DER POLITIKBERATER

Herr Rudi Fußi ist von Beruf Politik- und Kommunikationsberater. Einer, der schon fast alle im Parlament vertretenen Parteien auf allen Ebenen beraten hat. Bis auf die Freiheitlichen berät er so gut wie alle. Man könnte ihn auch als Nutte bezeichnen. Aber halten wir uns zunächst einmal, wie in der Politik unüblich, an die Fakten:

Herr Fußi hat im Jahr 2005 mit viel persönlichem Einsatz eines der zahlenmäßig erfolgreichsten Volksbegehren initiiert. 624.807 Wahlberechtigte unterzeichneten das Volksbegehren gegen den Ankauf von Abfangjägern. Erfolgreich, aber doch ohne Folgen. Die Abfangjäger wurden gekauft. Klar, schließlich war ja der Rest der Wahlberechtigten dafür oder es war ihnen zumindest wurscht. Wer strikt gegen den Ankauf war, war die SPÖ unter Alfred Gusenbauer. Ein guter Grund für Fußi, sich aktiv am SPÖ-Wahlkampf zu beteiligen, denn die Abfangjäger wurden zum Wahlkampfthema. „Mit Kanzler Gusenbauer keine Abfangjäger“ lautete die Parole. Man fand nach gewonnener Wahl eine österreichische Lösung: ein paar Abfangjäger weniger, dafür die aber teurer. 2012 tritt Fußi aus der SPÖ aus. Was blieb, sind viele Einsichten und ein offener Abschiedsbrief an die SPÖ, den ich ihnen auszugsweise nicht vorenthalten möchte:

2002. Es war der Tag, an dem Schwarz-Blau im Nationalrat den Kauf der Eurofighter beschlossen hatte. Zeit für mich, ein Zeichen zu setzen. Schnell gegoogelt, wo in meinem Heimatbezirk die SPÖ-Bezirksstelle ist und hingefahren. Die Damen am Empfang, die ab heute meine GenossInnen sein würden, waren sehr freundlich und irgendwie überrascht, dass da einfach so jemand ins Lokal kommt und ein Beitrittsformular verlangt. Am untersten Teil des Mitgliedsantrags fand sich ein auszufüllender Punkt, der wohl dafür gedacht ist, fleißige Mitgliederwerber zu belohnen: Geworben von: ________ Natürlich habe ich es wahrheitsgemäß ausgefüllt und wohl zum ersten und letzten Mal in der Geschichte der Partei stand dort: „Dr. Wolfgang Schüssel, Dr. Jörg Haider“.

Was für eine Aufregung. Der böse Fußi, der eh schon überall war, nun in der SPÖ. Für diejenigen, die es nicht wissen: In der Steiermark war ich als Schulsprecher nicht nur Mitglied der ÖVP-nahen Schülerunion, sondern auch der JVP gewesen. Und war so was von antisozialistisch unterwegs, man kann es sich ärger gar nicht vorstellen. „Ich bin ein Sozialistenfresser“ wurde ich noch 2001 in der „Presse“ zitiert. Das Thema ÖVP hat sich – nachdem ich begann, politische Standardwerke aufzusaugen – aber schnell erledigt.

Ab nach Wien – „Studieren“. In der Nachschau: „Inskribiert sein“. Der Rest ist bekannt: Aus einem Ferienjob in der Lugner-City kam ich zu den „Demokraten“ und habe das Volksbegehren gegen Abfangjäger initiiert.

Gusi war sofort zu einem Termin bereit. Habe meine Bereitschaft geäußert etwas zu tun, um diese unselige schwarz-blaue Regierung zu bekämpfen. Von Gusenbauer war ich im persönlichen Gespräch völlig überrascht. Einnehmend, intellektuell brillant, völlig anders als medial transportiert. Diesem ersten Treffen sollten viele weitere folgen. So lernte ich nach und nach alle kennen. Schnell habe ich erkannt: Idealismus treibt da kaum jemanden.

Wahlabend 2006. Ich hatte mit „Fairness-TV“ den Bewegtbild-Teil des Wahlkampfs verantwortet. „Wir“ haben gewonnen. Ich werde diese Euphorie nie vergessen. Was wurde Gusi geschmäht, beschimpft und wegen seines Aussehens, seiner Radlerhose oder seiner Frisur verarscht. Es war sein Tag. Zu vorgerückter Stunde habe ich mich in Gusis Büro wiedergefunden. Neben Barbara Prammer, Johanna Dohnal, Doris Bures und anderen. Alle euphorisiert vom Wahlabend. „Wirst sehen Rudi, die Abfangjäger sind Geschichte, anders können wir unsere Sozialpolitik gar nicht finanzieren“, meinte Barbara Prammer. „Ich wäre da nicht zu voreilig. Das wird ja nur hochgespielt, das Thema. Wir werden da eine Lösung finden, mit der alle gut leben können“, meinte ein grauhaariger Genosse, der sich zu uns gesellte. Es war meine erste und bis jetzt letzte Begegnung mit Werner Faymann.

Und so kam es. Es wurde ein Vergleich geschlossen. Ein paar Abfangjäger weniger, die dafür pro Stück teurer. Damit war wahrscheinlich das Gleichgewicht des Schreckens hergestellt. Kann ja in Österreich nie nur eine Seite allein bedient werden. Von Jahr zu Jahr habe ich mich, vor allem höchstinteressiert an Themen wie Verteilungsgerechtigkeit, Demokratie und Reformen, immer mehr radikalisiert. Irgendwann war ich dann damit am linken Rand der SPÖ und total überrascht, dass es doch einige gibt, die ähnlich denken …

… Gusi wollte mit der Aufgabe des Parteivorsitzes retten, was zu retten ist und glaubte, in Werner Faymann einen Partner gefunden zu haben. Ich weiß, dass viele es nicht wahrhaben wollten, dass just dieser Faymann einen perfiden Plan verfolgt hat. Er war nie Sachpolitiker gewesen, nur Machtpolitiker. Und er wollte Macht nicht teilen.

Gestützt von einigen ehemaligen Mitstreitern Gusis rief er zum Putsch. Der Leserbrief an die „Kronen Zeitung” war der Tiefpunkt. Der einzige politische Akt Gusenbauers, den ich bis heute nicht verstehe.

„Nehm ma doch den Faymann, der hat super Kontakte zum Dichand“, sprach ein, heute unter dem Verlust seines Diplomatenpasses leidender, Seniorenvertreter beim Heurigen in kleiner Runde. Und so kam es.

Der Rest ist bekannt. Mit Faymann kam Laura an die Macht. Und mit ihr eine Clique, die im Unterschied zu den wirklich engagierten AktivistInnen in der SJ nie was mit Ideologie am Hut hatte. „Die jungen Roten“ waren bei jeder Veranstaltung Häupls, um ihn mit „Michi, Michi“-Rufen zu feiern. Das war Programm.

Was politisch folgte, war die sukzessive Selbstaufgabe sozialdemokratischer Werte und Grundsatzpositionen. Der Boulevard wünscht, Faymann-SPÖ spielt. Aber nicht nur der Boulevard durfte sich wünschen, auch die ÖVP natürlich. Faymann waren ideologische Grundpositionen einfach egal, wahrscheinlich kannte er sie nicht einmal.

Das nun vorgelegte Sparpaket beweist einmal mehr, dass Faymann und seine Clique nicht einmal ansatzweise verstanden haben, worum es geht. Dass wir uns im größten Verteilungskampf der letzten 60 Jahre befinden und sich dieser zunehmend intensivieren wird. 72 Prozent der lohnsteuerpflichtigen Einkommen in Österreich sind niedriger als 1.492,– € netto pro Monat. 50 Prozent niedriger als 930,– € pro Monat. Die Vermögen sind in einer Art und Weise in den Händen einiger weniger konzentriert, dass man selbst als Marktradikaler diesen Zustand kritisieren muss.

Eine Gesellschaft, in der einige Wenige fast alles und der Rest kaum etwas besitzt, setzt sich der Gefahr aus, den sozialen Frieden zu verlieren. Diesen Prozess erleben wir gerade …

… Wenn Vermögen und Einkommen in einem Land so ungleich verteilt sind wie in Österreich, würde man glauben, dass die Sozialdemokratie nie an der Macht sein konnte. War und ist sie aber. Und sie hat diese Entwicklung nicht nur ermöglicht, sondern auch beschleunigt.

Dem politisch Interessierten muss man nicht näher erklären, was in der SPÖ falsch läuft. Was im gesamten politischen System falsch läuft. Dieses Parteiensystem dient nur dazu, seine eigenen Leute im staatlichen und semi-staatlichen Bereich zu versorgen und Posten aufzuteilen. Und Geld. Viel Geld. Da stört Ideologie doch nur.

Das Parlament ist de facto zur Abstimmungsmaschine der jeweiligen Regierung verkommen, lebendiger Parlamentarismus ist eine Illusion. So wie der Weltfrieden. Wobei ich in diesem Fall noch eher an den Weltfrieden glaube.

Die Politik ist in ihrer Reformunfähigkeit gefangen. Wir stehen außen und schauen zu. Und fast alle würden eh wissen, was reformiert gehörte. Was man machen sollte, um z.B. mehr Partizipationsmöglichkeiten für die Menschen im politischen System zu schaffen. Da gibt es einen breiten Konsens unter den Menschen. Die politische Klasse freilich lebt in ihrer eigenen Realität. Diese wiederum hat sich von der Lebenswirklichkeit der Menschen entfernt.

Nicht die WählerInnen sind schuld, sollte die FPÖ stärkste Partei bei den nächsten Wahlen werden. Es ist diese Form der Klientelpolitik, der gegenseitigen Blockade, der Verkommenheit der einzelnen politischen Player. Die Politikverdrossenheit der Menschen hat viele Gründe. Die Tatsache, dass keiner mehr Klartext spricht ist, ist mit Sicherheit einer davon. Man kann auch sagen: Wir werden ständig belogen.

Ich glaube nicht mehr daran, dass sich die SPÖ erneuern kann. Ich glaube nicht, dass es der SPÖ noch darum geht, Werte ernsthaft und konsequent zu vertreten. Es geht nur mehr darum, alle fünf Jahre bei einer bundesweiten Wahl möglichst gut abzuschneiden und an der Macht zu bleiben. Das ist einfach zu wenig, sorry.

Dass die Kindersoldaten unter Lauras (Anm. Laura Rudas) Kommando scheinbar nichts Besseres zu tun haben als Privataccounts von Parteimitgliedern zu beschnüffeln, regt mich nicht wirklich auf. Dass sie Leserbriefe fälschen, altgediente Mitarbeiter der Löwelstraße raushauen, weil diese nicht Rudas-ergeben sind, auch nicht. Dass mir von Herrn O. und Frau R. oftmals erklärt wurde, es gehe ums Marketing und nicht primär um den Inhalt, auch nicht. Dass Faymann glaubt, die Schweiz sei ein Nato-Mitglied und Rudas keinen Satz sprechen kann, ohne dass man den Wunsch hat, Sebastian Kurz möge sie ein bissl integrieren, auch nicht.

Mich regen diese Dolme nicht mehr auf. Das beweist für mich, dass ich innerlich mit dieser Partie abgeschlossen habe. Nicht mit den vielen FreundInnen, die ich kennenlernen durfte. Die werde ich weiterhin haben. Nicht mit FunktionärInnen, in deren Herzen das Feuer noch brennt. Aber diese haben nichts zu sagen. Die SPÖ hat so keine Zukunft. Daran wird sich leider in Zukunft auch nichts ändern. Jetzt bin ich das, was viele geworden sind, weil sie es einfach satt haben, jahrelang auf Veränderung zu hoffen: heimatloser Linker. Aber man sieht sich im Leben immer zwei Mal.

In diesem Sinne darf ich herzlichst darum Ersuchen, meine Mitgliedschaft mit sofortiger Wirkung als aufgelöst zu betrachten.“2

2012 tritt Rudi Fußi aus der SPÖ aus und managt danach den Team-Stronach-Wahlkampf, das mangels Teamgeist und Handeln aus Eigennutz inzwischen Geschichte ist. Viele der Entscheidungsträger sprachen und sprechen nach, was ihnen Fußi und viele andere Politikberater ins gespitzte Ohr flüstern. Werden wir also von Nachplapperern regiert?