19. September

Dieses Jahr haben wir spät begonnen, sie zu füttern. Bilde ich mir nur ein, dass sie etwas zorniger klangen, als ich die Beuten öffnete und den Zuckerteig einhängte?

Der Frühherbst liegt in der Luft. Süß, mit diesem unverwechselbaren, rosig gelben Licht am Morgen und zur Nacht. Wenn ich über die Felder zu meinen Bienen gehe, mich auf den alten Kinderschlitten hocke, der seit jeher mein Aussichtspunkt ist, merke ich, wie sie weniger emsig werden. Besonders an den kalten Tagen ist es recht ruhig um die Fluglöcher. Während ich den Tee aus meinem Thermosbecher trinke – mit ihrem Honig gesüßt, natürlich –, lausche ich ihrem Summen. Ich zähle sie nicht, wenn sie so ein und aus fliegen – zumindest nicht bewusst. Ich weiß aber, worauf ich zu achten habe, und wenn ich nach einer halben Stunde oder einer ganzen aufstehe, habe ich ein Gefühl dafür, ob ich etwas tun muss oder ob es ihnen gut geht.

Für jede Beute sind nun die ersten Kilo verfüttert. Eine zweite Fuhre bekommen sie im Oktober – dann müssten sie gut über den Winter kommen. Es dauert nicht mehr lange, bis die Winterbienen schlüpfen. Sie werden nicht Tag für Tag im Stock arbeiten und später in ihrem Leben ausfliegen und Nektar sammeln, ihnen ist nicht das kurze Leben ihrer Sommerschwestern beschieden; sie bereiten sich auf ein langes Leben vor, das sie monatelang aneinandergeschmiegt in ständiger, langsamer Bewegung in einer großen Traube in der Mitte des Stocks zubringen. Ihr ganzes Leben dient nur dem einen Zweck – die Bienenkönigin beschützen, sie durch den Winter bringen, bis sie beginnt, neue Eier zu legen. Sie werden die Brut aufziehen und dann in den ersten Frühlingstagen sterben. Der Bien aber wird fortbestehen, über den Winter hinaus, auch über den Tod einer Königin hinaus, auf den eine weitere folgen wird. Selbst wenn eine Königin ausschwärmt und sie einen Teil des Volks mitnimmt, wird der Bien fortbestehen – geschwächt, aber immer noch gewillt, zu überleben.

Bis die Thermoskanne leer ist, hat sich meine Unruhe wieder ein bisschen gelegt. Den Bienen geht es gut. Doch so ein Gefühl ersetzt nur nie den Blick in die Beuten, das habe ich von meinem Imkervater gelernt. Zu vieles bedroht ihren Frieden. Auch wenn derzeit überall Leute sich eine Beute in den Garten stellen, weil sie so dem Bienensterben entgegenwirken wollen – zu viele sind unkundig, versteigen sich in ihrer Fantasie-Imkerei. So wie Tom, der nur noch selten vorbeischaut.

Als ich heute nach meiner Stunde bei den Bienen aufstand, war da wieder dieses Schwindelgefühl. Es dauert nun immer länger, bis es vergeht.

Der Bien besteht weiterhin, selbst wenn die Königin stirbt.

Daran halte ich mich fest.

Für den Weg zurück zum Haus brauchte ich heute doppelt so lang.