EXPEDITIONEN WAGEN – DAS DRITTE VIERTELJAHR

Wenn ihr etwa die Hälfte eurer Reisezeit hinter euch habt, steigen wahrscheinlich Lust und Mut, die Welt noch genauer zu erkunden. Einige Babys können das nun immer gezielter allein. Andere brauchen noch mehr Unterstützung, um sich auch mal aus dem Mama- oder Papa-Reisemobil herauszuwagen. Die meisten haben Freude am Entdecken und manche sogar Spaß an kulinarischen Abenteuern. Unter Umständen zeigen sich aber auch verstärkt Vorsicht und Ängste. Du kannst das begleiten.

image

Das zweite Lebenshalbjahr ist oft die Zeit, in der Eltern besonders verunsichert sind, weil Unterschiede zu gleichaltrigen Babys mehr und mehr auffallen. Sehr hilfreich ist der Blick darauf, was dein Baby richtig gut kann:

Ist es ein Guck-Kind?

Ist es eine kleine Sportskanone?

Ist es ein Erzähler oder eine Erzählerin?

Ist es ein Welterfühler oder eine Welterfühlerin? Mit den Händen oder mit dem Mund?

Wenn du dir das überlegt hast, weißt du, wo sein Entwicklungsschwerpunkt liegt. In diesem Bereich ist es anderen vielleicht eine Nasenlänge voraus. Damit hat es weniger Kapazitäten für anderes. Du kannst auch nicht Turmspringen lernen, wenn du den ganzen Tag über Büchern zu Altgriechisch sitzt. Denke daran, dass große Probleme bei den Vorsorgeuntersuchungen auffallen werden. Alle anderen Unterschiede und Besonderheiten sind das, was dein wunderbares Kind ausmacht. Es ist eine Persönlichkeit und macht die Welt ein bisschen bunter.

image Denken und Wahrnehmen

Die Denkfähigkeiten deines Babys steigern sich rasant. Du wirst spüren, dass das Spielen mit ihm immer spannender wird, weil es dir stetig mehr zurückgibt, während es Zeit mit dir verbringt und versucht, die Welt zu begreifen. In manchen Momenten wird es dich schon jetzt regelrecht verblüffen, wenn du genau darauf achtest, wie dein Baby seine Abenteuerreise fortsetzt. Alle seine Fähigkeiten sind nun noch besser vernetzt.

Was kann dein Baby schon?

Sehen

Du kannst davon ausgehen, dass dein Baby langsam das gleiche sieht wie du, auch alle Farben und rasche Bewegungen; nur die Sehschärfe und das Blickfeld sind noch lange nicht so gut wie bei dir. Seine Augen sind dennoch richtig fit geworden. Spätestens mit etwa acht Monaten nimmt es auch Tiefe im Raum und die dritte Dimension bei Gegenständen wahr, sodass es leichter mit verschiedenen Materialien hantieren kann oder kleinteiligere Handgriffe im Spiel mit anderen beherrscht.

Gedächtnis und Denkvermögen

Je nachdem, was du deinem Baby an Material anbietest und wie du es ihm hinhältst, wird es nach und nach verändert, nämlich gezielter zugreifen: Hat das Ding einen langen Griff? Ist es ein weiches Tuch? Eine bewegliche Kette? Ein runder Ball? Das liegt nicht nur am Sehvermögen. Dein Baby erinnert sich und kann auch immer besser erschließen, auf welche Art genau es bei diesem Ding am besten zupacken kann. Ein Grund dafür ist, dass es durch geistige Reifung unter anderem Größe und Entfernung besser einschätzen kann. Hinzu kommt die verfeinerte Handmotorik. So sind die verschiedenen Entwicklungsbereiche wieder besser verwoben und alles greift ineinander und führt zur guten „Vorweganpassung” der Hände. Schau mal hin und wechsle mit Absicht die angebotenen Gegenstände.

Dein Kind beginnt außerdem zu verstehen, dass Dinge weder aus dem Nichts auftauchen, noch dorthin verschwinden. Das Kurzzeitgedächtnis funktioniert jetzt besser und arbeitet mit der Erwartungshaltung zusammen, die sich durch immer neue Erlebnisse speist. Der Würfel ist noch da, wenn er unter einem Tuch versteckt wird, und dein Baby sucht danach – Gegenstände erkennt es endlich durchgängig als „permanent. Das Licht an der Decke geht immer an, wenn du den Schalter drückst – einfache Vorgänge versteht es nun in Ursache und Wirkung. Und vor allem: Du und andere Bezugspersonen sind noch da, selbst wenn sie aus dem kindlichen Sichtfeld verschwinden – auch Menschen begreift es als permanent vorhanden. Ist dein Kind motorisch fit, kommt es dir dennoch öfter hinterher. Ist es sicher und fühlt sich wohl, kann es aber auch eine Weile auf dich warten, denn es weiß eben, dass du nicht weg bist.

In der Interaktion deines Babys mit dir kannst du feststellen, dass es häufiger gezielt nachahmt, was du tust:

Kuckuck spielen hinter einer Ecke oder unter einem Tuch

genau das anschauen, was du dir anguckst

mit dem Hämmerchen klopfen so wie du

ein Telefon ans Ohr halten

ein Bilderbuch anschauen

wie du mit dem Plüschhasen kuscheln

vielleicht sogar schon winken

Was genau es begeistert, ist individuell. Aber dein Baby wird mehr und mehr Teil deiner Welt und deiner Handlungen. Was du interessant findest, will auch dein Kind kennenlernen.

Besonders gern lässt es sich etwas zeigen und zeigt vielleicht auch selbst vermehrt („Da!”, „Daaa!” und „Da da da!!”). Alles, auf das du verweist, interessiert dein Kind besonders, sodass es den Gegenstand neugierig in die Hand nimmt, unter das Sofa schaut oder sich der Person zuwendet, auf die dein Zeigefinger gedeutet hat.

Viele Babys fasziniert nun beispielsweise erstmals das elterliche Smartphone, denn wir nutzen es im Alltag einfach wahnsinnig oft. Kein Grund für Schuldgefühle, bitte! Ohne das Gerät hättest du häufig den Papierkalender, eine Zeitschrift, einen Ratgeber oder einen Telefonhörer in der Hand. Dann wäre eben das der Gegenstand der kindlichen Neugier. Wichtig ist, dass dein Kind ausreichend Aufmerksamkeit bekommt.

Hören, Sprechen und Kommunikation

Dein Baby kann noch genauer lokalisieren, wo ein Geräusch herkommt: Es erkennt nicht nur die Richtung, sondern auch, was genau den Ton erzeugt. Und es kann auch konzentrierter ganz feine Geräusche wahrnehmen. Wenn du mit einer Folie raschelst, ihm zeigst, dass in einem Ball ein Glöckchen erklingt oder ein Holzbaustein auf dem Fliesenboden tolle Töne erzeugt, wird es das lieben. Es kann vielleicht rasch einordnen, dass du an die Tür gehst, wenn die Türklingel ertönt. Aber es ist auch sensibel: Achte darauf, dass direkt am Ohr keine zu lauten Spielzeuge genutzt werden. Manche elektronischen Geräte sind unfassbar laut, wenn man sie direkt am Kopf hat. Manchmal hilft ein Klebestreifen über dem Lautsprecher des Spielzeugs dabei, die Lautstärke zu dämpfen.

Alles ist schöner mit Musik, das hast du sicher schon festgestellt.

Dein Gesang, ein Summen oder eine Spieluhr können beruhigen. Ein spontan getexteter Song kann die Gefühle deines Babys in anstrengenden Momenten einfangen. Das immer gleiche Lied zur Begrüßung in der Spielgruppe oder vor eurem Abendessen schafft ein Wohlgefühl im Kind. Doch jetzt ist es geistig und motorisch auch so weit, dass es selbst mitmusizieren kann, wenn es mag. Rasseln, Klappern, Glocken, ein Xylophon und selbstgebastelte Rhythmusinstrumente sind tolle Angebote, um spielerisch das Gehör und weitere Sinne anzusprechen. Zwei Klanghölzer (begeistert!) gegeneinander zu schlagen, ist einer der Meilensteine, der im dritten Lebensquartal erreicht werden kann. Auch Lieder mit Gesten, die zum Text passen, können euch gemeinsam in die Musikwelt eintauchen lassen. Dein Baby kann vieles noch nicht nachmachen, aber liebt dein Schauspiel. Manches kannst du gar nicht oft genug wiederholen.

In der Sprache deines Babys stellst du nun einige Fortschritte fest:

Es beginnt, Silben zu verdoppeln (z. B. „Mamama …” – in der Regel noch ohne sinnhafte Bedeutung) und kann immer kontrollierter eine Silbenkette beenden.

Es verwendet eindeutig eher Laute, die in seiner Muttersprache vorkommen, und ahmt hier Gehörtes entsprechend seiner Fähigkeiten nach – manchmal auch nur im Tonfall oder der Sprachmelodie.

Es experimentiert mit Lautstärke.

In Kombination mit der Zeigegeste kann dein Kind sich in einigen Situationen endlich verständlicher ausdrücken und deutlich machen, was es haben möchte.

Dein Kind wird sehr sozial im Sprechen: Es plaudert oft mit, wenn sich jemand unterhält, und „telefoniert” ebenfalls, wenn du dein Telefon am Ohr hast.

Auch ungewöhnliche Geräusche wie tiefes Brummen oder Krächzen sollten dich nicht irritieren. Manchmal klingen sie fast wie Husten oder Würgen. Dein Baby experimentiert einfach.

Viele Eltern haben den Eindruck, ihr Kind kann jetzt schon sein erstes Wort sagen. Das ist möglich, aber in der Regel sind es noch Zufallsprodukte: Eine Äußerung klingt dann nur für erwachsene Ohren wie ein bestimmter Begriff, aber dein Kind hat noch keinen Sinn hineingesteckt. Manchmal dauert das bis rund um den ersten Geburtstag, bei einem sprechfaulen Kind auch mal länger, ohne dass du dir Sorgen machen musst.

SPRECHENÜBEN TROTZ SCHNULLER

Beim Sprechenüben kannst du dein Baby unterstützen, indem du darauf achtest, dass der Schnuller nicht dauerhaft im Mund ist. Vielleicht kannst du Gewohnheiten schaffen, sodass es immer mehr schnullerfreie Zeit gibt: nach dem morgendlichen Aufstehen, nach einer Mahlzeit, beim Verlassen des Hauses in der Trage oder dem Kinderwagen. Immer wenn viel zu bestaunen ist und die Laune noch gut, hast du ein perfektes Zeitfenster, um den Schnuller mal wegzulassen.

Verstehen kann dein Baby jetzt allerdings wirklich viel, da täuscht dich dein Eindruck meist nicht. Bis zum Alter von etwa neun oder zehn Monaten begreift es langsam einzelne Wörter. Besonders Nomen, die ja oft eng mit Gegenständen verbunden sind, kann ein Baby in dem Alter rasch zuordnen, aber auch Verben und Begriffe, die mit Gesten verbunden sind, können viele nun verstehen und darüber mit ihrem Umfeld interagieren. Wahrscheinlich hat dein Baby jetzt schon besonderen Spaß an Fragen wie: „Wo ist Mama?”, „Wo steckt denn der Papa?”, „Wo haben wir denn deine Kuschelkatze liegen gelassen?” Der Unterschied zum früheren Spielen mit der Wo-Frage ist, dass dein Baby nun nicht nur eine Erwartung hat, was passieren wird (z. B. Papa taucht hinter dem Kissen wieder auf), sondern aktiv und mit dir gemeinsam sucht. Probiere es mal aus. Das können tolle Spielzeiten sein.

Wundere dich nicht, wenn es so scheint, als würde dein Baby quasi wieder verstummen. Solche Sprechpausen irritieren Eltern leicht, aber sie sind ganz normal. Sicher wird es bald weitergehen und dein Kind wird nochmal neue Fähigkeiten mitbringen.

BABYZEICHENSPRACHE

Jetzt ist ein guter Zeitpunkt dafür, dich mit Babyzeichensprache zu befassen. Das ist ein ganz grandioses Konzept, um deinem Kind eine Kommunikationsform zu schenken, wenn ihm die Verwendung von Wörtern noch nicht so gut möglich ist. Du kannst Bücher und Onlinematerial nutzen oder an vielen Orten auch einen Kurs zum Thema belegen. Vermutlich wirst du ähnlich begeistert sein wie ich, als ich das erste Mal ein Baby dabei beobachten durfte, wie es sich dank der Zeichen mitteilen konnte. Fehlt einem Menschen die Möglichkeit, sich verständlich zu machen, ist das frustrierend. Gerade bei kleinen Kindern ist das oft zu beobachten: Wut, weil niemand kapiert, dass sie die Banane vom Küchentresen wollen und nicht den Apfel, den Becher, den Löffel, die Rassel … und auch wirklich nicht auf Mamas Arm!

Mit Babyzeichen wird dein Kind zufriedener. Das tut eurer Beziehung gut.

Was kannst du noch tun?

Um der Entwicklung deines Kindes in den Bereichen Denken und Wahrnehmung jetzt besonders gerecht zu werden, kannst du verschiedene Spielangebote machen:

Lass dein Baby mit ganz vielen verschiedenen Sachen spielen. Auch jetzt musst du nicht ständig etwas Neues anschaffen: Ein Stück Teppich, Antirutsch-Badewanneneinlagen, Kartons mit rauer Oberfläche, Drahtkörbe, metallene Strohhalme, Flaschen, Dosen, Verpackungsmaterial, Küchenutensilien – so vieles, was du eh zu Hause hast, hat das Potenzial, dein Kind zu begeistern und ihm spannende Eindrücke zu schenken.

Für die Tiefenwahrnehmung kannst du Verstecke und Höhlen bauen. Nutze große Kartons oder Kisten, aufgespannte Regenschirme, einen mit Decken behängten Wäscheständer. Experimentiere mit Licht und Schatten, indem du Löcher in Kartons schneidest, extra verdunkelst oder eine Lichterkette aufhängst. Eventuell musst du dein Kind aber eng begleiten, damit es ihm nicht zu spannend wird.

Bastle außerdem flache Lochkartons, indem du Ausschnitte hineinschneidest, in die dein Kind etwas stecken oder aus denen es etwas herausziehen kann. Du wirst sehen, dass dein Baby Spaß daran hat, in die Tiefe zu greifen, Dinge zu verbergen, sich zu bücken und genauer hinzuschauen. Das geht übrigens für Liege- wie für Sitzkinder, du musst nur die Lage der Löcher entsprechend der Position des Kindes planen.

Rede, singe, gestikuliere natürlich bis übermäßig mit deinem Kind und schenke ihm den Spaß an Worten und Melodien.

Und nimm unbedingt an, dass dein Kind ist, wie es ist: vielleicht stürmischer als andere, vielleicht ruhiger, vielleicht bewegungsfreudiger oder ganz gechillt. Dein Baby ist mit einem Temperament zur Welt gekommen, das es ausmacht und das auch seine Wahrnehmung und sein Spielen mit dir bestimmt. An seiner Art ist nichts schlechter oder besser als bei anderen. Nur die Begleitung kann möglicherweise herausfordernder sein. Rund um die Entwicklung der Gefühle erfährst du noch mehr dazu.

Bedenke auch beim Lernen deines Kindes, dass Ausprobieren, Scheitern, Pausieren und Versuchen dazugehören. Das ist kein Manko, das ist der Weg. (Übrigens auch deiner als Elternteil!) Diese Woche ist der Krabbeltunnel vielleicht gut, nächste Woche gruselig, aber nächsten Monat wieder ein Highlight.

image Gefühle und Miteinander

Gefühle sind die Basis für so vieles in unserem Leben, sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen. Sie sind da und verdienen es ernst genommen zu werden. Dein Baby muss sie erst noch alle spüren lernen sowie ab dem (Klein-)Kindalter erfahren und üben, wie man mit jedem einzelnen clever umgehen kann. Noch fehlt ihm eine ganze Weile die Reife, um Gefühle klar von anderem abzugrenzen: Sie sind jetzt riesig, oft bedrohlich und bestimmen sein Verhalten. Und zwar ohne dass böse Absichten dahinterstecken! (Ein Satz für die Pinnwand, falls dir jemand immer wieder etwas anderes einbläuen will.)

Was kann dein Baby schon?

Fremdeln

Die sogenannte Acht-Monats-Angst macht sich bei fast allen Babys bemerkbar. Mal früher, mal später. Mal kürzer, mal länger. Mal wenig, mal super intensiv. Um damit gut umzugehen, musst du wissen, was dahintersteckt, damit du nicht durch altbackene Tipps dazu verleitet wirst, falsch zu reagieren.

Fremdeln ist das auffällige Unwohlsein eines Kindes in ungewohnten Situationen oder im Zusammensein mit ihm eher unbekannten Personen.

Fremdeln zeigt, dass dein Baby jetzt reif genug ist, um Menschen und Stimmungen zu unterscheiden. Das ist ein toller Meilenstein! Mit dem Fremdeln sorgt es für seine eigene Sicherheit.

Die Intensität des Fremdelns hängt oft davon ab, wie aufgeschlossen oder aber wie vorsichtig die Persönlichkeitsstruktur deines Kindes von Geburt an ist.

Fremdeln ist kein willentlicher Versuch eines Babys, seine Eltern zu manipulieren! Beim Lesen merkst du wahrscheinlich schon, wie verrückt das klingt. Dennoch wird diese These immer wieder angebracht, um Eltern dazu zu bewegen, die Beziehung zu ihrem Kind in diesen Momenten hart abzubrechen. Dem liegt eine lange Geschichte zu Grunde, die mit uralten Erziehungsmaximen zu tun hat. Für dich ist nur relevant, dass dein Kind noch viel zu unreif ist, um dich zu ärgern. Es zeigt schlichtweg seine Gefühle: Angst sowie den Wunsch nach Nähe und Sicherheit.

Fremdelreaktionen haben manchmal, aber selten damit zu tun, dass eine Bezugsperson dem Kind mit übermäßiger Angst begegnet oder unangemessen forsch mit ihm umgeht. Hält dir jemand vor, deine Fürsorglichkeit sei einengend für das Kind, lass das gegebenenfalls von einer Fachperson einschätzen – aber in der Regel ist das nicht der Fall! Beziehungsorientierten Eltern begegnet der Vorwurf aber häufiger.

Im Gegenteil: Eine gute Bindung kann dafür sorgen, dass dein Kind seine Fremdelgefühle leicht ungefiltert herauslassen kann. Wenn du dein Kind gut wahrnimmst, dann kannst du seine Fremdelzeichen besonders feinfühlig erkennen. Das heißt dein Baby fremdelt nicht stärker als andere, nur sichtbarer, freier!

Starkes Fremdelverhalten, das manch einen geradezu von Trennungsangst (vielleicht einschließlich starker, körperlicher Reaktionen) sprechen lässt, hat manchmal einen Auslöser in heftigen Erfahrungen wie unbegleiteten Trennungssituationen, langwierigen beziehungsschädigenden Schlafprogrammen und emotionaler Gewalt. Wenn das auf dein Baby zuträfe, wüsstest du es sehr genau, und solltest dich entsprechend beraten lassen. Lass dich ansonsten nicht von Vorwürfen verunsichern.

Fremdelreaktionen können auch nur starke Müdigkeit, großen Hunger, zu starke Lautstärke o. Ä. als Auslöser haben.

Intensives Fremdeln kann bedeuten, dass dein Kind klammert, schreit und weint. Das alles ist zumeist unbedenklich.

Fremdelreaktionen zeigen manche Kinder bis etwa zum zweiten Geburtstag, ohne dass dies den Eltern Sorgen machen muss.

Der wichtigste Hinweis für dich ist, dass Fremdeln nicht durch Abhärtung verschwindet. Würdest du ein fremdelndes Kind entgegen seiner Zeichen in einer Gruppe Menschen herumreichen, wäre das fatal. Nimm seine Gefühle an und ernst. Begleite seine Signale liebevoll. Vermeide in dieser Zeit stressige Situationen mit vielen Fremden oder besondere Herausforderungen wie beispielsweise Abstillen oder Ausqartieren aus dem Familienbett. Und weise andere darauf hin, dass sie sich deinem Kind momentan vorsichtig und maximal mit Blickkontakt nähern sollen. Ist jemand deswegen beleidigt, ist das wirklich nicht deine Schuld. Hier ist das Baby die Hauptperson, und „Nein heißt Nein!” gilt schon jetzt. So lernt dein Baby, dass es bei dir sicher ist. In den meisten Fällen geht das Fremdeln so nach wenigen anstrengenden Wochen vorbei.

BEVORZUGEN EINES ELTERNTEILS

Übrigens ist es normal, dass ein Kind in den ersten Lebensjahren immer wieder Phasen hat, in denen sein allerliebster Lieblingsmensch wechselt und es alle anderen eher ungern akzeptiert. Während des Fremdelns oder auch später kann es sein, dass es eine Zeit lang niemand anderen wünscht als ein bestimmtes Elternteil. Das kann sich für andere Bezugspersonen nach Ablehnung anfühlen, was ganz verständlich ist. Hier ist es das Wichtigste zu verstehen, dass dem Verhalten ein ganz starkes Bedürfnis nach Sicherheit zugrunde liegt und kein bewusstes Abkehren. Der Ansatz, das möglichst nicht persönlich zu nehmen, ist am besten für die weitere Eltern-Kind-Beziehung. Es tut dies für sich, nicht gegen jemanden.

Angst und Aufregung

Furcht kann sich auch in anderen Bereichen zeigen, verändert sich aber im Vergleich zu den ersten Lebensmonaten. Zeigte sie sich bislang eher als reflexartige, unklare Furcht, kannst du jetzt sehen, dass dein Baby diesbezüglich mehr durchdenkt und bewertet. Vielleicht ist es jetzt immer bange an der einen Tür, hinter der einmal ein Hund hervorgeschossen kam. Dein Baby nimmt seine Umgebung konkreter wahr und zeigt spezifischere Reaktionen. Daher können Ängste auch einen positiven, spielerischen Charakter haben, zum Beispiel beim Verstecken oder Kuckuckspielen. Dein Baby empfindet kurze Aufregung, durchschaut den Ablauf aber rasch, bewertet ihn spaßig und kann darüber lachen. Es wird dieses Spiel wahrscheinlich immer wieder extra herbeiführen – so wie du vielleicht gern einen Krimi liest oder ein aufregendes Sportereignis anschaust.

Neugier

Parallel zu möglicher Fremdenangst und anderen Momenten, in denen dein Kind unsicher ist und Nähe sucht, nimmt nun aber auch seine Neugier zu. Es will die Welt kennenlernen und erobern. Es spürt, dass es nicht allzeit an seiner Bezugsperson kleben muss und sogar eine andere Richtung einschlagen kann. Je nach Motorik gemächlich oder auch ziemlich rasch.

Jetzt machst du Bekanntschaft mit dem Wechselspiel, das euch lange begleiten wird: Dein Baby braucht Wurzeln und Flügel.

Es braucht die Sicherheit, dass du immer da bist und es gut wahrnimmst.

Und es braucht Raum, um die Welt zu entdecken, Dinge auszuprobieren und selbst zu entscheiden.

Das Zweite geht nicht gut ohne das Erste. Kennt dein Kind Sicherheit und Nähe, trägt es dieses Gefühl in sich und braucht nicht ständig die Bezugsperson an seiner Seite. Erinnere dich an den Begriff des Urvertrauens. Über die nächsten Jahre wird der mögliche Abstand immer größer werden und dein Kind wird aufgrund der inneren Sicherheit auch lernen, andere Menschen um Hilfe zu bitten, wenn du dann nicht greifbar bist. Ihr legt jetzt zusammen die Grundsteine dafür.

Wut

Wie bei der Furcht differenziert sich nun auch das Wutgefühl. Allgemeines Unbehagen verwandelt sich in klaren Ärger über ein Ding oder ein Geschehen: der Ball, der ständig so schnell wegrollt, das Krabbeln, das einfach nicht funktionieren will, oder Opas Taschentuch, mit dem die Nase geputzt werden soll … Wut, Wut, Wut! Dein Kind spürt Stress, vielleicht Hilflosigkeit oder Bedrängnis und fühlt sich ganz verzweifelt, weil die Realität anders ist als das, was sein Köpfchen sich ausgemalt hatte. Dabei ist es natürlich noch viel zu klein, um sich sagen zu können: „Ja, okay, das halte ich jetzt mal kurz aus!” oder „Gleich darf ich ja wieder sagen, wo es langgeht. Daher muss und soll die Wut raus.

Nimm das Gefühl ernst und lache dein Kind nicht aus.

Wenn du die Situation auflösen kannst, mach das. Das ist keine Inkonsequenz. Wichtig ist, dass du dabei nicht kontinuierlich deine oder andere Grenzen übergehst.

Biete deinem Kind Zugewandtheit an: Das kann bedeuten, dass du einfach bei ihm sitzt und aufpasst, dass es sich nicht wehtut in seiner Wut. Umarme es, streichle es oder singe etwas Beruhigendes, wenn es hilft.

Wut ist erfahrungsgemäß etwa zwischen dem zweiten und vierten Geburtstag ein beherrschendes Thema. Je nach Temperament und Regulationsstärke bekommst du schon jetzt einen Vorgeschmack darauf. Versuche, das nicht als Last zu sehen. Wut ist eine Entwicklungsaufgabe wie frei laufen oder lesen zu lernen. Jetzt hilft vor allem Nähe, später kommen weitere Strategien hinzu.

Traurigkeit

Neu ist auch ein klares Gefühl von Traurigkeit, zum Beispiel wenn dein Baby etwas verliert: Fällt das Knisterbuch aus dem Kinderwagen oder der Löffel weit unter den Tisch und gehst du aus seinem Blickfeld, kann das dein Baby traurig stimmen. Verlust nimmt es intensiver wahr. Es weiß zwar jetzt, dass Gegenstände und Personen noch da sind, wenn es sie nicht mehr sieht, aber es spürt auch umso stärker das Unglück darüber, wenn Geliebtes nicht bei ihm bleibt.

Je nach Temperament und Regulationsfähigkeit beruhigt sich dein Kind schnell oder nicht so schnell. Manchen Babys reicht ein Späßchen zur Ablenkung, andere brauchen Nähe, um sich zu beruhigen, und wieder andere benötigen ganz schön viel Zeit, um die Traurigkeit herauszulassen und sie abschütteln zu können. Alle benötigen eine zugewandte Begleitung. Ihr Gefühl ist real, egal wie klein der Anlass erscheint. Und sie regulieren sich durch Nähe.

Miteinander

Eure Interaktion landet jetzt auf einer neuen Ebene. Gefühlsansteckung ist das Schlüsselwort: Dein Baby kann deine, aber auch die Gefühle anderer Menschen in eurer Nähe nun gut wahrnehmen, sich aber schlecht abgrenzen. Bist du wütend, reagiert es häufig auch ungehalten. Ist ein anderes Kind traurig, weint dein Baby oft mit. Lacht jemand lauthals, ist auch dein Kind gut drauf. Manchmal reichen schon eindeutige Gesichtsausdrücke, damit ein Baby im zweiten Lebenshalbjahr sich von einem aus der Mimik ablesbaren Gefühl anstecken lässt. Das kann schön sein, oder anstrengend, aber vor allem ist es ein weiteres Reifezeichen deines Kindes. Es fühlt mit.

LEICHTE ÜBERFORDERUNG BEIM FÜHLEN

Die Fähigkeit, die deinem Baby jetzt und noch eine ganze Weile fehlt, ist die der Abgrenzung: Erst im Alter von sechs bis acht Jahren können Kindern sich selbst sagen, dass die Gefühle der anderen unter Umständen nichts mit ihnen zu tun haben. Dann fühlen sie nicht mehr so intensiv mit und fühlen sich nicht mitschuldig oder ursächlich für die Gefühle anderer. Das ist aktuell noch sehr verwirrend für dein Baby und darum braucht es deine enge Begleitung.

Schlaf

Die oft rasante motorische Entwicklung in diesem dritten Vierteljahr, von der du im nächsten Kapitel noch mehr lesen wirst, kann leider zu deutlich unruhigeren Nächten führen. Viele Eltern leiden jetzt darunter, dass sich ein vielleicht schon ganz guter Rhythmus für die Nächte nun verabschiedet und ihr Kind häufiger und länger wach ist. Das ist in der Regel kein Anzeichen dafür, dass du etwas falsch machst oder dein Kind jetzt Erziehung im Schlafzimmer benötigt!

Die veränderte Motorik sorgt dafür, dass der Körper eines Babys, das nachts von einer in die andere Schlafphase wechselt, in diesen Momenten anfängt, zu zeigen, was er kann: drehen, rocken, krabbeln. Sorge daher für einen Schlafplatz, an dem dein Kind sicher ist, rechne mit Unruhe, und hilf ihm gegebenenfalls dabei, wieder in die Entspannung zu finden. Das kann manchmal nur dein Arm schaffen, der das Baby liebevoll aber bestimmt hält.

Die geistige Reifung bringt mit sich, dass dein Kind mehr Eindrücke aufnimmt und verarbeiten muss, was insbesondere nachts geschieht und für Unruhe sorgt.

Die notwendige Ruhezeit von Kindern in diesem Alter weicht stark voneinander ab: Manche Kinder schlafen immer noch 17 Stunden über den Tag verteilt, andere nur 9! Das kann natürlich sehr kurze Nächte bedeuten.

Die einzelnen Schlafphasen dauern immer noch 50–60 Minuten, und wenn dein Kind einige Wechsel davon noch nicht allein schafft, ist das ganz typisch und nicht leicht veränderbar. Freu dich, dass es wahrscheinlich doch einige Phasenübergänge durchaus schon allein meistert.

Das Schlafverhalten ist noch immer evolutionär erklärbar: Dein Baby sichert sich ab. Es harmoniert nur weiterhin und vielleicht jetzt noch mal verstärkt nicht mit dem, was wir uns wünschen (Lange! Am Stück! Früh einschlafen!) oder was die Welt fordert („Der Wecker geht um halb sieben! Mein Tag war schon so lang!”).

Um zu wachsen braucht dein Kind Nahrung und vielfach auch noch nachts. Dafür kann niemand etwas, am wenigsten dein Baby.

Denke daran, dass du alle Einschlafassoziationen, also alles, was deinem Baby hilft, den Tag loszulassen, wieder abgewöhnen kannst, wenn sie nicht mehr für euch passen. Also nutze ruhig alles, was jetzt eine Stütze ist.

Verunsichert dich jemand hinsichtlich der Nähe, die du deinem Kind zum Schlafen gibst, um es sicher durch die Nacht zu begleiten? Dann denke an das Buffetbild von Nora Imlau und Herbert Renz-Polster aus dem Buch „Schlaf gut, Baby”: Je mehr angeboten wird, desto ruhiger stehen wir vor dem Buffet, weil wir uns nicht sorgen müssen, dass für uns nichts übrigbleibt, und wenn wir satt sind, lassen wir das Buffet gerne eine Weile links liegen. So ist es auch mit der elterlichen Nähe: Wenn dein Baby viel davon angeboten bekommt, muss es sich nicht ängstigen und um jedes Stückchen kämpfen. Wenn es ausreichend Nähe und Sicherheit bekommen hat, wird es dir das zeigen und mit mehr Abstand immer selbständiger zurechtkommen.

SCHLAFPROGRAMME

Ich bitte dich nochmals: Entscheide dich für Beziehung! Erziehung gehört nicht ins Kinderbett, denn Schlafen hat mit Reife und Vertrauen zu tun. Ein Kind, das noch nicht laufen kann, würdest du auch nicht hinstellen, loslassen und erwarten, dass es dann aber klappt. Genauso ist es mit dem (Durch-)Schlafen: Dein Kind braucht Begleitung, bis das allein funktioniert.

Das heißt nicht, dass du eine Schlafsituation tatenlos hinnehmen musst, aber entscheide dich bei der Suche nach den richtigen Hilfsmitteln für eine Beratung, die dich nah bei deinem Kind bleiben lässt. Auf Grund der Vielzahl von Faktoren, die mitbestimmen, wie gut ein Kind schläft, ist klar, dass schnelle Heilsversprechen Unsinn sind. Schlafprogramme, die dir eine umgehende Veränderung versprechen, sind nicht nur fragwürdig, sondern in der Regel auch geprägt von einer bewussten Abwendung von den Nöten deines Kindes. Stattdessen muss man die Bedürfnisse beider Seiten sehen und Schritt für Schritt miteinander verbinden.

Hast du schon die auf Seite 96 verlinkten Videos angeschaut?

Was kannst du noch tun?

Du merkst, die Bedürfnisse deines Babys werden herausfordernder. Trotzdem musst du noch immer nicht perfekt sein und alles sofort verstehen und richtig beantworten. Deine Aufgabe als Elternteil rund um die Entwicklung der Gefühlswelt deines Kindes besteht vor allem aus:

Feinfühligkeit: Du bemühst dich, deinem Baby zuzuhören und in Kontakt mit ihm zu bleiben, um zu erkennen, was es von dir braucht. Hast du das Gefühl, du kannst ihm mal nicht richtig gut helfen, bist du einfach da. Das reicht dann aus.

Bindungssicherheit: Dein Baby sollte mit inneren Sätzen wie „Ich bin nicht allein”, „Ich kann was” und „Die Welt ist gut zu mir” aufwachsen. Wenn du dich feinfühlig zeigst, wie oben beschrieben, dein Baby kuschelst oder auf den Arm nimmst oder aber es die Welt frei entdecken lässt, wenn es das lieber möchte, gibst du ihm genau diese Sicherheit mit.

Begleitung auf der Gefühlsebene: Dein Baby braucht dich als Regulationshilfe für seine Gefühle. Für einige Kinder gilt das mehr als für andere. Du nimmst sein Gefühl wahr („Du bist traurig.”, „Du bist ängstlich.”, „Du bist aufgeregt.”) und zeigst ihm, wie man gut damit umgeht (trauern und getröstet werden, schrittweise mit Angst umgehen, gemeinsam entspannen gegen Aufregung usw.). Auch dein Umgang mit Gefühlen ganz losgelöst von deinem Baby ist vorbildhaft und unterstützt bestenfalls sein Reifen.

Begleitung im Umgang mit anderen Menschen: Dein Baby bekommt von dir die notwendige Hilfe, anderen Menschen sicher begegnen zu können: indem ihr Abstand haltet oder du es ermutigst und ihm Zutrauen entgegenbringst, vielleicht auch mit Erklärungen für euer Gegenüber – mit allem, was nötig ist.

Im Alltag heißt das, du kannst deinem Kind viel Nähe anbieten durchs Tragen, wenn es möchte, durch Erzählen (Es versteht schon mehr als du denkst, und wenn es nur dein zugewandter Tonfall ist.) und durch Zeigen, zum Beispiel auch schon, wenn ihr gemeinsam Bücher anschaut. Du kannst ihm Raum geben, die Welt zu erkunden, indem ihr überschaubare Orte aufsucht, an denen es auf Entdeckungsreise gehen und anderen Menschen begegnen kann. Bei allem solltest du es ernst nehmen: Jedes gezeigte Gefühl ist wirklich da und ist keine Manipulation.

Im Babyjahr haben Nähe und Freiheit noch besonders viel mit dem Körper zu tun. Haut an Haut bedeutet wunderbare Nähe. Vielleicht könnt ihr zusammen duschen oder baden, du kannst dein Kind massieren oder liebevoll kitzeln, auf seinen Bauch pusten oder es in deinen Haaren fummeln lassen. Wann immer es möglich ist, gib ihm Zeit ohne oder nur mit leichter Kleidung. So kann es sich besser Berührungen abholen, aber sich auch leichter bewegen, seinen Körper und die Umwelt spüren und alle seine motorischen Fähigkeiten ausprobieren und verfeinern.

image Bewegen und Entdecken

Zu Beginn des zweiten Lebenshalbjahres unterscheiden sich Babys oft besonders stark in der motorischen Entwicklung. Die Spanne dessen, was als „normal” gilt, ist riesig, und wenn du jetzt ein gemütliches Baby hast, sagt das nichts darüber aus, wann es laufen wird oder ob es später Spaß an Sport hat. Lass dich nicht verunsichern und dir nicht durch Vergleiche Druck machen.

Was kann dein Baby schon?

Krabbeln? In Vorbereitung! Wahrscheinlich wirst du langsam sehen, dass dein Baby sich aufs Krabbeln vorbereitet. Das bedeutet nicht, dass es schon auf alle Viere gehen muss. Krabbeln fängt ganz anders an: Wenn dein Kind auf dem Rücken liegt, kann es jetzt mit den Händen ganz sicher seine Mitte finden und sogar darüber hinweggreifen. Es kann auch seine Füße berühren und damit spielen, sie oft sogar in seinen Mund stecken. Das sind Zeichen seiner kräftigeren Muskeln, seiner wachsenden Hüftbeweglichkeit und der Tatsache, dass es seine Gliedmaßen jetzt bewusst ansteuern kann. Da alles sind Voraussetzung fürs spätere Krabbeln.

FÜSSE ENTDECKEN

Um für dein Baby für extra Spaß zu sorgen, wenn es ohnehin gerade neugierig auf seine Füße ist, kannst du ihm Socken locker anziehen, die es abziehen darf. Mache ihm eine Armrassel an den Knöchel oder streife Plastikbecher über die Füßchen. Wenn du ein Glöckchen fest an eine Socke nähst, hat dein Kind nicht nur Freude bei dem Versuch, da heranzukommen, sondern auch, wenn es nur mit den Füßen – in Bauch- oder Rückenlage – auf den Boden klopft. Alles zusammen tut seiner Motorik und nicht zuletzt seiner Laune gut.

Manche Babys schaffen tatsächlich schon mit sechs Monaten den Dreh, nicht nur in Rückenlage die eigentliche Krabbelposition mit zur Decke gereckten Armen und Beinen einzunehmen, sondern wirklich andersherum – und dann auch durchzustarten. Die meisten brauchen aber länger und müssen viel herumprobieren, sodass sie vielleicht erst im Alter von zehn Monaten den ersten zaghaften Krabbelschritt schaffen. Und wieder andere lassen das Krabbeln tatsächlich ganz aus. Sie, und auch diejenigen, die es erst später schaffen, befassen sich eher mit Drehen, Robben und Rocken. Vielleicht liegt dein Kind aber noch etwas länger gern auf dem Rücken oder dann auf dem Bauch. Das hängt oft mit der Statur zusammen. Einige Babys haben es schwerer als andere, ihren Körper in Bewegung und in die Höhe zu bekommen. Das ist einfach Veranlagung. Tatsächliche körperliche Probleme würden die Vorsorgeuntersuchungen wahrscheinlich ans Licht bringen. Die meisten der „bequemeren” Kinder brauchen Zeit, machen eben nur ganz kleine Fortschritte und legen mehr Wert auf Gucken, Wahrnehmen, (Be-)Fühlen.

JETZT SCHON ZU DICK?

An diesem Punkt sorgen sich viele Eltern wegen „auffallend viel Babyspeck”. Ernährst du dein Kind aber ganz normal nach den gängigen Vorgaben (und nicht mit Eiscreme und Erdnussbutter), kannst du sehr sicher sein, dass sich alles einpendeln wird, sobald es motorisch die nächsten Entwicklungsschritte macht.

Drehen

Dank stärkerer Muskeln und besserer Koordination kann dein Baby sich nun bald gut vom Rücken auf den Bauch drehen, um besser zu gucken, zu spielen und dann auch voranzukommen. Interessantes Spielzeug und im Grunde natürlich auch alles, was eigentlich nicht als Spielzeug gedacht ist, motiviert sehr. Das kannst du nutzen, um dein Kind über die Seite ins Drehen zu locken. Bekommt dein Baby nach der Drehung den Arm, über den es sich gewendet hat, nicht unter seinem Brustkorb heraus, kannst du es unterstützen, das bald allein zu schaffen. Es muss seinen Arm dafür gut wahrnehmen, also streichle an der entsprechenden Schulter. Hilf nur noch stärker mit und ziehe den Am behutsam unter dem Brustkorb hervor, wenn es anfangs ganz daran verzweifelt.

Das Drehen an sich kannst du auch in euer Spielen einbauen. Dazu musst du dich erinnern, wie die Körperhaltung beim Drehen ist: Ein Bein bleibt lang und darüber dreht es sich. Das andere wird angezogen und bringt den nötigen Schwung mit. Versuche es ruhig mal selbst, damit du weißt, wie es geht, und deinem Baby im Miteinander spielerisch Unterstützung geben kannst, beispielsweise indem du ihm hilfst, das Schwungbein vorsichtig anzuwinkeln. Das ist aber wirklich nur ein Spiel und nicht zwingend notwendig, damit dein Kind diesen Bewegungsablauf lernt. Er kommt von allein, wenn Hüfte und Muskeln endlich perfekt zusammenspielen.

Robben

Endlich allein die Dinge zu erreichen, die es faszinieren, ist ein großer Schritt für dein Baby. Es sieht etwas und möchte sich mit all seiner Kraft seehundgleich dorthin schieben – leider gehorcht der Körper da anfangs nicht immer sofort, denn oft geschieht das erste Schieben rück- statt vorwärts. Frustrierend! Du darfst spielerisch unterstützen und ihm deine Hände anbieten, um sich abzustoßen: Drücke deine Handinnenflächen gegen seine Füße oder biete ihm dein Bein zum Abstoßen an, wenn du hinter ihm sitzt.

Aber ein bisschen Frust gehört auch zum Lernen dazu. Leg dich immer wieder daneben und sei einfach zugewandt da. Stopperkleidung an Knien oder Füßen oder mal ein anderer Bodenbelag können für kleine Erfolgserlebnisse sorgen, ein Brett als schiefe Ebene mit leichtem Gefälle auch. (Überziehe ein Holzbrett mit Wachstuch und lege auf einer Seite einen flachen Karton oder ein Kissen darunter.).

Klappt es endlich zuverlässig vorwärts, sind bald auch Hindernisse eher eine willkommene Herausforderung als ein Ärgernis. Wenn du dein Baby beobachtest, wie es sich über Kartons, Kissen und Kanten zieht, kannst du nach und nach auch sein stufenweises Aufrichten mitverfolgen, weil es anfangs noch platt darüber rutscht, aber bald mit empor gedrücktem Bauch und Oberkörper.

Manche Babys robben übrigens nicht auf dem Bauch, sondern auf dem Rücken! Das ist ein ganz besonderer Anblick: Mit Bauch- und Nackenmuskeln wie ein Profisportler halten sie den Kopf hoch, fixieren ihr Ziel und schieben sich mit Po und Füßen über den Boden. Jeder wie er oder sie kann! Daran ist nichts bedenklich.

VORANKOMMEN

Merkst du, dass dein Kind langsam vom Fleck kommen mag, kannst du es dabei nicht nur durch passende Kleidung und Dabeisein unterstützen, sondern auch durch anregendes Spielzeug: Würfel sind eine gute Idee, weil sie sich bewegen, aber nicht zu schnell. Auch langsame Fahrzeuge können helfen. Bälle dürfen später dazu kommen. Sind sie aus Stoff und mit schwerer Füllung oder etwas platt, rollen sie deinem Kind ebenfalls nicht zu schnell weg.

Habt ihr schon einen Krabbeltunnel? Der funktioniert auch wunderbar als Robb-Röhre, wenn dein Baby sich traut. Lock von der anderen Seite oder füll den Tunnel mit spannenden Materialien. Vielleicht ist dein Kind dann plötzlich unerwartet schnell bei der Sache. Hast du den Eindruck, der Tunnel ist deinem Baby zu unheimlich, zu lang, zu dunkel, kannst du eine runde, transparente, textile Wäschetonne umfunktionieren, indem du den Boden rausschneidest. Sie ist kürzer und weniger beängstigend, weil sie leicht durchsichtig ist.

Rocken

Rocken? Was soll das denn sein? Sobald dein Baby das tut, wirst du es sofort verstehen: In der „Rocking Position” ist dein Baby endlich im Vierfüßlerstand angekommen und stützt sich auf den Händen und den Unterschenkeln ab, kommt jedoch noch nicht voran. Stattdessen wippt es hin und her, rockt also, für ein besseres Balancegefühl. Die „urban legend” sagt „1000 mal rocken, dann geht es vorwärts!” und das dürfte ungefähr hinkommen. Außer einem guten Gleichgewichtsgefühl benötigt dein Baby dafür Kraft in den Gliedmaßen, im Bauch, den Schultern und im Nacken. Auch da kannst du spielerisch helfen.

Vor allem musst du weiterhin dafür sorgen, dass dein Baby oft die Chance dazu hat, sich frei am Boden zu bewegen – ohne einengende Kleidung, außerhalb von Autositz und Kinderwagen.

Stütz dein Kind mit einem Stillkissen oder deinem Oberschenkel unter dem Bauch und lass es mit etwas Spannendem spielen, dann kann sich der kleine Körper ganz auf die Schulter- und Nackenmuskulatur konzentrieren.

Nimm dein Baby in der Position über deine Schulter und lass es dort „fliegen”, vielleicht mit einem großen Spiegel vor euch, sodass ihm die Haltung richtig viel Spaß macht. Du hältst und stützt es dabei mit einer Hand am Po und mit der anderen vor der Brust. Wie kommt es überhaupt erst da hoch? Leg es vor dich, auf dem Rücken mit dem Kopf zu dir, während du am Boden sitzt. Fass links und rechts um seine Schultern herum, sodass deine Daumen auf den Schlüsselbeinen liegen und die restlichen Finger auf den Schulterblättern. Dann dreh es hoch auf deine Schulter, sodass sein Kopf neben deinem in die Welt guckt, und steh langsam auf, wenn du dich sicher fühlst.

Bau aus einem Brett und zwei Kartons eine kleine Brücke, unter der etwas liegt, das dein Baby neugierig macht (gern auch ein Spiegel mit Spielzeug darauf), sodass es von dort oben platt auf dem Bauch liegend nach unten greifen und spielen kann. Das stärkt seine Schulter- und Nackenmuskulatur. Halte dabei gegebenenfalls eine Hand auf seinem Po, damit es nicht übermütig hinunterstürzt.

Manche Kinder finden nicht direkt in den Vierfüßlerstand, also auf Hände und Unterschenkel, sondern bewegen sich geradezu akrobatisch. Sie heben den Bauch vom Boden ab und halten sich wackelig auf Händen und Füßen mit durchgestreckten Beinen. Auch das ist eine ganz unbedenkliche Möglichkeit, die Muskeln zu trainieren. Sobald dein Baby verstanden hat, dass es die Beine durchdrücken kann und das Halten auf den Unterschenkeln stabiler ist als nur auf den Füßen, wird es sicher auch rasch mit dem Rocken starten.

Krabbeln

Das Ergebnis all dieser motorischen Schritte ist schließlich ein Kind, das krabbeln kann. In den ersten Momenten siehst du, dass es eine Hand nach vorn schiebt und ein Knie heranzieht, und dann wird es immer geschickter und bald fast zu schnell für dich. Denn viele Kinder perfektionieren das Krabbeln zu einem echten Sprintmuster. Die meisten schaffen das bis zum Ende des dritten Vierteljahres, aber auch hier gibt es noch einige Spätzünder*innen, ohne dass dies in der Regel bedenklich ist. Manche Babys lassen das Krabbeln sogar aus, rutschen lieber nur aufgerichtet auf den Knien, damit sie die Hände frei haben, oder richten sich vom Robben direkt auf und beginnen zu laufen.

Aufrichten und Sitzen

Viele Eltern warten sehnsüchtig darauf, dass ihr Baby endlich sitzen kann. Oftmals ist damit die Hoffnung verknüpft, dass es dann zufriedener sein wird (beim Spielen am Boden, im Hochstuhl am Tisch, im Autositz) und dass wir Großen es etwas einfacher haben, wenn wir unser Kind mal kurz irgendwo absetzen können, ohne dass es platt auf dem Boden liegen muss. Die gute Nachricht ist, dass die Hoffnung oft gerechtfertigt ist. Sitzen zu können ist eine tolle Errungenschaft, die tatsächlich zufriedener machen kann. Dein Baby nimmt die Welt anders wahr, und das nicht nur auf Grund der veränderten Position, sondern weil es zeitlich geistig auch einen Schritt nach vorn macht. Es weiß zum Beispiel endlich durchgängig, dass Gegenstände und Personen immer da sind, auch wenn sie aus dem Sichtfeld verschwinden. Im Zusammenspiel aus Motorik und Gehirnreifung verbessert sich auch die Wahrnehmung von Tiefe, also der dritten Dimension, sodass Höhlen, Treppen oder Kisten mit herausnehmbarem Inhalt spannender sind und immer besser bewältigt werden können.

KEINE UNGEDULD BEIM SITZEN

Aufpassen musst du aber, dass du dich von der Hoffnung auf Alltagserleichterung nicht dazu verleiten lässt, dein Baby zu früh aufzusetzen. Das Sitzenkönnen benötigt Zeit und Übung, damit die Muskeln dein Kind gut halten. Die meisten Kinder setzen sich über die Seite hin. Das heißt sie liegen seitlich, stützen sich mit einem Arm ab und richten sich nach und nach immer mehr auf, bis sie die stützende Hand schließlich wegnehmen können. Beine und Rücken sind dann gerade und stabilisieren die Position. Manche setzen sich auch aus dem Vierfüßlerstand oder aus dem Krabbeln hin, indem sie ihren Po immer weiter nach hinten schieben und dann in der Position nach und nach die Hände vom Boden lösen sowie Beine und Rücken durchdrücken. Bei beidem musst du nicht helfen, nur wieder für ausreichend Bewegungsraum und -zeit sorgen. Zusätzlich kannst du aber aufpassen, dass dein Baby kleine, nicht zu harte Kanten findet, an denen es sich weiter aufrichten kann, beispielsweise flache Kartons oder weiche Matten und Polster.

Groß ist die Versuchung, auf dem Rücken liegende Babys ins Sitzen hochzuziehen. Um festzustellen, ob die Muskeln deines Kindes dieses Spiel schon gut mitmachen können, biete deinem Kind deine Finger an. Ergreift es sie, aber lässt die Arme lang, würdest du es allein mit deiner Kraft ins Sitzen hochziehen und besonders die Ellbogen stressen. Winkelt dein Kind dabei hingegen die Arme an, nutzt es seine eigene Oberarm- und Bauchmuskulatur zum Aufrichten. Dann kannst du dieses Spiel – aufrichten und wieder hinsinken – ausgiebig mit ihm machen.

Solange es sich noch nicht selbst hinsetzt, solltest auch du darauf verzichten, das von dir aus zu tun; selbst wenn es verlockend wäre, zum Beispiel beim Anziehen des Jäckchens oder Pullovers. Staffiert man ein Baby mit Kissen und ähnlichem aus, um es scheinbar gestützt hinzusetzen, wenn es das selbst noch nicht kann, fehlt den entsprechenden Rückenmuskeln noch die Kraft, die Wirbelsäule stabil zu halten, sodass sie ungut gestaucht wird. Angelehnt darf dein Baby aber sitzen, zum Beispiel auf deinem Schoß oder in einem altersgerechten Sitz. Auch hier gilt wieder: nicht zu lange und immer wieder die Position wechseln.

Einige Kinder üben das Sitzen im dritten Vierteljahr immer mal wieder, aber lassen es dann nochmal, wenn die Muskulatur noch nicht so weit ist. Wundere dich nicht. Solche Pausen sind bei allen Entwicklungsschritten möglich.

KINDERWAGEN UND AUTOSITZ AUSTAUSCHEN

In der Zeit, in der ein Baby sitzen übt, taucht bei den Eltern meist die Frage auf, ob sie von der Babyschale am Kinderwagen zum Buggyaufsatz wechseln und ob sie den nächsten Autositz kaufen sollten, denn das Kind ist ja auch ganz schön gewachsen! Auch hier gilt wieder der Rat, nicht ungeduldig zu werden. Beides lieber etwas länger als zu kurz zu nutzen, hat keinen nachteiligen Effekt.

Die Babyschale des Kinderwagens kannst du für unterwegs nochmal interessanter gestalten, wenn du dein rockendes Baby in Bauchlage hineinlegst, sodass es unter Umständen mal ein Stück im Vierfüßlerstand fahren und so besser in die Welt schauen kann. Den Buggyaufsatz kannst du ausprobieren, wenn er gute, gepolsterte Gurte hat und sich schräg stellen lässt, sodass dein Kind wirklich angelehnt liegt und nicht zusammengesunken „sitzt”.

Die Babyschale fürs Auto oder das Lastenrad kannst du weiterverwenden, wenn nur die Füße unten herausgewachsen sind. Wichtig ist, dass Kopf und Schultern oben noch gut hineinpassen. Dann machst du nichts falsch. Ändert sich dies, achte beim Nachfolgerprodukt darauf, dass dank verstellbarer Rückenlehne ein angelehntes Sitzen möglich ist. Eine gute Vor-Ort-Beratung ist Gold wert.

Stehen

Vielleicht zieht dein Baby sich jetzt nicht (nur) zum Sitzen hoch, sondern greift auch schon eine Etage höher und schafft es ins Stehen, während es sich irgendwo festhält. Das hängt wieder von der Muskulatur und er Kontrolle über den eigenen Körper ab.

Manche Kinder schaffen das zwar, aber fallen dann schnell recht unkontrolliert um. Das gehört im Grunde zum Lernprozess dazu. Ärgere dich nicht, wenn du nicht jeden Unfall verhindern kannst. Das geht allen Eltern so. Mache die Übungsplätze einfach so sicher wie möglich und tröste beim Sturz. Je früher ein Kind motorisch fit ist, desto eher geschehen kleine Unglücke, weil der Kopf noch nicht ganz dabei nachkommt, zu begreifen, was geschieht.

Die Muskelstärkung unterstützen kannst du auch immer, indem du dein Baby hältst, am besten unter den Achseln, und es stehen und hopsen lässt. Um sich gut aufrichten zu können, sucht dein Baby sich vermutlich aber bald allein alles, was in seiner Nähe ist: den Wohnzimmertisch, eine niedrige Fensterbank, die Streben und die Sitzfläche eines Stuhls. Dafür musst du nicht extra etwas anschaffen. Steht vielleicht Weihnachten bevor oder noch Geschenke aus Patenschaften aus, kannst du dir für dein Kind jedoch zum Beispiel eine kleine Bank, einen niedrigen Balancierbalken, eine Theke vom Kaufmannsladen, eine dicke Hüpfmatte oder einen Anhänger für ein Kinderfahrzeug wünschen. All das kann jetzt anregend zum Hochziehen sein und wird auch später noch jahrelang Verwendung für andere Zwecke finden.

Selbst basteln kannst du beispielsweise eine Kartontreppe oder ein „Gebirge” aus einem mit weichen Bällen oder stabilen Ballons gefüllten Bettbezug. Unterschiedliche Untergründe – weich und instabil oder hart und klar – aktivieren die Tiefensensibilität und die Körperspannung.

Hände

Während der ganze Körper, also die Grobmotorik, starke Fortschritte zeigt, tut sich auch im Bereich der Feinmotorik deines Kindes wieder viel:

Dein Kind kann seine Hände zusammenführen und miteinander nutzen. Es kann Gegenstände von einer zur anderen Hand wechseln oder jeweils einen greifen und halten.

Es greift, oft im Drehvorgang, über seine Körpermitte auf die andere Körperseite.

Es nutzt häufig einzelne Finger anstatt der ganzen Hand und kann dann nicht nur zupacken, sondern erst zufällig und dann auch gezielt loslassen.

Dein Baby kann Dinge in seiner Hand bewegen und nutzt auch die verschiedenen Möglichkeiten des Handgelenks.

Im Liegen oder Sitzen werden Nachziehtiere und Schnüre spannend und gerne genutzt.

Im Liegen nutzt es die Arme nicht mehr zum Stützen, sondern spielt frei und greift auch Gegenstände, die etwas erhöht über ihm stehen.

Ab einem Alter von acht Monaten kann die Handmotorik sich verfeinern, weg vom Scherengriff hin zum Pinzettengriff, bei dem nicht mehr Daumen und alle anderen Finger kombiniert werden, sondern nur Daumen und Zeigefinger. Mit den obersten Fingergelenken und ganz geraden, eher steifen Fingern kann dein Baby zielgenauer auch sehr kleine Dinge fassen. Meist bemerkst du es zuerst, weil dein Kind Krümel und Fussel aufsammelt und begeistert präsentiert. Bei manchen Kindern verfeinert sich die Handmotorik erst im zweiten Lebensjahr so, dass der Pinzettengriff gelingt. Auch das ist im normalen Rahmen.

SPASS FÜR DIE HÄNDE

Die Veränderung der manuellen Fähigkeiten siehst du beim alltäglichen Spielen, aber beispielsweise auch, wenn du dein Baby in Bauchlage auf einen Wasserball legst. Als Säugling ließ es eher seine Fäustchen nach unten hängen. Nun stützt es sich gezielt ab oder greift nach etwas und setzt die Finger eher einzeln ein – und auch die Füße arbeiten aktiver mit, denn sie sind immer noch ähnlich wichtig und sensibel wie die Hände.

Um dein Baby anzuregen, seine Finger- oder teilweise auch Zehmotorik spielerisch einzusetzen, kannst du ihm (Kunsttsoff-)Ketten, Ringe, Bänder, Löffel und andere Kochwerkzeuge, Bauklötze oder auch Backpapier anbieten. (Backpapier hält Babyspeichel länger stand als anderes). Vielleicht mag es auch mit dir Gegenstände ein-, aus- oder abräumen, und ganz sicher hat es Spaß daran, immer wieder etwas fallenzulassen.

Was kannst du noch tun?

Du hast schon viele Ideen für das motorische Spielen mitbekommen, für die man gar nicht zu viel anschaffen und spezielles Spielzeug suchen muss. Und du kannst noch mehr tun – und zwar indem du verschiedene Dinge einfach unterlässt:

Nicht gleich eingreifen! Hilf deinem Baby nicht sofort, wenn es nicht weiterkommt. Halte seinen Frust aus, rede ihm gut zu, locke es, streichle seine Wange, begleite, bis es ihm wirklich eindeutig zu viel wird.

Nicht ständig animieren! Nutze die Kraft der Selbstmotivation, die jedem Baby innewohnt: Wenn es Gelegenheit und Zeit bekommt, wird es sich ausprobieren und in kleinen oder großen Schritten vorankommen. Es braucht keine ständige Animation.

Nicht zu schicke Kleidung wählen! „Coole” Kleidung ist oftmals nicht gerade bewegungsfreundlich. Gerade jetzt wären vor allem Kleidchen und Röcke unpraktisch. Zieh deinem Kind möglichst wenig an, so wie es die Temperaturen zulassen, denn umso besser kann es sich bewegen. Nackt oder zumindest nur mit einem leichten Windelhöschen ist es sogar am allerbesten.

Nicht immer allein am Boden lassen! Sorg dafür, dass es getragen, gefahren, geschaukelt wird, aber immer auch viel Gelegenheit hat, sich frei am Boden zu bewegen. Und lass es dabei nicht immer allein. Liegst oder sitzt du bei ihm unten, wird es sich wohler fühlen, als wenn du und mögliche Gäste ständig höher sitzen oder stehen.

Alles ist Spiel! Spielen ist jetzt und noch lange das Mittel deines Kindes, die Welt kennenzulernen, Erlebtes einzuordnen, sich selbst auszuprobieren und mit anderen in Beziehung zu gehen. Dabei ist im Grunde noch alles Spiel, egal ob du Altpapier sortierst, ihm einen Ball hin kullerst oder es im Kinderwagen durch den Drogeriemarkt fährst. Es spielt ganz nach seinen Bedürfnissen. Wann immer du dir Zeit nehmen kannst, es auch in Alltägliches einzubeziehen und sich dabei ausprobieren zu lassen, tut das seiner Entwicklung und eurem Miteinander gut. Und wenn dir Zeit und Kraft dafür fehlen und dein Baby das mit Gemecker quittiert, ist das auch kein Grund für ein schlechtes Gewissen. Es darf deine Bedürfnisse und Nöte spüren und es darf seinen Unmut darüber äußern. Beziehungsorientiert Eltern zu sein bedeutet dann nur, ihm in solchen Situationen möglichst häufig sehr zugewandt zu begegnen, anstatt sein Verhalten entnervt und distanziert zu kommentieren.

Magst du jetzt endlich gemeinsam einen Kurs besuchen? Entweder, weil dein Baby zunehmend neugierig ist, oder aber, weil du Lust auf Abwechslung hast? Dann schau in eurer beider Sinn darauf, dass der Kurs Angebote enthält und keine Zwänge. Hol dein Kind da ab, wo es steht, und achte seine Bedürfnisse und auch schlicht seine Tagesform. Ein gemütliches Kind muss nicht immer wieder aufgestellt werden und ein müdes Kind muss nicht wachgehalten werden. Druck von außen spürt ihr sicher noch früh genug. Natürlich solltet ihr niemanden unhöflich vor den Kopf stoßen, der oder die emsig ein tolles Kursprogramm ausgearbeitet hat, aber respektvoll kannst du immer sagen, wenn etwas für euch nicht passt.

DRAUSSEN IN DER SONNE

Vermutlich seid ihr nun immer mehr draußen unterwegs. Je nach Wetterlage kann es in allen Jahreszeiten sinnvoll sein, über eine Sonnenbrille für dein Baby nachzudenken. Je früher man die Kinder daran gewöhnt, desto eher wissen sie das Hilfsmittel zu schätzen, besonders wenn sie es in der störenden Situation austesten können und die Hilfe spüren. Die Sonnenbrille sollte eng anliegen, aus leichtem Kunststoff sein und geprüfte Gläser haben. Hilfreich sind Brillen mit einem Gummiband statt Bügeln, das rund um den Kopf geht. Bei gutem Sitz dient die Brille auch als Windschutz, zum Beispiel beim Nordseeurlaub.

Sonnenschutz für die Haut solltest du ebenso im Blick haben. Vor allem im Frühjahr unterschätzt man leicht die Kraft der Sonne und holt plötzlich ein Baby mit geröteten Beinchen und ebenso roter Nase aus der Trage. Sinnvoll ist im ersten Schritt weite, lange Kleidung. Spezielle UV-Schutzkleidung muss nicht sein, aber darf gerne.

Im zweiten Schritt kann man mit Tüchern zusätzlichen Schutz erreichen, z. B. um die Trage gebunden und nackte Füßchen abdeckend oder mit ausreichend Luftlöchern vor den Kinderwagen gespannt. Erst im dritten Schritt solltest du vor dem 1. Geburtstag deines Babys an Cremes denken, denn die Babyhaut ist sensibel und dünn. Andere Schutzmaßnahmen sind besser. Doch lässt sich Zeit in der direkten Sonne nicht vermeiden, creme dein Kind auf jeden Fall ein.

Unfälle

Die wachsende Mobilität deines Kindes führt spätestens jetzt auch beim vorsichtigsten Wesen zu den ersten Unfällen. Wenn etwas passiert, muss man natürlich immer schauen, ob die beaufsichtigende Person zu unachtsam war oder der Ort nicht abgesichert genug. Aber Vorwürfe helfen niemandem. Lernt daraus und versorgt vor allem einfach möglichst selbstsicher und beruhigend das Kind.

Ratsam ist es, spätestens jetzt einiges neu in eure Notfallapotheke aufzunehmen: Desinfektionsmittel und (Klemm-)Pflaster sind eine kluge Investition. Kühlpads sind hilfreich, aber viele Kinder mögen sie lange nicht an sich heranlassen. Manchmal ist ein kühlendes Bad mit Waschlappen zum Spielen und Bechern zum Gießen die besser akzeptierte Alternative bei Beulen oder auch Insektenstichen.

Der eigene Körper und Hygiene

Zur wachsenden Beweglichkeit und zum Entdecken gehört natürlich auch, dass dein Baby seinen eigenen Körper erkundet. Es wird nicht nur an die Füße fassen, sondern vielleicht auch zwischen seine Beine. Lass es sich erkunden ohne Tabus. Schamgefühle werden erst im dritten Lebensjahr ein Thema werden.

Spannend ist auch der Mund: Ist der erste Zahn schon da? Vielleicht gleich mehrere? Auch hier ist die Spanne groß, wann das losgehen und wie das vonstattengehen kann, aber in der zweiten Hälfte des ersten Lebensjahres tauchen eigentlich bei allen Kindern die ersten weißen Spitzen im Mund auf. Sie spielen dann mit ihren Zungen daran herum, mögen Kaubares und Kühles (ein feuchter Waschlappen ist oft eine gute Idee), brauchen manchmal ein altersgerechtes Schmerzmittel, weil das Drücken im Mund sie nicht schlafen lässt, und sie brauchen jemanden, der sich von Anfang an um die Zähne kümmert. Nein, du musst jetzt noch keine drei Minuten Zähne putzen. Wie bei der Beikost geht es auch hier um Gewöhnung. Gewöhnt euch an, morgens und abends ein bisschen zu reinigen. Ob mit Bürste oder Fingerling, ob mit Zahncreme oder ohne, mit Fluorid oder ohne, ob mit Wasser oder nicht, ob durch deine oder die Babyhand entscheidet sich individuell. Die meisten Zahnärzte und -ärztinnen raten zu Kinderzahncreme, die natürlich auch verschluckt werden kann.

Mache ein Ritual daraus mit Spaß und Gesang sowie der Möglichkeit, dass das Baby mitmachen kann, aber vermeide intensive Kämpfe. Zähne zu putzen ist ein Muss. Auch bestimmte Medikamente kannst du nicht weglassen und du musst dein Kind von bestimmten Gefahrenbereichen, wie der Straße, fernhalten. So kann es sein, dass wir Eltern manchmal in die unschöne Rolle kommen, „schützende Gewalt” anwenden zu müssen. In guter Beziehung können unsere Kinder das aushalten. Aber das Maß sollte stimmen. Für kaum mehr als wenige Sekunden Putzen am ersten Zähnchen solltest du keinen Konflikt anzetteln.

KINDERARZT UND KINDERÄRZTIN

Hinter euch sollten schon einige Besuche in der kinderärztlichen Praxis liegen, selbst wenn nicht mehr als die Vorsorgeuntersuchungen anstanden. Bist du zufrieden mit der Begleitung? Werden deine Sorgen ernst genommen? Wird deine Meinung akzeptiert, beispielsweise wenn du dich informiert hast und schlafen, zufüttern o. Ä. anders regeln möchtest als andere? Begegnet man dir und deinem Kind verständnisvoll? Wird dein Kind behutsam und mit Spaß untersucht?

Solltest du dich nicht wohl fühlen, sprich es an. Manchmal gehen Bedürfnisse im Praxisalltag unter, aber es wird Raum dafür geschaffen, sobald sie den Beteiligten bewusst sind. Bist du grundsätzlich zufrieden, aber stört dich die Art, mit der du zu einem bestimmten Bereich Auskunft erhältst, informier dich zusätzlich bei einer zweiten Stelle, bilde dir deine Meinung und stehe dazu. Hast du hingegen das Gefühl, ihr seid wirklich gar nicht gut aufgehoben, bemühe dich um einen Wechsel und Zweitmeinungen zu strittigen Themen. Hier und bei allen Fachärzten und -ärztinnen hast du ein Recht auf Akteneinsicht und auch auf Kopien der Unterlagen (gegen Bezahlung)!

Spielerisch durch den Alltag

Das Miteinander mit deinem Baby in eurem Alltag hat nicht nur eine Bedeutung für seine persönliche Entwicklung und Bereiche wie Sprechen oder Motorik, sondern auch für sein späteres Miteinander mit anderen Menschen. In einem Umfeld voller gesunder Beziehungen kann dein Kind sich prosozial entwickeln. Das heißt es lernt, sich um andere zu kümmern und dafür zu sorgen, dass es ihnen gut geht.

Du hilfst deinem Baby beim Mitfühlen

Du hast das Gefühl, dein weinendes, schlecht schlafendes, sofort losschreiendes Baby ist meilenweit davon entfernt, mitfühlend und sozial zu sein? Ja, noch versteht es nicht, dass es Mitleid mit dir haben sollte, wenn es dich nachts um drei zum fünften Mal weckt, oder dass es nett wäre, den Tisch beim Essen nicht mit Brei einzucremen. Aber in eurem Miteinander lernt es die erste Grundlage dafür, dass es das irgendwann kann. Dank der Gefühlsansteckung, zu der dein Kind im Stande ist, nimmt es alle Emotionen wahr, die du ihm zeigst. Das ist die Basis dafür, dass …

… dein Kind bald versteht, dass es dir helfen kann, wenn dir etwas weggerollt ist und es näher dran sitzt.

… dein Kind im zweiten Lebensjahr versucht, andere zu trösten, wenn sie unglücklich sind.

… dein Kind rund um den zweiten Geburtstag anfängt, manches mit anderen bewusst teilen zu wollen.

… dein Kind in den kommenden Jahren nach und nach Regeln verstehen kann und einhalten mag, weil es den Sinn versteht.

… dein Kind einen inneren Moralbegriff entwickeln kann und irgendwann (verbunden mit der inneren Kontrolle seiner spontanen Impulse) an den Punkt kommt, andere nicht absichtlich verletzen und Dinge nicht bewusst zerstören zu wollen.

… dein Kind Schritt für Schritt die Motivation entwickeln kann, auch mit Unmut zu kooperieren und sich auf Kompromisse einzulassen, weil es fühlen darf, wie es dir geht, wenn es das nicht tut.

Das ist ein Weg für die kommenden Jahre, und du kannst das Fundament bauen, wenn ihr im Alltag einfach viel gemeinsam macht, Routinen entwickelt, du dein Leben mit deinem Kind teilst, es deine Gefühle anhand deines Gesichtsausdrucks oder deiner Stimme erleben darf, es dich beim Trösten, Helfen und Lösen erlebt und du ihm zugewandt die Welt zeigst. All das ist Begleiten durch dich und Lernen für dein Kind. Es ist Spiel und doch viel mehr.

Und was ist mit Erziehung? „Es tanzt euch doch jetzt schon auf der Nase herum!” ist der klassische Vorwurf, den Eltern häufig im Verlauf des ersten Lebensjahres ihres Kindes von anderen Erwachsenen, zum Beispiel den Großeltern, zu hören bekommen, wenn sie bewusst auf Bindung und Beziehung achten möchten. Wenn du dein Baby so feinfühlig wahrnimmst, wie in diesem Buch beschrieben, und gleichzeitig auf deine Kräfte und Bedürfnisse schaust, bist du auf einem guten Weg, die (auch psychisch) gesunde Entwicklung deines Kindes wunderbar zu unterstützen. Dein Kind lernt, dein Kind versteht nach und nach. Und du bist eng dabei. Das ist deine „Erziehung”, ohne dass du dein Kind gemäß irgendwelcher vielleicht überholter Erwartungen mit Härte und Kälte irgendwohin „ziehst”.

Du zeigst deinem Baby die bunte Welt der Lebensmittel

Was ist sonst noch wichtig, wenn es in großen Schritten auf das Ende des ersten Lebensjahres zugeht? Ganz banal: das Essen. Etwa ab dem fünften Lebensmonat fragen Verwandte und oft auch die kinderärztliche Praxis, ob du schon zufütterst. Bleib deinem Weg treu, auf dein Kind zu schauen und nicht auf Tabellen. „Tricks, um Essen endlich ins Kind zu bekommen” sorgen in der Regel nicht gerade für ein gesundes Essverhalten. Ihr habt Zeit. Deine besten Helfer heißen Geduld und Angstfreiheit. Spätestens im siebten Lebensmonat, also jetzt, solltest du aber testen, wie dein Kind die Sache mit der Beikost findet. (Stark untergewichtige Kinder sind hier natürlich ausgenommen und müssen oft früher und nach speziellen Plänen starten. Lass dich ärztlich beraten und hol eine Zweitmeinung ein, wenn du unsicher bist.)

Vielleicht ist dein Kind aber auch längst super interessiert, kann jetzt möglicherweise schon gut mit am Familientisch sitzen und mag neugierig alles zumindest mal in den Mund nehmen. Dann nichts wie los!

Machst du dir Gedanken, weil dein Kind etwas ganz Ausgefallenes probieren mag? Dann schau wortwörtlich über deinen Tellerrand, denn in anderen Ländern besteht die erste Beikost oft nicht aus Bio-Pastinaken. Allergieprävention durch Vermeidung bestimmter Lebensmittel ist schon lange nicht mehr up to date. Ein vielseitiger Speiseplan von Anfang an ist für alle Kinder ein Gewinn. Aufpassen musst du im Grunde nur bei der Menge (beispielsweise nicht zu viel, wenn es sehr salzig ist) und wegen der Größe und Konsistenz (Nüsse können zum Beispiel verschluckt werden, Birne mit Schale klebt sich leicht und unangenehm am Gaumen fest). Genaue Empfehlungen zu Do’s und Dont’s, zu Mengen und Inhaltsstoffen findest du zum Beispiel über die Deutsche Gesellschaft für Ernährung. Die Tipps ändern sich mit jeder verbesserten Studienlage, also ist es ratsam, dir aktuelle Infos zu besorgen, anstatt einen älteren Ratgeber einer befreundeten Familie zu verwenden.

ESSENSVORLIEBEN AUS DER SCHWANGERSCHAFT

Hat das Baby in der Schwangerschaft häufig intensive Geschmäcke kennengelernt, kann solch eine Vorliebe nach der Geburt bleiben, denn starke Aromen waren im Fruchtwasser zu schmecken. Vorlieben für oder Abneigungen gegen bestimmte Gewürze oder Lebensmittel haben hier möglicherweise ihren Ursprung. Je variantenreicher die werdende Mutter gegessen hat, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass ihr Kind nicht absolut wählerisch am Tisch sein wird.

Machst du dir Sorgen um ein zu hohes Gewicht? Gerade Babys, die motorisch nicht so interessiert und fit sind, sehen zu Beginn des zweiten Lebenshalbjahres oft sehr proper aus. Eltern beginnen sich zu sorgen. Wenn du dein Kind nicht zu hochkalorisch fütterst, musst du dir keine Sorgen machen: Sein Gewicht wird sehr wahrscheinlich deutlich runtergehen, sobald es sich mehr bewegt. Es braucht keine Verhaltensveränderung am Esstisch. Vertrau deinem Baby, lies dich vielleicht unterstützend in ein Kinderernährungskonzept ein, dass ebenfalls auf Vertrauen ins Kind basiert (z. B. das Confidimus-Prinzip, s. Literatur S. 204), und sei froh, wenn dein Kind ein paar Pölsterchen hat, falls jetzt die ersten Infekte auftauchen. Jede Reserve ist dann willkommen.

Machst du dir Gedanken, dass dein Kind zu wenig trinkt?

Bedenke dass auch in Nahrung Flüssigkeit enthalten ist. Du kannst Breie und Suppen etwas dünner anrühren. Sind die Windeln immer wieder gut nass, musst du dir keine Gedanken machen. Baden mit Wassertrinkspielen ist eine druckfreie Möglichkeit, die Trinkmenge ein wenig zu erhöhen.

Fragst du dich, ob Fertigessen aus dem Gläschen gut genug ist?

Ist es. In Deutschland wird wenig so stark kontrolliert wie Lebensmittel, erst recht die für Babys. Und du bist kein besseres oder schlechteres Elternteil, ob du nun selbst kochst oder Fertigbreie kaufst. Achte bei der Auswahl auf zwei Dinge: Die viele Abwechslung im Breiregal ist für erwachsene Käufer, nicht für die Babykonsumenten gemacht. Wenn du also etwas gefunden hast, was deinem vielleicht sehr wählerischen Kind schmeckt, ist das wunderbar, und ihr müsst nicht gleich zum nächsten Stress weitermarschieren. Und schau, dass im Brei keine Vanille oder ein anderer intensiver Aromastoff enthalten ist, denn die schmecken sehr intensiv und können dein Baby dazu verleiten, Lebensmittel ohne Vanillegeschmack beziehungsweise andere Aromastoffe eher abzulehnen.

Denkst du über „baby led weaning” nach? Dein Baby bestimmen zu lassen, in welchem Tempo es von der Milch zur Beikost wechseln möchte, und es selbst sein Essen greifen zu lassen, anstatt alles von dir mit dem Löffel zu bekommen, ist eine schöne Sache. Starte am besten erst, wenn dein Baby allein sitzen kann, denn das aufrechte Sitzen erleichtert problemfreies Schlucken. Und lies dich gut dazu ein, welche Lebensmittel ratsam sind und welche eher gefährliches Fingerfood wären. Außerdem empfehlen neueste Studien eine Mischung aus Selbstessen und Löffelfüttern: Nur mit Fingerfood kann sich die Beikosteinführung über eine zu lange Zeit hinziehen, was sich nachteilig auf das Vorbeugen von Allergien und Zöliakie auswirkt. Wenn es nur von dir oder einer anderen Bezugsperson gefüttert wird, kann es länger dauern, bis es selbstständig iss. Also lass dein Baby mit den Händen mitmachen, gerne auch mit erstem Besteck.

Wunderst du dich, warum dein Baby erst begeistert von der Beikost war und plötzlich wieder wenig anrührt? Alles nur eine Phase, das gilt auch hier. Manchmal stecken schiebende, schmerzende Zähne dahinter, ohne dass man sie schon sehen kann – und manchmal lässt sich dieses Rätsel auch gar nicht lösen. Vertraue deinem Kind und geh seinen Weg mit. Das heißt nicht, dass es unter Umständen ewig weitergestillt werden muss. Wenn es dem stillenden Elternteil damit nicht gut geht, darf jederzeit abgestillt und auf Milchpulver gewechselt werden.

MILCH

Im zweiten Halbjahr und im Zuge der Beikosteinführung fragen sich viele Eltern, mit welcher Milch es weitergehen soll. Stillen geht natürlich immer. Bei Pulvermilch gibt es etliche verschiedene Produkte, die verwirren können: Babymilch, Folgemilch, Kindermilch, dazu Altersangaben und immer modernere, längere, verwirrendere Produktbezeichnungen. Für dich ist wichtig, dass normalerweise Pre-Milch ausreicht, bis dein Kind im zweiten Lebensjahr auf Fläschchennahrung verzichten kann. Denn vor allem 2er- und 3er-Milch erhöhen das Risiko für späteres Übergewicht. Unter Umständen empfiehlt die kinderärztliche Praxis mit Blick auf Gedeihprobleme 1er-Milch. Sie ist geringfügig gehaltvoller und verbleibt länger im Magen deines Babys.

Wenn ihr Kuhmilch im Getreidebrei einführt, halte dich unbedingt an die aktuellen Mengenvorgaben der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V., denn zu viel davon schadet den Nieren.

Hast du das Gefühl, dein Baby trinkt quasi ständig und wird nicht mehr richtig satt, täuscht das meist. Wähle einen kleineren Sauger. Damit dauert das Trinken etwas länger und das Sättigungsgefühl kann sich besser einstellen. Außerdem ist es etwas anstrengender und auch noch gut für die Sprechmuskulatur.

Du genügst deinem Baby vielleicht nicht mehr

Viele Eltern haben jetzt das Gefühl, ihr Alltag ist dem Baby zu eintönig – oder sie selbst finden es anstrengend, viel Zeit allein mit ihrem immer neugierigeren Kind zu verbringen. Ersteres kann gut sein, und Letzteres ist total legitim: Fühlst du dich einsam, tu was dagegen. Ein stark fremdelndes oder von Geburt an einfach sehr schüchternes Baby

kann das schaffen, wenn du langsam vorgehst und übersichtliche Unternehmungen auswählst.

Geht zusammen in ein Schwimmbad, das ein Warmwasserbecken hat.

Such dir einen Sport, bei dem das Kind mitmachen oder nach einer Eingewöhnung betreut werden kann. (Fitness- oder Rückbildungskurse mit Babytrage oder Buggy sind empfehlenswert.)

Starte auch jetzt noch einen Krabbel- oder Schwimmkurs für dein Kind.

Auch zu Hause kannst du für mehr Abwechslung und Abenteuer sorgen. Im Netz findest du Millionen von Anregungen, um Höhlen, Kletterwege oder Feinmotorikspielzeug zu basteln. Einfache Möglichkeiten sind:

Kissenberge, verschiedene Höhlen oder auch Gletscherspalten aus Decken und Matratzen

Kletterparcours und Treppen aus Hüpfmatten und Kindermöbeln (Stühle, Tische, Schränke). Achte auf Kippsicherung und lass dein Kind nicht allein, sondern übt zusammen.

Wäschekorbe, in deren Löcher du Backpapier, Seile oder Ketten steckst und die ihr mit Bauklötzen „füttert”. Du kannst den Korb auch etliche Male mit einem dicken Faden durchziehen, sodass ein wirres Netz entsteht, durch das dein Kind greifen und Sachen herausfischen muss.

Rückwärts und sicher

Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, dein robbendes, schiebendes oder krabbelndes Kind daran zu gewöhnen, Höhenunterschiede rückwärts zu meistern. Investiere die Zeit und bewege es an jedem Abgrund sanft mit dem ganzen Körper in Position, sodass es dann mit den Füßen zuerst hinuntergelangen kann. Auf diese Weise kann es spüren, welche Bewegungen es selbst vollziehen sollte, um sicher nach unten zu kommen. Manche Kinder brauchen lange, um das zu verstehen, und müssen eng begleitet werden – keines tut das aus böser Absicht. Andere lernen es schnell und drehen sich dann sogar an Teppichkanten um.

Gewohnheiten

Bei allen Unternehmungen ist es für die meisten Babys auch im zweiten Lebenshalbjahr noch hilfreich, wenn du eine gewisse Struktur und geliebte Rituale möglichst oft beibehalten kannst. Manches davon gibt auch einfach dir als Elternteil Sicherheit und das ist gut so. Wirst du kritisiert, weil ihr gern mittags oder abends zu bestimmten Zeiten zum Essen, Entspannen oder Schlafen in den heimischen vier Wänden seid, musst du dich nicht rechtfertigen. Ihr kommt als Familie immer noch im gemeinsamen Leben an!

An dich denken

Hast du eigentlich noch Zeit, auf dich zu schauen? Je nach Baby, seiner und deiner Wesensart und den Lebensumständen kann das sehr unterschiedlich sein. Ein bisschen Raum solltest du dir aber immer gönnen und in dich hineinfühlen: Bist du überfordert? Oder nur erschöpft, aber dafür sehr? Sind nur manche Tage krass oder eigentlich alle? Und die Nächte auch? Fühlst du dich wohl und wie geht es euch Eltern als Paar?

Ein guter Ansatz, um mit den Antworten auf diese Fragen umzugehen ist „Aktives Annehmen”. Euer Leben ist erst einmal gut so wie es ist. Eure Charaktereigenschaften sind gut so wie sie sind. Vorwürfe und Schuldgefühle sind keine guten Berater. Nimm die Situation so an, rechne damit, dass es anstrengend wird. Aber da, wo es pikst, solltest du hinschauen, Infos sammeln und eventuell Hilfe dazuholen, also aktiv werden: nochmal mit der Hebamme sprechen, mit einer Freundin, einem anderen erfahrenen Elternteil, natürlich mit deinem Partner oder deiner Partnerin.

Sei ehrlich, echt, jammere unbedingt, wenn dir danach ist. Tausch dich aus, suche Mitgefühl und Ideen.

Zwillingsbabys oder größere Geschwisterkinder machen das erste Babyjahr nochmal fordernder. Auch da hilft kein stilles Leiden. Hadere aber nicht ewig sondern verändere etwas in kleinen Schritten. Eine Familienhelferin oder eine Babysitterin, die nicht klassisch dein Kind allein betreut, sondern ergänzend zu dir bei euch zu Hause mitanpackt, erspart Trennungsstress und schafft ein wenig Freiraum. Das Jugendamt oder eine Kirchengemeinde können Anlaufstellen auf der Suche sein.

Gespräche in der Partnerschaft über alltägliche Aufgabenverteilung, aber genauso über individuelle Nöte und romantische Wünsche sind unvermeidbar. Entsprechende Ratgeber zu Mütterfürsorge, Mutter-oder Vatersein, Partnerschaft oder Mental Load können dir Ideen an die Hand geben.

Halte immer mal inne und frage dich:

Wie geht es mir?

Welche Wünsche habe ich für mein Baby?

Fühlen sich die Antworten gut an oder sollte ich jetzt etwas verändern?

image