Leseprobe
„Das war wirklich ein langer Tag“, dachte Brenner. „Aber auch ein guter.“ Er kletterte vorsichtig aus seinem Fischerboot und befestigte es an dem Holzsteg. Brenner blinzelte in die Sonne, die auf dem Meer von Seraph glitzerte, und lächelte. Der Ozean sah aus wie eine sich bewegende blaue Glasscheibe.
Brenner war an der Küste aufgewachsen. Er liebte die salzige Luft und das Geräusch der Wellen, auf denen sein Boot schaukelte und die sanft gegen das Holz schlugen. Es hatte etwas Friedliches, allein auf dem Wasser zu sein.
Trotz seiner Müdigkeit begann er, die Holzkisten mit den Fischen vom Boot zu laden. Es war ein guter Fang: Meerforellen und Streifenbarsche. Auf dem Markt würde er viel verkaufen können. Brenner sah schon die Gesichter der Leute vor sich – sie würden von seinem Fang beeindruckt sein.
Als er die letzte Kiste auf dem Steg abstellte, fiel ein Schatten auf ihn. Brenner drehte sich um. Nur ein paar Schritte entfernt stand, auf einen Stab gestützt, ein Mann in einem langen dunklen Umhang.
„Entschuldigung“, sagte er. „Ihr habt mich erschreckt!“ Er streckte lächelnd die geballte Faust aus. Aber der Fremde erwiderte die übliche Begrüßungsgeste des Landes Seraph nicht.
„Woher er wohl kommt?“, wunderte sich Brenner. Der starre Blick des Fremden bereitete ihm Unbehagen.
Im Sonnenlicht wirkte das Gesicht des alten Mannes blass wie verdorbenes Fischfilet. Immer noch auf seinen Stab gestützt, zog der Fremde einen Zauberstab aus Rosenholz aus seiner Tasche. Auf dem Griff schimmerten elfenbeinfarbene Dornen. Fellstreifen waren um die Lederriemen gewickelt.
„Das sind Zähne“, erkannte Brenner plötzlich. „Die Elfenbeindornen sind Zähne.“
Der Fremde bemerkte Brenners Blick. Er betrachtete den Zauberstab und schien tief in Gedanken versunken zu sein. Dann steckte er ihn wieder in seine Tasche, dabei ließ er Brenner nicht aus den Augen.
„Seltsam, dass ich ihn nicht kommen gehört habe“, dachte Brenner. „Der Holzsteg knarrt doch sonst immer so.“
„Was kann ich für Euch tun?“, fragte er den Unbekannten.
Die Lippen des Fremden verzogen sich zu einem schmalen Lächeln. Seine Zähne waren so gelb wie vergilbtes Pergament.
„Ich würde gerne Fisch kaufen.“
Brenner wusste, dass etwas nicht stimmte. Der Mann starrte ihn die ganze Zeit so sonderbar an. Zu den Fischen hatte er kein einziges Mal hinübergeblickt. Brenner kniete sich hin und öffnete mit zitternden Händen eine Kiste.
„In Ordnung“, entgegnete Brenner, „welchen Fisch wollt…“
„Such drei aus“, unterbrach ihn der Fremde.
Brenner reichte ihm drei Fische und der alte Mann schob sie unter seinen Umhang. „Und wie wollt Ihr dafür bezahlen?“, fragte Brenner.
„Hier ist meine Bezahlung“, sagte der alte Mann und grinste wieder. Er warf seinen Stab zur Seite und zog einen scharfen Dolch aus seinem Umhang.
Mit gezücktem Dolch griff der fremde Mann an. Brenner wich nach hinten aus und fiel ins flache Wasser. Er rappelte sich wieder auf und lief zum Strand. Wasser spritzte auf …