EINE IDEE, VIELE FRAGEN, WENIGE ANTWORTEN UND EINE MÖGLICHKEIT VON ABERTAUSENDEN

Wenn ich einmal eine Idee habe, dann ziehe ich das meistens durch. Das ist es, was meine Frau mir sagen wollte. Zeit meines Lebens bin ich ein Ideenumsetzer gewesen, es hat mich zu dem gemacht, was ich heute bin. Meine Ideen schreiben meine Lebensgeschichte, und das nicht nur beruflich. Auch abseits der Schauspielerei spiele ich mit Ideen und versuche diese – oft radikal und ohne Kompromisse – umzusetzen. Manchmal auch schlechte. So bin ich Gestalter meines Lebens. Es ist eine Privileg, seine eigenen Ideen umsetzen zu können und es zu dürfen. Dieses Privileg ist zugleich eine Verpflichtung.

Die Geschichte dieses Buches ist die Geschichte einer Möglichkeit. Es handelt von der Umsetzung einer Idee, die ich nur gemeinsam mit anderen, um genau zu sein: Mit ihnen liebe Leserin und lieber Leser umsetzen kann. Dieses Buch ist kein Fahrplan, keine Anleitung oder gar ein politisches Manifest, es ist lediglich die Geschichte einer Idee und zugleich ein Teil dieser Idee. Einer Idee, die, während ich diese Zeilen schreibe, auch noch nicht zu Ende gedacht ist. Und wenn in einigen Monaten die letzte Zeile in diesem Buch geschrieben sein wird, werden viele Fragen offen bleiben und neue auftauchen.

Ich werde ihnen in diesem Buch – direkt oder indirekt – viele Fragen stellen, auch unbequeme. Ich werde ihnen Geschichten erzählen, versuchen Erklärungen zu finden, mit einem Provinzpolitiker in einen intensiven Dialog treten, Menschen, die ich persönlich schätze, zu Wort kommen lassen, mich von einem bekannten Politikberater beraten lassen, Ereignisse rund um dieses Projekt in Form eines „Livetickers“ notieren und dokumentieren, und zu allen möglichen Dingen meinen Senf dazugeben.

Der Feind des Lebendigen ist für mich das Absolute. Eine prinzipielle Frage, die ich ihnen stellen möchte: „Wollen wir das?“ Was ich damit meine, ist: All das, was über uns hereinbricht, dem wir scheinbar ohnmächtig gegenüberstehen, was unser Leben immer mehr und mehr reglementiert, was in uns Ängste schürt, uns informiert, manipuliert und dabei unterhält, was einer riesigen Blase gleicht, die jeden Moment zu platzen droht, was ich meine, ist die Matrix, in der wir alle besser und schlechter unser Dasein fristen, in der die Demokratie zum Spiel der Mächtigen geworden ist und sich Demokratie dabei gefährlich verändert und sich hinter verschlossenen Türen zur Diktatur wandelt. Wenn sie so wie ich das nicht wollen, dann sollten wir gemeinsam ein Zeichen setzen. In anderen Ländern müssen die Menschen bereits auf den Straßen kämpfen, wir aber haben (noch) eine Wahl. Noch. Wir dürfen den von uns selbst gewählten Autoritäten ohne Angst entgegentreten und sie freundlich, aber bestimmt auf ihre Nacktheit aufmerksam machen.

Kennen Sie das Märchen, vom Kaiser mit den neuen Kleidern? Wer hat denn da „Der Kaiser ist nackt“ gerufen? Richtig, ein Kind. Ein ungezogenes natürlich. Wo sind heute die ungezogenen Kinder? Wer möchte schon gerne aus der Reihe tanzen? Wer möchte der Erste sein, der den Kaiser der Nacktheit bezichtigt. Natürlich: Wenn einmal alle schreien, dass der Kaiser nackt ist, dann schreien wir mit. „Schleich die Nockata. Do braucht kana a Nockapazl, wia di!“ Aber wer möchte der Erste sein, sich versündigen. Wer möchte heute noch selbst denken, wenn gedacht werden viel bequemer ist. Wo sind sie, die Ungehorsamen? Nackte gibt es genug, zwar nicht in Hülle, aber oft in ziemlicher Fülle.1

Die erste Antwort, die ich auf eine in ihnen brennende Frage geben kann, ist: Nein! Meine Frau wiegt nicht 100 kg, sie ist nicht dick und auch nicht rund. Sie ist groß und schlank und für mich und viele andere eine Schönheit. Sie isst gerne, oft und viel, verfügt aber über einen raschen Stoffwechsel und verbrennt alles, was sie isst, ohne Spuren zu hinterlassen. Das Leben ist eben nicht immer gerecht. Die zweite Frage lautet wahrscheinlich: Was genau ist jetzt ihre Idee, welcher Plan steckt da dahinter? Ehrlich gesagt: Ich habe noch keinen Plan, aber die Idee, die mir nun doch schon seit einigen Jahren im Kopf herumschwirrt, hat ein klar definiertes Ziel. Ich möchte bei der kommenden Nationalratswahl, wann auch immer diese sein wird, am Wahlsonntag in der Wahlzelle ein gutes Gefühl haben. Ich würde mir wünschen, dass das Angebot am amtlichen Stimmzettel um eine konkrete Option erweitert wird, die all jenen, die das Vertrauen in unsere Parteien – nicht in die Politik oder die Demokratie an sich – verloren haben, die Möglichkeit gibt, sich als politisch interessierte, eigenverantwortlich lebende, selbstdenkende Bürgerinnen und Bürger, die bereit sind, einen Wandel der politischen Kultur und damit einen grundsätzlichen Systemwandel zu unterstützen und auch mitzutragen, als gültige Stimme zu registrieren.

Nehmen wir an, es gäbe eine wahlwerbende Liste, die allen Nicht-Weiß- und Protestwählern die Möglichkeit bietet, sich als „Gültige Stimme“ zu registrieren. Sie wählen keine Partei, geben ihre Stimme nicht ab, sondern behalten sie. Sie nützen damit ihr demokratisches Recht zur Demonstration. Und nicht nur sie, viele andere Enttäuschte und Parteienverdrossene haben sich angeschlossen und werden damit zu einer politischen Kraft außerhalb des Parteiensystems. Stellen sie sich einmal die Gesichter der Gesichter vor, wenn sich bei der ersten Hochrechnung unser Balken auf Augenhöhe – oder zumindest leuchtende Kinderaugenhöhe – mit dem der Etablierten befindet. Was für einen Spaß hätten wir dann mit den „Gesichtern“ … aber Schluss jetzt! Träume sind auch nur Schäume und Politik ist kein Spaß. Politik ist bitterer Ernst. Wer gerne lacht und lebensfroh ist, mit heiterem Gemüt durchs Leben geht, sollte sich von politischen Ämtern fernhalten. Blödsinn! Auf keinen Fall: Lachen ist Pflicht. Lächle, du kannst sie nicht alle töten.

Wir sollten uns endlich frohen Muts aus dem Gefühlssumpf der Ohnmacht am eigenen Schopf packen und gemeinsam eine Initiative starten, die einem politischen System, das nahezu ausschließlich profitorientiert statt schicksalsorientiert agiert, die Rute ins Fenster stellt und Energie entzieht. Es geht um nichts anderes als um eine Möglichkeit, die wir gemeinsam installieren, nicht um ein Angebot meinerseits an eine anonyme Wählerschaft. Warum? Weil ich nichts anzubieten habe. Nichts, was ich konkret für sie tun kann, um ihre Lebensumstände und damit ihre Lebensgeschichte zu verbessern. Dazu fehlen mir die Macht und die Lust. Was interessiert mich ihre Lebensgeschichte? Ich kann sie nur einladen, ihr Selbstverständnis von Politik, Demokratie und Staat zu erforschen, falls nötig zu erweitern und Schöpferin oder Schöpfer einer anderen politischen Kultur zu werden. Ich mache ihnen ein Angebot, über eine Möglichkeit nachzudenken, die sie ergreifen können. Ganz ehrlich: Es ist mir letztendlich egal, ob sie dies tun. Mein Leben wird dadurch nicht besser oder schlechter und der Lausbub in mir kann gut auch bei der nächsten Wahl wieder den dicken blauen Filzstift zücken und „Ich bin eine gültige Stimme“ auf den amtlichen Stimmzettel malen. Was mir bei genauer Überlegung doch nicht egal sein sollte, ist, wie es ihnen geht, denn das hat sehr wohl einen Einfluss auf mein persönliches Lebensglück, weil ich letztendlich im selben Boot sitze und das Glück des Einzelnen nicht losgelöst vom Glück der Gemeinschaft – einer immer inhomogeneren pluralistischen Gesellschaft – betrachtet werden kann. Ich würde mir wünschen, dass es ihnen gut geht und sie die Möglichkeit haben, ein gelungenes Leben zu leben. Insofern habe ich schon Interesse an ihrer Lebensgeschichte und revidiere, was ich weiter oben geschrieben habe. Es war ein Fehler.

„Das ist es, was den Menschen ausmacht: Er hat die Freiheit, Fehler zu machen,“ meinte der Wirtschaftsphilosoph Rahim Tagizadegan, als wir uns im Vernehmungszimmer von Puls4 im Rahmen der Sendung „Gültige Stimme“ über „Das gute Leben“ unterhielten. Aber der Mensch hat auch die Pflicht, sich Fehler einzugestehen und das eigene Scheitern zu reflektieren. Scheitern ist Teil eines erfüllten Lebens und Fehler machen zu dürfen ein Luxus, den sich jeder leisten kann, darf und soll. Wer nichts wagt, der ist gefangen in seiner eigenen Passivität und legt sich freiwillig in die Ketten der Ohnmacht. Schon aus Eigennutz sollte einem das Glück der anderen wertvoll sein und man sollte bereit sein, einen Beitrag für das Wohl der Gemeinschaft zu leisten. Selbst wenn das jetzt schwülstig klingt, ich meine das genauso, wie ich es sage. Es ist mir wichtig, dass es ihnen gut geht, liebe Leserin und lieber Leser.

Klinge ich jetzt schon wie ein Politiker, oder noch schlimmer: Klinge ich jetzt schon wie ein Politikberater?