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SILAS

Bring den Mann einfach dazu, die Papiere zu unterschreiben. Bring den Mann einfach dazu, die verdammten Papiere zu unterschreiben.

Das sollte eine leichte Aufgabe sein. Ich hatte die Dokumente in der Hand und ich musste davon ausgehen, dass Way als Mayor dieses Ortes einen Notar an der Hand haben würde, der die Unterschriften beglaubigte. Schnell und einfach, und dann wären wir auf dem Weg in die Freiheit.

Aber als ich sah, wie dieser scheiß große Polizist seine Hände und seinen Mund auf meinem … auf Waylon hatte, konnte ich nicht anders, als rot zu sehen.

„Du hast gesagt, du wärst hetero“, schnauzte ich.

Seine Augen wurden groß. Der Mann war noch schöner, als ich ihn in Erinnerung hatte. „Ich bin hetero.“

Ich wedelte mit seinem Hut in Richtung des großen Mistkerls in Uniformhemd und Dienstgürtel und versuchte, mich nicht an die Whiskey-Küsse auf der Tanzfläche zu erinnern. „Küssen die Polizisten hier in der Gegend alle ihren Mayor so?“

Ich biss mir auf die Zunge, um meine Wut zu unterdrücken. Ich war nicht hierhergekommen, um diesem Mann eine Predigt über irgendetwas zu halten. Und wenn ich so weitermachte, würde ich ihn so sehr verärgern, dass er sich deswegen weigerte, die Papiere zu unterschreiben. Ich brauchte ihn fügsam, nicht verärgert. „Tut mir leid“, sagte ich knapp. „Das geht mich nichts an.“

„Nun …“ Seine Mundwinkel hoben sich ein wenig. „Du bist mein Ehemann.“

Überraschenderweise störte mich das Wort „Ehemann“ bei Way nicht so sehr, wie es bei Kenji gewesen war. Irgendwie hatte ich jetzt sogar das Gefühl, als würde sich ein seltsames Gewicht von mir lösen, als ich es hörte. Seine Stichelei erinnerte mich daran, wie wohl ich mich in dieser Nacht in seiner Gesellschaft gefühlt hatte, wie angenehm es gewesen war.

„Stimmt“, sagte ich, trat näher heran und musterte ihn. Er sah müde und ein bisschen abgekämpft aus. Doch seine Augen waren wachsam, als würde er sich auf das schwierige Gespräch vorbereiten, das vor uns lag. „Äh … hi.“

Das war unglaublich unangenehm. Ich wollte ihn auf irgendeine Weise berühren, nach seiner Hand greifen, ihn umarmen oder … verdammt … einen Kuss auf genau dieselbe Stelle seiner Wange drücken, nur um alle Spuren des Kusses des anderen Mannes zu verwischen.

„Hey“, sagte er und grinste zögerlich, was sein Gesicht weicher erscheinen ließ, aber auch dazu führte, dass sich mein Magen zusammenzog. „Du warst ziemlich schnell hier.“

Ich hob eine Augenbraue. „Ich wäre noch viel schneller gewesen, wenn du nicht gestern Morgen einfach verschwunden wärst und mich dadurch gezwungen hättest, dich zu suchen.“

„Ich … Ich musste zurück. Mayor-Aufgaben.“ Way verzog das Gesicht. „Und … ja, es kann sein, dass ich ein bisschen ausgeflippt bin. Was soll man zu dem Mann sagen, den man aus Versehen geheiratet hat?“

Mein Unmut schwand noch mehr, als ich seine aufrichtigen Worte hörte. „Wurde zu etwas mehr als einer zufälligen Begegnung, hmm?“

Way lachte und rieb sich den Nacken. „Das kann man wohl sagen.“

„Ja“, antwortete ich unbeholfen. Ich warf einen Blick auf die Unterlagen in meiner Hand und räusperte mich. „Ich, äh, ich dachte, wir könnten das hier erledigen, bevor ich zurück Richtung Ostküste fliege.“

Way blickte ebenfalls zu Boden und sein Lächeln verschwand schnell. „Oh. Ist das …? Ja. Nun, äh …“ Er wirkte zögerlich, was sofort die Alarmglocken läuten ließ.

„Du willst diese Ehe schon auflösen“, drängte ich. „Richtig?“

„Ja, ja! Natürlich will ich das. Es ist nur …“ Er sah sich um, als würde er sich daran erinnern, dass wir immer noch dort standen, wo andere uns hören konnten. „Komm mit in mein Büro.“

Ich folgte ihm vorbei an einem leeren Schreibtisch in ein privates Büro. Auf dem Schild an der Tür stand „Mayor Waylon H. Fletcher“, und ich musste mir ein hämisches Lachen verkneifen, dass jemand so junges und etwas naives der Mayor von irgendetwas war. Das zeigte, wie winzig diese Stadt war. Soweit ich das gesehen hatte, gab es insgesamt sechs Ampeln, und mir waren einige Blicke gefolgt, als wäre es so offensichtlich, dass ich neu in der Stadt war.

Als Way hinter seinem Schreibtisch Platz nahm, legte ich die Papiere vor ihn. „Schon ausgedruckt. Meine Unterschrift wurde notariell beglaubigt.“

Sein Blick sprang zu meinem. „Aber nicht hier beglaubigt, oder? Sag mir bitte, dass es nicht Nicki vom Postamt war, die –“

„Nein. Mein Assistent ist hergeflogen und hat mich in Vegas getroffen. Er ist Notar.“ Ich presste die Lippen zusammen und unterdrückte ein Stöhnen. Könnte ich noch reicher klingen? Himmel, Silas. „Ich meine … er war sowieso auf dem Weg nach Vegas. Wegen einer Sache.“

Way musterte die oberste Seite nur eine Sekunde lang, bevor er zu mir aufblickte. „Park County, Wyoming. Du willst hier die Scheidung einreichen? Nein. Auf keinen Fall. Wir lassen uns nicht in Wyoming scheiden, Silas. Es muss in Delaware sein.“

Ich runzelte die Stirn. „Warum? In Delaware gibt es eine Wartezeit von sechs Monaten, nachdem wir die Scheidung eingereicht haben. In Wyoming gibt es keine Wartezeit. Ich will das erledigt haben.“ Offensichtlich erwähnte ich die Offenlegung der Vermögensverhältnisse nicht, die in fast jedem Staat vorgeschrieben wäre. Kenjis ganzer Schlachtplan beruhte darauf, dass irgendein Richter in irgendeinem Kaff die Tatsache übersehen würde, dass meine Erklärung kaum Details enthielt.

Way schüttelte den Kopf. „Ich will das auch, aber ich kann das nicht hier machen.“ Er deutete auf seine Bürotür und senkte die Stimme. „Richter Whiteplume mag das für sich behalten, aber seine Sekretärin ganz sicher nicht. Und sobald sie es weiß, weiß es jeder in der Stadt.“

Ich hatte eine homophobe Reaktion erwartet, und hier war sie. „Und alle in der Stadt werden dich verurteilen, weil du einen Mann geheiratet hast?“

Er reckte das Kinn vor. „Nein, Arschloch. Sie werden mich verurteilen, weil ich einen Fremden geheiratet habe. Einen Typen, den ich in einer Bar aufgegabelt habe, als ich betrunken war!“

Ich fühlte mich wie ein Arsch, weil ich das Schlimmste angenommen hatte, aber mich erfüllte ein seltsames Gefühl der Erleichterung, dass er die Tatsache, dass wir beide Männer waren, so behandelte, als wäre es keine große Sache. „Menschen machen Fehler, Way. Es war ein Fehler.“

„Erstens: Ich mache keine Fehler. Diese Stadt verlässt sich darauf, dass ich keine Skandale und Dramen verursache, okay? Davon hatten wir mit unserem letzten Mayor wirklich genug. Außerdem versuche ich, ein großes Outdoor-Abenteuerrennen hier in die Stadt zu holen, und ich kann nicht zulassen, dass die Verantwortlichen von AdventureSmash herausfinden, dass ich in eine … betrunkene Vegas-Ehe verwickelt bin. Also müssen wir es in Delaware machen und die sechs Monate warten.“ Er starrte mich böse an, der süße, naive Cowboy, der auf einmal der gestresste Mayor der Stadt geworden war. „Und niemand hier wird es herausfinden.“

Ich dachte einen langen Moment lang darüber nach. Waylon war jemand, dem ich vertrauen wollte. Er schien ein aufrichtiger, ehrlicher Kerl zu sein. Aber den Weg war ich schon einmal gegangen und hatte mir heftig die Finger verbrannt. Die Menschen waren nicht immer das, was sie zu sein schienen, und selbst wenn sie es waren, waren sie manchmal verzweifelt genug, um sogar ihre eigenen Grenzen zu überschreiten.

Andererseits würde mir die Wartezeit etwas Spielraum geben, um herauszufinden, wie ich die Situation besser handhaben könnte … und um möglicherweise einen Vergleich anzubieten, falls es zu Streitigkeiten kommen sollte. Und ich hasste es, ihn gestresst zu sehen, fast so sehr, wie ich es gehasst hatte, ihn traurig zu sehen.

Ich nickte langsam. „In Ordnung. Ich lasse meine Leute die Unterlagen für Delaware erstellen. Du kannst sie notariell beglaubigen lassen – nicht in der Stadt, nehme ich an – und dann reichen wir sie ein. Okay?“

Way atmete aus und seine Schultern sanken. „Ja, gut. Gut. Danke. Für dein Verständnis.“

„Lass uns Kontaktinformationen austauschen und in Verbindung bleiben.“

Wir tauschten die Handys. Seines sah aus, als wäre es schon ein paar Jahre alt und hätte die Hälfte seines Lebens irgendwo in ein Sofapolster eingeklemmt verbracht, oder als wäre es schon ein paar Mal in einer Schlammpfütze gelandet. Ich gab schnell meine Kontaktdaten ein und reichte es ihm zurück, bevor meine Finger neugierig wurden und das Kontaktfenster wegklickten.

Waylon war nicht so zurückhaltend. Er schloss mein Kontaktfenster und pfiff, als er meinen Startbildschirm sah. „Das sind … eine Menge Apps.“ Seine Augen trafen meine. „Sag mir die Wahrheit, Silas. Habe ich einen heimlichen Handy-Süchtling geheiratet?“

Ich schnappte mir mein Handy und verstaute es sicher in meiner Tasche. „Da ist nichts Heimliches dran. Ich habe dir schon in der Bar gesagt, dass ich ständig am Handy bin. Ich reise beruflich viel und organisiere mein Leben über mein Handy. Ich habe null ungelesene E-Mails in meinem Posteingang“, sagte ich stolz.

Er schüttelte den Kopf. „Diese Ehe war von Anfang an zum Scheitern verurteilt.“

Es hatte etwas Ironisches, dass er einen Moment später die Scheidungsunterlagen von seinem Schreibtisch nahm, zu einem Plastik-Papierschredder ging und sie hineinschob. Ein lautes, mahlendes Geräusch begleitete den Untergang meines Plans A, als das Gerät die notariell beglaubigten Dokumente fraß.

Way musste meinen Gesichtsausdruck gesehen haben, denn er warf mir einen neckenden Blick zu. „Komm, ich lade dich zum Mittagessen ein, bevor du abreist. Betrachte es als meinen ersten und letzten ehelichen Akt. Du kannst deine Sorgen im Chicken-Ranch-Wrap meines Schwagers ertränken.“

Ich stimmte zu, seltsam erleichtert, dass ich mich nicht sofort verabschieden musste. Die Vorstellung, heute Nachmittag zurück nach New York zu fliegen und ihn ein paar Monate lang nicht zu sehen, bereitete mir … Unbehagen.

Mein Freund Bash würde behaupten, das läge daran, dass ich immer alles unter Kontrolle haben musste und es bevorzugte, alles zu managen. Landry würde eine schnippische Bemerkung darüber machen, dass ich den Hetero-Jungen verführen wollte. Camille würde behaupten, ich bräuchte einen Urlaub mit frischer Luft und Zeit in der freien Natur.

Als ich ihm aus dem alten Gebäude folgte, hielt ich mir einen strengen Vortrag darüber, welche Vorteile es hätte, Majestic so bald wie möglich zu verlassen. Waylon schien genauso gewillt zu sein wie ich, diese Ehe schnell und schmerzlos zu beenden, also musste ich sicherstellen, dass alles genau so blieb, wie es im Moment war.

Als wir in die späte Frühlingssonne traten, schloss ich die Augen und wandte mein Gesicht der Wärme zu. Der glatte Filz des Cowboyhuts glitt durch meine Finger, als Way ihn aus meinem Griff zog. Ich öffnete meine Augen und sah, wie er ihn auf seinen Kopf setzte.

„Damit sollte dich keiner sehen“, murmelte er leise.

„Ich hatte gehofft, ihn als Andenken behalten zu können“, sagte ich, nur halb im Scherz.

Way zwinkerte mir zu, was mir irgendwie die Luft aus den Lungen raubte und mich atemlos und benommen zurückließ.

„Du trägst dein Erinnerungsstück“, sagte er und deutete auf meine Hand.

Ich schaute auf den goldenen Ring hinunter und spürte eine Welle der Verlegenheit in mir aufsteigen. „Der geht nicht mehr ab. Wenn ich nach Hause komme, muss ich zu einem Juwelier und ihn aufschneiden lassen oder so.

„Geschieht dir recht, nachdem du einen unschuldigen Mann überredet hast –“

„Unschuldig?“, unterbrach ich ihn. „Überredet? Machst du Witze? Soweit ich mich erinnere –“

Way hob kapitulierend die Hände und seine Augen funkelten vor Belustigung. „Woah, woah. Wie ich sehe, sind wir ein bisschen empfindlich in dieser Sache. Mein Fehler.“

Er war noch umwerfender, wenn er lächelte. Ich konnte nicht anders, als ihn anzustarren. „Du warst auch da“, sagte ich bockig.

Er blieb vor einem alten Dodge-Truck stehen, von dem ich annahm, dass er ihm gehörte, und musterte mich. Das Lächeln war immer noch in seinen Augen zu sehen. „Das war ich. Aber ich weiß immer noch nicht genau, wie – Mr. Jenks! Schön, Sie zu sehen, Sir.“

Ways Gesicht wandelte sich von neckend zu einem freundlichen „Ah, Hallo“, als er einen älteren Mann begrüßte, der aus einem Truck stieg, der noch runtergekommener aussah als der Dodge.

„Mayor“, sagte der Mann und hielt ihm die Hand zum Schütteln hin. „Genau der Mann, zu dem ich wollte.“

Nach dem Händedruck verschränkte Way die Arme vor der Brust und lehnte eine Hüfte gegen die Motorhaube seines Trucks. „Womit kann ich Ihnen helfen?“

„Georgie Pollner bei Fenton sucht für eine Gruppe, die nächsten Monat zu Besuch kommt, ein paar Trailpferde. Ich habe ihr gesagt, sie soll Sie anrufen.“

Ways Schultern verspannten sich fast unmerklich. „In Ordnung. Vielen Dank für die Empfehlung. Ich kann wahrscheinlich etwas für sie finden, je nachdem, wie viele Tiere sie braucht.“

Der Mann lächelte und nickte. „Ich habe ihr gesagt, dass Sie ihr sicher helfen können. Sagte, Sie wären der richtige Ansprechpartner dafür.“ Er blickte neugierig zu mir und dann wieder zu Way. „Nun, ich denke, ich lasse Sie mit Ihrem Tag weitermachen. Sagen Sie Sheridan, dass bei mir neue Küken schlüpfen, falls sie welche will.“

Way senkte das Kinn. „Ich weiß das zu schätzen. Grüßen Sie Mrs. Jenks von mir.“

Als der Mann gegangen war, wandte sich Way an mich. „Der Weg zum Café ist ein bisschen weit. Willst du stattdessen meinen Truck nehmen?“

Ich warf einen Blick auf das Fahrzeug hinter ihm und fragte mich insgeheim, ob dieser Parkplatz vielleicht seine letzte Ruhestätte werden würde. „Ich hätte nichts gegen einen Spaziergang, wenn du willst. Ich bin mit dem Mietwagen den ganzen Weg von Billings hergefahren und muss nach dem Essen wieder zurück. Es schadet nicht, mir die Beine zu vertreten.“

Way deutete die Hauptstraße hinunter, die, wie mir nach einem Moment einfiel, Poke Street hieß. Wir waren kaum bis zur ersten Reihe von Geschäften gekommen, als er erneut angehalten wurde, diesmal von einem attraktiven Mann Ende dreißig oder Anfang vierzig. „Way, da bist du ja. Ich habe versucht, Bernice anzurufen, aber es ging nur die Mailbox ran.“

„Hey, Jackson. Ich bin gerade auf dem Weg zum Mittagessen im Café.“ Das schien Ways Versuch zu sein, den Mann abzuwimmeln, aber seine Worte waren eindeutig zu nett, um zu funktionieren.

„Ich begleite dich. Ich wollte dich fragen, ob ich während des AdventureSmash-Rennens einen kleinen Laden einrichten kann. Näher an den Rennfahrern und Zuschauern, wo es etwas Grundausstattung und lokale Produkte zu kaufen gibt. Wäre das erlaubt?“

Way schürzte nachdenklich die Lippen. „Das kommt auf den Standort an, denke ich. Das Veranstaltungsteam kommt nächste Woche vorbei, um ein paar dieser Details zu klären. Vielleicht kann ich dich mit zu dem Treffen nehmen, da du ein Sponsor bist.“

Das Gesicht des Mannes hellte sich auf. „Das wäre perfekt. Ich werde es Lake sagen. Danke, Mann.“ Er klopfte Way auf die Schulter, bevor er sich von uns trennte. „Guten Appetit und nochmals vielen Dank.“

Wir gingen ein Stück weiter die Straße hinunter. „Du bist ein beliebter Typ“, sagte ich, nachdem noch ein paar Leute gegrüßt oder Way zugewunken oder gelächelt hatten.

„Mayor. Das gehört dazu.“

„Wohnst du schon lange hier?“

Er lachte kurz auf. „Mein ganzes Leben. Mein Dad stammt von hier. Sein Vater vor ihm auch, und sein Vater vor ihm. Die Fletchers sind in Majestic seit …“ Er zuckte mit den Schultern. „Seit immer, vermute ich.“

„War dein Dad vor dir Mayor?“

Er schüttelte den Kopf und es war keine Spur mehr von seinem freundlichen Grinsen zu sehen. „Nah. Er war einfach nur ein Pferderancher.“

Ich bemerkte, dass er die Vergangenheitsform benutzte. „Ist er im Ruhestand oder …?“

„Er ist gestorben.“ Er räusperte sich und winkte einer anderen Person auf der anderen Straßenseite zu. „Das ist jetzt acht Jahre her.“

„Das tut mir leid. Wer leitet die Ranch jetzt?“

Er lachte wieder, aber dieses Mal ohne jeden Humor. „Ich.“

Ich starrte ihn von der Seite an. „Aber du bist doch der Mayor. Das ist doch sicher … Ich meine, ich dachte immer, es wäre ein Vollzeitjob, Rancher zu sein.“

Er nickte. „Mehr als Vollzeit. Morgens um fünf Uhr dreißig wird gefüttert. Normalerweise erledige ich das, was zu tun ist, so bis um acht, dann komme ich ins Büro und mache meinen Job in der Stadt bis etwa vier. Dann fahre ich zurück zur Ranch, um wieder zu füttern und, wenn es nötig ist, Tiere umzutreiben.“ Er zuckte mit den Schultern. „Es hört eigentlich nie auf.“

„Wie viele Leute arbeiten für dich?“

Er warf mir einen Blick zu. „Äh, keine? Ich meine, ich habe drei Geschwister. Meine beiden Schwestern helfen natürlich mit. Unser Bruder ist beim Militär, also ist er nicht da. Sheridan führt das Café, in das wir gehen – ihr Mann ist der Koch – und meine kleine Schwester, ZuZu, übernimmt einen Teil des Pferdetrainings, aber sie hat auch eine Töpferwerkstatt hier in der Stadt.“

„Jesus“, murmelte ich. „Wie groß ist die Ranch?“

Er öffnete den Mund, um zu antworten, hielt dann aber inne. Bevor ich die Frage wiederholen konnte, trat eine ältere Frau aus einem Laden vor uns und sprach ihn an.

„Na, hallo, Mayor Fletcher!“ Die Frau strahlte. „Ich hatte gehofft, Ihnen irgendwann über den Weg zu laufen. Wissen Sie, meine Nichte Marlee – Sie erinnern sich an Marlee? Sie ist Jimmys Älteste und unheimlich klug. Machte während der Highschool etwas Showspingen, kennt sich also mit Pferden aus, das können Sie mir glauben – nun, sie kommt aus Phoenix zu Besuch, am Wochenende vom vierten Juli. Ich meine, ich weiß, dass Sie das Rennen haben und so, aber ich dachte, ich würde Sie für einen kurzen Besuch einladen, vielleicht zum Sonntagsbrunch? Was sagen Sie dazu?“

„Oh, äh … äh …“ Way schluckte und schob den Hut auf seinem Kopf zurecht. Er sah irgendwie süß aus, wenn er so in die Enge getrieben wurde. „Ich glaube nicht, dass es eine gute Idee ist, wenn ich an diesem Wochenende irgendeine Verpflichtung eingehe, weil ich mit dem Rennen und allem anderen beschäftigt sein werde. Aber danke für die –“

Sie drückte seinen Arm, weiterhin breit grinsend. „Ich verstehe das als ein ‚wahrscheinlich‘. Wir sehen uns dann!“ Sie eilte in Richtung eines SUV davon, der schräg auf dem Bürgersteig stand, ein paar Schritte von uns entfernt.

Way richtete seufzend seinen Hut, bevor er weiterging.

Ich ließ ihn noch ein paar Schritte weitergehen, bevor ich anfing, ihn damit aufzuziehen. „Ich kann die Unverfrorenheit dieser Frau nicht fassen. Droht direkt vor meiner Nase damit, dich zu verkuppeln.“

Er sah mich überrascht an. „Was?“

Ich hob die Hände in einem übertriebenen Schulterzucken. „Was bin ich, gehackter Brei? Ich bin dein rechtmäßiger Ehepartner, verdammt noch mal, und sie hat einfach –“

Er schlug mir eine Hand auf den Mund und zerrte mich in eine Seitenstraße, bevor er mich hinter den Läden in eine enge Gasse stieß. „Sei still! Diese Stadt hat Ohren, falls du das nicht wusstest.“

Ich stieß ein Lachen aus. „Entspann dich. Keiner hat mich gehört.“

Seine Nasenflügel blähten sich. „Ich kann mich nicht entspannen. Fuck, ich kann mich nie entspannen, nicht, wenn jeder und seine verdammten …“ Er atmete scharf aus und griff wieder nach seinem Hut, hob ihn hoch und setzte ihn sich mit einer nervösen Geste wieder auf. „Vergiss es.“

Ich streckte die Hand aus und griff nach seinen Händen, um sie von seinem Hut fernzuhalten. „Hey. Hey. Es tut mir leid. Ich wollte nicht, dass du dich aufregst. Ich wollte nur –“

„Niemand darf das mit dir und mir herausfinden“, knurrte er. „Ich meine es ernst, Silas.“

„Ich habe es verstanden. Du hast das schon gesagt. Sei kein Arsch.“

„Ich bin nicht … es ist nicht … es hat nichts damit zu tun, dass du ein Mann bist.“

Ich wollte einen Streit mit ihm anfangen. In mir stiegen plötzlich Gefühle auf, und ich fragte mich, ob mich ein Streit mit ihm vielleicht davon abhalten würde, ihn zu packen und zu küssen, nur um ihn für eine verdammte Minute von seinem Stress abzulenken.

„Es fühlt sich ein bisschen so an, als würde es genau daran liegen“, sagte ich, auch wenn ich es als Scherz meinte. Oder vielleicht auch nicht. Ich war mir nicht ganz sicher, aber es störte mich so oder so. „Du bist nicht schwul, oder? Es macht Sinn, dass du nicht willst, dass irgendjemand auf falsche Gedanken kommt.“

„Das ist nicht der Grund, warum ich nicht will, dass es jemand weiß“, stieß er hervor.

Ich ließ seine Schultern los und trat einen Schritt zurück. „Gut.“

Er kam näher und sah mich böse an. „Ich bin nicht homophob. Es wäre mir egal, wenn jemand denken würde, ich sei schwul. Ich habe dir gesagt, dass mein bester Freund schwul ist.“

War dieser beste Freund vielleicht der sexy Sheriff? Der, dem ich vorhin den Arm abreißen wollte? „Du kannst einen schwulen besten Freund haben und trotzdem homophob sein“, sagte ich. „Du kannst selbst schwul sein und trotzdem homophob.“

Er trat näher und sein Blick flackerte hinunter zu meinen Lippen. „Gut. Aber ich bin es nicht.“

Ich leckte mir über die Lippen, ohne nachzudenken. Seine Augen flammten auf, als er von der Bewegung zu meinen Augen blickte. Die Zeit stockte und wurde langsamer. Ich wollte ihn herausfordern, murmeln, dass er es beweisen sollte, aber ich hielt den Mund. Ich wollte die Dinge zwischen uns nicht noch komplizierter machen. Ich würde nicht der Grund sein, warum ihn alle hier, die ihm wichtig waren, so sahen.

„Okay“, flüsterte ich.

„Ich habe dich in dieser Nacht geküsst“, zischte er und sah erneut auf meine Lippen, bevor sich sein finsterer Blick vertiefte.

„Ich erinnere mich.“ Meine Stimme war ein leises Grollen. Mein Herz raste zu schnell in meiner Brust. Es war fast unmöglich, mich davon abzuhalten, seine Lippen zu kosten. Ich wollte ihn mehr denn je. Vielleicht lag es daran, dass ich ihn nicht haben konnte – nicht hier in dieser Stadt. Oder vielleicht lag es daran, dass sich meine Zunge genau diesen Moment aussuchte, um sich daran zu erinnern, wie süß er geschmeckt hatte.

Ich hielt den Atem an und schloss die Augen. Wenn ich die dicken, gewellten blonden Haare nicht sehen könnte, die unter der Hutkrempe hervorqollen, oder die kleinen Stellen mit den verblassten Sommersprossen unter jedem Auge, oder die mikroskopisch kleine Narbe, die seine Unterlippe teilte … Wenn ich sie nicht sehen könnte, würde ich vielleicht aufhören, ihn zu wollen.

„Du warst betrunken“, bot ich ihm leise einen Ausweg an.

„Es war nicht … es war nicht der Alkohol“, sagte er, obwohl er sich nicht so ganz überzeugt anhörte.

Ich öffnete die Augen. „Nicht?“

Er trat noch einen Schritt näher, bis unsere Körper aneinandergepresst waren, Bauch und Brust. Ich wagte es nicht, mich zu bewegen, wagte es nicht, seine Hüften näher an mich heranzuziehen, um mehr von ihm zu spüren. Stattdessen blieb ich wie erstarrt stehen und bewegte nur meine Augen nach links und rechts, um zu sehen, ob irgendjemand in der Nähe war, der das hier mitbekommen könnte.

Wir waren allein in der Gasse.

„Nein“, flüsterte er, die Augen jetzt fest auf meinen Mund gerichtet.

Beweise es, dachte ich wieder verzweifelt. Bitte, Gott.

Seine Hände kamen hoch und umfassten mein Gesicht, bevor er sich zu mir beugte und mich hart küsste. Es war kein zögerlicher, probierender Kuss, der die Frage aufwarf, ob der Samstagabend nur ein betrunkener Fehler in Las Vegas gewesen war. Nein, es war ein selbstbewusster, überwältigender Kuss. Einer, der dazu diente, etwas klarzustellen.

Zu zerstören.

Ich gab ein überraschtes Geräusch tief in meiner Kehle von mir, bevor ich seine Hüften packte und ihn näher zu mir zog. In den letzten achtundvierzig Stunden hatte ich ständig an ihn gedacht, und in den dunkelsten Stunden der vergangenen Nacht hatte ich ihn mir genau so vorgestellt.

Ways Zunge traf auf meine, und weitere Erinnerungen an unseren gemeinsamen Abend tauchten auf. Sein Selbstvertrauen. Seine Anziehungskraft. Seine Stärke. Die sanfte, zärtliche Berührung seiner Lippen und die geradezu dominante Art, mit der er einen muskulösen Schenkel zwischen meine Beine geschoben hatte.

Oh Fuck. Das war … das war …

Ich packte seine Klamotten, um ihn daran zu hindern, sich zurückzuziehen, aber er versuchte es nicht einmal. Seine kräftigen Finger waren in meinen Haaren vergraben, die Krempe seines Hutes drückte seitlich gegen meinen Kopf. Ich riss ihn ihm vom Kopf und hielt ihn an seinem Rücken fest, so wie ich es auf der Tanzfläche getan hatte.

Irgendetwas an dieser Bewegung überraschte ihn, und er zog sich keuchend zurück. Seine Augen waren groß vor Schock, aber auch ein bisschen glasig vor Lust.

„Fuck“, sagte er und sah sich hektisch um, bevor er seinen Blick wieder auf mich richtete. „Fuck.“