Eine unheilvolle Verbindung

Tom und Elenna stapften durch den Schnee zu der Stelle, wo die Hexe kniete. Silver lief mit gesträubtem Fell voraus.

„Nein, Silver!“, rief Tom, als der Wolf sich Petra näherte. „Tu ihr nichts.“ Silver gehorchte und schnappte lediglich nach Petras Umhang, damit sie nicht weglaufen konnte.

Petra hielt den Kopf gesenkt und murmelte leise vor sich hin. Die Spur des Schlittens erstreckte sich bis zum Horizont. Malvel war fort.

Elenna streckte die Hand aus, aber Petra stieß sie weg. Schwerfällig stand sie auf. Silver hatte sich noch immer im Saum ihres Umhangs festgebissen. Sie drehte sich um, ihr Blick war starr.

„Lasst mich in Ruhe oder ich schlage euch nieder“, zischte sie.

Tom blickte in ihr rundliches Gesicht. „Wäre das klug? Jetzt, nachdem dein Meister dich im Stich gelassen hat?“, fragte er.

„Lass sie los, Silver“, befahl Elenna. Der Wolf öffnete das Maul. Petra sah ihn böse an und raffte ihren Umhang enger um sich.

„Malvel war nie mein Meister“, sagte sie. „Das dachte er nur.“

„Du bist verletzt“, stellte Elenna fest. Die Hexe hatte Kratzer und Schürfwunden auf den Händen und im Gesicht. „Lass mich dir helfen.“

„Ich brauche deine Hilfe nicht“, fuhr Petra sie mit durchdringendem Blick an. Dann entspannten sich ihre Gesichtszüge wieder und ein durchtriebener Ausdruck erschien in ihren Augen. „Denkt ihr etwa, Malvel hat mich im Stich gelassen?“ Sie lachte kreischend, was Tom durch und durch ging. „Das war alles ein Teil meines Plans. Malvel wird die Ewige Flamme nie erreichen.“ Ihr Blick glitt von Elenna zu Tom. „Aber mit meiner Hilfe werdet ihr es.“

Tom starrte sie ungläubig an. „Du willst uns helfen?“, fragte er.

Petra streckte sich und warf ihm einen hochmütigen Blick zu. „Wenn ihr klug genug seid, um meine Verbündeten zu sein, werde ich euch helfen“, sagte sie verschwörerisch. „Ich nehme an, dass ihr daran interessiert seid, ein paar von Malvels Geheimnissen zu erfahren?“

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„Das sind wir“, stimmte Elenna zu. „Aber wir trauen dir nicht und glauben auch nicht, dass du sie uns verraten wirst.“

Petra kräuselte die Lippen. „Und ich dachte, wir würden gute Freunde werden“, sagte sie. „Ihr enttäuscht mich. Dann muss ich wohl ohne euch zur Ewigen Flamme gehen.“ Sie drehte sich um, als wollte sie loslaufen. Silver knurrte sie an. In seinen Augen funkelte es gefährlich.

„Braves Wölfchen“, murmelte sie unsicher.

Tom musste sich auf die Lippe beißen, um nicht zu lachen. Es sah nicht so aus, als würde Petra weit kommen.

„Ihr seid mir doch nicht böse, oder?“, meinte sie. „Ich habe doch nur Spaß gemacht. Ich wollte, dass Malvel mich hier bei euch zurücklässt. So habe ich es schon die ganze Zeit geplant.“

Tom wusste genau, wann er angelogen wurde. „Er hat dich mit dem Gesicht nach unten im Schnee liegen gelassen. Du hast verzweifelt versucht, ihn einzuholen“, sagte er.

Das Lächeln verschwand aus dem Gesicht der Hexe. „Versprochen, ich erzähle euch seine Geheimnisse“, jammerte Petra. „Nehmt mich mit.“

„Wohin mitnehmen?“, fragte Tom. „Wir sind inmitten dieser trostlosen Schneelandschaft, ohne Schlitten oder Pferd.“

„Da wäre ich mir nicht so sicher“, sagte Elenna und deutete hinter Tom. „Sieh doch!“

Er drehte sich um. Eine dunkle Gestalt bewegte sich schnell auf sie zu. Sie folgte den Schlittenspuren bergauf.

Die Gestalt wurde größer und Tom erkannte sie. „Storm!“, rief er. „Er muss gespürt haben, dass wir ihn brauchen.“

Wiehernd kam der Hengst näher. Silver bellte vor Freude, seinen Freund wiederzusehen.

Storm schüttelte seine Mähne und rieb seine Nase an Toms Schulter.

„Guter Junge!“, sagte Tom und klopfte ihm den Hals.

Elenna drehte sich zu dem Leuchten der Ewigen Flamme um. „Wir sollten weitergehen“, sagte sie. „Malvel hat einen großen Vorsprung.“

„Was ist mit mir?“, fragte Petra wimmernd.

„Ich traue dir nicht“, antwortete Tom. Er sah in Petras listiges Gesicht. Trotz allem konnte er über das Schuldgefühl in seinem Inneren nicht einfach hinwegsehen. „Ich kann sie nicht einfach hier zurücklassen, dann würde sie sterben“, dachte er. Vielleicht würde sie sich doch noch als nützlich erweisen, wenn er sie mitnahm. „Du darfst mitkommen“, sagte er schließlich. „Elenna, hole bitte ein Seil aus der Satteltasche. Wir werden sie an den Händen fesseln.“

Petra runzelte die Stirn. „Aber wie soll ich mit gefesselten Händen reiten?“, fragte sie.

„Du wirst nicht reiten“, erwiderte Tom. „Wir reiten. Du läufst.“

Elenna wickelte ein Seil um Petras Handgelenke und knotete es fest. Dann stiegen Tom und sie auf Storms Rücken. Die Hexe sah zornig zu ihnen hoch.

„Du fängst besser an, uns ein paar von Malvels Geheimnissen zu verraten“, sagte Tom, als Storm lostrabte und Petra hinter sich herzog. „Wir müssen noch gegen zwei weitere Biester kämpfen, um unsere Mission zu erfüllen.“

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Die Freunde ritten tiefer in die schneebedeckten Berge. Knurrend lief Silver dicht hinter Petra her.

Tom warf einen Blick auf die Hexe. Würde sie eine Hilfe oder eher eine Last sein? Sie war der seltsamste Verbündete, den sie jemals gehabt hatten. Er fragte sich, welche Herausforderungen noch vor ihnen lagen. Orangefarbenes Licht glühte in der Ferne. Zwei Biester mussten sie noch überwältigen, dann würden sie endlich die Ewige Flamme erreichen.

„Wir sind beinahe da“, dachte Tom. Aber es galt noch viel zu überstehen. Er hoffte nur, dass Petra ihm bei seiner Mission nicht mehr in die Quere kommen würde.