Ja. Dann wissen sie, wie neugierig und wissbegierig diese sind und wie leicht man in einen Erklärungsnotstand geraten kann. „Aber warum?“ fragen die Kleinen. Man bemüht sich, versucht eine kindergerechte Erklärung zu finden für komplizierte Phänomene, die man oft selbst nicht versteht. Man spricht in einfachen Worten, langsam, deutlich und wohlüberlegt. Das Kind nickt verständnisvoll, schweigt kurz und „Aber warum?“ Man startet einen neuen Versuch, vielleicht in noch einfacheren Worten, beleuchtet von einer anderen Seite, bedient sich einer bildhafteren Sprache. Es nickt. „Aber warum?“ „Weil es halt so ist und jetzt hör auf zu sekkieren.“ Man ist kläglich an einer einfachen Aufgabe gescheitert. Kinder zwingen uns anders zu denken, unser eigenes Denken, unsere Glaubenssätze und unser vermeintliches Wissen zu hinterfragen. Sie lassen uns die Welt und unser Weltbild neu entdecken und fordern uns auf, das Unverständliche im Selbstverständlichen zu suchen. Auch Kinder, die schon längst den Kinderschuhen entwachsen sind, verlangen das von uns alten Deppen. Der allwissende Vater als Erklärer der Welt stößt da sehr schnell an seine Grenzen und einiges, was als vermeintliches Wissen in einem abgespeichert ist, entpuppt sich als geistlose Hülle; allgemeingültigen Phrasen, mit denen das Hirn immer wieder und wieder geschwängert wurde. Hirnschwanger, aber niemals ausgetragen. Frauen tun sich da wohl leichter. Wenn sie geschwängert wurden, tragen sie es ja zumeist aus. Daher sind sie einfühlsamer und sprechen aus Erfahrung mehr aus dem Bauch heraus. „Was unsere Gesellschaft und die Politik bräuchte, wäre mehr Weiblichkeit. Nicht mehr Frauen, sondern mehr Weiblichkeit“ meinte der Investmentbanker Rainer Voss im Gespräch mit mir. Frauen, die sich gegen Männer durchsetzen müssen, opfern zumeist ihre Weiblichkeit. Werfen sie nur einen Blick in die Parlamente, auf die Regierungsbänke. Von ihren Töchtern können Väter viel lernen. Der Philosoph Michael Schmidt-Salomon führt in seinem Buch „Leibniz war kein Butterkeks“ mit seiner Tochter Lea ein Gespräch über den Sinn und Unsinn des Lebens und die beiden finden dabei gemeinsam verblüffend einfache Antworten auf die großen Fragen der Philosophie. Und so frage ich mich, wie würde ich meiner halbwüchsigen Tochter das Projekt G!LT erklären? „#Demokratie/#Parteien/# Partikularinteressen/#Freies Mandat/#Klubzwang/#Machtinteressen vs. Gemeinwohl/# der volle fail“ Oder sollte ich doch eine bildhaftere Sprache wählen und sie einfach mitnehmen auf eine Reise in das Reich der Phantasie?
Es war einmal und ist noch immer – ein Land hinter den vielen Bergen. In diesem Land, da herrscht schon seit langer Zeit kein König, kein Kaiser und auch kein verrückter Diktator mehr, sondern in diesem Land da herrscht das Volk. Es herrscht die Demokratie und damit herrscht Ruhe und Frieden. Auch wenn die Repräsentanten der Demokratie manchmal heftig streiten, respektlos miteinander umgehen, sich gegenseitig mit Schmutzkübeln bewerfen, tief unter die Gürtellinie schlagen und alles versuchen, um die anderen Akteure schlecht zu machen, um selber besser dazustehen, halten sie sich für kultiviert, gebildet und verstehen sich selbst als politische Elite. Im Prinzip verhalten sie sich so wie viele andere Bewohner des Landes. Sie handeln aus Eigennutz auf Kosten der anderen und lassen sich ihr Leben von der Allgemeinheit zwangsfinanzieren. Das ist freilich angenehmer und zudem auch viel bequemer … als darauf angewiesen zu sein, nach erbrachter Leistung und Qualität des Produkts oder der Dienste bezahlt zu werden. Darum zieht es auch viele, die sich in der freien Wildbahn, dort wo Fähigkeiten, Kreativität und Intelligenz von Nöten sind, in den geschützten Raum der Politik. Er ist so etwas wie eine geschützte Werkstätte. Um in diese zu gelangen, braucht es in der Regel drei Dinge. Eine Partei, die Gnade der Machthaber innerhalb der Partei und viele Stimmen derer, die dein zukünftiges Leben finanzieren werden. Du fragst dich jetzt sicher, wenn aber doch nicht mehr der Kaiser, sondern die Demokratie herrscht und damit die Bevölkerung, warum braucht es dann Machthaber in Parteien? Die herrschen ja eigentlich wie die Könige, oder? Ja, so kann man das sehen. Und das worüber du jetzt nachdenkst, das ist der Unterschied zwischen dem, was man uns erzählt und dem, was ist. Das ist der Unterschied zwischen veröffentlichter und öffentlicher Meinung. Was dich aber sicher noch mehr interessiert, ist, warum denn ich als jemand, der in der freien Wildbahn recht gut bestehen konnte, mich freiwillig in einen Zoo begebe, um mich von Wärtern füttern lassen möchte. Keine Angst, auch das ist nur eine veröffentlichte Meinung. Du kannst dir das so vorstellen: Die repräsentative Demokratie ist ein steiler Berg, ein schroffer Fels mitten in der Landschaft, auf dessen Gipfel, einem verwunschenen Märchenschloss gleich, hoch über den Wolken das Parlament, das Hohe Haus steht. Und wie der Name schon sagt, befindet sich dieses wirklich in schwindelerregender Höhe und ist nur bei klarem Wetter vom Tal aus zu sehen. Meistens verbirgt es sich im dichten Nebel. Manche behaupten, dass es sich dabei um selbstgestreute Nebelgranaten handelt, um für die Menschen im Tal unsichtbar zu bleiben, aber du weißt ja: Behauptet wird viel. Jedenfalls ist der Felsen, auf dem das Hohe Haus steht, so steil und unwegsam, dass er zu Fuß nicht zu erreichen ist. Eine einzige schmale, für den öffentlichen Verkehr gesperrte, steinige Straße windet sich vom Tal zum Gipfel und nur berechtigte Fahrzeuge dürfen sie befahren. Diese Sonderfahrzeuge nennt man Parteien und sie sind die einzigen Vehikel, die ihre Insassen vor das Hohe Haus bringen dürfen. Diese geländegängigen Autos haben unterschiedliche Größen, unterschiedliche Bauart, unterschiedliche Motorleistung und Fahrwerksabstimmungen und, damit man sie leicht auseinanderhalten kann, unterschiedliche Farben. Es gibt ein Rotes, ein Schwarzes, ein Blaues, ein Grünes und ein Pinkes. Es gab auch einmal ein Orangenes und einmal ein Gelbes, aber bei beiden sind die Motoren festgegangen. Für diese Vehikel mit ihren unterschiedlichen Farben gibt es vor dem Hohen Haus eigene Abstellplätze, die sogenannten Klubgaragen. Dort werden die Autos gewartet und verbessert. Wenn du jetzt meinst, das klingt nach Autorennen, hast du gar nicht so unrecht. Das wäre für dich auch ein plausibler Grund, warum ich nun selbst ein Auto an den Start bringen möchte, bin ich doch früher gerne Auto- und Motorradrennen gefahren. Vielleicht hat mich ja im reifen Alter der sportliche Ehrgeiz gepackt? Zieh bitte keine voreiligen Schlüsse, sondern höre zu.
Natürlich hat das schon etwas von einem Rennen, das alle paar Jahre veranstaltet wird. Und man trachtet zwischenzeitlich danach, die Autos konkurrenzfähiger, überlegener zu machen. Je besser das Auto desto mehr Personen kann es theoretisch ins Hohe Haus befördern. Praktisch braucht es aber noch etwas: Den Treibstoff, der die Parteienmaschine befeuert. Es braucht die Stimmen der Wähler, die die Tanks mit Energie befüllen. Und so rollen alle paar Jahre die präparierten Parteienvehikel hinunter in die Niederungen des Tals, um die Bevölkerung um neuen Treibstoff für die Fahrt nach oben anzubetteln und mit vollen Tanks möglichst viele Passagiere, man nennt sie auch Parteisoldaten, ins Parlament zu befördern. Voraussetzung, um an der Reise nach oben teilnehmen zu dürfen, ist, dass man die richtige Klubdress trägt und sich verpflichtet hat, sich an die Stallorder zu halten und das eigene Denken dem Teamchef zu überlassen, der ja seinerseits den Sponsoren, also uns, der Bevölkerung verpflichtet wäre, aber das nicht so eng sieht. Hat man einmal volle Tanks, ist so manches, was versprochen wurde, schnell wieder vergessen. Nebenbei gibt es da auch noch jemanden, dem der ganze Zirkus gehört. Also alle Autos, alle Teams, die Strecke, die Fernsehrechte. Man weiß nicht genau, wer das ist, aber man kann sie die „Ecclestones“ nennen. Das klingt besser oder jedenfalls persönlicher als die „Finanzmärkte“. Eine dumme Frage? Du weißt doch, es gibt keine dummen Fragen, immer nur dumme Antworten. Warum denn die Leute, obwohl die im Hohen Haus das, was sie versprechen, dann nicht halten, ihnen trotzdem Benzin für die Fahrt ins Märchenschloss überlassen? Das ist eine gute Frage, ich habe sie mir auch immer wieder gestellt. Wahrscheinlich hat das mit Vertrauen zu tun. Die Menschen im Tal vertrauen wahrscheinlich darauf, dass jene, die in der freien Wildbahn, mangels Fähigkeiten und mangels Erfahrungen wohl kein leichtes Leben hätten, im Märchenschloss Entscheidungen treffen, die all jenen im Tal, die sich in der freien Wildbahn durchschlagen müssen, das Leben leichter machen oder eines Tages verbessern. Wahrscheinlich hat es mittlerweile mehr mit Hoffnung als mit Vertrauen zu tun. Und es sind ja nicht alle.
Ein Viertel der Menschen tut das nicht mehr. Sie sind nicht bereit, die Parteienvehikel mit Sprit zu versorgen. Sie stehen auf einem großen Parkplatz, sind ratlos, enttäuscht, manche sind wütend. Andere würden sogar den Weg auf den Berg wagen, haben aber kein Fahrzeug. Ihnen fehlen einfach die Möglichkeiten. Kein Rennauto, kein Fahrer, der den Ritt über Stock und Stein wagen würde. Sie wollen sich auch keiner Partei unterordnen, sich keiner Stallorder unterwerfen, sie würden aber trotzdem gerne im Hohen Haus ein Wörtchen mitreden und dabei einfach nur auf ihr Gewissen hören. Sie würden den Bewohnern des Märchenschlosses gerne vom Leben in der freien Wildbahn berichten und vielleicht eines Tages die Straße zum Schloss auch für Fußgänger öffnen. Wenn du mich fragst: Bist du einer von denen? So sage ich dir ehrlich, nein, das bin ich nicht. Mein Platz ist im Tal, aber ich habe ein Taxi organisiert. Es heißt G!LT, es ist ziemlich klapprig, hat nur einen schwachen Motor und ist gar nicht imposant. Im Vergleich zu den anderen Vehikeln wirkt es fast lächerlich. Viele Menschen lachen darüber, zerreißen sich allerorts das Maul über die Klapperkiste und sie machen sich über den Taxler lustig. Mich? Richtig. Natürlich! Aber das ist Teil meines Berufs, dass man über mich lacht. Es hat schon etwas Lächerliches, den Versuch zu wagen, mit diesem billigen verbeulten Taxi Fahrgäste – keine Parteisoldaten, sondern eine heitere Partie – hinauf zum Hohen Haus zu bringen. Gratis. Was wir bräuchten, wäre nur ein wenig Treibstoff. Gültige Stimmen, die auf sich selbst vertrauen und leere Versprechungen satt haben. Gerade so viele, dass wir langsam den Berg hochkommen. Ich lass die Fahrgäste aussteigen, wünsch ihnen viel Glück, verabschiede mich und rolle wieder mit leerem Tank ins Tal. Was meine Fahrgäste dann machen sollen? Das was sie wollen, was sie für richtig halten. Jedenfalls hätten sie die Möglichkeit, den Menschen aus dem Tal eine gültige Stimme zu geben. Das ist es, was es ist. Eine Möglichkeit. Was die Parteien machen? Na, was glaubst du, was Parteien machen? Party?! Wahrscheinlich tun sie das, da hast du recht, nur ist dann eine Partie dabei, die keine Partei mehr hat und die Party hoffentlich bereichert. Die Zeiten von: „Heute geschlossenen Gesellschaft“ wären dann vorbei. Warum die Partie dann keine Partei mehr hat? Weil ich ja mit meinem G!LT-Taxi dann wieder unten im Tal bin und dann, ja dann wird man das Taxi verschrotten. Schade, meinst du? Finde ich nicht, es hat seinen Zweck erfüllt. Aber man muss es nicht gleich verschrotten, man kann es auch ins Museum stellen.
Die neue Partei von Kabarettist Roland Düringer kommt in einer Meinungsumfrage erstaunlich gut weg.
Wie das Nachrichtenmagazin „profil“ berichtet, können sich 13 Prozent der Österreicher vorstellen, einer Partei von Kabarettist Roland Düringer die Stimme zu geben. Laut der vom Meinungsforschungsinstitut Unique research für „profil“ durchgeführten Umfrage würden 4 Prozent „ganz sicher“ für Düringer stimmen und 13 Prozent „eher“ für ihn. Die größte Gruppe der Befragten, 43 Prozent, würde „ganz sicher nicht“ dem Kabarettisten die Stimme geben, 21 Prozent „eher nicht“. 14 Prozent kennen die Partei von Roland Düringer nicht und 9 Prozent machten keine Angabe. (n=500, Schwankungsbreite: +/– 4,4 %)22
Schau an, schau an, das Blatt scheint sich zu wenden. Was würde ich meiner Tochter sagen, wenn sie mich fragen würde, was das mit dieser Schwankungsbreite von +/– 4,4 % zu bedeuten hat? Das ist ganz einfach: Bei 4 % die „ganz sicher“ für Düringer stimmen würden und einer Schwankungsbreite von +/– 4,4 % bedeutet das, dass auch vielleicht 8,4 % „ganz sicher“ für mich stimmen würden, oder aber dass ich „ganz sicher“ für 0,4 % derer, die „ganz sicher“ für mich stimmen würden, stimmen muss. Das wird sicher sehr, sehr spannend. Vor allem wenn dann vielleicht sogar mehr als 500 Personen zur Wahlurne schreiten. Das allerdings wäre eher unwahrscheinlich. Bei einer Schwankungsbreite von 3–4 Meter. Diese hängt aber auch von den Windverhältnissen ab. Was man jetzt schon sagen kann: Es wird arschknapp und alles ist offen. Auch so manche Ärsche. Papa! Kannst du bitte einmal ernst sein? Nein! – Bei einer Schwankungsbreite von +/– 53 Jahren.
Interessant wäre außerdem: Wie wäre das Ergebnis gewesen, hätte die Frage der Umfrage gelautet: „Würden sie bei der nächsten Nationalratswahl sich selbst eine gültige Stimme geben?“ Wie hoch wäre hier die Schwankungsbreite? Ich kann es nur noch einmal wiederholen, dick und fett gedruckt: Herr Düringer ist absolut unwählbar!
NADERER: Mit Verlaub, wenn über 200.000 Menschen bei G!LT! ihr Kreuz machen, dann erwarten die sich auch etwas. Bei 4 Prozent hat G!LT einen Anspruch auf 9 Sitze im Nationalrat.
DÜRINGER: Was, wenn man die Sesseln ganz einfach frei lässt, unbesetzt sozusagen.
NADERER: Dann wäre das etwas, was Sie, ich und ein paar andere Systemkritiker im Rahmen dieses Kunstprojektes als reinen Aktionismus verstehen und gutheißen würden, der Rest der G!LT-Wähler aber nicht. Außerdem wäre das ja auch nur der halbe Spaß. Neun Sitze im Nationalrat bedeuten ja nicht nur neun Sesseln, sondern auch Geld. Parteienförderung und Klubförderung, die den anderen dann in der Kassa fehlen.
DÜRINGER: Das heißt, man könnte die Parteien- und Klubförderung kassieren und dann an die Armen und Bedürftigen verteilen.
NADERER: Das wird nicht gehen. Parteienförderungen werden gesetzlich von den Bedürftigen ferngehalten. Sie steht ihnen zu, sobald das ganze Ding 4 Prozent erreicht und das werden sie trotz ihrer manchmal nicht gerade gewinnbringenden Art meiner bescheidenen Einschätzung nach nicht verhindern können, weil so fruchtbar wie heute war der Boden noch nie. Nichtwähler, Weißwähler, Protestwähler und letztendlich der ganze Topf der Unentschlossenen, die ziemlich orientierungslos auf der Straße stehen …
DÜRINGER: … und auf ein Taxi warten?
NADERER: Ein Taxi wird da nicht reichen, da brauchen wir eine Doppelgarnitur vom Railjet. Jetzt rechnen sie einmal im Kopf zusammen, was da, wenn man alles zusammenzählt, für ein Potential vorhanden wäre.
DÜRINGER: Aber jetzt im Ernst. Glauben sie, dass die, die da am Parkplatz stehen …
NADERER: Sind es die da, die am Parkplatz stehen oder die da, die nicht zur Urne gehen, sind es die da, die ihnen grad den Kopf verdrehen. Jetzt sind sie gedanklich schon auf Stimmenfang stimmts? Sie hören „Parteienförderung“ und werden gierig …
DÜRINGER: Jetzt einmal Spaß beiseite, sie werden doch nicht allen Ernstes aufgrund einer Umfrage glauben, dass …
NADERER: Das ist eine Frage der Motivation. Und sie haben einen Vorteil?
DÜRINGER: Der wäre? Jetzt ohne zu schleimen, bitte.
NADERER: Ihnen kann man nicht Populismus vorwerfen, weil sie erstens ohnehin populär sind und zweitens die Idee von G!LT weit weg von Populismus ist, denn sie sprechen dabei dem Volk nicht nach dem Maul. Sie als Person polarisieren heftig, einfach nur „nett“ findet sie keiner.
DÜRINGER: Wetten, das G!LT im veröffentlichten Diskurs sehr wohl als populistische Aktion dargestellt werden wird.
NADERER: Das ist nicht auszuschließen, ein großer Teil der Meinungseliten verachtet und bekämpft sie, was an diesem feinpolierten Spiegel liegt, den sie immer wieder hervorzaubern und den Eliten vor ihr Antlitz halten und das manchmal kräftig und deftig. Kraft erzeugt aber immer Gegenkraft, wie sie schon angemerkt haben. Und – das ist das Allerwichtigste – sie versprechen nichts, was sie nicht halten können.
DÜRINGER: Na Moment, ich verspreche überhaupt niemanden irgendetwas?
NADERER: Eben. Und das werden sie ja wohl halten können, oder?
DÜRINGER: Das kann ich versprechen.
NADERER: Damit wären sie der erste Politiker, der etwas verspricht, dass er auch mit hundertprozentiger Sicherheit halten kann …
DÜRINGER: Apropos halten. Gerade habe ich ein E-Mail erhalten.
In den letzten Tagen sind sehr viele Anfragen bei meiner Künstler-Agentur eingetroffen. Wirklich viele. So viele, dass wir fast ein wenig überfordert sind. Fragen, Stellungnahmen, Bitten, Mitgliedsanfragen, Belehrungen, Angebote aktiv mitzuarbeiten, Bettelbriefe und vieles mehr. Allesamt aber ein Zeichen dafür, dass die Bürgerinnen und Bürger nicht nur frustriert und destruktiv sind, sondern sich auch Gedanken machen. Stellvertretend für viele Stellungnahmen zu G!LT, ein Schreiben von Frau Hilda Resch, das ich ihnen auszugsweise nicht vorenthalten möchte:
Lieber Roland Düringer!
Ich interessiere mich nicht für Politik. Es gibt nichts Dümmeres als die Diskussionen im Parlament. Wir zahlen Menschen teure Steuergelder, dass sie Stunden mit Streiten und Flegeln zubringen. Wie absurd! Das politische Hickhack ist ein reines Ablenkungsmanöver von dem, worum es wirklich geht. Je mehr darüber diskutiert wird, wer Recht hat, desto mehr Zeit (und Steuergelder) gehen drauf, desto weniger Zeit bleibt für das Wesentliche.
Dagegen-sein ist leicht. Dagegen-sein ist für diejenigen, die zu dumm sind, sich selber was auszudenken. Das perfekte Betätigungsfeld für unkreative Idioten. Wir brauchen keine neue Oppositionspartei. Die Frage, die sich mir stellt ist, ob es möglich wäre, eine Partei zu gründen, die nicht dagegen ist, sondern dafür. Was wäre, wenn es eine Partei gäbe, die keine Opposition bildet, da sie nicht dagegen ist. Die den politischen Schauplatz nutzt, um konstruktive Ideen vorzubringen, ohne das Ziel den anderen die Stimmen wegzunehmen, und die dem Kampf eine Absage erteilt. Was wäre, wenn es eine Partei gäbe, die sich nicht mehr einlässt auf gewisse Diskussionen? Die sich nicht kümmert um Wortklaubereien und Kleinkram. Die bei sich bleibt und rein ihre Werte vertritt. Was wäre, wenn es eine Partei gäbe, die ein alternatives Schulsystem entwickelt, nicht für die Allgemeinheit, sondern für eine kleine interessierte Gruppe am Rande. Was wäre, wenn diese Partei an Integration interessiert wäre statt an Ausgrenzung? Was wenn diese Partei ihre Aufmerksamkeit nicht auf Anti-Kapitalismus und Anti-Ausbeutung richtet, sondern auf Zufriedenheit und Lebensfreude. Was sind die Ziele Österreichs? Gibt es überhaupt so etwas wie ein Ziel außer dem fuckedup Wirtschaftswachstum? Demokratie kann nicht heißen, dass die Mehrheit entscheidet und die Minderheit die „Krot“ fressen muss. Können sie eh so tun, wie sie wollen, diejenigen, die die Mehrheit bilden. Solange es parallel möglich ist, auf die Bedürfnisse einer gewissen Minderheit im kleineren Rahmen zu achten.
Wenn man ein übergeordnetes Ziel verfolgt, werden Hindernisse recht leicht überwunden, da man dahinter schon wieder den Weg erkennen kann, auf dem man vorankommen möchte. Wenn es kein Ziel gibt und keinen Weg, ist jeder kleine Furz ein riesiges Drama und nimmt eine Dimension an, die einem Prügel im Weg überhaupt nicht zusteht.
Was wäre, wenn es eine Partei gäbe, die dem Ablenkungsmanöver keine Minute widmet. Die von Zielen spricht, ganz egal wie viele dafür sind. Eine kleine Gruppe ist eine kleine Gruppe. Wir müssen Österreich vereinen! So ein Schwachsinn!!! Wir leben in Zeiten der Separation in jeder Hinsicht. Politik ist nur am Spalten interessiert. Wir und die anderen. Gemeinschaft verschwindet zusehends, ein Landgasthaus nach dem anderen muss zusperren, weil Fernseher, Play Station, Facebook und Co. schöner sind als Gemeinschaft. Ist ja gut und schön für diejenigen, die es so wollen. Die sich zu Hause verschanzen wollen, weil draußen ist die Welt so gefährlich ist mit dem Flüchtlingsstrom, der vor meiner Haustür vorbeizieht und keine Ende mehr nehmen will. Diejenigen, die Gefahr an jeder Ecke wittern, sollen gefälligst daheim bleiben.
Aber was ist mit denen, die das nicht wollen? Die an Gemeinschaft interessiert sind und lieber persönlich miteinander reden als chatten. Die keine Lust haben auf Isolierung und Einsamkeit. Die keine Angst haben, das Haus zu verlassen, weil sie die Schönheit sehen können, die draußen auf sie wartet. Die das Leben einatmen und aufsaugen wollen und sich mit interessanten, positiven, konstruktiven, kreativen, lebensbejahenden, lustigen und bereichernden Themen beschäftigen wollen. Wer vertritt die?
Was wäre, wenn es eine Partei gäbe, die sich nicht drum schert, was alle wollen, denn es wird keine Lösung geben, die alle wollen. Einheit, alle an einem Strick, Brüderlichkeit ist eine Illusion, von der endlich einmal Abstand genommen werden sollte. Das hat in der Zeit des Wiederaufbaus funktioniert, aber eine Wohlstandsgesellschaft zerfleischt sich lieber gegenseitig als zusammenzuhalten. Wozu auch? Was wäre, wenn es eine Partei gäbe, die sich im Politzirkus nicht frustrieren lässt, sondern die Spielwiese nutzt, um neue Ideen an Frau und Herrn Österreicher heranzutragen und vielleicht – klein und bescheiden – das eine oder andere umzusetzen. Ohne Parteiprogramm zur Einung der Nation. Um keine Aufmerksamkeit und keine Stimme geiernd, ein kleiner Haufen von Gleichgesinnten. Was wäre, wenn es eine Partei gäbe, die sich einen Spaß draus macht? Die Politik als Zirkus sieht, bunt, lustig und voller Clowns. Die sich selber nicht zu ernstnimmt und mit denen spielt, die es bitterernst nehmen. Auch gut, dann lass ich Politik weiterhin Politik sein, interessiere mich auch in Zukunft nicht dafür und verbringe meine Zeit mit meinen Träumen von einer Gesellschaft, die, anstatt zu streiten, das Leben genießt und Spaß miteinander hat.
Hochachtungsvoll, Hilda
Natürlich erreichen mich auch andere Nachrichten: „Herr Düringer, ich mag sie ja, aber auch wenn sie sich noch so sehr bemühen ich wähle trotzdem Blau!“ Genauso soll es in einer Demokratie sein: Jeder soll das wählen, was er oder sie für das Richtige hält. Man kann das Angebot erweitern, aber nicht beleidigt sein, wenn dieses Angebot nicht seine Abnehmer findet. Jedermann und seine Buhlschaft haben gute Gründe, eine Partei zu wählen, und Jedermann und seine Buhlschaft haben gute Gründe, keine Partei zu wählen oder auch, sich nicht für Politik zu interessieren. Auch ich habe nun eine Umfrage in Auftrag gegeben, um mir einen Überblick zu verschaffen, ob und warum Menschen eine Partei wählen. Die Umfrage ist insofern repräsentativ, als das sie keiner Schwankungsbreite unterliegt. Befragt wurden: Meine Frau, der Ernstl, die Gabi, der Horstl, die Tante Lutzi, der Bongo meine Mutter und ich.