Vom Regen in die Traufe
Sechs Jahre später
Marl roch das Ei, ehe er es sah. Ein durchdringender, fauliger Geruch verbreitete sich in dem vergitterten Kastenwagen, mit dem ihn die Stadtwachen gemächlich zum Henkersplatz schafften. Auf seiner Kutte breitete sich der gelblich-schleimige Fleck aus. Der zerlumpte Junge, der das Ei geworfen hatte, jubelte und ließ sich von seinen nicht weniger ärmlich gekleideten Kameraden für den treffsicheren Wurf feiern. Für die Bettler, Tunichtgute, Straßenjungen und alle anderen, die gerade nichts Besseres zu schaffen hatten, war heute ein Feiertag.
Nur für Marl nicht. Angewidert probierte er, die schmierige Pampe von seiner Kleidung zu streichen, was nur dazu führte, dass der Fleck noch größer wurde. Mit einem freudlosen Seufzen gab er auf, zumal ihn gerade ein weiteres faules Ei am Rücken traf. Wenigstens werfen sie keine Steine , dachte er und versuchte, der Situation etwas Positives abzugewinnen. Vermutlich hatten das die ach-so-tugendhaften Wächter Kandorias verboten, damit niemandem – natürlich nur außerhalb des Gefangenenkarrens – ein Leid geschah. Marl hätte nichts dagegen gehabt, wenn die frechen Bengel einige Gaffer versehentlich am Kopf getroffen hätten. Am liebsten dem verfluchten Pfaffen, dem er die heutige Sonderbehandlung zu verdanken hatte.
»Halt dich da hinten fest!«, rief eine tiefe Stimme vom Kutschbock. »Wir biegen gleich in die Gerbergasse ein, dort sind die Schlaglöcher tiefer als die Krater im Fladenmoor.«
Sein Kamerad lachte gehässig auf und ergänzte: »Wir wollen ja nicht, dass du dir dein hübsches Köpfchen anstößt, bevor man es dir abschlägt.«
Marl wurde ganz flau im Magen. Jetzt, wo er seine unmittelbare Zukunft in Worte gefasst hörte, kam sie ihm doch sehr viel realer vor als nach dem eigentlichen Richtspruch. Die Worte, die der Inquisitor während der Verhandlung gesprochen hatte, ertönten wieder in seinem Kopf. Der feiste, kleine Mann hatte sie mit einer schrecklichen Fistelstimme vorgetragen und dabei so emotionslos gewirkt, als würde er die Stammbäume der adeligen Häuser herunterbeten.
Marl van Tellenkamp, hiermit verurteilt Euch die Kirche des Lichts wegen wiederholter Brandstiftung und schweren Diebstahls zum Tod durch das Beil. Die Strafe muss innerhalb von sieben Tagen vollzogen werden, um den Sünder von seinen Taten reinzuwaschen, damit er das ewige Seelenheil empfangen kann.
Marl hätte lieber noch ein paar Tage mehr gehabt und stattdessen auf sein Seelenheil verzichtet. Auf eine Diskussion aber hatte sich der Inquisitor leider nicht eingelassen, was Marl die kräftigen Nierenschläge seiner beiden schwarzgekleideten Wachen deutlich bewiesen hatten. Das Ärgerlichste an der ganzen Sache war, dass er dieses verfluchte kleine Gotteshaus gar nicht hatte abfackeln , sondern sich nur die klammen Finger an einem Feuerchen hatte wärmen wollen. Nachdem er aber die Messweinvorräte entdeckt und sie sich zu seinem eigenen Seelenheil einverleibt hatte, musste er wohl eingeschlafen sein. Das Nächste, woran Marl sich erinnerte, waren starke Hände, die ihn aus dem brennenden Gebäude gezogen hatten. Und an das euphorische Gefühl, als der erbärmliche Tempel einige Zeit später in einem wunderbaren Funkenregen zusammengestürzt war.
Marl liebte Feuer, das konnte er sich ohne Umschweife eingestehen, und brennende Lichttempel besonders. Das hatte mehr als nur ein wenig mit seiner Zeit als Novize im Orden der stillen Brüder zu tun, welche die Frömmigkeit – und Spendenwilligkeit – der Bevölkerung hauptsächlich dazu nutzen, sich ein faules Leben zu machen. Allerdings musste man erst die Anwartschaft bestehen, bevor man dem Orden beitreten durfte, und dabei hatten die ach-so-heiligen Brüder Marl einmal zu oft den blanken Hintern versohlt – wofür sie eine besondere Vorliebe zu haben schienen. Gern erinnerte er sich, wie er das brennende Kloster hinter sich gelassen hatte. Und an das Gezeter Konrads, des Vorstehers, dem dabei wohl aufgegangen war, dass er in Zukunft vielleicht richtig würde arbeiten müssen.
Der Karren sackte kurz zu einer Seite weg und Marl schlug sich schmerzhaft den Kopf an der niedrigen Holzdecke an. »Aua, könnt ihr nicht besser aufpassen?«
Vom Kutschbock ertönte nur höhnisches Gelächter als Antwort.
»Diese verfluchte Stadt geht vor die Hunde«, knurrte Marl und rieb sich über die schmerzende Stelle an seinem Hinterkopf. Ein Blick durch die Gitterstäbe bewies ihm, dass er damit nicht unrecht hatte. Sogar die stinkenden Gerber kehrten dem sterbenden Kandoria schon den Rücken. Nur noch jeder dritte Laden hatte geöffnet und davor lungerten wenige, maulfaule Kunden herum.
Marl wusste natürlich, warum das so war. Jeder wusste das, selbst die frechen Straßenbengel. Die Menschen flohen vor dem, was aus dem Süden kam. Das Phänomen hatte viele Namen: Grauer Tod, dunkler Nebel, Giftwolke, aber der gängigste, den Marl auch verwendete, war Schattenstaub. Niemand vermochte zu sagen, woher die dunkle Erscheinung gekommen war, die immer mehr Land verschlang und nur den Tod zurückließ, aber dass sie existierte, bestritt schon lange keiner mehr. Natürlich hatte es Bestrebungen des Königshauses gegeben, das Phänomen zu verheimlichen, was aber an der inzwischen gigantischen Ausdehnung der Finsternis scheiterte. Marl hatte Geschichten über etliche ebenso wagemutige wie dumme Abenteurer gehört, die freiwillig hineingegangen waren, um herauszufinden, was sich dahinter verbarg. Keiner von ihnen war jemals zurückgekehrt.
»Idioten«, murmelte Marl. Er würde so etwas niemals tun. Zum Thema Schattenstaub hatte Marl eine ganz klare Vorstellung: Er würde weglaufen. So schnell wie möglich, so weit wie möglich. Am besten mit einer gehörigen Wasserfläche zwischen sich und dem schattenstaubigen Land. Das kühle Nass hielt die Erscheinung nämlich auf. Wenn es nicht gefror. Marl zog die Kutte enger um seinen Hals. Obwohl es erst Spätsommer war, herrschten schon herbstliche Temperaturen. Die Kälte kam schnell dieses Jahr. Keine guten Aussichten für Kandoria. Der Schattenstaub war inzwischen so nah an die Stadt herangekrochen, dass man ihn an klaren Tagen von der Stadtmauer aus als dunkelgraue Wand am Horizont sehen konnte. Nur die Fluten des Flusses Goriam beschützten die Hauptstadt des Reiches noch. Aus unerfindlichen Gründen überquerte der Schattenstaub kein Wasser.
»Bis der Winter kommt«, flüsterte Marl mit einem hämischen Grinsen. Ihm konnte das egal sein, denn er würde dann schon nicht mehr leben. Bittere Ironie, dass er nur in die verfluchte Hauptstadt zurückgekehrt war, um noch einmal gutes Geld zu verdienen, womit er die nahezu unbezahlbar gewordene Passage zu einer der Inseln im Rauen Meer zu entrichten gedachte. Marl seufzte.
Ein langgezogenes »Brrr« brachte die Pferde vor dem Karren zum Stehen. Überrascht sah Marl auf. Er war so in Gedanken versunken gewesen, dass er gar nicht realisiert hatte, dass sie schon auf dem Marktplatz angekommen waren.
Das von Aknenarben durchfurchte Gesicht einer der Stadtwachen schob sich nah an die Gitterstäbe heran. »Wir haben unser Ziel erreicht. Wenn Eure Heiligkeit so freundlich wäre, ohne Gezeter auszusteigen, wird sie auch nichts über die Rübe bekommen.« Der fette Kerl lachte auf, als hätte er den Witz des Jahrhunderts gemacht.
Ein Blick auf die verschorften Fingerknöchel des Mannes zeigte Marl, dass er damit tatsächlich regelmäßig zuschlug. Daher fügte er sich notgedrungen in sein Schicksal. Als er die Treppe am Ende des Karrens hinunterstieg, schaute er auf eine kläglich kleine Gruppe von Schaulustigen, die sich vor dem erhöhten Richtplatz eingefunden hatte. Selbst eine Hinrichtung zog die Menschen nicht mehr nach Kandoria. Was waren das nur für Zeiten? Marl schüttelte den Kopf.
»Die Insignien Eurer Macht, heiliger Bruder.« Mit einem schmierigen Grinsen, das die Reste faulig-brauner Zähne offenbarte, hielt der Wächter ihm Handeisen hin.
Marl hob die Arme.
Braunzahn legte ihm routiniert die Eisen an. »Nach euch, Bruder Leichtfuß!«, sagte er und wies Marl einladend den Weg zum Richtplatz.
»Kannst du das nicht mal lassen? Ich bin und war nie einer der stillen Brüder, sondern nur für eine kurze Zeit ein Novize dort. Das hier ist immerhin mein letzter Gang. Ein bisschen Respekt vor einem Demnächst-Toten ist doch wohl nicht zu viel verlangt.« Die Handfesseln hinderten Marl daran, theatralisch seine Hände in die Luft werfen, um seine Worte zu unterstreichen, und gaben stattdessen nur ein trauriges Rasseln von sich. Der Leiter des Stadtgefängnisses war auf die blöde Idee gekommen, Marl für die Hinrichtung in die graue Kutte eines Mönchs zu stecken, vermutlich, weil ein gefallener Geistlicher die Zuschauer noch ein bisschen besser unterhielt als ein einfacher, alter Gauner.
»Nein.« Braunzahn schlug Marl mit dem Schaft seiner Hellebarde so heftig in die Seite, dass er keuchend Luft ausspie. »Und jetzt los! Die Leute wollen sehen, wie der Truchsess Kandorias im Namen des Königs Gerechtigkeit gegen Gesindel wie dich durchsetzt.«
»Der verfluchte König ist längst aus eurer sterbenden Stadt geflohen. Genau wie ich ist Kandoria auch schon fast tot.« Marl war überrascht, wie sehr seine nur so dahingesagten Worte die beiden Wächter trafen. Sie wurden blass und wichen für einen kurzen Moment zurück. Wahrheit konnte schmerzen.
Braunzahn fand aber schnell zu seiner alten Garstigkeit zurück: Marl bekam diesmal einen Hieb auf den Rücken. »Geh jetzt, oder ich prügele dich bis zum Henkersplatz!«
Die Stadtväter hatten ein billiges Gerüst aus frischem Holz errichten lassen, um Marls letzten Auftritt ins rechte Licht zu setzen. Er roch den intensiven Duft von Kiefernharz, als er die schmalen Stufen nach oben geschoben wurde. Die kleine Menge murmelte aufgeregt, als der Hauptdarsteller endlich die Bühne betrat.
»Sie sind alle nur wegen dir hier. Genieße es!«, murmelte Braunzahn ihm böse ins Ohr. Sein fauliger Mundgeruch ließ Marl würgen.
Ein wuchtiger Henkersklotz stand in der Mitte des Gerüsts. Er war aus einem dicken Baumstamm gefertigt und die dunklen Flecken auf der von tiefen Furchen durchzogenen Bodenfläche zeugten davon, dass er seiner Bestimmung schon mehr als einmal nachgekommen war. Marl wurde kurz schwarz vor Augen und er taumelte. Dass es so endet.
»Na, na, na, du wirst doch wohl nicht kurz vor deinem großen Moment schlappmachen?«, rief ihm Braunzahn fröhlich zu und versetzte ihm einen weiteren Hieb.
Der Scharfrichter kletterte behände die drei Stufen der Treppe nach oben – ein untersetzter Mann mit dicken, muskulösen Armen, die aus einem ledernen Wams ragten, welches ihm viel zu eng war. Er trug eine schwarze Maske aus Stoff über dem Kopf, die nur die Augen freiließ.
Das Publikum begrüßte ihn mit einem respektvollen Aufstöhnen.
Dem Henker folgte ein asketisch aussehender, blasser Mann, dessen Kieferknochen aus seinem Gesicht herauszustechen schienen. Es war der Vertreter der Kirche des Lichts, der dafür Sorge zu tragen hatte, dass Marl auch wirklich sein Seelenheil empfing.
»Tja«, sagte Braunzahn überheblich, »dann wären wir wohl vollzählig und können endlich anfangen. Die Meute wird schon unruhig.«
Tatsächlich hatte Marl auf dem Marktplatz schon zwei Prügeleien gesehen und einen verzweifelten Metzger, der mit dem Hackbeil in der Hand wohl einen Wurstdieb verfolgte.
»Gut, gut.« Die heisere Stimme des Kirchenmannes klang, als hätte er die ganze Nacht durchgezecht, was seinem Äußeren nach zu urteilen, definitiv nicht passiert war. »Marl van Tellenkamp, nicht wahr?«
»Würde es etwas bringen, wenn ich behauptete, nicht er zu sein?«
Der Asket schaute ihn verwirrt an. »Ähm …«
»Er ist es«, knurrte Braunzahn und knuffte Marl heftig gegen den Oberarm, »das kann ich Euch versichern.«
Der Vertreter der Geistlichkeit nickte und schloss kurz die Augen, wie um sich zu sammeln. Mit überraschend tragender Stimme sagte er an die Menge gewandt: »Ihr stolzen Bewohner Kandorias, heute ist ein guter Tag.« Bevor Marl gegen diese Einschätzung protestieren konnte, fuhr er schon fort: »Denn heute führen wir einen Sünder zurück in die Gemeinschaft der Lichtgöttin.«
Aus der Menge kam vereinzelt Zustimmung, aber das höhnische Gelächter überwog deutlich. Irgendwie war Marl froh darüber, seine letzten Momente nicht nur in der Gesellschaft bigotter Idioten verbringen zu müssen.
»Die Lichtgöttin schaut auf euch alle, um …«
Marl räusperte sich unüberhörbar.
Der blasse Asket blickte ihn mit säuerlicher Miene an.
»Lassen wir diesen Käse. Ich glaube nicht dran und die armen Schweine da unten, die den nächsten Winter vermutlich nicht überleben werden, auch nicht. Also bitte, bringen wir es zu Ende!« Marl hatte absichtlich so laut gesprochen, dass die Leute in den ersten Reihen ihn verstehen konnten.
»Was hat er gesagt?«, brüllte jemand aus den hinteren Reihen.
»Bereut er?«
»Beteuert er seine Unschuld?«
»Nein«, antwortete ein rotgesichtiger Mann weiter vorne. »Er sagt, dass wir alle den nächsten Winter nicht überleben werden.«
»Was sagt er? Dass die Rinder sterben?«, fragte eine alte Fettel mit grünem Kopftuch.
»Nein, wir werden sterben.«
»Waaas?«
Frauen kreischten schrill, Kinder begannen zu weinen. Es kam Bewegung in die Menge, sie begann zu wogen, wie ein vom Herbstwind aufgeschäumter See.
»Ich will nicht sterben!«
»Der stille Bruder ist ein Prophet!«
»Weg hier!«
Marl grinste zufrieden.
Es waren gute zwei Dutzend Stadtwachen vonnöten, um die Menge mit gezielten Drohungen, Tritten und Hieben wieder zum Schweigen zu bringen. Trotzdem war der Marktplatz merklich leerer geworden, als Braunzahn Marl mit aller Gewalt auf den Richtklotz zwang. »Du elender Bastard. Dafür wirst du büßen.«
Marl lachte triumphierend auf. »Besuchst du mich im Jenseits, oder was?«
»Nein, das erledigen wir noch hier.«
Die Gewissheit in der Stimme des Wächters bereitete Marl eine Gänsehaut. Was konnte er ihm jetzt noch antun?
»Roka?«, wandte Braunzahn sich an den Henker. »Lust auf ein paar Runden Freibier später? Eventuell packe ich auch noch eine nette weibliche Begleitung drauf.«
Unter der schwarzen Maske erklang ein undefinierbares Grunzen.
»Sehr gut. Mach einfach das Übliche. Drei oder vier Fehlschläge in seinen Hinterkopf oder auf die Schulter sollten unserem Bruder vor seinem Seelenheil sicher noch eine kleine Lektion erteilen.«
Warum musstest du nur wieder dein großes Mundwerk aufreißen, Marl?
»Jetzt macht schon! Ich muss zurück ins Kloster, mein nächstes Offizium wartet.« Sogar der Kirchenmann erteilte der geplanten Folter seinen Segen.
Marls Kopf wurde unsanft zur Seite gedreht. Er spürte das raue Holz an seiner Wange. Das war also das Ende? Er wollte gerade die Augen schließen, da fiel sein Blick auf ein vom Wind herbeigewehtes Stück gelben Pergaments, das sich neben den Richtklotz verirrt hatte. Hassen und Lesen – das hatte Marl bei den stillen Brüdern gelernt. Hektisch überflog er den Text, der mitten im Satz endete, da offensichtlich der untere Teil abgerissen war. Aber was er erfuhr, reichte ihm. Aus den Augenwinkeln sah er, wie der Henker die Axt hob. »Halt!«, rief er energisch. »Halt, ich will an der Prüfung teilnehmen.«
»Was ist denn jetzt schon wieder?« Die Stimme des Kirchenvertreters hatte den quengeligen Unterton eines verwöhnten Kindes angenommen.
»Ich – will – an – der – Prüfung – teilnehmen«, wiederholte Marl laut und betonte jedes einzelne Wort. Er versuchte mit seinem Kinn in Richtung des Flugblatts zu zeigen, weil seine gefesselten Hände nutzlos über dem Richtblock hingen.
»Eure Exzellenz«, insistierte Braunzahn mit öliger Stimme, »lasst Euch durch dieses schändliche Individuum nicht noch länger von Euren heiligen Pflichten abhalten. Wir werden …«
»Jeder, der die Prüfung besteht, bekommt seine Strafe erlassen, egal welche Missetaten er vollbracht hat. So steht es dort!«, schrie Marl empört.
Der Blick des Geistlichen wanderte jetzt zu dem Flugblatt. Mit spitzen Fingern hob er es vom Boden auf, als könnte er sich daran beschmutzen. Er musste die Lippen bewegen und leise murmeln, um den Text lesen und verstehen zu können. »Melde dich zur Prüfung ! Unterstütze den tapferen Kampf gegen den Schattenstaub. Nach erfolgreicher Bewältigung ihrer Aufgabe erhalten die Auserwählten, neben aller Dankbarkeit des Reiches und allem Ruhm, fünfzig Goldstücke und den Titel eines Grafen. Jeder, der teilnehmen möchte, darf nicht daran gehindert werden. Für alle Teilnehmer gilt Straffreiheit, sowohl während als auch nach erfolgreich bestandener Prüfung ...«
»Ihr werdet diesen Schwachsinn doch nicht wirklich in Erwägung ziehen?« Braunzahn flog der Geifer des Zornes aus dem Mund.
Das blasse Gesicht des Geistlichen tauchte neben Marls auf. »Ist das Euer Ernst? Wollt Ihr tatsächlich an der Prüfung teilnehmen?«
Wir können ja tauschen. Mal sehen, wie du dich entscheidest, Idiot , war die Antwort, die Marl durch den Kopf schoss, aber aus der unangenehmen kleinen Episode mit dem Henker und Braunzahn hatte er das taktische Schweigen gelernt. »Ja, das will ich«, sagte er deshalb.
»Gut!« Der Geistliche erhob sich wieder. »Bringt diesen Mann zur königlichen Burg! Er wird sich der Prüfung stellen!«
Braunzahn riss Marl auf die Beine. Der konnte sich ein überhebliches Grinsen nicht verkneifen. »Bildung schadet eben nie. Du kannst wahrscheinlich noch nicht mal deinen Namen schreiben.«
»Dir wird das Lachen noch vergehen. So einer wie du besteht die Prüfung der Magier niemals. Dein Tod ist nur aufgeschoben und wird grausamer sein als alles, was wir dir hätten antun können.«