HERR DÜRINGER IST GEFÄHRLICH!

Das Ziel meiner Reise ist die Herrengasse, dort treffe ich mich mit den Parteigründern Walter, Daniel und Günther. Wir werden heute die Satzungen der politischen Partei „Meine Stimme G!LT“ beim Innenministerium hinterlegen. Das ist keine große Sache und auch nicht der Sinn unseres Unternehmens. Wir haben eine Partei gegründet, die gar keine Partei sein will. Vollkommener Blödsinn, aber notwendig, dafür gibt es gesetzliche Vorgaben. Um als wahlwerbende Liste eines Tages einen Platz am amtlichen Stimmzettel zu erhalten, haben wir beschlossen den Namen „GILT“ durch die Gründung einer Partei vor einer „feindlichen Übernahme“ zu schützen. Wir sehen das als Patentanmeldung. Die Partei ist nicht das Ziel, sondern nur Mittel zum Zweck. Drum nennen wir sie intern unser „Taxi.“ Zu einem Taxi, das man benützt, hat mein selten eine emotionale Beziehung und das ist gut so, denn umso leichter fällt einem später das Loslassen.

Ich steige in die U3 ein, kurz vor halb zehn, die Stoßzeit ist vorüber. Ich finde einen Sitzplatz, schräg rechts von mir sitzt der Chefredakteur. Diesmal ohne Tochter. Keine Vaterrolle mehr, sondern nur mehr Chefredakteur. Wir grüßen uns noch einmal, witzeln noch einmal über die Verspätung der ÖBB. „Ja oder Nein?“ frage ich mich. Aber ganz ehrlich, ist das nicht ein Geschenk des Himmels. Kann es ein Zufall sein, im selben Zug, in derselben U-Bahn? Ich denke, man kann seinem Schicksal nicht entrinnen. „Ich bin gerade auf dem Weg ins Innenministerium,“ sage ich. „Aha.“ Es scheint nicht weiter interessant zu sein. Ich könnte es jetzt ganz einfach sein lassen, denn es gibt ja viele uninteressante Gründe, ins Innenministerium zu fahren. Freilich, wenn ich jetzt sagen würde: Ich treffe mich heute mit dem Innenminister, um über eine gemeinsame Krisenstrategie nachzudenken. Dann würde der Journalist in meinem Gegenüber erwachen und das sicher nicht sanft. Das wäre wohl eine Kombination aus Weckerläuten, Kirchenglocken, der Schrei des Hahns und beißendem Brandgeruch in der Nase. Mit so einer spektakulären Exklusivstory kann ich allerdings nicht aufwarten. Aber: „Wir gründen heute eine Partei für Nichtwähler.“ Doch Brandgeruch in der Nase meines Gegenübers. „Ich halte das für demokratiepolitisch gefährlich,“ sagt er und klingt besorgt. Das Wort „gefährlich“ werde ich in nächster Zeit noch öfters über mich hören, aber dazu später. Station Herrengasse. Wie das Leben so spielt, steigen wir gemeinsam aus, unser beider Tagwerk hat uns hierher geführt. Oben am Abgang zur U-Bahn warten die restlichen Parteigründer auf mich. Händeschütteln. Der Chefredakteur schüttelt mit. Er wird Zeuge unserer Gründungsversammlung. „Darf ich ein Foto von euch machen?“ Natürlich darf er das. „Ich halte das wirklich für keine gute Idee, man soll die politischen Entscheidungsträger in Ruhe ihre Arbeit machen lassen. Die leisten gute Arbeit.“ „Teilweise tun die das, natürlich keine Frage,“ antworte ich, „und genau denen soll unser Projekt Mut machen, was wir loswerden müssen, sind die Arschlöcher, und die sitzen nicht nur im Parlament, die sind überall.“ Der Chefredakteur zeigt wenig Verständnis aber: Bad News sind Good News – oder so ähnlich.

Die Gründungsversammlung wird ohne Beisein der Presse in der kleinen ungesicherten Bäckerei gegenüber vom gut gesicherten Ministerium fortgeführt. „War das ausgemacht, oder Zufall?“ fragt Walter. „Zufall! Seine Tochter hat heute die ÖBB kennengelernt.“ Wir unterschreiben das Protokoll der Gründungsversammlung. Günther bezahlt den Kaffee. In den nächsten Tagen werden wir jetzt einiges kennenlernen. Medien und Politik in Aufregung. Ich kann nicht sagen, welchen Beitrag der Chefredakteur wirklich dazu geleistet hat, was ich aber weiß, ist, dass ich und Walter nach Hinterlegung der Satzung ein gemeinsames Video mit der frohen Kunde gepostet haben: Wir haben ein Taxi. Es G!LT!17

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Bei meiner Künstleragentur laufen am Nachmittag die Telefone heiß. „Ist das alles Spaß oder ist das Ernst?“ möchte man wissen. Die ZIB berichtet über die Gründung der Partei G!LT. Ich sage nichts dazu, schließlich ist die Sache mit der Partei nicht wichtig. Sie ist ein Werkzeug und als solches sollte man die Satzungshinterlegung auch recht nüchtern betrachten. Ich tu das. Die anderen nicht.

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Ohne zu wissen, was dahintersteckt, wird berichtet, analysiert, getwittert, gebloggt, kommentiert, bewertet, beurteilt, verurteilt und eindrin-glich vor mir gewarnt. Einen besseren Start für ein politisches Kunstprojekt kann man sich wohl kaum wünschen. Wie in unserem Videoposting angemerkt: „Jeder hat das Recht auf freie Meinungsäußerung, aber es gibt keinen Rechtsanspruch darauf, dass ihre Meinung irgendjemanden interessiert.“ Ich habe schon lange damit aufgehört, Meinungen über mich allzu ernstzunehmen. Unter anderem nützt auch der Bundespräsidentschaftskandidat Norbert Hofer sein Recht auf Meinungsäußerung und kommt zu folgendem Schluss, wenn er wie folgt twittert. „Herr Dühringer (sic!) wird den Neos Stimmen kosten.“

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Ich sitze mit meinem Mitstreitern Rudi und Erich beim Wirt und wir fragen uns gerade selbst: Ist das jetzt alles Spaß oder ist das Ernst. Auch wenn wir uns in die Rolle des stillen Beobachters zurückgezogen haben, lassen wir uns zu einer kurzen Stellungnahme via APA hinreißen: „Werter Herr Ofer, man sollte dem stummen H in der Politik nicht allzu viel Bedeutung geben.“ Kurze Zeit später ist diese Meldung auf ORF.at zu lesen. Der „Politiker“ Düringer hats über Nacht in die Schlagzeilen geschafft und die öffentliche Debatte findet kein Ende. Keine Anzeichen von Besonnenheit, da gehen teilweise wirklich die Emotionen hoch. Der PR-Profi und ehemalige SPÖ-Bundesgeschäftsführer Joe Kalina twittert: „Jetzt aber Bitte liebe Medien: Keine Zeile mehr darüber schreiben. Risiko zu groß! Denkt eine Sekunde nach.“

Also was jetzt genau ist das alles? Spaß, oder ist das Ernst? Ich kenn mich jetzt nicht mehr aus. Und: Wer hat hier eigentlich das Sagen?