KAPITEL 16
Ich hasste es, früh aufzustehen, aber ich hatte keine Lust darauf, dass Massimos Muskelprotze mich drei Tage lang auf Schritt und Tritt verfolgten, also schleppte ich mich vom Bett ins Bad und war nach knapp zwanzig Minuten fertig. Massimo saß im Wohnzimmer, das Notebook auf den Knien und das Telefon in der Hand. Wieder trug er ein schwarzes Hemd und eine dunkle Stoffhose, er sah stylish und elegant aus. Von der Badezimmertür aus beobachtete ich ihn und spielte dabei mit dem Verlobungsring an meinem Finger. Das ist also der Mann, mit dem ich den Rest meines Lebens verbringen werde, dachte ich. Eins ist sicher – das wird kein langweiliges Durchschnittsleben, eher eine Mischung aus Gangsterfilm und Porno. Dann betrat ich das Ankleidezimmer, zog mich an und packte einen kleinen Koffer. Als ich ins Wohnzimmer zurückkehrte, hob Massimo den Blick vom Notebook und schaute mich an. Die graue Hose mit hohem Bund und die High Heels, die fast ganz unter den weiten Hosenbeinen verschwanden, verlängerten optisch meine Silhouette. Dazu trug ich einen Kaschmirpullover in etwas hellerem Grau
.
»Frau Torricelli, Sie sehen heute wirklich wahnsinnig verführerisch aus«, konstatierte Massimo, stellte das Notebook zur Seite und kam auf mich zu. »Ich hoffe, diese Hose lässt sich leicht ausziehen und knittert nicht, andernfalls werden Sie leider nicht mehr ganz so elegant in Szczecin ankommen.«
Vergnügt schaute ich ihn an. »Erstens, Don Massimo, ist dein atemberaubender Ferrari eigentlich schon zum Fahren zu unbequem und für einen Quickie während der Fahrt absolut ungeeignet. Und zweitens kann ich nicht, wenn die Bodyguards zuschauen, also vergiss es.«
»Wer hat gesagt, dass wir mit dem Ferrari fahren?« Massimo nahm einen Schlüssel aus der Schublade und öffnete schwungvoll die Tür. »Nach Ihnen, Frau Torricelli!«
Wir wurden von insgesamt vier Securitymännern begleitet, der Fahrstuhl war also ziemlich voll. Der Anblick dieser Reisegesellschaft im Spiegel erheiterte mich außerordentlich: fünf Typen, von denen die meisten über hundert Kilo wogen, und dazu eine zierliche Blondine. Massimo sprach italienisch mit den Männern, offenbar gab er ihnen Anweisungen.
In der Tiefgarage verteilten die vier Männer sich auf zwei BMW
s, die direkt an der Ausfahrt geparkt waren. Wir gingen ein Stück weiter, Massimo drückte einen Knopf am Schlüssel, und ich fragte mich, welches Auto wohl diesmal aufblinken würde. Es war ein Porsche Panamera, schwarz natürlich und mit getönten Scheiben. Erleichtert atmete ich auf – die Vorstellung, Sex in einem Ferrari zu haben, grenzte selbst für eine so sportliche und durchtrainierte Person wie mich an Folter
.
Massimo hielt mir die Beifahrertür auf und flüsterte mir ins Ohr: »Alle hundert Kilometer ficke ich dich auf dem Rücksitz; ich hoffe, der Wagen gefällt dir.«
Es machte mich an, wenn er so dominant war, wenn er nicht nach meiner Meinung fragte, sondern mir nur mitteilte, was er vorhatte, aber nicht weniger mochte ich es, ihn zu ärgern.
Beim Einsteigen fragte ich also: »Bis Szczecin sind es fast sechshundert Kilometer, meinst du, deine Kondition reicht dafür?«
Massimo lachte. Bevor er die Tür schloss, warnte er mich: »Provozier mich nicht, sonst fick ich dich alle fünfzig Kilometer.«
Die Fahrt verbrachten wir mit Gesprächen, dummen Witzen und Quickies auf Autobahnraststätten. Wann immer wir auf einen Parkplatz fuhren, zogen sich die Securitymänner diskret zurück. Wir benahmen uns wie zwei Teenager, die übers Wochenende das Auto ihrer Eltern ausgeliehen und eine Maxi-Packung Kondome gekauft hatten und jetzt ein Abenteuer erleben wollten.
In Szczecin blieben wir mehrere Tage. Ich verbrachte die meiste Zeit im Spa, während Massimo arbeitete. Obwohl er eine Unmenge Termine hatte, aßen wir immer zusammen, jeden Abend schlief ich neben ihm ein, und jeden Morgen erwachte ich in seinen Armen.
Am Mittwoch fuhren wir nach Warschau zurück, da rief meine Mutter an.
»Hallo, Schätzchen, wie geht’s dir?
«
»Ach, wunderbar, Mama, ich habe wahnsinnig viel zu tun, aber sonst ist alles okay.«
»Das freut mich zu hören, ich hoffe nur, du hast die Hochzeit deiner Cousine nicht vergessen? Die ist am Samstag.«
»Verfickte Scheiße!«, entfuhr es mir.
»Laura Biel, bitte achte auf deine Wortwahl!«, maßregelte mich meine Mutter mit erhobener Stimme.
Das polnische Wort für Scheiße war eines der wenigen, das Massimo kannte. Als er es hörte, wusste er also, dass es offenbar ein Problem gab.
»Wie ich deinem vulgären Kommentar entnehmen kann, hast du es also vergessen. Dann ist es ja gut, dass ich dich anrufe. Zu deiner Erinnerung: Die Hochzeit ist am Samstag um sechzehn Uhr, aber versuch bitte, früher da zu sein.«
»Aber Mama, ich freu mich doch bloß. Natürlich habe ich den Termin im Kopf; wir kommen zu zweit.«
Im Hörer herrschte Stille. Die nächste Frage meiner Mutter war absolut vorhersehbar.
»Wie, zu zweit? Mit wem kommst du?«
»Mama, ich habe auf Sizilien jemanden kennengelernt, einen Arbeitskollegen. Er ist gerade in Warschau auf einer Fortbildung, und ich würde ihn gerne mitbringen. Reicht dir diese Information, oder soll ich dir seine Geburtsurkunde rüberfaxen?«
»Dann sehen wir uns also am Samstag«, erwiderte meine Mutter spitz und legte beleidigt auf.
Ich schaute noch einen Moment lang auf das Telefon in meiner Hand. Und wie sollte ich Massimo beibringen, dass er am Samstag meine Eltern kennenlernen würde? Massimo
war natürlich nicht entgangen, dass etwas nicht stimmte, er nahm die nächste Ausfahrt, parkte das Auto und wandte sich auf dem Fahrersitz mir zu.
»Ich höre«, sagte er mit ruhiger Stimme und gerunzelter Stirn.
»Wir müssen am Wochenende zu meinen Eltern fahren. Nach allem, was die letzten Wochen los war, habe ich komplett vergessen, dass meine Cousine am Samstag heiratet«, erklärte ich kleinlaut und verbarg das Gesicht in den Händen.
Sichtlich belustigt schaute Massimo mich an. »Und das ist alles? Ich dachte, es wäre was passiert. Ich muss wohl doch noch Polnisch lernen. Wenn ich nur die Schimpfworte verstehe, kriege ich immer ein völlig falsches Bild.«
»Das wird eine Katastrophe! Du kennst meine Mutter nicht, sie wird dich mit Fragen löchern. Und ich muss übersetzen, denn meine Mutter spricht nur Polnisch und Russisch.«
»Laura«, Massimo nahm meine Hände in seine. »Ich habe dir doch schon gesagt, meine Eltern haben viel in meine Ausbildung investiert. Außer Italienisch und Englisch habe ich Russisch, Französisch und Deutsch gelernt, also mach dir mal keinen Kopf.«
Ungläubig schaute ich ihn an. Ich konnte nur eine einzige Fremdsprache und kam mir damit jetzt ziemlich dumm vor.
»Ich weiß nicht, ob mich das beruhigt.«
Massimo lächelte nur und ließ den Motor wieder an.
Als wir in Warschau ankamen, war es bereits dunkel. Massimo parkte in der Garage und holte meinen Koffer aus dem Kofferraum
.
»Geh schon mal vor, ich muss noch mit Paulo sprechen«, sagte er und ging zu den beiden schwarzen BMW
s hinüber.
Weil der Fahrstuhl kaputt war, nahm ich die Treppe. In der Eingangshalle im Erdgeschoss standen Hunderte weißer Rosen. Lieber Gott, nicht das schon wieder, dachte ich.
»Frau Biel«, rief der Rezeptionist, als er mich sah. »Schön, Sie zu sehen. Sie haben schon wieder Blumen bekommen.«
Panisch schaute ich mich um. Die Blumen ließen sich weder irgendwo verstecken noch aus dem Gebäude tragen, es waren zu viele, und Massimo würde jeden Moment in der Halle auftauchen. Ich nahm die Grußkarte von einem der Sträuße. »Ich gebe nicht auf« stand darauf.
»Verdammt!«, brüllte ich und zerknüllte das Kärtchen.
In diesem Moment trat Massimo aus der Tür zum Treppenhaus, sah die Blumen und ballte die Hände zu Fäusten. Bevor ich auch nur ein Wort sagen konnte, fiel die Tür ins Schloss, und Massimo war verschwunden. Unfähig, mich zu bewegen, starrte ich die Wand an. Erst das Aufheulen des Porsche, der mit quietschenden Reifen aus der Tiefgarage fuhr, riss mich aus meiner Erstarrung. Es bestand kein Zweifel, was Massimo vorhatte. Ich stieß die Tür zum Treppenhaus auf, rannte die Treppe hinauf, eine Minute später war ich im vierten Stock. Mit zitternden Händen schloss ich die Wohnungstür auf, suchte den Autoschlüssel des weißen BMW
in der Schublade, zog die Tür hinter mir zu und rannte die Treppe wieder hinunter, in die Garage. Ich startete das Auto, wählte Martins Nummer und betete, dass er abhob.
»Diesmal haben die Blumen dir wohl besser gefallen«, kam seine Stimme aus dem Hörer
.
»Wo bist du?«, schrie ich.
»Wie bitte?«
»Wo bist du gerade, verdammt nochmal?«
»Jetzt schrei doch nicht so, ich bin zu Hause. Willst du vorbeikommen oder was?«
Oh nein, nicht auch noch die Nummer, dachte ich und trat das Gaspedal durch.
»Martin, du verlässt jetzt sofort deine Wohnung, in diesem Moment, verstanden? Wir treffen uns beim McDonald’s bei dir um die Ecke. Ich bin in fünf Minuten da.«
»Die Blumen haben dir wohl wirklich gefallen, was? Aber komm doch zu mir. Ich hab Sushi bestellt, wir können zusammen essen.«
Unter Missachtung sämtlicher Verkehrsregeln raste ich über die nächste Kreuzung.
»Verdammte Scheiße, kannst du bitte jetzt deine Wohnung verlassen und zum McDonald’s kommen?«
Im Hintergrund hörte ich Martins Türklingel. Mir blieb fast das Herz stehen.
»Es klingelt, das ist bestimmt der Sushityp. Ich bin in fünf Minuten da. Bis gleich.«
»Nein!« Ich schrie in den Hörer, aber Martin hatte schon aufgelegt, und als ich erneut anrief, hob er nicht mehr ab. Noch nie in meinem Leben hatte ich solche Angst gehabt, und das alles war nur meine Schuld.
Vor Martins Haus ließ ich das Auto auf der Straße stehen, tippte den Code für seine Wohnung ins Panel und raste die Treppe hoch. Als ich die Klinke hinunterdrückte, ging die Tür auf, dahinter standen Massimos Männer. Mit letzter
Kraft betrat ich die Wohnung und rutschte an der Wand entlang auf den Boden.
Massimo, der auf dem Sofa neben Martin gesessen hatte, erhob sich bei meinem Anblick und kam auf mich zu. Martin wollte ihm folgen, aber einer der Bodyguards hielt ihn an der Schulter fest.
»Wo sind deine Tabletten?«, hörte ich wie aus weiter Ferne die Stimme Massimos. »Laura!«
»Ich hab welche«, sagte Martin.
Als ich die Augen wieder öffnete, lag ich im Schlafzimmer auf dem Bett, und Massimo saß neben mir.
»Du gibst mir mehr Gründe, den Kerl zu töten, als er selbst«, zischte er wütend. »Wenn er deine Tabletten nicht noch gehabt hätte …« Er brach ab.
»Lass mich mit ihm reden«, bat ich und setzte mich auf. »Du hast es mir versprochen, und ich habe dir geglaubt.«
Massimo schwieg, dann schickte er die Männer, die immer noch im Wohnzimmer vor dem Sofa standen, auf den Flur.
»Aber ich bleibe hier. Von eurer Unterhaltung verstehe ich ohnehin kein Wort, aber so kann ich wenigstens sicher sein, dass er dich nicht anfasst.«
Langsam und immer noch leicht benommen ging ich ins Wohnzimmer und ließ mich neben Martin aufs Sofa fallen, Massimo setzte sich in den Sessel vor dem Aquarium.
»Wie fühlst du dich?«, fragte Martin besorgt.
»Soll ich ehrlich sein? Ich bin wütend ohne Ende und würde euch am liebsten beide umbringen. Martin, was machst du, was soll das?
«
»Wie, was soll das? Ich kämpfe um dich, das wolltest du doch! Dass ich dir mehr Aufmerksamkeit schenke, dass ich mir mehr Mühe gebe. Und außerdem schuldest du mir wohl ein paar Antworten, zum Beispiel was das für Leute sind, die hier plötzlich mit ihren Pistolen rumfuchteln, und was dieser durchgeknallte Italiener in meiner Wohnung macht.«
Ich ließ den Kopf hängen.
»Martin, es ist aus zwischen uns, das habe ich dir klipp und klar gesagt. Der Mann im Sessel dort drüben ist mein zukünftiger Ehemann.«
Ich wusste, diese Worte würden ihn verletzen, aber das war der einzige Weg, dass er mich in Ruhe ließ und am Leben blieb. Martin schaute mich traurig an, dann glomm Wut in seinen Augen auf.
»Ach, darum ging es, du wolltest heiraten, aber ich habe dir keinen Antrag gemacht! Und jetzt hast du einen italienischen Mafioso gefunden und wirst seine Frau? Da bist du also mit deinem Trottel von Freund in den Urlaub gefahren, um dir einen reichen Ehemann anzulachen, sehr schön.«
Martins sarkastischer Tonfall und seine erhobene Stimme entgingen Massimo nicht. Er zog die Pistole aus dem Hosenbund und legte sie demonstrativ auf seine Knie. Dieser Anblick brachte das Fass in mir zum Überlaufen. Inzwischen hatte ich diese ganze Schmierenkomödie endlos satt.
Ich schaute Martin an und sagte laut und überdeutlich auf Englisch, damit mich beide verstanden: »Ich hab mich verliebt, kapier das doch endlich! Ich will nicht mit dir zusammen sein, ich will nie wieder etwas von dir hören. Du hast mich betrogen und gedemütigt. An meinem Geburtstag hast
du dich wie das letzte Arschloch verhalten, und nichts in der Welt kann daran etwas ändern. Und jetzt habe ich von euch beiden so was von die Schnauze voll! Bringt euch doch einfach gegenseitig um, wenn ihr wollt!« Ich drehte mich zu Massimo um. »Über mein Leben entscheide immer noch ich und nicht einer von euch beiden. Also lasst mich beide einfach in Ruhe!«, kreischte ich, sprang auf und lief aus der Wohnung.
Massimo rief seinen Männern im Flur etwas zu, und sie folgten mir. Aber ich rannte schneller als sie und kannte mich in der Siedlung besser aus. Ich sprang in den BMW
, fuhr mit quietschenden Reifen davon und ließ sie stehen. Normalerweise hätten sie in so einer Situation vermutlich geschossen, aber das konnten sie ja nun mal nicht.
Mein Telefon klingelte ununterbrochen, auf dem Display stand »Nummer unterdrückt«. Das war Massimo, aber ich wollte nicht mit ihm reden und schaltete das Telefon aus. Ich fuhr zu Olgas Wohnung und hoffte inständig, dass sie zu Hause war. Ich drückte den Klingelknopf, Sekunden später ging die Tür auf, und meine beste Freundin stand ziemlich mitgenommen vor mir.
»Schau an, du lebst noch«, sagte sie. »Komm rein, mir platzt gleich der Kopf, ich habe gestern definitiv zu viel getrunken.«
Ich schloss die Tür hinter mir und folgte Olga ins Wohnzimmer. Sie setzte sich aufs Sofa und wickelte sich in eine Decke.
»Seit Samstag habe ich mit diesem Blonden aus dem Ritual durchgefeiert. Ich glaube, er hat sich verliebt, ich sage dir, ich habe kein Leben mehr.
«
Ich saß neben Olga und sagte kein Wort. Ich hatte die beiden Männer tatsächlich allein mit einer Waffe zurückgelassen und der eindeutigen Aufforderung, sich gegenseitig umzubringen, das wurde mir jetzt erst vollkommen bewusst.
»Laura, du bist ja blass wie ein Leichentuch. Was ist los?«
All die Lügen vergifteten unsere Freundschaft. Ich musste ihr endlich die Wahrheit sagen.
»Ich habe dich angelogen.«
Olga machte ein fragendes Gesicht.
»Ich wohne nicht in der Wohnung eines Kollegen, und ich hab in Italien keinen gewöhnlichen Typen kennengelernt.«
Für die ganze Geschichte brauchte ich gut zwei Stunden. Als ich endete, holte ich den Verlobungsring aus der Hosentasche und steckte ihn mir an den Finger.
»Das ist der Beweis«, seufzte ich und ließ den Kopf auf die Sofalehne sinken. »Jetzt weißt du alles.«
Olga saß vor mir auf dem Teppich und starrte mit offenem Mund auf meine Hand.
»Ich werd nicht wieder. Das klingt wie ein Erotikthriller – also wenig Thriller und viel Erotik. Was meinst du, lebt Martin noch?« Olgas Augen leuchteten vor Aufregung.
»Himmel, Olga, stell mir nicht solche Fragen, darüber will ich gar nicht nachdenken.«
Resolut zog Olga ihr Telefon aus der Tasche, wählte eine Nummer und stellte den Lautsprecher an. »Wollen wir doch mal sehen.«
Jede Sekunde kam mir vor wie eine Ewigkeit. Nach dem fünften Klingeln hob er endlich ab
.
»Na, du Nymphomanin, wie geht’s?«, fragte Martin mit tiefer Stimme.
»Hey, freut mich auch, dich zu hören. Du, ich suche Laura, weißt du vielleicht, wo sie ist?«
»Da bist du nicht die Einzige. Aber ich weiß nicht, wo sie ist, und ich will es auch nicht wissen, sie interessiert mich kein bisschen. Mach’s gut.« Kaum hatte Martin aufgelegt, brachen wir beide in hysterisches Gelächter aus.
»Also lebt er«, stellte ich, immer noch nervös kichernd, fest. »Gott sei Dank.«
»Der ist so robust, dem kann nicht mal die sizilianische Cosa Nostra was anhaben«, fügte Olga hinzu und erhob sich vom Fußboden. »Also sind alle noch am Leben, und ich weiß inzwischen auch, was Sache ist. Willst du vielleicht bei mir übernachten? Soll dein Verlobter sich ruhig ein bisschen Sorgen machen.«
Ich nickte erleichtert. Ein Klopfen an der Tür riss uns aus unserer guten Laune.
»Um diese Zeit?«, maulte Olga und ging zur Tür. »Bestimmt ist das Blondie, aber ich kann nicht mehr, ehrlich.«
Olga öffnete die Tür, und Massimo betrat die Wohnung. Er blieb im Flur stehen und warf mir einen eisigen Blick zu.
»Da haben wir den Salat«, sagte Olga auf Polnisch, sie wusste ja, dass Massimo kein Wort von dem verstand, was wir sagten. »Und nun? Willst du weiter da sitzen, soll er hier im Flur stehen, soll ich kurz rausgehen? Ich habe ehrlich gesagt ein wenig den Überblick verloren.«
»Was machst du hier?«, fragte ich Massimo. »Und wie hast du mich gefunden?
«
»Ich habe mich noch nicht vorgestellt.« Ungerührt wandte er sich an Olga. »Ich bin Massimo Torricelli.«
»Ich weiß, wer du bist, mein Lieber«, erwiderte Olga und reichte ihm die Hand. »Nach Lauras Beschreibung war mir sofort klar, wem ich da die Tür aufmache. Wollt ihr euch weiter anstarren oder wollt ihr reden?«
Massimos Augen wurden sanfter, und auch ich musste gegen meinen Willen grinsen. Die ganze Situation war so abgefahren wie alles, was in den letzten Wochen in meinem Leben passiert war. Ich erhob mich vom Sofa, nahm den Autoschlüssel und umarmte Olga.
»Ich gehe dann, aber wir sehen uns morgen, okay?«
»Geh und vögel ihn einmal für mich mit – der ist so heiß, dass ich schon vom Hingucken ganz feucht bin«, erwiderte Olga und gab mir einen Klaps auf den Hintern. »Hat er nicht vielleicht einen guten Freund?«, fügte sie noch hinzu, als wir schon auf dem Flur standen.
»Glaub mir, das willst du nicht.« Ich winkte ihr zum Abschied zu.
Schweigend gingen Massimo und ich die Treppe hinunter und auf die Straße. Ich drückte auf den Knopf am Schlüssel und stieg in den BMW
, Massimo setzte sich auf den Beifahrersitz.
»Wo ist der Porsche?«, fragte ich.
»Paulo hat ihn nach Hause gefahren.«
Unterwegs sprach keiner von uns, als wartete jeder darauf, dass der andere anfinge.
In der Wohnung angekommen, setzte sich Massimo aufs Sofa und fuhr sich nervös mit der Hand durch die Haare
.
»Weiß deine Freundin, wer ich bin? Hast du ihr alles erzählt?«
»Ja. Ich halte das nicht mehr aus, allen immerzu irgendwelche Lügen aufzutischen, Massimo. Ich kann so nicht leben – als wir in Italien waren, war das einfacher, dort wissen sowieso alle, wer du bist – aber das hier ist eine andere Welt, andere Leute. Und immer wenn ich Menschen anlügen muss, die mir nahestehen und die ich mag, dann fühle ich mich fürchterlich.«
Massimo schaute mich mit toten Augen an. »Nächste Woche kehren wir nach Sizilien zurück«, verkündete er und stand auf.
»Das werden wir ja sehen, ich fahre jedenfalls nirgendwohin. Außerdem solltest du dich wohl bei mir entschuldigen.«
Bebend vor Wut und mit zusammengebissenen Zähnen stand Massimo vor mir. »Ich habe ihn nicht umgebracht, also kannst du mir keinen Vorwurf machen. Ich bin zu ihm gefahren, um ihm klarzumachen, mit wem er es zu tun hat und dass er gefälligst die Finger von dir lassen soll.«
»Ich weiß, dass er lebt, ich weiß auch, dass er mich ab sofort in Ruhe lassen wird. Er hat Olga gesagt, dass ich ihm total egal bin.«
Mit unverhohlener Freude ballte Massimo die Hände in den Hosentaschen zu Fäusten und wiegte sich auf den Fersen. »Es wäre schon sehr komisch, wenn er dich immer noch zurückhaben wollte, nach allem, was er von dir und dann von mir zu hören bekommen hat.«
Fragend schaute ich ihn an.
»Ich habe ihn nicht getötet, das solltest du zu schätzen
wissen«, sagte er noch einmal, gab mir einen Kuss auf die Stirn und verschwand im Schlafzimmer.
Zu gern wäre ich Zeugin ihrer Unterhaltung geworden – ich konnte mir partout nicht vorstellen, wie die abgelaufen war. Ich ging ins Bad und stellte mich unter die Dusche, ich wollte nur noch schlafen. Als ich aus dem Bad kam, lag Massimo mit einem Handtuch um die Hüften im Bett und schaute fern. Es war ihm überhaupt nicht anzusehen, dass er erst wenige Stunden zuvor einen anderen Menschen mit der Waffe bedroht hatte. Wieder einmal war ich fasziniert, wie schnell er von einem Extrem ins andere verfallen konnte.
Für mich war er der ideale Mann – ein echter Alphamann, ein Beschützer und Verteidiger, aber für den Rest der Welt war er ein unberechenbarer, gefährlicher Mafioso. Das war verrückt und wahnsinnig aufregend, aber würde es auf lange Sicht auszuhalten sein? Seit Massimo gestern Abend vor mir gekniet hatte, fragte ich mich, ob es wirklich eine gute Idee war, den Rest meines Lebens mit ihm zu verbringen.
»Laura, wir müssen reden«, sagte Massimo in diesem Moment, den Blick unverwandt auf den Fernseher gerichtet. »Als ich heute angerufen habe, hast du nicht abgenommen, und dann hast du auch noch dein Telefon ausgeschaltet. Das darf nie wieder vorkommen. Es geht hier um deine Sicherheit. Wenn du nicht mit mir reden willst, dann geh ans Telefon und sag mir das, aber zwing mich nicht, Notfallmaßnahmen zu ergreifen, wie etwa, dich zu orten.«
Ich stand in der Tür zum Schlafzimmer und hatte große Lust, einen Streit vom Zaun zu brechen. Aber dann fielen mir
Monikas Worte wieder ein, und ich musste ihm recht geben. Ich trat ans Bett und ließ mein Handtuch auf den Boden fallen. Splitternackt stand ich vor ihm, aber er schenkte mir weiterhin keine Beachtung. Wütend und verletzt legte ich mich ins Bett, zog mir die Decke bis ans Kinn, kuschelte mich ins Kissen und war im selben Moment eingeschlafen.
Mitten in der Nacht weckte mich ein sanftes Streicheln zwischen meinen Beinen, dann drangen zwei Finger in mich ein. Noch halb im Schlaf wusste ich nicht, ob das alles wirklich passierte oder ob ich nur träumte.
»Massimo?«
»Ja?«, hörte ich sein sinnliches Flüstern direkt an meinem Ohr.
»Was machst du da?«
»Ich muss in dir sein, ich werd sonst verrückt«, antwortete er und presste seine Hüften an meine, so dass ich seinen steifen Schwanz an meinem Hintern spürte.
»Ich habe keine Lust.«
»Ich weiß«, war seine Antwort. Er schlang seine Arme um mich, schob sein Becken vor und drang brutal und rücksichtslos in mich ein.
Ich stöhnte, warf den Kopf nach hinten und presste mich an seine Schultern. Wir lagen auf der Seite, Massimo hielt seine Hüften ganz still, nahezu andächtig streichelte er meinen nackten Körper. Seine Hände glitten über meine Brüste und schlossen sich darum. Durch seine intensiven Berührungen war ich jetzt hellwach, und was er mit mir anstellte, brachte mich fast um den Verstand
.
»Ich will dich spüren, Laura«, flüsterte Massimo, und seine Hüften begannen sich sanft zu wiegen. »Lieg still.«
Ich war wütend, er hatte mich aufgeweckt, heißgemacht, und jetzt sollte ich stillhalten? Nicht mit mir!
Ich löste mich von ihm, drehte mich um, warf ein Bein über seine Schenkel und setzte mich auf ihn.
»Du willst mich spüren? Das kannst du haben!«, fauchte ich und legte meine Hände auf seinen Hals. »Diesmal ficke ich dich«, sagte ich und ließ mein Becken langsam kreisen.
Aber bald wollte ich mehr, wollte es schneller, intensiver. Ich rieb meine Klitoris an seinem Bauch. Meine Bewegungen wurden immer heftiger und rücksichtloser. Massimos Hände krallten sich schmerzhaft in meinen Hintern, und er stöhnte laut. Ich konnte es kaum mehr aushalten, schlug ihm mit der flachen Hand fest ins Gesicht und wurde von einem nicht enden wollenden intensiven Orgasmus überrollt. Als die Wellen der Lust durch meinen Körper rauschten, nahm Massimo mich fest bei den Hüften und bewegte sich rhythmisch unter mir, dann spürte ich, wie er mir einen Finger in den Arsch schob. Mit einem lauten Schrei kam ich erneut, während er immer tiefer und heftiger in mich stieß.
»Nochmal, Baby«, flüsterte er.
Mit der Hand, mit der ich mich auf seiner Brust abgestützt hatte, schlug ich ihm ins Gesicht und erreichte den nächsten Höhepunkt. Noch nie war ich so lange und so oft hintereinander gekommen. Massimo drehte mich auf den Rücken und kniete über mir. Ich war erschöpft, aber ich wollte mehr.
»Ich bin noch nicht fertig«, sagte er und legte sich neben
mich. »Allerdings haben wir die Gummis im Auto gelassen, und ich mache nie einen Rückzieher.«
Verwundert schaute ich Massimo an, aber in der Dunkelheit konnte ich seinen Gesichtsausdruck nicht erkennen. Sein Orgasmus war für mich eine persönliche Herausforderung.
»Dann bringe ich die Sache für dich zu Ende«, entschied ich, nahm seinen Schwanz tief in den Mund, bis zur Kehle, und drückte ihn zugleich kräftig mit der Hand. Heftig und schwer atmend wand sich Massimo unter mir, und sein Körper zeigte mir deutlich, dass er kurz vor dem Höhepunkt stand.
Ich nahm seine Hände und legte sie auf meinen Kopf, damit er mir seinen Rhythmus vorgeben konnte. Massimo griff fest in meine Haare und schob mir seinen Schwanz bis zum Ansatz in den Mund. Innerhalb von Sekunden kam er und ergoss sich in meine Kehle. Versunken in der Wonne, die meine Lippen ihm bereiteten, bemerkte er gar nicht, dass mir sein Sperma wieder aus dem Mund lief. Schließlich erschlaffte der Druck seiner Hand, sie strich über meine Haare und fiel dann auf das Laken. Ich hob den Blick und leckte genüsslich seinen Bauch ab.
»Du bist so süß«, erklärte ich, als ich mich neben ihn legte. Ich schaltete die Nachttischlampe an, jetzt konnte ich im Halbdunkel endlich sein Gesicht erkennen. Sein Blick war zornig und leidenschaftlich zugleich.
»Und du bist einfach nur abartig, Laura«, stöhnte er.
»Sex kam in deinen Visionen wohl nicht vor«, fragte ich und leckte mir provokativ die Reste seines Safts von den Lippen
.
»Ich habe mich oft gefragt, wie du wohl im Bett sein wirst, aber jedes Mal habe ich dich gefickt und nicht du mich.«
Sanft küsste ich sein Kinn und streichelte seine Eier.
»Manchmal brauche ich auch ein bisschen Macht, das ist nun mal nicht zu ändern. Aber mach dir keine Sorgen, das kommt eher selten vor, normalerweise bin ich lieber Opfer als Täter. Und ich bin nicht abartig, nur pervers, das ist ein Unterschied.«
»Wenn es nicht zu häufig vorkommt, werde ich es wohl ertragen. Und glaub mir, Kleines«, er wickelte meine Haare um seine Finger, »du bist abartig, pervers, hemmungslos, und, Gott sei Dank, mein.«