Heute
Luke
Adoptiveltern sind oft ratlos, als würde ein Kapitel in ihrem Anleitungsbuch fehlen. Es fällt ihnen schwer, die Ängste und Schamgefühle des Kindes nachzuvollziehen, die tiefgreifende Verunsicherung in ihm zu erkennen, das Gefühl zu verstehen, mit einem Makel behaftet zu sein.
Joel Harris, Wer bin ich? Das verborgene Trauma adoptierter Kinder
Wir sind auf dem Weg zum Mittagessen mit meinem Vater. Meinem echten, leiblichen Vater, der zufällig der bekannte Künstler Richard Fields ist. Fields, der Maler, ist sozusagen öffentliches Eigentum. Seine Bilder verkaufen sich für Millionen und hängen in den berühmtesten Museen der Welt – dem MOMA, der Tate Modern, dem Pompidou. Wir mussten wochenlang auf Tickets für seine Ausstellung in der National Portrait Gallery vergangenes Jahr warten. Über den Menschen selbst allerdings ist wenig bekannt, weshalb Hannah so sehr auf ein Interview mit ihm hofft. Er ist schwul, wie alle sagen, wird aber nie mit einem Partner oder Liebhaber gesehen. Alice meint, er sei mit seiner Kunst verheiratet. Und mit ihr natürlich, denn die beiden sind in all den Jahren offenbar stets ein Paar gewesen. Nur ohne Sex. Und ohne Kinder.
Für mich stand immer die Sehnsucht im Vordergrund, mehr über die Frau zu erfahren, die mich in sich getragen hat und die, wie ich mir sagte, für ihr ungeborenes Kind etwas empfunden haben muss. Doch nun, da ich in Kürze meinem biologischen Vater gegenüberstehen werde, weiß ich nicht so recht, was ich erwarte. Will ich eine Beziehung zu ihm, diesem Mann, der während meiner ersten Lebenswochen vermutlich für mich gesorgt hat? Hätte man mir die Frage gestellt, bevor ich wusste, dass mein Vater Richard Fields ist, wäre mir das wahrscheinlich ziemlich egal gewesen. Jetzt aber kann ich nur schwer über die Tatsache hinwegsehen, dass mein Erzeuger einen zweiseitigen Eintrag im Who’s Who hat.
Richard wohnt in einem umgebauten Lagerhaus am Rand von Smithfield Market, das außen blauschwarz gestrichen ist wie die alten Fabrikgebäude in Downtown Manhattan. Ich drücke auf die Klingel. Während wir warten, sagt Hannah: »Ich bin aufgeregt«, worauf ich nur nicke.
Es ist Alice, die uns aufmacht, in einem weißen Hemd zu dunklen Jeans, barfuß, die Fußnägel kobaltblau lackiert. Wieder dieses seltsame, kippende Gefühl, wenn ich sie nur ansehe.
»Hallo, kleine Familie«, sagt sie und nimmt uns damit augenblicklich die Befangenheit.
Wir folgen ihr durch einen dunklen Flur, an dessen marineblauen Wänden einige von Richards unverwechselbaren Porträts hängen. Wenn ich sie beschreiben sollte, würde ich sagen, dass sie die blickintensive psychologische Eindringlichkeit eines Lucian Freud mit der Kantigkeit Francis Bacons und der Rohheit Beryl Cooks verbinden.
Der Flur führt in einen offenen Wohnbereich, der vollständig weiß gestrichen ist – Wände, Fußboden, Decke –, und vom anderen Ende kommt uns Richard mit einer Flasche Champagner in der Hand entgegen. Er ist größer als ich dachte und wirkt beinahe jungenhaft mit seinen blonden Haaren und dem gebräunten, attraktiven Gesicht. Auf einmal überfällt mich eine schreckliche Schüchternheit, und ich muss mich zwingen, ihm ins Gesicht zu sehen, während mein Magen Kapriolen schlägt. Richard stellt die Flasche ab und breitet die Arme aus.
»Das ist doch bestimmt ein Anlass, bei dem man sich umarmt, oder?«, sagt er mit einem so warmherzigen, freundlichen Lächeln, dass ich mich langsam entspanne.
»Meine Güte«, sagt er, nachdem er mich losgelassen hat. »Lass dich anschauen. Weißt du, es ist mir peinlich, dir das zu gestehen, aber ich habe einmal versucht, dich als Erwachsenen zu zeichnen oder vielmehr, wie ich mir dich als Erwachsenen vorgestellt habe. Ein bisschen wie ein Polizei-Phantombild. Es wurde grässlich, und jetzt sehe ich, wie sehr ich danebenlag. Du bist viel hübscher. Du siehst aus … na ja, du siehst aus wie … deine Mutter.«
Auch er stolpert offenbar über das Wort.
»Warte mal, bis Samuel aufwacht«, sagt Alice. »Er ist Luke wie aus dem Gesicht geschnitten.«
Samuel hängt in seinem Tragetuch, das Gesicht an Hannahs Brust verborgen, sodass nur sein dunkler Haarflaum zu sehen ist.
»Dann wollen wir uns doch mal über diesen Champagner hermachen«, sagt Rick und geht uns zu einer Sofagruppe auf der anderen Seite des Raums voraus.
Ich bemerke ein leichtes Zittern seiner Hände, als er behutsam den Korken herauszieht, und bin froh darüber, offenbar ist auch er nervös. Es ist total überwältigend, ihm zu begegnen. Erstens und unbestreitbar weil er tatsächlich mein echter Vater ist. Zweitens wegen seines Ruhms. Ich habe noch nie eine Berühmtheit wie Richard Fields getroffen und finde es quasi erschreckend, ihn direkt hier vor mir zu sehen.
Obendrein ist die Wohnung, das Haus, die coolste, schickste Umgebung, in der ich je gewesen bin. Was man halt von einem berühmten Künstler erwartet, nur noch besser. Die Gemälde an den Wänden beschränken sich nicht auf die Porträts, für die er bekannt ist, es sind auch abstrakte Landschaften darunter, die seine gut dokumentierte Fetischisierung von Farbe zeigen: Hügel in sattem Orange, Bäume, die irgendwo zwischen Violett und Silber changieren. Über uns hängt eine Art Kronleuchter, ein Wasserfall aus Glaskugeln an dünnen Drähten. Sogar die niedrigen, über Eck stehenden Ledersofas machen den Eindruck, als gehörten sie in ein Designmuseum.
Rick geht zu einem Plattenspieler und legt Blood on the Tracks auf, mein Lieblingsalbum von Bob Dylan. Wir reden über Musik, und alle staunen, dass wir dieselben Bands mögen.
Dann kann ich mich erst einmal ein Weilchen zurücklehnen. Hannah ist an Gespräche mit Künstlern gewöhnt und geht mit den beiden anderen abrissartig die größten Namen durch, Malerstars, von denen Richard manche – Freud und Hockney – persönlich kennt. Sie sind ganz in ihre Welt vertieft, sodass ich mich in Ruhe meinen Beobachtungen hingeben kann. Verstohlen mustere ich Richard. Registriere seinen Körperbau, schlank und feingliedrig wie meiner, nur dass er ein paar Zentimeter kleiner ist. Seine blonden Haare, die helle Haut, die blauen Augen hat er nicht an mich weitergegeben; zweifellos schlage ich nach Alice. Was seine Persönlichkeit angeht, ist er witzig, warmherzig und verdammt genial. Von alledem hätte ich gern etwas geerbt.
Samuel wacht schreiend auf. Es verblüfft mich jedes Mal, wie er von null auf hundert, von Tiefschlaf auf Wutgebrüll hochfahren kann, die wenigen Emotionen, die er auszudrücken in der Lage ist, rein und extrem.
»Ich mache mal seine Milch warm«, sagt Hannah, übergibt ihn an mich und folgt Rick in die Küche. Es ist nicht möglich, sich zu unterhalten oder auch nur einen klaren Gedanken zu fassen, wenn Samuel sein Kreuz durchdrückt und mir ins Ohr brüllt. Ich versuche, ihn zu trösten, indem ich herumgehe, ihn auf dem Arm wippen lasse und beruhigend auf ihn einrede, aber sein Wüten, sein Hunger toben gegen meinen Verstand an.
Da ist etwas an seinem Weinen, das eine Art Urinstinkt anspricht, eine sofortige Abwehrreaktion in mir auslöst. Am ersten Tag zu Hause nach dem Krankenhaus wachte er mitten in der Nacht brüllend vor Hunger auf. Und während wir frischgebackenen Eltern das Licht anmachten und das Stillkissen suchten und dieses winzige rotgesichtige Paket zwischen uns hin und her reichten wie eine scharfe Bombe, strömten mir unaufhörlich die Tränen übers Gesicht.
Nachdem wir Hannah schließlich an ihre Kissen gelehnt, das Baby an ihre Brust gelegt und das Licht gelöscht hatten, griff sie im Dunkeln nach meiner Hand.
»Ich hatte schon so eine Ahnung, dass das schwierig für dich werden würde«, sagte sie mit ihrem typischen Scharfblick.
Jetzt, während Samuel sich in höchste Rage hineinsteigert, kommt Alice herbeigeeilt. »Soll ich ihn dir mal abnehmen? Ich erinnere mich noch, wie anstrengend es ist, wenn ein Baby so schreit. Die Tonlage soll die Eltern zum Reagieren bringen, biologische Programmierung oder so was Ähnliches. Ich habe es gehasst.«
Sie nimmt mir Samuel ab und setzt ihn sich auf den Schoß, und obwohl er weiter weint, merke ich, dass sie recht hat. Mit etwas Abstand ist das Geschrei erträglicher.
Er dreht den Kopf von links nach rechts, öffnet und schließt den Mund.
»Kommt ja gleich, mein Vögelchen«, sagt Alice, und als Hannah mit seinem Fläschchen auftaucht, bietet sie an, ihn zu füttern.
»Du kannst solange deinen Champagner trinken und dir Ricks Bilder ansehen. Wahrscheinlich hast du kaum je eine Atempause.«
Das ist eine rührende Geste, und Alice dort mit unserem Kind auf dem Schoß zu sehen – meine Mutter mit ihrem Enkelsohn –, erfüllt mich mit unverhoffter Freude.
Ricks Homosexualität tritt hier in seiner privaten Sammlung offener zu Tage. Viele der Bilder zeigen junge Männer, ein Akt liegt hingegossen auf einem mit Samt drapierten Sofa und erinnert mich an Manet, eine männliche Olympia vielleicht, aber Hannah sagt: »Eine Verneigung vor Modigliani«, und sie muss es wissen. Wir sind ganz von der Kunst vereinnahmt, dem Privileg, diese Gemälde sehen zu dürfen, die Rick für sich behalten hat. Amüsiert beobachte ich Hannah, bemerke ihren leuchtenden Blick. Mir ist klar, dass sie im Kopf bereits ein Porträt von Richard Fields entwirft und sämtliche Einzelheiten speichert, der Künstler, wie ihn niemand kennt.
Umso mehr schrecken wir zusammen, als Rick, der aus der Küche zurückkommt, »Oh, Alice!« ruft und einen Korb mit Brot fallen lässt. »Er sieht genauso aus«, sagt er bestürzt.
»Ich weiß, Rick. Aber ist es nicht wunderbar?«
Als ich mich bücke, um die heruntergefallenen Brotstücke aufzusammeln, kommt es mir vor, als wären Hannah und ich in ein intimes Gespräch hineingeplatzt. Rick dreht sich mit Tränen in den Augen zu uns um, wischt sie schnell mit dem Zeigefinger weg.
»Entschuldigt meine Rührseligkeit. Ihr könnt das unmöglich verstehen, aber für mich ist es wie ein Déjà-vu. Das bist du, Luke. Er sieht genauso aus. Es ist, als wären wir in der Zeit zurückversetzt worden, um unser Baby wiederzusehen.«
»Unser Baby.« Wie selbstverständlich er mich als sein Kind beansprucht. Ich weiß nicht, ob ich glücklich oder am Boden zerstört sein soll.
»So ging es mir auch«, sagt Alice. »Es ist geradezu erschütternd beim ersten Mal.«
Rick wirkt ein oder zwei Minuten lang sprachlos. Er starrt Samuel an, schüttelt den Kopf. Und überlässt es Alice, die heikle Situation zu entschärfen.
»Seht euch das an.« Sie hält das leere Fläschchen hoch. »Er ist so ein braver Junge. Nicht wahr, mein kleiner Vogel, du bist ein ganz braver Junge? Ist das Essen fertig? Brauchst du Hilfe, Rick?«
Das Mittagessen ist ein Kunstwerk für sich. Wie viele Gerichte stehen da auf dem Tisch? Mindestens sechs oder sieben. Salat gespickt mit Granatapfelkernen und Feta, Bulgur gesprenkelt mit Petersilie und Tomaten, ein Tontopf mit Hähnchen-Tagine, kleine Schalen mit Hummus und Baba Ganoush, Streifen von Fladenbrot, ein Teller voll karamellisiertem Kürbis. Beinahe zu schön, um gegessen zu werden.
Wir sitzen uns gegenüber, Hannah und ich auf der einen Seite, Rick und Alice auf der anderen, und so aus der Nähe merke ich, dass sie wirklich wie ein altes Ehepaar sind. Sie reichen einander ungefragt die Schüsseln und erörtern die Zutaten. »Hast du diesmal mehr Kreuzkümmel drangemacht?«, »Mir schmeckt es mit Feta besser, dir nicht auch?«.
Rick nennt sie sogar »Liebste«. »Noch etwas Champagner, Liebste?«
Bald darauf, dank Hannahs unaufdringlich geschickter Fragetechnik, sprechen sie darüber, wie sie sich an der Slade kennengelernt haben.
»Wir waren nur zwölf Studenten damals«, erzählt Alice. »Und alle waren brillant, Rick natürlich besonders. Es war beängstigend. Am ersten Tag kam Gordon King mit lauter Schnurknäueln ins Studio und sagte: ›Macht etwas mit diesen Schnüren, lasst euch was einfallen.‹ Wir spannten sie schließlich wie ein überdimensionales kompliziertes Fadenspiel quer durch den Raum. Und am nächsten Tag forderte ein anderer Künstler namens Mick Moon uns auf, zwischen den Schnüren zu tanzen, wir mussten uns also aus dem Stand eine Performance ausdenken. Es war die Hölle.«
»Erinnerst du dich noch an Josef, das Aktmodell, Alice?«
»Wie könnte ich ihn vergessen? Er war so schön«, antwortet Alice. »Ich glaube, wir waren beide ein bisschen verknallt in ihn.«
»Alice war ungeheuer talentiert. Die Beste unseres Jahrgangs.«
»Aber du warst es, der schon Bilder an berühmte Restaurants verkauft hat.«
»Und du hast ein Plattencover entworfen. Wir haben dich alle darum beneidet.«
»Tatsächlich?«, frage ich. »Für welche Band?«
»Kennt ihr nicht«, sagt Alice. »Sie haben sich nach diesem Album getrennt, Ende des Starruhms.«
»Genug jetzt von uns«, sagt Rick. »Ich möchte etwas über deine Kindheit erfahren, Luke. Ich kann dir gar nicht sagen, wie oft ich an dich gedacht und mich gefragt habe, ob es dir gut geht. Ich hoffte es, betete darum, aber wir haben keinerlei Informationen bekommen. So war das damals. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie sich dieses Schweigen auswirkt. Man entscheidet sich, sein Kind wegzugeben, und dann hört man nie wieder etwas von ihm.«
»Da gibt es nicht viel zu erzählen. Meine Eltern waren schon ein bisschen älter, und mein Vater ist vor zwei Jahren gestorben. Ich bin in Yorkshire aufgewachsen, in einem Dorf bei Harrogate, und in Suffolk aufs Internat gegangen. Meine Mutter« – immer stocke ich jetzt bei dem Wort – »ist ganz anders als ich. Sie ist ein freundlicher, großzügiger Mensch und liebt mich sehr, aber um die Wahrheit zu sagen …« Ich kippe einen großen Schluck Champagner, Mut antrinken für dieses plötzliche Bedürfnis nach Offenheit. »… wir haben nicht viel gemeinsam. Ich habe mich nie so richtig von ihr verstanden gefühlt, und das sage ich nicht, um mich zu beklagen. Vielmehr denke ich, dass ich immer ein Rätsel für sie gewesen bin, und ich fühle mich schuldig deswegen. Ich war durchaus glücklich als Kind, auch wenn ich nirgends richtig dazugehört habe. In der Schule war ich ein Außenseiter, ich hatte einfach nichts übrig für Rugby oder Cricket oder die Theatergruppe und solche Sachen. Zu Hause war es das Gleiche. Man kann nicht sagen, dass es nicht funktioniert hat mit uns, ich glaube nur, wir haben uns alle gewünscht, es würde besser funktionieren.«
Ich fange Hannahs Blick auf, und sie drückt meinen Arm. Sie versteht, was in mir vorgeht. Einerseits die Erleichterung, meinem Herzen Luft machen zu können, und andererseits das schlechte Gewissen wegen dem, was mir als Verrat an meiner Mutter erscheint.
»Eigentlich wundert mich das nicht«, sagt Rick. »Kann man ein Kind aus seiner familiären Umgebung herausreißen und erwarten, dass es sich problemlos in eine andere, fremde einfügt? Für die es nicht genetisch ausgestattet ist?«
Sein Verständnis ist für mich schwer zu ertragen. Jetzt sieht er es also ein. Aber warum, warum nur haben sie es damals nicht verstanden? Alice hat sich abfällig über das Leben geäußert, das sie und ich geführt hätten, in einer Sozialwohnung, auf Almosen angewiesen. Doch was für mich im Vordergrund steht, wonach ich mich sehne, ist diese starke, echte Bindung zwischen Mutter und Sohn, die mir versagt geblieben ist.
»Alice und ich wollten all die Jahre immer nur eins wissen«, sagt Rick, »nämlich ob wir die richtige Entscheidung für dich getroffen hatten.«
Sie sehen mich beide an, ein Doppelblick von einer Eindringlichkeit, die ans Flehentliche grenzt. Ich sage ihnen, was sie hören wollen.
»Es war eine gute Kindheit. Mir hat es an nichts gefehlt.«
Zum Nachtisch gibt es Orangen-Polenta-Kuchen mit Crème fraîche und persischen Kaffee in winzigen bunten Tässchen – königsblau, dunkelrosé, jadegrün und lila –, die innen golden sind. Alles, was Richard Fields besitzt, zeugt von exquisitem Geschmack.
»Bevor ihr geht, möchte ich euch etwas zeigen«, sagt Rick, und ich bekomme ein kaum merkliches Nicken von Alice mit, die wortlose Kommunikation dieses ehemaligen Liebespaars, das schon seit einer Ewigkeit ein Freundespaar ist.
Er geht zu einem chinesischen Schrank hinüber, ein weiteres Besitztum, bei dem einem die Kinnlade herunterklappt, schwarz lackiert mit kleinen Vögeln in goldenen Käfigen darauf, und kommt mit einem Blatt Papier in der einen Hand und einem Füller in der anderen zurück.
Er legt das Blatt vor uns auf den Tisch.
Es ist eine Bleistiftskizze von Samuel, das denke ich jedenfalls zuerst. Eine Nahansicht im Schlaf: lange Wimpern, das feine dunkle Haar, der ausgeprägte, perfekt wiedergegebene Schwung seiner Lippen, der auf seiner kleinen Faust ruhende Kopf. Doch über der Zeichnung steht mein Geburtsjahr, 1973, und ein Name. Charlie.
»Das bist ja du«, flüstert Hannah, und ich bin froh, dass sie es sagt, denn ich bringe kein Wort heraus. Ich sehe Alice nicht an, sehe niemanden an.
Rick schraubt den Füller auf und signiert das Blatt schwungvoll am unteren Rand. Richard Fields, die gleiche berühmte, schnörkelige Signatur wie auf unserem Druck zu Hause. Er schiebt es mir hin.
»Das ist für dich, Luke.«
Ich nehme die Zeichnung in die Hand, diese kleine Zeitbombe aus meiner Vergangenheit, und drücke sie an meine Brust. Ich schüttele den Kopf, zu überwältigt, um etwas zu sagen. Rick versteht es, das merke ich. Er tätschelt mir kurz die Schulter.
»Es ist absolut wunderbar, dass du wieder zu unserem Leben gehörst«, sagt er.