Kapitel siebzehn

MICHAEL

Michael betrat sein Apartment und ging erschöpft in die Küche, um sich zum Aufwärmen einen Kaffee zu kochen. Draußen war es eiskalt, und er war Dahlia nur in Jogginghose und T-Shirt hinterhergelaufen. Mit einigem Abstand hatte er beobachtet, wie sie mit gesenktem Kopf und offensichtlich ziellos durch die Straßen gelaufen war. Schließlich hatte er Cian angerufen und ihm gesagt, wo er Dahlia finden konnte.

Natürlich hätte er sie lieber selbst nach Hause gebracht, doch ihre Worte gingen ihm immer wieder durch den Kopf. Sie ergaben einen gewissen Sinn, und doch auch wieder nicht, und Michael hatte das unangenehme Gefühl, dass es noch andere Gründe für Dahlias Aufbruch gab als diejenigen, die sie ihm verraten hatte.

Allerdings war ihr Geständnis, dass sie ihm Vorwürfe machte, weil er sie hatte gehen lassen, keine Lüge gewesen, da war er sich sicher.

Denn das hatte er tatsächlich getan.

Er hatte alles beiseitegeschoben, was er über die Frau, die er liebte, wusste, und sich darauf versteift, dass sie ihn aus egoistischen Gründen verlassen hatte. Aber das entsprach nicht der Wahrheit. Bei dem Gedanken an das vorherige Gespräch mit Dahlia schlossen sich seine Finger krampfhaft um den Henkel der Kaffeekanne. Er dachte daran, was ihre Mutter zu ihr gesagt und ihr angetan hatte, bevor sie vor allem geflüchtet war.

»Kannst du ihr das etwa übel nehmen?«, hatte er sie gefragt, als sie darüber gesprochen hatten, dass ihre Mutter sie aus ihrem Leben verbannt hatte.

Verdammt. Die Reue darüber versetzte ihm einen Stich, und er rieb sich mit der Hand über die Brust. Michael hatte angenommen, dass Dahlia nicht mit Dillons Tod zurechtkam und deshalb an einem anderen Ort ein neues Leben begonnen hatte. Das bedeutete nicht, dass sie nicht zu ihm zurückkommen sollte, aber … hätte er das getan? Wäre er an ihrer Stelle gewesen und Dahlia wäre ihm nicht gefolgt, um herauszufinden, was los war, wäre er dann nach Hause gekommen?

Michael wusste die Antwort darauf.

Und zum ersten Mal seit neun Jahren gestand er sich ein, dass auch er Schuld daran trug.

Er hatte sie gehen lassen.

Also wäre es nicht richtig gewesen, sie in sein Auto zu befördern und nach Hause zu fahren, denn er hätte nichts vorbringen können, um ihre Meinung zu ändern.

Wenn er die Augen schloss, sah er sie vor sich. Er konnte ihr gehauchtes Stöhnen hören und ihre Haut unter seinen Fingern fühlen. Mit ihr zusammen zu sein, sich in ihr zu bewegen, sie überall zu spüren war der schönste Moment seines Lebens gewesen. Es war nicht nur fantastischer Sex gewesen. Das Phänomenale daran war sie gewesen. Er war mit Dahlia vereint gewesen.

Und nun wollte sie, dass er sie wieder gehen ließ.

Michael riss die Augen auf und starrte ins Leere. Das Leben mit Dahlia war nie leicht gewesen. Seit elf verdammten Jahren war es ein andauerndes Drama. Und trotzdem fühlte er sich in ihrer Gegenwart so lebendig wie sonst nie. Auf bestimmte Weise, die schwer zu erklären war, machte sie ihn munter.

Wie sein Leben ohne Dahlia aussah, war ihm nur allzu gut bewusst. Nackte Wände, ein harter Job in einer schwierigen Stadt und noch mehr nackte Wände. Und ein Leben mit Dahlia? Oh, er wusste, es würde anfangs nicht leicht sein, aber er erinnerte sich noch an die Zeit, bevor alles den Bach runtergegangen war. Sie war von viel Lachen und Zuneigung geprägt gewesen. Und er hatte sich nie einsam gefühlt. Sie hatte ihm das Gefühl gegeben, nicht mehr allein zu sein.

Ein Gefühl, zu Hause zu sein.

Und das wollte Michael wieder erleben.

Seine Entschlossenheit fegte die Müdigkeit weg.

Er musste ein paar Anrufe erledigen.

Auf keinen Fall würde er sich Dahlia McGuire ein zweites Mal durch die Lappen gehen lassen.