Kapitel 34

Tatsächlich weckt Philipp mich am nächsten Morgen mit einem monumentalen Samstagsfrühstück. Es gibt Cappuccino, Laugenbrötchen und Rührei. Als ich dafür aufstehe, fühle ich mich gar nicht wie ein Flugzeugträger, sondern ziemlich leicht und beschwingt. Sogar nach zwei Brötchen mit Nutella hält das Gefühl an.

»Wir könnten mal über deinen Geburtstag reden«, sagt Philipp.

»Ach ja, der.«

»Es ist nicht mehr lang hin.«

»Aber ich werde doch 39. Wer will das schon groß feiern?«

»Ich. Groß feiern wird schwierig, aber ich dachte, wir könnten ein paar Leute einladen für den Nachmittag. Wir bestellen vier verschiedene Kuchen, und du darfst sie alle alleine aufessen.«

»Das klingt wunderbar«, gebe ich zu. »Wen laden wir denn ein?«

»Sophie und ihre Familie, Johanna und Stulle, Oscar  – können deine Eltern miteinander im gleichen Raum sein?«

»Das wäre einen Versuch wert. Und wir könnten Hans-Peter kennenlernen!«

»Sehr clever.«

»Spart den Privatdetektiv!«

»Wirst du ihm an der Tür seine Jacke abnehmen und dann heimlich seine Brieftasche nach Fotos fremder Frauen durchsuchen?«

»Könnte passieren.«

»Ich glaube, du wirst unsere Jungs immer gut beschützen.«

»Das werde ich. Und du wirst sie immer gut versorgen«, sage ich und deute auf den übervollen Korb mit den Brötchen.

»Ja. Und dich mit.«

»Aber dafür darf ich jetzt den Tisch abräumen.«

»Nee! Du bist hochschwanger mit Zwillingen, du trägst gar nichts rum.«

»Du kannst das Tablett in die Küche tragen, ich räume dann dort auf. Ehrlich, ich will das gern machen. Aufräumen beruhigt mich.«

»Na gut. Falls du keine Lust mehr hast, hör einfach auf und lass es stehen!«

»Klar.«

Nachdem ich die Küchentür geschlossen habe, setze ich mich erst mal hin und atme durch. Ich war ein bisschen zu wenig allein in den letzten Tagen, und jetzt bin ich mir nicht sicher, ob sich das Zusammensein mit Philipp so gut anfühlt, weil ich ihn liebe, oder ob ich schlicht in etwas hineinrutsche, was ich mir nicht gut genug überlegt habe. Ich stelle mich seitlich vor die Spüle und schrubbe an meinem Bauch vorbei die Pfanne. Allmählich sehen alltägliche Verrichtungen hier aus wie bei Dick und Doof.

Die Spülmaschine räume ich kniend ein, weil mein Rücken dabei weniger zieht als beim Bücken. Es ist das letzte bisschen Sport, das mir noch bleibt. Mit jedem Besteckteil, das ich in den Kasten fallen lasse, werde ich ein bisschen ruhiger.

Vertraue ich Philipp, dass er bleibt? Jetzt im Moment höre ich ihn im Wohnzimmer, er schaut Skispringen im Fernsehen an und wirkt nicht, als wolle er heimlich fliehen. Auch nicht morgen. Auch nicht übermorgen.

Die Küche sieht blitzblank aus, aber ich bin noch nicht fertig mit Nachdenken. Also rühre ich einen Kuchenteig an und bin dankbar, dass Philipp nicht rüberkommt, um nach mir zu sehen, sondern mir einfach meine Zeit lässt. Die Küchenmaschine häckselt gerade lautstark Nüsse und Schokolade, als mein Handy auf der Arbeitsplatte anfängt zu blinken. Es ist wieder die Nummer von gestern. Ich schalte die Maschine aus und gehe ran.

»Guten Tag, Frau Färber! Hier spricht Weber. Wir hatten wegen der Dreizimmerwohnung gesprochen, erinnern Sie sich?«

»Herr Weber, hallo. Ja, ich erinnere mich. Haben Sie eine andere Wohnung für mich?«

»Sie werden lachen, es ist genau diese Wohnung!«

»Aha. Aber Sie sagten, der Vermieter habe sich für jemand anderen entschieden. Und das ist ja jetzt auch schon Wochen her.«

»Richtig, richtig. Die Lage hat sich geändert, jetzt wäre die Wohnung frei für Sie!«

»Darf ich fragen, warum?«

»Also«, er druckst ein bisschen rum, »der Mieter hat den Vertrag unterschrieben, aber dann wollte er doch nicht einziehen.«

»Ach.« Da steckt irgendwo eine Metapher für mein Leben drin, aber ich komm nicht drauf. »Stimmte denn was mit der Wohnung nicht?«

»Nein, nein. Es hakte wohl an der Kaution. Finanzielle Probleme. Jedenfalls ist der Vertrag jetzt aufgelöst, die Wohnung steht leer, Sie können jederzeit einziehen!«

»Hm.« Ich lehne mich an die Arbeitsplatte und fahre mit der freien Hand zerstreut über meinen Bauch. Für uns drei wäre die Wohnung groß genug. Im gleichen Moment geht die Tür auf. Philipp kommt rein, in der Hand seinen leeren Kaffeebecher. Er sieht mich telefonieren und gibt mir zu verstehen, dass er draußen warten könne, aber ich winke ihn herein. Wir setzen uns an den Tisch, er mit fragendem Gesichtsausdruck, ich in Gedanken versunken.

»Frau Färber, sind Sie noch dran?«

»Ja«, sage ich und schaue Philipp an, der etwas verwuschelte Haare hat und seinen liebsten Kapuzenpullover trägt, auf dem »Of Quartz I Love Geology« steht.

»Sie wollen die Wohnung doch noch, oder?«

»Wissen Sie was, eigentlich nicht«, sage ich und nehme Philipps Hand. »Ich glaube, ich hab was Besseres gefunden.«