schnitt drei Viertel schon mal reserviert fürs Schlafen. Ein kleines Stückchen vom Rest ist Schreizeit, um den Tag zu verarbeiten. Und das restliche Bisschen ist wache Zeit, in der dein Kind mal aktiv und mal ruhiger ist und nur schauen mag. Das klingt doch machbar?! Die aktive Zeit bemerkst du meist daran, dass dein Baby sich stark bewegt und dabei gute Laune hat. Jetzt freut es sich über neue Reize und Eindrücke von dir.
Der Babykörper weiß schon, dass Schlaf wichtig ist, um zu entspannen und aufzutanken, aber das Babyhirn weiß nicht immer, dass alles im Umfeld sicher ist. Während dein Kind von tiefen in leichte und wieder in tiefere Schlafphasen wechselt, muss es sich anders als du manchmal rückversichern, dass es noch gut aufgehoben ist. Unsicherheit und Alleinsein machen Stress und echte Angst. Begleitung hingegen schenkt Vertrauen und Nähe. Du kannst ihm dies geben.
Wie genau eure Bettenplanung aussehen soll, hängt ganz allein von euren Bedürfnissen ab: Vom Familienbett über täglich wechselnde Matratzenlager bis hin zu getrennten Zimmern ist alles denkbar, wenn ihr damit zurechtkommt. Die meisten Familien müssen viel ausprobieren und sich den geänderten Bedürfnissen immer wieder neu anpassen. Das ist gar nichts Ungewöhnliches.
Später beim Essen, aber von Anfang an beim Schlafen kann es passieren, dass dein Baby Atemgeräusche macht, die dich ängstigen. Müssen sie in der Regel nicht. Denn dein Baby hat einen unglaublich klugen Körper. Wenn sich nachts im Liegen, vielleicht nach dem Milchtrinken, Schleim in seinem Hals bildet, muss der hinaus. Dann röchelt oder hustet es, manchmal klingt es auch wie ein ausgewachsenes Schnarchen. Damit hilft dein Baby sich selbst und in der Regel musst du nichts unternehmen. Bist du unsicher, nimm es aber ruhig hoch an deine Schulter. In aufrechter Haltung kann alles besser abfließen.
Manchmal steckt auch der erste Schnupfen dahinter. Ein dünner Aktenordner, vielleicht gepolstert mit einem Handtuch, unter der Matratze oder auch darauf, aber unter dem Laken, ermöglicht deinem Baby eine leicht erhöhte Schlafposition, sodass der Schleim aus Hals und Nase besser ablaufen kann.
Wenn dich das Röcheln in mehreren Nächten hintereinander irritiert, lass es zur Sicherheit kinderärztlich abklären.
Die Begleitung deines Babys kann wie gesagt unterschiedlich herausfordernd sein. Die Regulationsfähigkeiten deines Kindes können gut zu dir passen oder aber dich an den Rand deiner Kräfte bringen. Es ist wichtig, das zu wissen, denn mit welcher Variante du zu tun haben wirst, ist nicht voraussagbar. Viele Erwachsene werden von den herausfordernden Situationen geradezu überrollt und fühlen sich schnell schuldig. Du bist nicht schuld am Temperament deines Kindes. Selbst an vielen äußern Umständen nicht.
Vergleich dich nicht mit anderen, denn sie bringen andere Voraussetzungen mit und erleben andere Umstände als du. Hab Nachsicht mit dir: Elternsein ist immer erst mal Elternwerden, ein Lernprozess. Schau, was du lernen kannst, über dein Kind und seine Begleitung, und schau, ob du Hilfe brauchst. Das kannst du für euch tun!
Du kannst immer versuchen, eure Bindung zu verstärken, indem du deinem Kind das wichtigste Beruhigungsmittel gibst: deine Haut! Haut an Haut ist es ruhiger, sicherer und kann durch diese Nähe gestärkter in der Welt ankommen.
• Streichle dein Baby mit deiner bloßen Hand, statt irgendein Tuch oder einen anderen Gegenstand zu benutzen.
• Lass dein Baby nackt auf deinem nackten Bauch liegen, nicht nur gleich nach der Geburt.
• Lass den Babykopf in deiner Hand ruhen, wenn du dein Kind trägst oder es zum Beispiel auf deinen Beinen liegt.
• Spiel mit viel Hautkontakt mit ihm, beispielsweise indem du die noch bestehenden Reflexe nutzt (siehe nächstes Kapitel).
• Trag dein Baby mit oder ohne Tragehilfe immer wieder Haut an Haut, wenn es passt.
Auch Augenkontakt schafft Bindung und einander anzuschauen ist für Säuglinge das erste soziale Miteinander. Ebenso können deine Wärme, dein Geruch, dein Herzschlag, deine Atmung für dein Baby wie ein Nest sein. Und Tragen ist eine der wichtigsten Bewältigungshilfen für dein Baby: Stress, Müdigkeit und Überforderung lassen sich einfangen, wenn es sich dir im Tragen nahe fühlt und zusätzlich das Schaukeln oder Wiegen spürt, das es schon aus dem Bauch kennt.
Das Kind zu wiegen ist ein typischer Impuls den eigentlich alle Erwachsenen haben. Das Baby fühlt sich dadurch geborgen wie im Fruchtwasser damals. Wahrscheinlich wirst du immer noch ab und an gedankenverloren den Einkaufswagen schuckeln, wenn dein Kind längst in der Kita ist.
Alle Bezugsperson können auf diese Weise die Bindung zum Kind stärken, nicht nur Mama und Papa, sondern auch ein Pate oder eine Patin, die Großeltern und große Geschwister. Diese Art der Geborgenheit zeigt deinem Baby, dass seine Gefühle wahrgenommen und seine Bedürfnisse gut beantwortet werden. Damit legt ihr die beste Basis für das Reifen seiner emotionalen Intelligenz und seiner Bindungssicherheit.
MITGEFÜHL STÄRKEN
Stärken kannst du diese Entwicklung, indem du die Ausbildung der schon erwähnten Spiegelneuronen anstößt, die jedes Baby in sich trägt. Hier macht Übung den Meister: Dein Kind lernt über die nächsten Jahre, deine Gefühle zu erkennen und mitzufühlen, aber auch deine Absichten zu verstehen und bestimmte Handlungen zu erwarten. Spielerisch kannst du hier schon jetzt unterstützen, indem du beispielsweise dein Kind anlächelst und es das bald beantworten wird. Es spiegelt und schwingt immer besser mit dir und anderen mit. Natürlicherweise achten Erwachsene dabei auf Augenkontakt mit dem Kind, denn der schenkt einem Baby Sicherheit.
Auch wenn du selbst beziehungsweise alle engen Bezugspersonen die beste Unterstützung für ein aufgewühltes, überreiztes Baby sind, gibt es sinnvolle Hilfsmittel, über deren Nutzung du nachdenken kannst und die dir keinesfalls ein schlechtes Gewissen machen sollten. Ein Schnuller ist für viele schnell zur Hand, aber an Rüstzeug zum Tragen, Schaukeln oder Wohlfühlwickeln fehlt es zunächst manchmal. Ein Segen kann eine Babytrage (oder auch ein Tragetuch) sein, und zwar von Anfang an. Wichtig ist, dass der Babykopf gut gestützt wird und das Kind in einer gesunden Haltung ist, aber auch für dich sollte die Tragehilfe richtig angepasst sein. Gönn dir unbedingt eine Trageberatung! Ebenso sinnvoll ist oft ein Hüpfball, damit du beim Schaukeln nicht immer laufen musst. Für regulationsschwächere Babys eignen sich unter Umständen auch Materialen zum Pucken. Dieses enge Wickeln kann beruhigen und auch zu besserem Schlaf verhelfen. Nutze das aber nur gut angeleitet und in den ersten Monaten. Auch hierfür gibt es fertige Pucksäcke zu kaufen. Frag deine Hebamme.
Erholsamer Schlaf. Erholsamer Schlaf? Mit Baby?? Wahrscheinlich wirst du den erst einmal nicht bekommen (vielleicht doch – die Hoffnung stirbt zuletzt), denn die meisten Babys schlafen unruhig und unstet. Du musst dir die benötigte Ruhe wahrscheinlich über Nacht und Tag zusammenkratzen. Wir Eltern können das in der Regel eine ganze Zeit lang gut wegstecken. Aber dein Kind braucht unbedingt erholsamen Schlaf. Er ist wichtig für seine gesunde Entwicklung. Erholsam bedeutet vor allem stressfrei, das heißt sicher, in deiner Nähe und satt. Das ist dein Job.
• Gestalte das Bett als Wohlfühlort und sei nah bei deinem Kind.
• Sorge für einen regelmäßigen Tagesablauf und die Chance, auch tagsüber immer wieder Schläfchen machen zu können. Dass ein Baby nachts besser schliefe, wenn es tagsüber weniger Schlaf bekommt, ist ein Irrglaube.
• Kümmere dich um eine behütete Atmosphäre zur abendlichen Einschlafzeit (die nicht jeden Tag zur gleichen Uhrzeit sein wird – wahrscheinlich noch einige Jahre lang nicht).
• Hilf deinem Baby dabei, Verbindungen zu knüpfen, die ihm das Einschlafen erleichtern: ein Bad vorweg, gedimmtes Licht, ein immer gleiches Liedchen – derlei Einschlafassoziationen können es seinem Organismus erleichtern, das Schlafen zuzulassen.
• Achte auf eine passende Matratze, die nicht zu weich ist, damit dein Baby sich anfangs nicht aus Versehen nachts auf den Bauch dreht und Laken und Matratze die Atmung erschweren.
• Versuche, dein Kind in Rückenlage abzulegen, aber werde nicht nervös, wenn es eher ein Seitenschläfer ist. Diese Embryonalstellung ist natürlich kuschelig (wieder mal wie in Mamas Bauch!) und unter Umständen erleichtert sie auch das Abfließen von überflüssiger Milch oder Schleim aus Hals und Nase.
• Meist wirst du sofort wach, wenn dein Baby nachts unruhig wird. Beobachte den leichten Schlaf deines Kindes. In diesen aktiven Phasen kann es gut sein, dass es nur verarbeitet und du es beim Aufnehmen wecken würdest. Gib ihm die Chance, in deiner Nähe, aber ohne dein Zutun wieder in tieferen Schlaf zu gelangen. Manchmal gelingt das schon in den ersten Lebensmonaten.
Für eher schwierige Zeiten, in denen das Schlafen gefühlt euer Dauerthema ist, aber auch sonst hilft der Weg des „aktiven Annehmens”: Je besser du innerlich akzeptieren kannst, dass die aktuelle Situation herausfordernd ist, und je mehr du damit rechnest, dass es wieder anstrengend wird, desto besser kannst du damit umgehen und sie aushalten. Anstatt zu hoffen, dass es heute gut wird, und dann enttäuscht zu sein, rechne lieber mit Unannehmlichkeiten – und freu dich, wenn sie mal nicht eintreten.
Trotzdem darfst du aktiv werden und schauen, wo sich kleine Dinge verändern lassen, damit es euch nach und nach zusammen besser geht. Das dürfen in Bezug auf das Schlafen auch Handlungen sein, die du nicht auf ewig durchziehen möchtest: Das Baby kommt zu euch ins Bett oder du trägst es zum Einschlafen? Wenn das jetzt gerade für dich machbar ist und deinem Kind hilft, dann tu es. Ihr könnt alles wieder verändern, wenn es für einen von euch nicht mehr stimmt. Das ist dann sicher ein gewisser Aufwand, aber wenn du wirklich nicht mehr willst, hast du auch die Kraft für liebevoll begleitete Veränderungen.
Manche Babys schlafen unfassbar gut in einer Federwiege, die man gut gebraucht kaufen kann. Du musst sie aber hin und wieder anstoßen, auch wenn du selbst so k.o. bist. Die simple Lösung lautet hier: Häng sie nicht in die Küche oder den Durchgang im Flur, sondern über das Sofa oder dein Bett!
Schon im Bauch war dein Baby aktiv. Mütter spüren irgendwann die ersten Regungen und im Laufe der Schwangerschaft immer kräftigere Tritte oder geradezu Purzelbäume. Das Fruchtwasser hilft dem Kind dabei: Schwerelos wie wir im Schwimmbad kann es turnen, obwohl noch kaum Muskelkraft vorhanden ist.
Ist dein Baby geboren, verändert sich das natürlich. Ohne Fruchtwasser kann es zunächst einmal nur liegen. Dabei zeigt es „Massenbewegungen”, bei denen immerzu fast der ganze Körper beschäftigt ist und es keine Hand oder gar einen Finger einzeln ansteuern kann.
Seine Bewegungen geschehen vor allem zufällig und ganz spontan. Erst wenn Augen und Ohren klar sehen und zuordnen können, wo es etwas Interessantes zu entdecken gibt, werden die Bewegungen allmählich deutlich absichtlicher. Nur die Mimik im Gesicht ist durch Spiegelneuronen und Nachahmung schon früher steuerbar.
In Bauchlage oder auch aufrecht getragen vor deinem Körper kann dein Kind meist schon im ersten Lebensmonat seinen Kopf halten. Wie lange unterscheidet sich von Kind zu Kind. Stütz den Nacken immer gut, wenn du dein Kind mit beiden Händen vor dir hältst und ihm ins Gesicht schaust. Erlöse es rechtzeitig, wenn ihm das Liegen auf dem Bauch zu anstrengend wird.
Die meiste Zeit über sind die Hände deines Babys jetzt noch geschlossen. Seine kleinen Fäustchen zappeln mit dem Babykörper mit. Öffnen sich die Finger einmal etwas, schließen sie sich oft gleich darauf reflexhaft um einen dazwischen gelegten Gegenstand oder den Finger einer anderen Person. Das verliert sich etwa nach den ersten drei Lebensmonaten, sobald dein Baby genauer steuern kann, was seine Hände tun sollen.
Manchmal landet ein Händchen ungeplant im Mund. Lutscht dein Baby dann daran, ist das meist nur Erkundungslust. Wird das Saugen aber stärker und schmatzt dein Kind vielleicht auch noch kräftig dabei, kann das ein frühes Zeichen für einen knurrenden Magen sein.
Neben dem genannten Greifreflex bei Berührung der Handinnenfläche bestimmen in der ersten Zeit nach der Geburt auch andere Reflexe die Bewegungsabläufe mit. Eindrucksvoll ist der Schreitreflex, der sich etwa in den ersten zwei Monaten zeigt, wenn man das Baby wie einen Spaziergänger oder eine Spaziergängerin aufrecht hält. Es „läuft” dann mit seinen Füßen. Inzwischen ist man sich in der Wissenschaft einig, dass das Baby diese Reaktion nicht komplett unbewusst ausführt, sondern Willensanteile von Anfang an dabei sein können. Sein kluges Köpfchen entwickelt sich rasch. Die Reflexe helfen ihm aber bei einem sicheren Start ins Leben und sind damit aus evolutionärer Sicht sinnvoll. (Beispielsweise der Mororeflex, also das Festklammern bei einem Fallgefühl, das sich etwa ab der sechsten Lebenswoche zeigt.)
Du kannst von Beginn an mit deinem Baby spielen, indem du seine Reflexe nutzt. Damit schenkst du ihm Nähe und bietest ihm Gelegenheiten, zu reifen und sich gut zu entwickeln. Beispielsweise müssen wir, wie bereits beschrieben, gegen kalte Hände nicht zwingend etwas tun. Aber wir können: Streichelst du den Handrücken der kleinen Faust, so öffnet sich diese. Berührst du dann die Handinnenfläche, schließt sie sich wieder. Bei mehrfacher Wiederholung regt dein Baby so quasi selbst die Durchblutung an und seine Hände werden warm. Ähnliches gilt für die Füße, wenn du auf der Fußsohle direkt unterhalb der Zehen und an der seitlichen Kante entlang streichst. Die Füße geraten in Bewegung. Diese Reaktion zeigen viele Babys sogar fast bis zum ersten Geburtstag. Liegt dein Baby auf dem Bauch, kannst du ihm an den Füßen mit deinen Händen einen Gegendruck geben: Dann sieht es so aus, als würde es bereits loskriechen.
Den Mororeflex hingegen, also das Erzeugen eines absichtlichen Fall-oder auch Schreckgefühls, solltest du nicht zum Spielen nutzen, denn das stresst dein Baby.
Gönn deinem Baby viel Nacktheit. Bei Wärme ist das überall möglich, wenn dein Kind sich wohlfühlt. Ansonsten kann eine Wärmelampe am Wickeltisch ausreichend Wohlfühltemperatur erzeugen und auch eine isolierte Picknickdecke hilft auf Fußböden. Ohne Kleidung hat dein Baby die Chance, sich besser zu bewegen und intensiver zu fühlen.
Babykleidung gibt es von Pyjama-Style über todschick bis hin zu sportlich-cool. Empfehlenswert ist es, beim Kauf nicht nur darauf zu achten, dass dein Kind niedlich oder hip aussieht, sondern vor allem, dass die Kleidung es nicht stresst: Hosenträger von Latzhosen können an dem noch kaum sichtbaren Hals stark reiben, steife Jeanshosen können das normale Zappeln sehr erschweren, und Shirts, die man über den Kopf anziehen muss, nerven die meisten Babys kolossal.
Es gibt so viele tolle Alternativen mit Knöpfen und Reißverschlüssen, zum Wickeln und Krempeln oder um das Baby quasi mit den Beinen hineinschlüpfen zu lassen. Manche kindliche Aufregung kannst du vermeiden, wenn dein Säugling gar nicht erst Zwickendes, Kratziges und Einengendes auf seiner Haut spüren muss.
Gerade die Momente beim Wickeln könnt ihr als gemeinsame, positive Zeit nutzen, die nicht nur der Körperhygiene dient, sondern auch eurer Verbindung, der Weiterentwicklung der Motorik und dem gemeinsamen Spiel. Babymassagegriffe darfst du anwenden, sobald der Nabel abgeheilt ist, und einige sind wirklich leicht und ohne Anleitung in einem Kurs umzusetzen:
• Massiere beispielsweise deinem Baby in Rückenlage den Bauch im Uhrzeigersinn, was auch der Verdauung guttut.
• Oder stütze in Bauchlage des Kindes seinen Kopf mit der einen Hand an der Stirn und gleite mit der anderen leicht gewölbten Hand immer wieder vom Hinterkopf über den Rücken bis zum Po.
Wenn du gut aufpasst, kannst du dein Baby in den ersten Monaten auch nackt und mit dem Kopf zu dir auf den Bauch legen, oder dich unterhalb der Wickelfläche hinhocken. Kann und mag es seinen Kopf heben und halten, hat es in dieser Lage vielleicht besonderen Spaß daran, weil es dich gut sehen kann. Aber achte darauf: Manchmal stoßen sich die Babys mit dem Fuß am oberen Rand des Wickeltisches ab. Lass dein Kind dort niemals allein, erst recht nicht in dieser Position.
Brauchst du einen Babykurs, damit dein Baby sich motorisch gut entwickelt? Nein, ganz sicher nicht. Auch Babyschwimmen oder -massage musst du nicht besuchen. Dein Kind wird keine Nachteile haben, wenn du diese Angebote nicht nutzt. Mach das abhängig davon, wie viel Lust du auf diese Treffen hast und wie gut dein Baby mit Reizen und auch Terminen klarkommt. Um sich bewegungstechnisch gesund zu entwickeln, braucht ein Baby im Grunde nur Gelegenheiten: Zeiten am Boden, außerhalb von Trage und Autositz, oft mit dir gemeinsam, mal nackt und in den Folgemonaten dann auch immer mal mit entsprechendem, forderndem Material zum Hochziehen und so weiter. Aber Kurse können natürlich auch für dich bereichernd und entwicklungs- sowie bindungsfördernd sein. Das ist ganz individuell.
Bevor wir Menschen uns die Welt durch Lesen und Reden erschließen und Erlebtes verarbeiten, geschieht das im Spiel. Dabei können wir den Stress vergessen, Geschehnisse verarbeiten, Fertigkeiten üben, Zeit allein oder auch mit anderen verbringen. Das gilt für dein Baby von Anfang an und wird immer intensiver werden. Die Reihenfolge der gezeigten Spielweisen entspricht dabei den kindlichen Entwicklungsmeilensteinen.
SPIELINTERESSEN
Jeder Mensch spielt dabei anders: Manche Kinder stehen später auf Rollenspiele, andere sitzen lieber allein im Buddelloch und graben sich zur anderen Seite der Erde. Schon Babys zeigen hier Unterschiede. Manche gucken mehr, andere machen mehr. Manche sind gut im Alleinsein, andere brauchen Menschen um sich. Beobachte, mit welchem Setting es deinem Kind gut geht. Wenn es sich mehr als sich selbst wünscht, bist du dabei das beste Spielzeug. Extramaterial braucht es im Grunde nicht, auch wenn die Spielwarenabteilungen voll sind mit Produkten, von denen du denken sollst, sie seien ein Must-have. Doch besonders im ersten Lebensjahr sind die Dinge, die ihr eh zu Hause habt, in der Regel ausreichend. (Vor allem die Küche ist eine wahre Fundgrube!)
Nutze die Zeit am Wickeltisch oder, wenn ihr irgendwo warten müsst, zur Kontaktaufnahme und zum Spielangebot: Beim Waschen und Föhnen (Vorsicht vor plötzlichem Pinkeln, egal bei welchem Geschlecht!) kannst du immer auch streicheln, massieren und singen. Wenn du beim Wippen und Winken erzählst und bestimmte Gesten machst, spielt ihr schon.
Manchmal wirkt dein Baby plötzlich wie weltvergessen, dann störe es nicht. Im Kopf passiert währenddessen ganz viel. Im Grunde ist für dein Kind erst einmal alles Spiel in eurem Alltag. Wenn es eine interessierte, aktive Phase hat, lass es an allem teilhaben.
Damit der Alltag trotz aller Neurungen und Herausforderungen des Lehrgangs „Elternwerden” einigermaßen rund läuft, gestalte ihn möglichst so:
• Pack die Tage nicht zu voll mit Unternehmungen und plane nichts „auf die Minute”. Spontan nach Laune und Müdigkeit losziehen oder auf dem Sofa bleiben, ist eine gute Taktik.
• Versuche für deine Familie, einen gewissen Rhythmus zu finden. Das tut Kindern jeden Alters gut und kann auch dir einen sicheren Rahmen geben.
• Natürlich kannst du immer wieder mal für Abwechslung sorgen: woanders essen, das Kind unterwegs schlafen legen, neue Orte sehen – das ist alles okay. Aber denke daran, dass alles Unbekannte Reize mit sich bringt, die dein Baby verarbeiten muss. Es lernt, und manchmal ist es ihm auch zu viel. Du kannst beispielsweise ein anspruchsvolles Buch zur Seite legen und eine Freundin anrufen, um darüber zu reden. Dein Baby hingegen wird wahrscheinlich schreien, um die innere Anspannung nach einem aufregenden Nachmittag loszuwerden.
• Wechsle in der Begleitung deines Kindes zwischen Anspannung und Entspannung, also Action und Ruhe. Ihr beide braucht kein 24-Stunden-Animationsprogramm.
„Spielerisch durch den Alltag” heißt zu Beginn vor allem locker und entspannt. Du musst nichts schaffen, außer (Grund-)Bedürfnisse zu befriedigen. Vor allem die des Babys und danach so gut es geht die eigenen. Dein Baby braucht:
• Essen
• Schlaf
• Hygiene
• Bewegung
• Anregung
• Sicherheit
Je älter es wird, desto mehr Spiel und Spaß darf bewusst in fast alle Momente einfließen.
BETREUUNG
Dein Baby ist gerade erst bei dir angekommen und dennoch ist das Thema Betreuung sicher schon aktuell. Früher kamen die Kinder im Spätsommer nach dem dritten Geburtstag in den Kindergarten. Inzwischen gibt es etliche unterschiedliche Modelle (Tagesmutter, Großtagespflege, Kita, gemeinschaftliche Kinderpflege, großelterliche Fürsorge u. v. m.), die in den meisten Gegenden aber eines eint: Man muss sich zeitig darum kümmern. Das heißt, du musst oft quasi schon kurz nach dem Wochenbett entscheiden, wann dein Kind eine erste Eingewöhnung in Außer-Haus-Betreuung schaffen soll.
Die schlechte Nachricht: Du kannst jetzt noch nicht wissen, ob dein Kind zu dem Zeitpunkt bereit sein wird, weitere Bezugspersonen zuzulassen. Die gute Nachricht: Die meisten Kinder schaffen es zum angestrebten Zeitpunkt, erst recht wenn eine Eingewöhnung sanft und kindorientiert abläuft.
Mach deine Planung, melde dein Kind an, informier dich über gute Eingewöhnung und hab vor allem im Hinterkopf, dass manche Eltern den ursprünglichen Plan wegen des Kindes oder anderer Umstände nochmal umwerfen müssen. Dafür gibt es Hilfe und Lösungen. Die musst du jetzt noch nicht im Blick haben!
Das glaube ich nicht! Aber das Gefühl kennen sicher alle Babyeltern. Den ganzen Tag nicht aus der Bude gekommen und abends sind die Berge an der Spüle und vor der Waschmaschine noch höher als morgens schon. Und doch hast du sicher ganz viel gemacht. Wenn du mit dem Baby kuschelst, ihm hilfst, in den Schlaf zu finden, es fütterst oder massiert, wenn du mit dem Baby spielst, ihm zuschaust, einfach Nähe gibst, es anfeuerst beim ersten Köpfchenheben, wenn du ihm vorsingst, dir an der Waschmaschine Zeit lässt, damit es die schleudernde Wäsche bewundern kann oder du zum zweiundzwanzigsten Mal seine Füßchen kitzelst, hast du ganz sicher nicht nichts geschafft. Das alles ist Bindungsarbeit. Das ist der Alltag, das ist dein Job.
Das ist die Grundlage für so viel Weiteres im Leben deines Kindes. Macht dir das immer wieder bewusst. Sag es dir laut, sag es selbstbewusst den anderen. Das ist so enorm viel, die Basis, die Wurzeln. Dein Kind spürt deine Einstellung dazu und wird so grundlegend merken, dass es eine Bereicherung für dich ist, auch wenn du mal weinst und fluchst und Fertigpizza direkt vom Backblech und dennoch kalt isst.
Wir wünschen uns doch Kinder, die gut gebunden sind, mit starken Wurzeln ihre Flügel ausbreiten und mutig in die Welt gehen können. Wir wünschen uns Kinder, die uns sehen, sich uns gegenüber öffnen, gerne Zeit mit uns verbringen. Wir wünschen uns empathische Kinder, die erkennen, was andere brauchen, die Prioritäten setzen können im Leben und bei denen dies nicht Ellenbogen und Leistung sind. Wir hoffen auf glückliche Kinder, die Momente genießen können und nicht immer nur perfekt sein wollen. Also seien wir ihnen gute Vorbilder in Interesse, Einfühlungsvermögen, Lebenslust und Unperfektheit.
Alle Eltern, die in Bindung und Beziehung investieren – stundenlang, tagelang, nächtelang, jahrelang – leisten die wichtigste Arbeit!
VERWÖHNEN
Die häufigste Kritik, die von außen kommt, schreit: „Achtung: Verwöhnen!” Kaum ist ein Baby auf der Welt, kommt in der Regel irgendwer, und wirft dir vor, du würdest dein Kind „verwöhnen”. Manchmal ist das lustig gemeint, oft aber ernst. Hier musst du wissen, dass das Wort zu Unrecht einen negativen Beigeschmack hat. Denn wie toll ist es doch, verwöhnt zu werden? Also verwöhn dein Baby mit Liebe und Sicherheit. Und lass dich auch ab und zu mit dem verwöhnen, was dir guttut.
Hinter dem kritischen Blick stecken Ängste oder auch alte Denkweisen, wie die, dass Kinder kleine Teufel seien, die dir alles an Energie aussaugen wollen und denen man von Anfang an Grenzen aufzeigen müsse. Es ist anders: Eine sichere Bindung und eine liebevolle Fürsorge beugen ungesunden Entwicklungen und Verhaltensweisen vor.
Du kannst dein Kind ausschließlich ungut verwöhnen, wenn du verhinderst, dass es sich gesund entwickeln kann. Wenn du es beispielsweise dauerhaft trägst, sodass es nie am Boden seine Motorik ausbilden kann.
Nicht nur dein Kind ist unterwegs auf seiner Abenteuerreise, sondern auch du. Mama oder Papa zu werden ist ein Prozess. Der Tag der Geburt deines Kindes ist erst der Anfang eines langen Weges.
Habe Nachsicht mit dir selbst, immer wieder. Familie ist im Fluss, ihr wachst gemeinsam. Ihr seid nie so richtig am Ziel, sondern immer dabei zu probieren, zu scheitern, zu verändern, zu lernen. Das ist kein wirkliches Misslingen. Das ist der Weg!
Denke außerdem daran, dass nicht nur dein Baby wichtig ist. Ja, du hast eine große Verantwortung übernommen. Aber sie ist händelbar, gegebenenfalls mit Unterstützung. Ja, die Grundbedürfnisse deines Babys müssen möglichst gut erfüllt sein, damit es gesund aufwächst. Aber es braucht keine Perfektion und dich nicht als Trabanten, der ständig um es kreist.
Auch du selbst, deine Partnerschaft, deine Freundschaften sind relevant und brauchen Anschub. Denn du kannst dem Baby keine gute Basis sein, wenn dein eigenes Fundament nicht stabil ist. Selbstaufgabe hilft niemandem. 100 % Babyelternteil sein und on top noch Selbstfürsorge, Energie für die Partnerschaft und Freundschaften draufpacken? Da kann man ja nur kaputt gehen?!
Die Lösung ist eigentlich simpel: Deine gesamte Kraft sollte sich auf alle Bereiche erstrecken, verteilt nach deinem persönlichen Gefühl. Manchen Müttern und Vätern geht es gut, wenn sie sich im ersten Lebensjahr mit fast allem, was sie haben, aufs Baby einlassen. Andere fühlen sich wohler, wenn sie von den 100 % ein großes Stück auf Selbstfürsorge verwenden und viele helfende Hände einspannen. Alles ist okay, solange das Kind gut genug versorgt wird. Das heißt, es sollte etwa zu 70 % gute Erfahrungen machen, wenn es seine Bedürfnisse äußert. Diese dürfen auch von liebevollen Personen erfüllt werden, die im Laufe des ersten Lebensjahres zusätzliche, akzeptierte und geliebte Bezugspersonen werden können.
In stressigen Alltagssituationen und Momenten, in denen Eltern alles zu viel wird, liegt es nahe, rasche Abhilfe zu suchen. Es gibt unzählige Heilsversprechen vor allem aus dem Bereich der sogenannten alternativen Medizin, die dann Lösung und Hilfe versprechen. Sogar schnelle, sanfte, natürliche, individuelle oder ganzheitliche Hilfe. Wer wollte da „Nein” sagen? Aber so verständlich der Wunsch ist, so sehr lassen solche Angebote oft die Evidenz, den wissenschaftlichen Nachweis einer Wirksamkeit, vermissen.
Zum Beispiel die Osteopathie: Die sanfte Behandlung mit den Händen soll angebliche Blockaden oder auch vorgebliche Geburtstraumata lösen und bei der Entwicklung helfen. Die Beleglage ist jedoch nicht stark genug, um solche Versprechungen wissenschaftlich solide zu stützen. Dr. Natalie Grams-Nobmann, Ärztin und Autorin, sagt dazu: „Wirklich gute, qualitativ hochwertige Studien, die eine Wirksamkeit der Osteopathie bei Säuglingen und Kindern belegen könnten, sind eher rar bis nicht vorhanden. Wohlmöglich ist es einfach die Berührung, die Zuwendung und die Entspannung der Eltern, weil sie sicher sind, etwas Gutes getan zu haben, die hier eine Verbesserung bringen können. Das ist völlig okay, aber wenn keine wissenschaftlich überzeugenden Daten vorliegen, sollte die Osteopathie auch nichts anderes behaupten.”
Oder die Homöopathie: Die kleinen weißen Kügelchen werden gegen vielfältige Beschwerden oder auch als „Konstitutionsmittel” für die gesunde Entwicklung empfohlen. Die wissenschaftliche Beleglage legt allerdings nahe, dass mehr als Placeboeffekte nicht zu erwarten sind – auch bei Babys und Kleinkindern. Im schlimmsten Fall bringt man Kindern durch die regelmäßige Gabe von Globuli bei, dass bei jeder kleinen Beschwerde etwas eingenommen werden muss. Das Vertrauen in das Immunsystem und die Selbstheilungsfähigkeit des eigenen Körpers kann somit schon früh untergraben werden.
Denke auch im Alltag immer an dich:
Das Baby und seine Mutter brauchen ihr Wochenbett – das sollten in der Regel die ersten sechs Wochen nach der Geburt sein. Viel Liegen, viel Schlafen, viel Genesen, wenn es Geburtswunden gab. Viel Unterstützung durch das andere Elternteil und alle weiteren Menschen, mit denen sie sich wohlfühlen.
Die Hebamme unterstützt auf jeden Fall dabei, egal ob du Mama oder Papa bist. Trau dich, wirklich alle Fragen, die du hast, einfach zu stellen. Und wenn dich das Gefühl von Überforderung überrollt, suche dir schnell Unterstützung. Wenn du dich überlastet fühlst, heißt das nicht, dass du ein schlechter Elternteil bist, sondern nur, dass du mehr Hilfe für deinen Weg benötigst. Such sie dir. Die „Frühen Hilfen” sind beispielsweise in vielen Städten eine richtig gute Anlaufstelle.
Um für dich und dein Kind in dieser Abreisezeit einen guten Start ins Abenteuer hinzubekommen, kannst du auch einen Brief an dein Kind schreiben:
• Formuliere, was dich gerade besonders herausfordert.
• Schreibe auf, was dich positiv umhaut.
• Notiere deinem Baby, was du dir für seinen Lebensweg erhoffst.
• Formuliere Versprechen an dein Kind, aber schreibe auch dazu, was du sicher immer wieder mal versemmeln wirst.
Den Brief kannst du regelmäßig ergänzen auf eurer Reise durch das erste Lebensjahr. Oder aber am ersten Geburtstag schauen, was noch stimmig ist, was du nochmal umschreiben möchtest, in was du noch mehr Kraft investieren möchtest. So kann der Text für dich eine Sortier- und auch Fühlhilfe sein, denn Wünsche, Pläne und Emotionen werden immer wieder heftig sein und durcheinandergeraten. Für dein Kind kann der Brief irgendwann eine wunderschöne Erinnerung sein.
Halte immer mal inne und frage dich: • Wie geht es mir? • Welche Wünsche habe ich für mein Baby? • Fühlen sich die Antworten gut an oder sollte ich jetzt etwas verändern? |
![]() |