Drei Monate später
Zarte Sonnenstrahlen bahnten sich ihren Weg durch die luftigen Gardinen, die Dahlia am Schlafzimmerfenster aufgehängt hatte. Sie fielen auf das Bett, und Michael stützte sich auf einen Arm und betrachtete Dahlia im Schlaf.
Seit gestern musste sie keine Armschlinge mehr tragen, und zum ersten Mal seit drei Monaten sah er sie entspannt schlafen. Sie hatte immer noch Schmerzen, aber sie hatte Glück gehabt, dass keine Knochen verletzt worden waren. Trotzdem würde es wohl noch ein paar Monate dauern, bis alles vollständig ausgeheilt war.
Ihre langen Wimpern zuckten im Schlaf, und eine Welle der Zufriedenheit überrollte ihn.
Sie war wunderschön, und dazu brauchte sie keine Spur von Make-up. Ihre Schönheit kam von innen. Sogar noch stärker, seit sie Ivy Green gerettet und ihm geholfen hatte, Freddie Jackson festzunehmen.
Nichts hätte Michael auf die lähmende Angst vorbereiten können, die ihn gepackt hatte, als Dahlia auf einer fahrbaren Krankentrage aus dem Haus gerollt worden war. Und als er dann im Rettungswagen neben ihr gesessen hatte, wo sie, kreidebleich und ohne Bewusstsein, gelegen hatte …
Angeschossen.
Da begriff er, wie falsch es gewesen war, als er zu ihr gesagt hatte, er könne ohne sie zwar existieren, aber nicht leben. Michael wusste jetzt: In einer Welt ohne sie könnte er nicht einmal mehr existieren.
Und er scherte sich einen Dreck darum, wenn er deshalb schwach wirkte.
Er streckte eine Hand aus und strich mit den Fingerknöcheln sanft über ihren Arm. Sie waren ein Paar, er und sie. Zwei Hälften eines Ganzen. Keiner von beiden konnte ohne den anderen auskommen. Ihr Zusammenleben war ein Beweis dafür. Michael war während ihrer Genesungszeit zu ihr gezogen, damit er sich um sie kümmern konnte. Er hatte ihr beim Duschen geholfen und sie im Arm gehalten, wenn sie, von Albträumen geplagt, schweißnass aufgewacht war, ein typisches Zeichen für ein Trauma nach einer Schussverletzung. Und er hatte mit ihr über ihre Ängste gesprochen, da sie sich geweigert hatte, noch eine Therapie zu machen.
Die Albträume hatten schließlich aufgehört.
Und Michael war geblieben.
Sie hatte ihm das Versprechen abgenommen, nicht wieder zu gehen.
Das war das einfachste Versprechen, das er jemals jemandem gegeben hatte.
Sie bewegte sich im Schlaf, und ihre Nase kräuselte sich und zuckte. Er schaute stirnrunzelnd auf ihre Schulter, sie lag darauf.
Als er sie vorsichtig auf den Rücken drehte, stöhnte sie auf.
Das Geräusch fuhr ihm durch Mark und Bein, und er verfluchte sich.
Trotz ihrer Verletzung nahm Dahlia jede Gelegenheit wahr, ihn zu berühren. Sie war eben eine heißblütige Frau. Michael grinste und ließ sich leise stöhnend auf den Rücken fallen. Bereits sechs Wochen nach dem Angriff hatte sie ihn dazu überredet, Zärtlichkeiten auszutauschen, und er hatte nachgegeben, weil sie die einzige Frau auf dieser Erde war, der man einfach nicht widerstehen konnte.
Aber kein Sex.
Das hatte ihr nicht gefallen, aber es war nur zu ihrem Besten. Sex hätte ihrer Schulter schaden können.
Er fuhr sich mit der Hand über die Augen. Es war nicht leicht, darauf zu warten, bis sie endlich wieder miteinander schlafen konnten.
Als Lust in ihm aufstieg und er hart wurde, zwang Michael sich rasch, an etwas anderes zu denken. Er musste schon bald seinen Dienst antreten. Und auch Dahlia wollte wieder arbeiten. Der Sommer war da, und in Hartwell hatte die Hauptsaison begonnen, also musste Dahlia ihr Geschäft öffnen. Michael wusste, dass es am besten für sie war, sich wieder an die Arbeit zu machen und so gut wie möglich zur Normalität zurückzukehren, aber er hatte sie gebeten, für eine Weile eine Aushilfe einzustellen.
Eine siebzehnjährige Kunststudentin aus einer reichen Familie mit einem Sommerhaus in den Glades hatte die Chance ergriffen, bei Dahlia zu arbeiten. Dahlia machte es Spaß, dem Mädchen Kunstschmieden beizubringen, also war es ein Gewinn für beide Seiten.
Ganz Hartwell versuchte, wieder zur Ruhe zu kommen. Freddie Jackson konnte keine Kaution zahlen, also saß er bis zu seiner Verhandlung in Untersuchungshaft. Und die Devlins … Es sah so aus, als würden diese Mistkerle ungestraft davonkommen. Freddie hatte zugegeben, vertrauliche Informationen an die Devlins weitergegeben und im Auftrag von Ian Devlin Druck auf bestimmte Personen ausgeübt zu haben. Devlin war verhaftet worden, musste aber aufgrund fehlender Beweise wieder entlassen werden.
Dieser Arsch.
Es gab nichts Wesentliches an Freddies Geschichte, was sich mit der von Devlin verbinden ließ. Er sagte, er sei in Panik geraten, als Michael in die Stadt kam; er habe Angst gehabt, alles zu verlieren, und deshalb Stu um Hilfe gebeten. Stu habe ihm jedoch mitgeteilt, das sei nicht mehr sein Problem. Die Cops würden in Freddies Apartment genügend Koks finden, um ihn einzubuchten, und dann könne Freddie der Devlin-Familie nicht mehr schaden. Als Freddie versuchte, vernünftig mit ihm zu reden, wiederholte Stu immer wieder, er habe keine Ahnung, was Freddie von ihm wolle, und lachte dabei ständig, als wäre das ein Witz.
Freddie verlor die Beherrschung.
Dann kam Stu auf ihn zu, als wollte er ihn angreifen, und Freddie erschoss ihn.
Die Devlins hielten sich im Moment zurück, aber Michael war fest entschlossen, Ian Devlin zur Strecke zu bringen. Irgendeinen Weg würde er finden. Der Aufruhr in den Medien nach Freddies Angriff auf Dahlia hatte sich glücklicherweise inzwischen gelegt. Ivy Greens Verwicklung in den Fall war für die Medien so interessant, dass Hartwell wochenlang ein Thema in den Nachrichten gewesen war.
Michael drehte den Kopf, als er ein leises Stöhnen neben sich hörte, und sah, wie Dahlia ins Licht blinzelte.
Ihre Augen hatten die Farbe von Glockenblumen und waren von schwarzen Wimpern umgeben. Und aus diesen schönen Augen sah sie ihn nun schläfrig an. Bei ihrem Lächeln erschien einen Moment lang das Grübchen auf ihrer Wange, als wollte es mit ihm Verstecken spielen. »Hey, du.«
»Hey.« Er rollte sich auf die Seite. »Wie geht es deiner Schulter?«
Sie setzte sich auf und verzog das Gesicht. »Tut ein bisschen weh.«
»Du hast im Schlaf daraufgelegen. Ich musste dich auf den Rücken drehen.«
Dahlia warf ihm einen aufreizenden Blick zu. »Wie schade, dass ich das verpasst habe.«
Michael stöhnte frustriert. »Hör auf damit.«
Auf ihrem Gesicht erschien ein frecher Ausdruck, als sie sich ihm zuwandte. Oh Gott, beschütze mich vor dieser Verführerin.
Gott erhörte sein Flehen.
Dahlia zwinkerte, und ihre Miene verdüsterte sich. »Gerade ist mir eingefallen, was ich geträumt habe. Das war nicht sehr schön.« Sie warf ihm einen bösen Blick zu.
Michael setzte sich auf und schob sein Kissen gegen das Kopfbrett. »Mir scheint, dass ich mich in diesem Traum nicht sehr nett benommen habe.«
Mit zusammengekniffenen Augen musterte sie seinen nackten Oberkörper, bevor sie den Blick wieder hob. »Du bist mit deiner Ex-Frau die Promenade entlanggegangen. Ich habe immer wieder deinen Namen gerufen, aber dann tauchte dieser kleine Junge auf, der aussah wie du, und du hast seine und ihre Hand genommen und bist mit ihnen weggegangen.«
So was Heftiges hatte Michael nicht erwartet. »Hey.« Er griff nach ihrer Hand und zog sie behutsam zu sich heran. Sie lehnte sich an das Kopfteil und schaute auf ihre verschränkten Hände. Michael legte seine Finger unter ihr Kinn und zwang sie sanft dazu, ihm in die Augen zu schauen.
»Wir haben schon so viel gemeinsam durchgemacht. Du willst mir nach alldem doch nicht sagen, dass du wegen Kiersten unsicher bist.«
Dahlia schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht. Vielleicht ging es bei dem Traum mehr um das Kind.« Sie zögerte einen Moment und atmete dann tief durch. »Möchtest du immer noch Kinder haben? Mit mir?«
Darüber hatte er schon seit einer Ewigkeit nicht mehr nachgedacht. Doch er musste nicht lange überlegen – die Antwort war klar. Und der Gedanke daran erfüllte ihn mit einer Vorfreude, die kaum zu ertragen war. »Das will ich.« Seine Stimme klang erstickt vor Gefühlen.
Sie lächelte langsam und ein wenig zittrig. »Ich habe diesen Traum schon vor langer Zeit aufgegeben, weil ich mir nur mit dir eine Ehe und Kinder vorstellen konnte. Wir müssen das nicht überstürzen … Ich wollte nur wissen, ob das eine Option für uns ist.«
Er küsste sie leidenschaftlich und drückte seine Stirn gegen ihre. »Das ist es mit Sicherheit.«
Sie schwiegen eine Weile, versunken in die Gedanken an eine wunderbare Zukunft.
»Hörst du noch manchmal etwas von ihr? Von Kiersten?«, flüsterte sie schließlich.
»Nein«, antwortete er. »Sie wollte einen kompletten Schlussstrich ziehen.«
»Ist das nicht merkwürdig für dich? Zumindest ein wenig? Du hast immerhin vier Jahre mit ihr verbracht.«
Michael dachte kurz darüber nach. Er war sich bewusst, dass seine Antwort für sie wichtiger war, als er sich gewünscht hätte. »Die Zeit kommt mir vor wie ein seltsamer Traum oder wie ein anderes Leben. Nur du bist für mich die Realität.«
Ich wusste, dass es sich bei diesem Traum von Michaels Ex-Frau eben nur um einen dummen Traum gehandelt hatte. Nach den vielen schlimmen Dingen, die wir erlebt hatten, sollte seine Ex-Frau nicht noch ein weiteres Trauma verursachen. Anscheinend hatte ich mir unterbewusst Sorgen gemacht, ob das Ende der Beziehung für Michael tatsächlich so leicht gewesen war, wie er mir gesagt hatte.
Vielleicht war es herzlos von mir, aber ich war froh, dass er sich so problemlos von Kiersten hatte trennen können. In den drei Monaten, in denen ich nun mit ihm zusammenwohnte, hatte ich erfahren, wie viel Freude das in mein Leben brachte – auch wenn er mich mit seinem Ordnungssinn und seiner gesunden Ernährung manchmal nervte. Diese Erfahrung wollte ich mit niemandem teilen, und es gefiel mir nicht, dass eine andere Frau sie vor mir bereits gemacht hatte.
Ich wollte sie aus seinem Gedächtnis ausradieren. Natürlich war das egoistisch und steinzeitlich, aber das war mir vollkommen gleichgültig.
Seine Versicherung, die er so schön formuliert hatte, und die Aussicht auf gemeinsame Kinder erwärmten mir das Herz. Dass mich das plötzlich auch erregte, hatte ich zwar nicht erwartet, aber es gefiel mir. Ich schwang ein Bein über seine Hüften, setzte mich auf ihn und ignorierte dabei den Stich in meiner Schulter.
»Was machst du da?«, fragte Michael heiser und umfasste meine Taille.
Mit unbewegter Miene zog ich mir das T-Shirt über den Kopf und achtete darauf, mir den Schmerz nicht anmerken zu lassen. Ich trug keinen BH, also konnte es losgehen.
Michaels begehrlicher Blick fiel auf meine Brüste, und er verstärkte den Druck um meine Taille. »Dahlia«, warnte er. »Nur kleine Zärtlichkeiten.«
Ich schüttelte den Kopf – ich war bereit und konnte es kaum mehr erwarten, ihn in mir zu spüren. »An den Bases sieht es gut aus. Sogar phänomenal. Doch ich bin jetzt bereit für einen Homerun.« Ich schob meine Hände zwischen uns und riss an dem Laken um seine Hüften.
Michael griff nach meinen Händen, um mich aufzuhalten. »Deine Schulter.«
»Ist schon viel besser.« Ich beugte mich vor und küsste sanft seinen wunderschönen Mund. Er hatte drei Tage zuvor seinen Bart abrasiert, und ich konnte mich nicht entscheiden, ob ich ihn vermisste oder froh war, sein attraktives Gesicht jetzt noch besser sehen zu können. »Ich werde dich reiten. Behutsam und langsam.«
Er wurde hart unter mir. »Dahlia …«
Meine Küsse wurden leidenschaftlicher, hungriger und so sexy, dass er ihnen nicht widerstehen konnte. Ich löste mich nur kurz von ihm, um meinen Slip abzustreifen.
»Wir sollten noch warten«, murmelte Michael, während er mich mit den Augen verschlang.
Nun, das klang nicht wirklich überzeugt.
Ich schob die Laken beiseite und schob seine Pyjamahose über seine Erektion nach unten.
»Lass mich sie ausziehen«, murmelte er.
»Nein.« Als ich bemerkte, wie hart und heiß er war, stieg meine Erregung immer mehr. »Ich kann nicht mehr warten.« Ohne ein weiteres Wort hob ich meine Hüften an, führte ihn zwischen meine Oberschenkel und ließ mich lustvoll seufzend auf ihn sinken.
Es dauerte nicht lange.
Bei uns beiden nicht.
Wir kamen gemeinsam und hielten uns in den Armen, während meine Muskeln um ihn herum in kleinen Nachbeben pulsierten und Michael dabei jedes Mal die Worte »Ich liebe dich« flüsterte.