Kapitel neunundzwanzig

MICHAEL

Michael wusste, dass er sich nicht wegen Freddie Jackson so schlecht fühlte. Es war sein Job, diesen Mistkerl zu finden, und das würde ihm auch gelingen. Das war sein Ziel. Doch seine Entschlossenheit, den Mörder zu stellen, wurde von dem Gefühl überschattet, in vielerlei Hinsicht versagt zu haben. Bei seiner Familie. Bei Dahlia. Seit er nach Hartwell gezogen war, hatte er nur ein paarmal mit seiner Mutter telefoniert, und wenn er dabei seinen Dad erwähnt hatte, war sie jedes Mal verstummt. Er machte sich Sorgen, dass sein Dad, jetzt, wo er nicht mehr in Boston war, zu seinen alten Gewohnheiten zurückkehren und im betrunkenen Zustand seine Verbitterung wieder an Michaels Mom auslassen könnte.

Und dann ging es noch um Dahlia.

Er wollte geduldig sein, das hatte er sich selbst versprochen. Doch fest in seinem Inneren hatte er geglaubt, dass er mit seinem Umzug nach Hartwell – ein großes Zugeständnis von ihm – die tief in ihr verwurzelten Abwehrmechanismen durchbrechen konnte.

Aber es hatte nicht funktioniert.

Michael hatte bei der wichtigsten Sache in seinem Leben versagt.

Er versagte ständig …

Als er Dahlia an der Hand in sein spartanisch eingerichtetes Schlafzimmer führte, fielen die Gedanken an seine jämmerlichen Schwächen plötzlich von ihm ab. Er wollte sich nur noch mit ihr in sein Bett legen, ihre Gegenwart im Dunkeln spüren und einige Stunden lang so tun, als sei alles in Ordnung, damit er ruhig schlafen konnte.

Er hatte nicht erwartet, dass sie vor seinem Bett stehen bleiben, ihn aus diesen gefühlvollen blauen Augen anschauen und flüstern würde: »Ich möchte mich um dich kümmern.«

Was Dahlia damit meinte, würde Michael für den Rest seines Lebens nie mehr vergessen. Selbst wenn es alles war, was er je noch von ihr bekommen sollte, war er sich sicher: Es war mehr, als die meisten Männer jemals von einer Frau bekommen hatten. Zuerst zog sie sich und ihn aus, und dann bat sie ihn, sich auf das Bett zu legen. Sie beugte sich über ihn, ein Wunschtraum aus zarter Haut, großen Brüsten, einer schmalen Taille, wohlgeformten Hüften, umwerfenden Beinen und dunklem Haar, das ihr in Wellen über den Rücken fiel. Ihre vollen Brüste mit den harten aufgerichteten Brustwarzen waren so verführerisch, dass er unwillkürlich danach griff. Dahlia erlaubte ihm diese Berührung jedoch nur ein paar Sekunden lang, dann nahm sie seine Hände in ihre und drückte sie auf die Matratze.

»Lass mich machen«, wisperte sie.

Als sie ihn berührte, verstand er, was sie damit meinte. Ihre Lippen und ihre Hände wanderten sanft über seinen ganzen Körper und erforschten jeden Zentimeter von ihm. Sie ließ sich damit so viel Zeit, dass Michael befürchtete, sein Herz könnte zerspringen. Keuchend rang er im Dunkeln nach Luft; seine Beine bewegten sich unruhig auf dem Laken hin und her, und er hob ihr voller Begehren die Hüften entgegen.

Doch er blieb geduldig, denn ein Teil von ihm wollte nicht, dass sie aufhörte. Noch nie hatte ihn eine Frau so verwöhnt, wie Dahlia McGuire es nun tat. Wirklich verwöhnt.

Sie umschloss ihn mit dem Mund, und Michael fühlte sich wieder wie ein Junge, hilflos seinem Verlangen ausgeliefert. Wie im Himmel, dachte er, als ein elektrisches Kribbeln über die Hinterseite seiner Oberschenkel in seine untere Wirbelsäule fuhr. Er hörte sich selbst mit heiserer Stimme ihren Namen murmeln, dann kamen liebevolle und auch unanständige Wörter über seine Lippen, während er zusah, wie die Frau, die er liebte, an ihm saugte und leckte und ihn in sich aufnahm.

Und dann übermannte es ihn. Hart, explosionsartig und so überwältigend, dass er für einige Sekunden vergaß, wo er sich befand.

Seine Brust hob und senkte sich, als hätte er einen Marathonlauf hinter sich gebracht. Der Laut seines Aufschreis klang ihm in den Ohren, und seine Glieder prickelten noch leicht. Vollkommen befriedigt ließ er sich auf die Matratze zurücksinken.

Dahlia.

Er zwang sich dazu, die Augen zu öffnen, nachdem sie aus dem Badezimmer zurückgekehrt war. Ihre Haut schimmerte im Mondlicht, das durch die Fenster hereinfiel.

Gott, sie war wunderschön.

Nicht nur äußerlich. Sie bestand aus vielen verschiedenen Schichten, deren Schönheit nach außen strahlte.

Warum war sie sich dessen nicht bewusst?

Als sie wieder ins Bett stieg und sich neben ihn legte, wollte er sie berühren und sich erkenntlich zeigen, doch er war müde. Seit Tagen hatte er nur hin und wieder ein oder zwei Stunden geschlafen. Es kostete ihn viel Kraft, den Arm zu heben.

»Schhh«, flüsterte sie und drückte ihn sanft auf die Matratze zurück. »Schlaf, Michael. Ich bin hier.«

Sie ließ ihren Kopf auf seine Brust sinken, legte einen Arm über seinen Bauch und schmiegte ihren weichen Körper an seinen. So von ihr behütet, fielen seine Augen zu, als hätten sie einen eigenen Willen. Dunkelheit umfing ihn, und er glitt in einen seligen Schlaf.