»Noch einmal zum Verständnis.« Jessica schaute mich über den Rand ihrer Teetasse hinweg an. »Der neue Detective in der Stadt ist einer deiner Exfreunde. Nämlich der, vor dem du im letzten Sommer aus diesem Laden geflüchtet bist. Er ist frisch geschieden, ihr habt euch in Boston wiedergetroffen, und nun hat er seinen Job gekündigt, in Hartwell einen neuen angenommen und sein gesamtes Leben umgekrempelt, um in deiner Nähe sein zu können?«
Die Neugier in ihrer Miene, der ungläubige Klang ihrer Stimme und der romantische Ausdruck in Emerys Hundeaugen ließen mich aufstöhnen. Ich wandte mich Hilfe suchend zu Bailey um. »Sag ihnen, dass es viel komplizierter ist.«
»Es ist viel komplizierter.«
Ich verzog das Gesicht. »Sehr hilfreich.«
Bailey zog eine Augenbraue hoch und wollte mir damit wahrscheinlich sagen, dass ich mit meiner Geheimniskrämerei aufhören musste, wenn ich wollte, dass meine Freundinnen mich verstanden. Ich war jedoch noch nicht bereit, meine tragische Geschichte vor ihnen auszubreiten. Michael war vier Tage zuvor hier aufgetaucht, und die ganze Stadt sprach darüber. Seit dem Tag in meiner Werkstatt hatte ich ihn nicht mehr gesehen, aber überall, wo ich hinkam, hörte ich seinen Namen.
»Sagen wir einfach, zwischen Michael und mir hat es viel böses Blut und Schmerz gegeben«, erwiderte ich, und Jess zuckte mit den Schultern. »Als ich Boston verlassen habe, war ich der Meinung, wir würden uns in Zukunft aus dem Weg gehen.«
Emery neigte nachdenklich den Kopf zur Seite. »Aber das willst du doch gar nicht.«
»Doch.« Ihr scharfsinniger Kommentar brachte mich aus der Fassung.
»Nein, das glaube ich nicht.« Sie lächelte mich entschuldigend an. »Jedes Mal, wenn du seinen Namen sagst, wird deine Stimme weicher und du hast diesen Ausdruck in den Augen, den Bailey beim Anblick von Vaughn hat. Und Jess bei Cooper.«
Mir wurde bewusst, dass Emery trotz ihrer Zurückhaltung und Schüchternheit eine erstaunlich gute Beobachterin geworden war.
Baileys süffisantes Lächeln bedeutete: Ich habe es dir doch gesagt.
»Du musst uns keine Einzelheiten erzählen.« Jess griff nach einem Keks. »Das weißt du. Aber du kannst uns offen sagen, wie du dich fühlst. Michael hat alles aufgegeben, in der Hoffnung, wieder eine Beziehung mit dir zu führen. Welche Gefühle ruft das in dir hervor?«
»Du hörst dich an wie eine Therapeutin«, erwiderte ich spöttisch.
Sie wollte gerade in den Keks beißen und hielt inne. »Gehst du zu einem Therapeuten?«
»Früher habe ich das mal getan. Wie auch immer, darum geht es doch nicht. Das ist einfach verrückt. Niemand gibt seine Karriere als Detective in Boston auf, um in die Walachei nach Hartwell zu ziehen. Wegen einer Frau, mit der er in den letzten neun Jahren weniger als achtundvierzig Stunden verbracht hat.«
»Hör auf damit, das zu pauschalisieren.« Bailey verdrehte die Augen. »Du stellst die Sache sehr vereinfacht dar. Wenn du nicht darüber reden willst, ist das in Ordnung. Ich hab dich lieb, das weißt du, aber wenn du dich selbst belügen willst, mache ich nicht mit. Das ist nicht gesund.«
Ärger stieg in mir auf, und die anderen schwiegen betreten, während Bailey und ich uns einen Wettbewerb im Anstarren lieferten. Ein Teil von mir nahm ihr ihre barsche Bemerkung übel, aber der andere Teil wusste, dass sie sich Sorgen um mich machte, weil ich den Kopf in den Sand steckte. Natürlich hatte sie recht, und das erzürnte mich.
»Mich versetzt das in Panik, klar?« Ich hob die Hände und gab mich geschlagen. »Ich habe meine Gründe, warum ich eine neue Verbindung zwischen Michael und mir für keine gute Idee halte. Es ist mir unfassbar schwergefallen, ihn in Boston zurückzulassen. Noch einmal. Doch ich habe versucht, das alles hinter mir zu lassen! Ich habe mich mit anderen Männern verabredet und mich bemüht, einer anderen Beziehung eine echte Chance zu geben. Und nun ist er hier. Und ich kann nicht abstreiten, dass ich mich nach ihm sehne. Jedes Mal, wenn ich ihn sehe, würde ich mich am liebsten sofort auf ihn stürzen. Diese außergewöhnlich starke körperliche Anziehung steht im Gegensatz zu dem, was emotional das Beste für mich ist. Damit muss ich mich auseinandersetzen. Und deshalb gerate ich in Panik, weil ich mir in seiner Nähe selbst nicht über den Weg traue und weil er mir klar zu verstehen gegeben hat, dass er sich weiter um mich bemühen wird.«
Bailey wirkte zufrieden. »War es so schwer, das zuzugeben?«
Ich zeigte ihr grimmig die Zähne, und sie warf den Kopf in den Nacken und lachte belustigt.
»Wie soll es denn weitergehen?«, fragte Jess. »Brauchst du unsere Hilfe, um ihn dir vom Hals zu halten?«
»Nein, ich möchte euch da nicht mit hineinziehen. Ich werde ihm einfach aus dem Weg gehen.«
»Wie sollen wir uns ihm gegenüber verhalten?«, erkundigte sich Emery. »Mögen wir Michael, oder mögen wir ihn nicht?«
Ihre Loyalität entlockte mir ein Lächeln. »Michael ist ein netter Mann. Du kannst dich in seiner Gegenwart benehmen, wie du möchtest.«
»Also werde ich rot und stottere.«
Wir lachten über ihre Selbstironie.
»Das erinnert mich an den Unterricht im Umgang mit Männern.« Baileys Augen glitzerten begeistert. »Damit sollten wir endlich anfangen.«
Im vergangenen Jahr hatte Bailey verkündet, Emery ein paar Stunden zu geben, um ihr beizubringen, wie sie sich im Gespräch mit Männern lockerer geben konnte. Jess und ich hatten bemerkt, dass Emery diese Idee peinlich war, aber wenn Bailey sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, war sie nur schwer davon abzubringen. Nun sah ich, wie sich Panik auf Emerys Gesicht abzeichnete, und griff rasch ein. »Du musst eine Hochzeit planen und hast keine Zeit für einen solchen Unterricht.«
Das Funkeln in ihren Augen verschwand. »Diese Hochzeit macht mich fertig. Jeder hat eine Meinung dazu und äußert bestimmte Vorstellungen. Normalerweise finde ich es toll, von der Gründerfamilie abzustammen, aber bei der Planung unserer Hochzeit würde ich gerne darauf verzichten.«
»Das meine ich damit. Hochzeiten sind schon unter normalen Umständen stressig, aber deine wird das größte Ereignis in Hartwell seit Jahren, also hast du keine Zeit für andere Dinge.«
Meine Freundin nickte zögernd, und Emery schenkte mir ein dankbares Lächeln.
Jess begann, uns eine witzige Geschichte über ihren und Coopers Hund Louis zu erzählen, der sich mit fast zwei Jahren immer noch wie ein Welpe benahm. Er hatte herausgefunden, wie er Schubladen aufziehen konnte, und war derzeit von Coopers Unterwäsche fasziniert.
Während wir plauderten, hörten wir das Glöckchen über der Tür klingeln, aber noch bevor Emery aufstehen und nachschauen konnte, wer in den Buchladen gekommen war, lief jemand mit leichtem Schritt die Treppe zu uns hinauf.
Es war Kell Summers. Er war klein, hübsch, blond und Mitglied des Stadtrats. »Ich habe gehört, dass ihr Ladies euch hier versammelt habt«, sagte er lächelnd. »Warum habt ihr mich nicht eingeladen? Ihr wisst doch, dass ich Klatsch und Tratsch liebe.«
Bailey grinste. »Was führt dich zu unserem kleinen Treffen?«
»Der Winterkarneval.« Er klatschte für einen Donnerstagnachmittag viel zu enthusiastisch in die Hände.
Kell war nicht nur Stadtrat, sondern auch der offizielle Eventplaner der Stadt. Das hieß, dass er uns (und, wie ich aus zuverlässiger Quelle wusste, auch seinen Partner Jake) mehrmals im Jahr in den Wahnsinn trieb. Was allerdings unserer Zuneigung zu ihm keinen Abbruch tat. Ich arbeitete an den Karnevalskostümen für den Festzug, die je nach Motto angefertigt wurden. Aus Gründen, die nur Kell bekannt waren, ging es dieses Jahr um eine Hommage an Disney.
Die meisten Leute liehen sich Kostüme für den Karneval, aber Kell bestand darauf, dass die Teilnehmer auf den ersten beiden Umzugswagen Originalentwürfe trugen. Annie und Bryn, zwei Einheimische, die über Nähmaschinen verfügten, hatten gemeinsam mit mir bereits vor einigen Monaten mit der Arbeit daran begonnen. Jetzt, wo wir nur noch zwei Wochen Zeit hatten, standen uns ein paar weitere Helfer aus der Stadt zur Seite, unter anderem auch Kells Freund Jake.
Jess schaute ihn fragend an. »Ich dachte, das sei bereits alles organisiert.«
»Na ja, eigentlich schon, aber …« Kell lächelte mich verlegen an.
Ich stöhnte. »Oh nein, was ist los?«
»Du weißt ja, wie schwer es war, den Sheriff zu überreden, ein paar seiner Deputys auf einem der Wagen am Festzug teilnehmen zu lassen.«
»Mm-hm.« Allerdings. Vier seiner Deputys hatten mir erzählt, dass Jeff ihnen beinahe verboten hätte, auf einem der Festwagen Hartwells Polizeibeamte zu repräsentieren. Sie hatten sich trotzdem bereit erklärt, und nun würden sie alle Disney-Figuren darstellen.
»Nun, Deputy Rawlings droht damit, ihre Zusage zurückzuziehen, wenn sie nicht das gleiche Kostüm bekommt wie ihre Kollegen.«
Meine Haut prickelte vor aufsteigendem Ärger, als ich Wendys Forderung hörte. »Kell, ihre Kollegen werden alle unterschiedliche Kostüme tragen. Und ich arbeite schon seit Wochen an ihrem Kostüm als gute Fee.«
»Ich weiß, ich weiß.« Er zuckte bedauernd mit den Schultern. »Aber die anderen Deputys stellen alle männliche Charaktere wie Randale-Ralph und Black Panther dar. Wendy ist frustriert, weil wir sie, wie sie sagt, in ein ›blödes Mädchenkostüm‹ stecken wollen.«
»Hätte sie uns das nicht eher sagen können?«
Er verdrehte die Augen. »Diese Frage habe ich ihr auch gestellt.«
»Welche Figur möchte sie denn sein?«
»Katniss aus Die Tribute von Panem.«
»Das ist aber kein Disney-Film«, warf Bailey ein.
»Das weiß ich, Bailey, aber wenn die gute Frau dann aufhört, mich bei jeder Gelegenheit zu bedrängen, dann soll mir das recht sein.«
Nachdem ich kurz darüber nachgedacht hatte, seufzte ich tief. »Ich kann das Kostüm aus unserem Kleidervorrat schneidern, und ich bin mir ziemlich sicher, dass wir uns von der Requisitenabteilung des Atlantic Theaters Pfeil und Bogen leihen können.«
»Großartig! Ich habe gewusst, dass du das schaffen wirst. Noch etwas: Meine Elsa aus Die Eiskönigin hat die Grippe erwischt.« Kell richtete den Blick auf Emery. »Wenn es ihr nicht bald besser geht, brauche ich einen Ersatz für sie.«
Emery ließ sich noch tiefer in ihren Sessel sinken, als könnte sie sich auf diese Weise unsichtbar machen.
Mir tat sie leid, also flunkerte ich ein bisschen. »Emery ist eins achtundsiebzig groß und gertenschlank, während Janey nur eins fünfundsechzig misst, durchtrainiert und kräftig gebaut ist. Ich glaube nicht, dass ich das Kostüm entsprechend ändern kann.«
»Natürlich kannst du das. Emery ist die perfekte Elsa«, erwiderte Kell beharrlich.
Emery zuckte zusammen. »Sollte Janey nicht dieses Jahr auf dem ersten Festwagen sitzen?«
»Das stimmt, aber kannst du dir nicht vorstellen, dass du dich auf ihrem Platz viel besser machen würdest?« Bei dem Gedanken daran leuchteten seine Augen auf. »Unsere ätherische Buchhändlerin führt den Festzug an!«
»Und dann muss sie sich übergeben, während sie an den Touristen vorbeifährt«, merkte Bailey an und warf Kell einen Blick zu. »Das geht nicht.«
Er schaute Emery bedauernd an und schien zu dem Thema nichts mehr sagen zu wollen.
Lächelnd bemerkte ich, dass Emerys Wangen wieder Farbe annahmen, doch mein Lächeln verflog rasch, als Kell sich mir zuwandte. Diesen Gesichtsausdruck kannte ich gut. Er besagte: »Ich hätte da noch eine Bitte.«
»Was?«
»Ihr habt sicher alle schon von dem tollen Detective gehört, dem Neuen im Büro des Sheriffs. Ich habe den Sheriff gebeten, ihn einzuladen, am Festzug teilzunehmen.«
Mein Herzschlag setzte kurz aus. »Detective Sullivan?«
»Ja!« Kell ließ sich auf der Lehne von Baileys Sessel nieder. »Meine Güte, habt ihr ihn schon gesehen? In seiner Gegenwart fällt es mir schwer, mich professionell zu verhalten. Er ist sehr männlich. Sehr, sehr, sehr …« Er seufzte verträumt. »Mit diesem Körper wäre er natürlich die Idealbesetzung für Mr. Incredible, und du weißt, wie sehr wir uns bemüht haben, jemanden für diese Figur zu finden. Ich drücke die Daumen, dass er zusagt, also solltest du damit rechnen, sein Kostüm anzufertigen. Jake, Annie und Bryn werden die restlichen Outfits fertigstellen, sodass du an Wendys neuem Kostüm und an dem für Detective Sullivan arbeiten kannst. Vorausgesetzt, er sagt Ja.«
Der Gedanke daran, Zeit mit Michael zu verbringen und ihn dabei zu berühren, versetzte mich in Panik. Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Dafür reichen zwei Wochen nicht aus.«
Kell runzelte die Stirn. »Bisher bist du noch nie vor einer Herausforderung zurückgeschreckt.«
»Eine Herausforderung? Kell, das ist ein Ding der Unmöglichkeit.«
»Du weißt, dass es diesen Ausdruck in meinem Wortschatz nicht gibt, Dahlia.« Er schnalzte missbilligend mit der Zunge und wedelte mit dem Zeigefinger.
Jess schnaubte, und ich warf ihr einen warnenden Blick zu. Sie trank rasch einen Schluck Tee, aber ich hörte, wie sie dabei unterdrückt lachte.
»Kell«, begann ich und bemühte mich, nicht allzu ungeduldig zu klingen. »Wendys Kostüm ist eine Sache – sie ist klein, und ich brauche wenig Stoff, um etwas für sie anzufertigen. Doch Michael ist über einen Meter achtzig groß und gebaut wie ein Schrank. Da benötige ich eine Menge Material.« Sobald ich das ausgesprochen hatte, fragte ich mich, warum zum Teufel ich in Panik geriet. Michael würde niemals zustimmen, als Comicfigur an einem Festzug teilzunehmen, geschweige denn in einem Kostüm aus Lycra! Ich entspannte mich ein wenig.
Kell zog die Augenbrauen hoch. »Dein Bostoner Akzent ist plötzlich deutlich zu hören, und du scheinst unseren Detective aus Boston erstaunlich gut zu kennen.«
Oh verflixt.
Bailey verkniff sich ein Lächeln und schaute zu Emery hinüber, deren Mundwinkel verdächtig zuckten.
Verräterinnen.
Allesamt.
»Ich … ähm …« Oh Gott, was immer ich jetzt Kell erzählte, würde sich wie ein Lauffeuer verbreiten, aber falls Michael mir weiter nachstellen sollte, würden es die Leute ohnehin bald bemerken. »Ja, wir kennen uns. Keine große Sache.«
Die Augen des Stadtrats leuchteten bei dieser Neuigkeit auf, aber ich verzog keine Miene. Von mir würde er keinen Klatsch zu hören bekommen!
»Ich verstehe.« Er stand auf. »Umso besser, das macht die Anproben weniger peinlich.«
»Kell …«
»Du schaffst das schon, Dahlia. Wenn du Hilfe brauchst, lass es mich wissen.«
»Er wird nicht mitmachen«, erklärte ich schulterzuckend. »Auf keinen Fall.«
»Nun …« Kell grinste mich spitzbübisch an. »Dana Kellerman verkörpert Elastigirl.«
Bei der Erwähnung von Dana, Coopers Ex-Frau, verflog die stille Belustigung meiner Freundinnen. Dana hatte nicht nur Cooper während ihrer Ehe betrogen, sondern sich dafür auch noch seinen besten Freund Jack Devlin ausgesucht. Ja, den zweitjüngsten Sohn der Devlins. Früher einmal war Jack ein netter Kerl gewesen. Ein Vorarbeiter auf dem Bau, der nichts mit seinem Vater und dem Familiengeschäft zu tun haben wollte. Jack und Cooper waren ihr ganzes Leben lang beste Freunde gewesen, beinahe wie Brüder, bis Jack rätselhafterweise seinen Job im Baugewerbe aufgab, um für seinen Dad zu arbeiten. Und dann beging er den ultimativen Verrat, indem er mit Dana schlief. Für uns alle waren Jack und Dana seitdem Personae non gratae.
Leider hatte die früher einmal sehr beliebte Stadtschönheit beschlossen, die Herzen der Einwohner von Hartwell zurückzugewinnen, indem sie sich bei sämtlichen Veranstaltungen in den Vordergrund drängte. Im vergangenen November hatte sie beim Punkin’ Chunkin Festival eine Tombola zugunsten des Kinderkrankenhauses veranstaltet. Und nun der Festzug. Zuerst kam es mir merkwürdig vor, dass sie sich nicht als Prinzessin verkleiden und auch keine der anderen Figuren darstellen wollte, sondern sich für Elastigirl entschieden hatte. Doch dann begriff ich, dass sie ihren wohlgeformten Körper in dem eng anliegenden Superheldenkostüm am besten zur Schau stellen konnte. Außerdem konnte sie als diese Figur drei kleine »Incredibles« hüten, und wahrscheinlich nahm sie an, dass die Mutterrolle ihr einiges Ansehen in der Öffentlichkeit bescheren würde.
Die Anproben mit ihr hatten nicht viel Spaß gemacht. Sie hatte permanent gejammert und sich beklagt.
Und mir gefiel Kells versteckte Andeutung nicht, Michael könnte es gefallen, ihren Ehemann zu spielen.
Ich starrte ihn finster an.
Kell lächelte süffisant. »Dana hat versprochen, Detective Sullivan zu überreden, die Comicfigur darzustellen.«
Mit einem Mal steckte ein Kloß in meinem Hals.
»Warum?«, fragte Bailey gereizt.
»Oh, ihr habt doch sicher gehört, dass sie sich schon an seinem ersten Tag im Job auf ihn gestürzt hat.«
»Nein, das haben wir nicht gehört.« Bailey beugte sich mit angespannter Miene vor. »Was hat sie denn vor?«
»Ihr wollt wissen, was ich glaube? Nun, sie ist scharf auf den einzigen attraktiven Mann in dieser Stadt, der noch nichts über ihre kleinen Betrügereien weiß.« Kell richtete den Blick auf mich. »Seit sie hinter Cooper her war, habe ich noch nie ein so entschlossenes Funkeln in ihren zugegebenermaßen schönen Augen gesehen.«
Jess atmete hörbar ein und legte mir eine Hand auf den Arm.
»Es geht euch ja eigentlich nichts an.« Kell schenkte mir ein wissendes Lächeln. »Doch wenn du mit ihm befreundet bist, Dahlia, solltest du ihn vielleicht warnen.« Er zwinkerte uns zum Abschied zu und verließ den Buchladen so lässig, als hätte er nicht soeben eine Bombe platzen lassen.
Dana Kellerman war hinter Michael her?
Zum Teufel, nein!
Michael würde doch niemals auf sie hereinfallen, oder?
Allerdings waren er und Cooper nicht allzu verschieden, und Cooper hatte sich von ihr um den Finger wickeln lassen, bevor er es bemerkt hatte.
Dana war eine schöne Frau.
Beinahe außerirdisch schön.
Mir wurde übel.
»Dahlia, Michael liebt dich«, sagte Bailey mit leiser, beruhigender Stimme.
Ich hob den Blick und schaute ihr in die Augen. »Und wenn er nun feststellt, dass es ein Fehler war, wegen mir hierherzukommen? An wen wird er sich dann wenden?«
Ihr Seufzen klang traurig, beinahe resigniert. »Wenn du so fest entschlossen bist, keine Beziehung mit Michael einzugehen, warum interessiert dich das dann?«
»Weil er etwas Besseres verdient hat.« Ich sprang auf. »Wenn ich schon der Meinung bin, dass er etwas Besseres als mich verdient hat, dann sollte er sich auf keinen Fall mit einer so selbstsüchtigen, dummen Kuh wie Dana Kellerman zufriedengeben müssen.«
Meine Freundinnen riefen hinter mir her, als ich aus dem Buchladen lief, aber ich wollte allein sein. Ich musste mir einen Plan zurechtlegen. Michael musste begreifen, dass eine Beziehung zwischen uns beiden keine gute Idee war, aber er sollte auch sehen, dass er sich von Dana fernhalten musste. Und dabei keinen Verdacht schöpfen, dass ich eifersüchtig sein könnte.
Es war keine Eifersucht.
Es ging um Freundschaft.
Na ja.
Es war auch Eifersucht.
Doch ich musste einen Weg finden, um es nicht nach Eifersucht aussehen zu lassen.