Ich stimmte zu, Way in meinem Mietwagen zu seinem Haus zu folgen. Wie ich vermutet hatte, war sein Auto der verbeulte Dodge Ram, der vor dem Rathaus stand. Wenn das alte Ding auf dem Weg zur Ranch den Geist aufgab, hatten wir wenigstens noch meinen Mietwagen, um den Rest des Weges zurückzulegen.
In einem fremden Farmhaus zu übernachten, war nicht gerade meine Vorstellung von Komfort. Obwohl ich versuchte, kein Snob zu sein, musste ich zugeben, dass mir mein Vermögen ein angenehmes Leben ermöglichte. Ich hatte eine geräumige Penthouse-Wohnung in der Stadt, die ich mit allem erdenklichen Komfort hatte ausstatten lassen, und wenn ich auf Reisen war, übernachtete ich meist in erstklassigen Hotels.
Als wir den Highway, der aus der Stadt herausführte, verließen, zeigte ein alter hölzerner Torbogen an, dass wir die Fletcher Ranch erreichten. Optisch gesehen war diese Gegend atemberaubend. Weitläufiges, hügeliges Weideland erstreckte sich endlos in alle Richtungen, hier und da unterbrochen von großen Bäumen und Pferden aller Größen und Farben. Abgesehen von einem Versuch, von meinem Freund Dev das Polospielen zu lernen, hatte ich nur wenig Erfahrung mit Pferden.
Der tiefblaue Himmel schien endlos, was mir schon auf der Fahrt von Billings hierher aufgefallen war. Was dieser Teil des Landes an Komfort vermissen ließ, machte er durch seine Schönheit mehr als wett. In der Ferne waren Berge mit weißen Gipfeln zu sehen, und ich vermutete, dass selbst die frühe Maiwärme nicht ausreichen würde, um sie in absehbarer Zeit zum Schmelzen zu bringen.
Mein Mietwagen holperte über die unebene Schotterpiste, als wir weitere umzäunte Weiden passierten. Ich war überrascht von der Größe der Ranch und der Anzahl der Pferde, vor allem, wenn man bedachte, dass Way die Ranch managte und gleichzeitig seine Aufgaben als Mayor wahrnahm. Er hatte zwar von seiner endlosen Arbeit gesprochen und davon, dass er im Grunde genommen zwei Vollzeitjobs hatte, aber der Anblick dieser Ranch machte mir das noch einmal deutlicher.
Kenjis erste Recherchen hatten ergeben, dass Ways Jahresgehalt als Mayor bei insgesamt zwanzigtausend Dollar lag, was nicht ausreichte, um komfortabel zu leben, selbst wenn die Ranch schuldenfrei gewesen wäre … was sie nicht war. Vielmehr war das Land erst vor ein paar Jahren bis zum Äußersten mit einer Hypothek belastet worden. Wie es schien, arbeiteten er und seine Geschwister hart daran, den Kredit abzubezahlen, aber bei dem Tempo, das sie vorlegten, würde das noch eine Weile dauern.
Kenjis Bericht zufolge war das Ranchgeschäft in den letzten Jahren profitabler geworden, und langsam wurde mir klar, dass das höchstwahrscheinlich auf Ways feste Entschlossenheit zurückzuführen war, es allen recht zu machen und sich den Arsch abzuarbeiten. Diese Anstrengung forderte ganz offensichtlich einen hohen Tribut von ihm.
In der Ferne entdeckte ich ein großes, weitläufiges Farmhaus, das gut instand gehalten wirkte. Statt der weißen Holzschindeln, mit denen ich ihn geneckt hatte, war es aus braunem Holz gebaut. Ansonsten besaß es die gleiche tiefe Veranda und die Dachfenster, die ich von einem alten Farmhaus erwartet hätte. Mehrere kleinere Gebäude befanden sich in der Nähe, und ich wollte wissen, wozu jedes einzelne diente.
Doch wir fuhren gerade an der Auffahrt zum Haus vorbei, was mich überraschte.
Die Schotterstraße schlängelte sich tiefer durch das Grundstück, vorbei an einem großen Stall und einem Metallschuppen, an mehreren Pferdekoppeln und kleineren Paddocks, bis sie schließlich einen kleinen Hügel umrundete und durch einen dichten Espenwald führte.
Dort, auf einer Lichtung in den Bäumen, stand eine kleine Hütte, perfekt weit in die Biegung eines großen, schnell fließenden Flusses eingebettet. Dahinter bot sich ein atemberaubender Blick auf die Berge. Es war klar, wie die Stadt zu ihrem Namen gekommen war, da man diesen Ausblick von praktisch überall in Majestic hatte.
Die Hütte selbst war aus grauem Holz gebaut, mit einem hellblauen Metalldach und einem steinernen Schornstein an einer Seite. Sie sah aus wie aus einem Märchen. Das Häuschen an sich war winzig, aber es besaß einen gebogenen überdachten Eingang, der groß genug war, um eine rustikale Holzbank und einen Blumentopf mit üppigen lila und rosa Blumen aufzustellen. Die Säulen, die das Dach des Eingangsbereichs stützten, schienen rund geschnitzt zu sein wie alte Bettpfosten und waren in einem dunklen Graublau gestrichen, das zum Rest des Hauses passte.
Die Eingangstür war verglast, und es gab mehrere Fenster an der Vorderseite und an der Seite des Hauses, die ich sehen konnte. Das Gelände rund um die Hütte war ordentlich und aufgeräumt, nur ein hölzerner Lagerschuppen war zu sehen, bevor der Espenwald begann.
Als Way parkte und aus seinem Truck stieg, wirkte er nervös. Er setzte sich den Hut auf den Kopf, nahm ihn dann aber ab, um ihn wieder aufzusetzen.
„Das ist unglaublich“, sagte ich, gespannt darauf, das Innere zu sehen. „Wohnst du hier?“ Ich konnte mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass es groß genug für uns beide war, zumindest nicht, um einigermaßen komfortabel dort zu wohnen, also war ich mir nicht sicher, ob das nicht vielleicht ein Gästehaus war, in dem er mich unterbrachte.
Er nickte und biss sich auf die Unterlippe, bevor er wieder zur Hütte blinzelte, als würde er versuchen, sie mit meinen Augen zu sehen.
„Sie ist wirklich etwas Besonderes“, fügte ich hinzu. „Die Aussicht ist unglaublich. Ich kann verstehen, warum du dir diesen Ort ausgesucht hast. Und die Ranch selbst ist wunderschön. Ich würde gerne mal eine Tour machen, aber ich weiß, dass du viel zu tun hast.“
„Das meiste hast du wahrscheinlich schon auf dem Weg hierher gesehen. Das Haus der Ranch … dort bin ich aufgewachsen und dort leben Sheridan, Bo und ZuZu. Und dann die Gebäude und die Ställe – von der Straße aus sieht es wahrscheinlich wie eine alte Scheune aus, aber in Wirklichkeit ist es ein großer Stall. Auf der gegenüberliegenden Seite gibt es noch einen Bereich mit Geräteschuppen, aber das war’s dann auch schon.“
Way scharrte mit einem seiner Stiefel über den Kies, wodurch ein paar Kieselsteine herumrollten. Sein Blick wanderte zur Hütte und wieder zu seinen Stiefeln. Plötzlich erinnerte ich mich an etwas, das er in der Nacht, als wir uns kennenlernten, gesagt hatte.
„Eden war noch nie hier?“, fragte ich.
Er schüttelte den Kopf und nahm dann seinen Hut ab. „Niemand kommt hierher. Das heißt … ich meine, meine Geschwister. Aber sie kommen nicht rein. Es ist nicht sehr groß.“
Ich hatte das Gefühl, dass die Größe nicht der Grund war, warum niemand hereinkam. „Du hast gesagt, es sei dein Zufluchtsort. Du willst keine Leute in deinem persönlichen Bereich haben.“
Er schürzte die Lippen. „Das ist es nicht. Nicht ganz.“
„Also … Ich kann mir ein Motel suchen. Oder, verdammt, warum schlafe ich nicht im großen Haus bei deinen Schwestern?“
Er schüttelte den Kopf und rieb über die Krempe seines Hutes, bevor er ihn wieder aufsetzte. „Sie würden es wissen, und sie dürfen es nicht wissen.“
„Warum nicht? Sie sind deine Familie.“
Er rieb sich mit der Hand über den Mund. „Weißt du, es ist so. Sheridan meint es gut, das tut sie. Und sie liebt mich über alles. Aber sie ist sehr eng mit meiner Tante Blake befreundet. Und es gibt kein Geheimnis, das Tante Blake nicht mit ein paar ihrer engsten Freunde im Vertrauen teilt.“ Er setzte den Satz in Anführungszeichen. „Sheridan meint es also gut, aber ihr würde etwas herausrutschen, und dann wüsste es ganz Majestic, bevor wir überhaupt zurück in die Stadt fahren könnten.“
„Wird deine Schwester wirklich glauben, dass du bisexuell bist?“
Er warf die Arme in die Luft. „Silas, ich bin bisexuell.“ Seine Wangen wurden rot. „Anscheinend. Wie soll sie es also nicht glauben? Ob sie es glaubt oder nicht, so ist es nun mal.“
„Du scheinst sehr gut damit zurechtzukommen“, sagte ich mit mehr als nur ein wenig Skepsis.
„Ich kann mir nicht vorstellen, wie du darauf kommst“, sagte er mit emotionsgeladener Stimme. Er klang überwältigt und verzweifelt. „Vielleicht, weil alles um mich herum außer Kontrolle gerät und das die kleinste Sache ist, mit der ich mich befassen muss. Aber ich kann auch nicht leugnen, dass ich … mich zu dir hingezogen fühle. Ich meine, offensichtlich. Ich nehme an, das bedeutet, dass ich bisexuell bin. Ich habe dir schon gesagt, dass mein bester Freund schwul ist. Das hier mag eine kleine Stadt in Wyoming sein, Silas, aber es ist nicht Brokeback Mountain.“
„Ich glaube, ich verstehe nicht, wie du einen schwulen besten Freund haben kannst – ich vermute, wir sprechen von dem Sheriff von vorhin – und nicht schon vorher gewusst hast, dass du bi bist. Der Mann ist unbestreitbar attraktiv.“
Er knirschte mit den Zähnen. „Er ist auch mein Cousin. Der Sohn von Tante Blake. Also, nein. Er ist wie ein Bruder für mich, das war er schon immer. Und … um ehrlich zu sein … ich fand schon früher Männer attraktiv, aber ich habe dieser Anziehung nicht nachgegeben, weil immer Frauen da waren, mit denen ich ausging.“
Ich stieß ein überraschtes Lachen aus. „Du klingst wie der Goldjunge, der du eindeutig bist.“
Er musterte mich unter dem Schatten seiner Hutkrempe. „Was soll das denn heißen?“
„Du bist schön und perfekt. Du warst wahrscheinlich der Star-Quarterback in der Highschool. Du wurdest zwölf Mal zu Mr. Majestic gewählt …“
„Elf Mal“, murmelte er. „Und?“
„Also … du bist dieser Typ, Waylon. Kein Wunder, dass sich dir immer die Frauen an den Hals geworfen haben.“
Das schien ihn zu verärgern, und ich fragte mich, ob ich zu weit gegangen war. Ich hatte den Hang, urteilend und sarkastisch zu sein, was nicht gerade förderlich war, um neue Freunde zu finden und mich bei den Leuten beliebt zu machen.
Ich versuchte zurückzurudern. „Tut mir leid. Ich wollte nicht –“
„Die Wahrheit ist, dass ich in den letzten Jahren nicht viel Zeit für Frauen oder Männer hatte. Ich war zu sehr damit beschäftigt, mir den Arsch aufzureißen, um die Ranch nicht zu verlieren, und seit der alte Mayor abgehauen ist, versuche ich auch noch, die Stadt zu retten. Also ist die einzige … die einzige …“ Er seufzte und nahm seinen Hut wieder ab, um mit der Krempe zu spielen. „Die einzige zufällige Begegnung, die ich seit langer Zeit hatte, war mit diesem Städter in Vegas.“
Das Geständnis traf mich unvorbereitet. Ich hatte gemeint, was ich gesagt hatte. Waylon Fletcher war ein absoluter Fang. Er war sexy und fit, freundlich und aufrichtig. Fleißig und großzügig. Er konnte jede Frau haben, die er wollte. Der Gedanke, dass er nicht zumindest regelmäßig Sex mit einer Frau aus der Gegend hatte, überraschte mich.
„Ich dachte, du und Eden …“
Er schwenkte seinen Hut durch die Luft. „Eden und ich haben schon seit einem Jahr nicht mehr miteinander geschlafen. Ja, eine Zeit lang hatten wir immer wieder mal was miteinander, weil … weil es einfach war. Wir sind gute Freunde. Wir fühlen uns wohl miteinander, weißt du? Und du kennst inzwischen einige der Klatschtanten in dieser Stadt. Du kannst dir vorstellen, dass … nun ja, jemand Neuen zu haben … Probleme verursachen würde.“ Er zuckte mit den Schultern. „Aber dann wurde Edens Reisekalender immer voller und mein Job – meine Jobs – wurden immer stressiger und … Wie auch immer, können wir bitte aufhören, über mein Sexleben zu reden? Ich würde lieber meine verdammte Hütte mit dir teilen, um ehrlich zu sein.“
Ich lachte und trat näher an ihn heran. „Weißt du, wo ich schon mal hier bin, könnte ich dir bei deinem kleinen … Problem helfen“, neckte ich ihn.
Seine Wangen wurden rosa und er benutzte seinen Hut, um sein Gesicht zu verbergen, als er sich umdrehte und auf das Häuschen zuging. Zum Glück folgte ihm das Lachen, das er ausstieß.
„Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist, Stadtjunge. Es ist alles so schon kompliziert genug.“
Damit hatte er wahrscheinlich recht. Doch das bedeutete nicht, dass ich nicht versucht war – so sehr wie seit Langem nicht mehr. Aber es war wichtig, dass ich meinen Fokus auf das große Ganze richtete und nicht vergaß, was auf dem Spiel stand.
Nachdem ich nun seine mündliche Zusage hatte, Geldangelegenheiten nicht in unsere Scheidung einzubeziehen, musste ich alles so schnell wie möglich schriftlich festhalten, was bedeutete, dass ich Zeit finden musste, Kenji eine Nachricht zu schicken und ihm zu sagen, dass er so schnell wie möglich die nötigen Papiere zusammenstellen musste …
Ganz egal, wie gut der Hintern meines Mannes in dieser Jeans aussah, als er sich von mir entfernte.