KAPITEL 21
Am nächsten Morgen lag ich allein im Bett. Olga war nicht zu sehen. Warum war sie so früh aufgestanden, überlegte ich und tastete nach dem Handy auf dem Nachttisch, um zu sehen, wie spät es war.
»Ach du Scheiße!«, fluchte ich. Es war ein Uhr.
Ich wusste nicht, dass man so lange schlafen konnte, aber der Arzt hatte mir gesagt, dass während der Schwangerschaft auch starke Müdigkeit auftreten konnte, also war das wohl normal.
Ziemlich angeschlagen ging ich ins Badezimmer, um mich fertig zu machen, danach suchte ich meine Freundin. Ich trat in den Garten hinaus und fand einen Kaffee trinkenden Domenico vor.
»Hallo, wie geht es dir? Ich habe Zeitungen für dich«, sagte er und schob einen Stapel über den Tisch.
»Ich weiß nicht, wie es mir geht, ich bin noch nicht wach. Wo ist Olga?«
Domenico nahm das Handy und rief jemanden an, und kurze Zeit später kam einer der Angestellten und brachte mir meinen Tee mit Milch .
»Olga liegt am Strand. Was willst du zum Frühstück?«
Ich hielt mir die Hand vor den Mund – beim Gedanken an Essen wurde mir schlecht.
»Mir ist nicht so gut, erst mal will ich nichts, danke. Ich gehe an den Strand.« Ich nahm eine Flasche Wasser und spazierte zum Steg hinaus.
Das weiße Motorboot, das am Steg vertäut lag, erinnerte mich daran, wie ich in Panik vor Massimo und seiner Erektion aus der Dusche geflohen war.
»Warum schaust du das Boot an, als wolltest du ihm einen blasen?«, hörte ich Olgas Stimme und sah, wie sie halb nackt aus dem Wasser auftauchte. »Ihr habt da drin gebumst, gib’s zu«, fuhr sie fort.
Ich hob die Augenbrauen und setzte ein geheimnisvolles Lächeln auf. Dann drehte ich mich zu ihr um.
»Du hast tolle Titten«, bemerkte ich. »Jetzt weiß ich, warum Domenico so nervös war.«
»Er war hier und hat mir eine Flasche Wein gebracht, weil er mich unbedingt ansehen wollte. Pech, dass du das verpasst hast. Hast du ausgeschlafen?«, fragte sie und legte sich in einen Liegestuhl.
Ich legte mich in den Nachbarstuhl und drehte das Gesicht zur Sonne. »Keine Ahnung. Ich könnte den ganzen Tag schlafen. Schrecklich.«
»Du hast sowieso nichts zu tun, also geh entweder schlafen oder hol deinen Badeanzug, damit wir vor der Hochzeit noch ein bisschen Sonne bekommen.«
»Aber darf man das überhaupt, wenn man schwanger ist?« Ich hatte den Arzt nicht danach gefragt .
»Keine Ahnung, bei mir ist es noch nicht so weit. Frag doch Onkel Google.«
Das war eigentlich logisch. Ich nahm das Handy aus der Tasche und tippte die Frage ein. Ich las die Antwort, dann wandte ich mich an Olga.
»Na, dann habe ich wohl schon alles versaut. Hör mal: ›Unter dem Einfluss von Sonne erzeugt unser Körper Vitamin D, das sehr wichtig für die Kindesentwicklung ist. Es reicht, dass die werdende Mutter im Halbschatten spazieren geht. Direkte Sonne ist nicht ratsam, unter anderem weil es schwierig ist, sich vollständig vor den schädlichen UV -Strahlen zu schützen. Die Haut einer Frau ist während der Schwangerschaft sehr empfindlich, die Sonne kann sie reizen und Verfärbungen hervorrufen, zudem verliert der Organismus Wasser, was für das Kind nicht vorteilhaft ist‹.«
Olga wandte sich mir zu und nahm die Sonnenbrille ab. Dann stieß sie hervor: »Du hast literweise Wein getrunken, weil du nicht wusstest, dass du schwanger bist, und das bisschen Sonne soll dir schaden? Absurd.«
»Jetzt weiß ich es und habe keine Lust, einen Hormonfleck am Kinn zu bekommen. Wir haben einen Gutschein für ein Spa, also kannst du es dir aussuchen: Entweder du bleibst hier liegen und alterst in der Sonne, oder aber wir machen uns fertig und gehen.«
Blitzschnell stand sie mit der Tasche in der Hand neben meinem Liegestuhl und band sich den Pareo.
»Also? Gehen wir? «
Eine Stunde später waren wir bereit, und Domenico brachte meinen kirschfarbenen Porsche vor die Tür.
»Hau ihnen nicht ab.« Er zeigte auf den schwarzen SUV , der gerade angefahren kam und hinter meinem Auto hielt. »Sonst wird Massimo schrecklich wütend, und sie bekommen Ärger.«
Ich strich ihm über den Arm und öffnete die Tür. »Das habe ich schon mit dem Don besprochen, alles gut. Hast du die Strecke zum Spa ins Navi eingegeben?«
Domenico nickte und hob zum Abschied die Hand.
»Scheiße, ein Raumschiff«, sagte Olga und sah sich im Auto um. »Wozu braucht man so verdammt viele Knöpfe? Das ist doch ein Auto. Lenkrad, Pedale, Gangschaltung und Sitze würden ausreichen. Wofür ist der?«
»Nicht drücken, bitte! Sonst aktivierst du den Schleudersitz, oder das Auto verwandelt sich in ein Flugzeug.« Ich gab ihr einen Klaps auf die Hand, als sie einen weiteren Knopf drücken wollte. »Nicht anfassen!« Ich schüttelte den Kopf. »Ich habe das Gleiche gesagt wie du, als ich das Auto bekommen habe, aber ich denke, insgesamt ist es sicher.«
Als wir auf die Autobahn fuhren, beschloss ich, ihr zu zeigen, was mir an dem Macan gefiel, und drückte aufs Gaspedal. Der Motor brüllte auf, und das Auto schoss vorwärts. Wir wurden in die Sitze gedrückt.
»Au, geil, geil!«, schrie Olga und stellte die Musik lauter.
»Jetzt siehst du gleich, wie die Typen hinter uns in Panik geraten. Ich bin ihnen schon einmal davongefahren.«
Ich fuhr Slalom und überholte die anderen Autos, die um einiges langsamer fuhren. Ich freute mich sehr, dass ich eine gute Fahrerin war. Mein Vater hatte gewollt, dass ich sicher fuhr, also hatte er mich und meinen Bruder Kurse machen lassen. Schnelles Fahren, Fahren unter erschwerten Bedingungen, solche Sachen. Natürlich sollten wir nicht zu Abenteurern werden, sondern lernen, in gefährlichen Situationen zu reagieren. Plötzlich hörte ich hinter mir eine Polizeisirene und sah einen ungekennzeichneten Alfa Romeo mit zwei Männern darin.
»Na toll«, zischte ich und fuhr rechts ran.
Ein Mann in Uniform kam ans Fenster und sagte einige Worte auf Italienisch. Ich breitete die Hände aus und versuchte, ihm auf Englisch zu erklären, dass ich ihn nicht verstand. Leider sprachen weder er noch sein Kollege irgendeine Fremdsprache. Per Pantomime machten sie mir verständlich, dass ich ihnen die Papiere zeigen sollte. Ich holte den Fahrzeugschein hervor und gab ihn dem Polizisten.
»Oh, Mist«, wandte ich mich an Olga. »Mein Führerschein ist in der anderen Handtasche.«
Sie sah mich vorwurfsvoll an und rückte ihr Top zurecht. »Dann muss ich denen wohl einen blasen. Was meinst du?«
»Hör auf mit dem Blödsinn, Olga, das hier ist ernst.«
In diesem Moment hielt der schwarze SUV hinter uns, und meine beiden Securitys stiegen aus. Olga sah sich das Geschehen im Seitenspiegel an und sagte: »Jetzt ist die Kacke wirklich am Dampfen.«
Die vier Männer begrüßten sich. Es sah ein bisschen so aus wie ein Treffen unter Bekannten und nicht wie eine Polizeikontrolle. Sie sprachen einen Moment miteinander, dann kam der Beamte zu meinem Fenster und gab mir die Papiere zurück .
»Scusa«, murmelte er und tippte sich an die Mütze.
Olga sah mich verwundert an. »Er hat sich entschuldigt. Erstaunlich.«
Die Polizisten fuhren weiter, und einer der Männer kam zu mir ans Fenster und beugte sich herunter, so dass er mich sehen konnte.
»Wenn Sie das Auto testen wollen, können wir auf eine Rennbahn fahren. Wir haben die Erlaubnis von Don Massimo, Ihnen das Auto wegzunehmen, wenn Sie noch einmal versuchen, uns davonzufahren. Also setzen Sie sich jetzt zu uns ins Auto, oder Sie fahren langsamer.«
Ich nickte unglücklich. »Entschuldigung.«
Den Rest der Strecke absolvierten wir ohne Eile und Exzesse. Am Spa angelangt, wurden wir von dem Luxus und der Fülle an Anwendungen überwältigt. Im Angebot waren auch Programme für Schwangere, also konnte ich die Wohltaten dieses schönen Ortes ohne Angst nutzen.
Wir blieben fast fünf Stunden dort. Ein Mann würde sich wohl an die Stirn tippen, aber Frauen wissen, wie lange es dauert, sich zu pflegen. Anwendung für das Gesicht und den Körper, Massage, und dann der Standard: Pediküre, Maniküre, Nagellack, Friseur. Mit Rücksicht auf die kommende Feier wählte ich Farben, die der meines Kleides ähnlich waren. Ich musste zusehen, dass ich mich bereit machte, so weit es ging, deshalb vertraute ich dem begabten Friseur und bat ihn, meinen Haaransatz nachzufärben. Zu meiner Freude kam Marco, ein hundertprozentiger Homosexueller, wunderbar mit der Aufgabe zurecht, was mich ermunterte, ihn die Haare auch nachschneiden zu lassen .
Duftend, schön und entspannt, setzten wir uns auf die Terrasse und aßen zu Abend.
»Du isst zu wenig, Lari. Das ist deine erste Mahlzeit heute. Du weißt schon, dass das so nicht geht?«
»Mir ist andauernd schlecht. Mich würde interessieren, ob du in diesem Fall Lust hättest zu essen. Außerdem macht mich der Gedanke an Samstag fertig.«
»Hast du Zweifel? Du musst das ja nicht machen, das weißt du. Ein Kind bedeutet nicht automatisch, dass du heiraten musst. Heiraten dagegen ist eine Verbindung fürs Leben.«
»Ich liebe ihn, ich will ihn heiraten und ihm so schnell wie möglich sagen, dass wir ein Kind bekommen, weil mich jetzt schon quält, dass er es nicht weiß«, sagte ich.
Nach Vorspeise, Suppe, Hauptgang und Dessert konnte ich mich kaum mehr rühren. Wir schleppten uns zum Auto und stiegen ein.
»Mir ist schon wieder schlecht, aber diesmal weil ich mich überfressen habe«, sagte ich und startete das Auto.
Im Rückspiegel sah ich die Lichter des SUV angehen, dann fuhren wir los. Ich stellte das Navi ein. Um diese Uhrzeit war wenig Verkehr, also drückte ich den Knopf für den Tempomat und stützte den Kopf in meine linke Hand. So eine Automatikschaltung hatte Vor- und Nachteile – ich wusste nicht, was ich mit meiner rechten Hand machen sollte. Olga spielte mit ihrem Handy herum und beachtete mich nicht, und ich war von dem Essen schrecklich müde.
Als wir am Ätna vorbeikamen, sah ich einen Lavastrom sich den Berg hinabwälzen. Dieser Anblick war wunderbar und erschreckend gleichzeitig. In das ungewöhnliche Bild versunken, bemerkte ich gar nicht, wie der SUV hinter uns immer näher kam. Als ich in den Rückspiegel sah, spürte ich schon den Stoß von hinten.
»Was machen die da, verdammt?«, schrie ich. Olga klammerte sich an den Sitz.
Das Auto rammte uns noch einmal und versuchte, uns von der Straße abzudrängen. Ich stieg aufs Gaspedal.
Dann warf ich Olga meine Tasche hinüber und stieß hervor: »Such das Handy und ruf Domenico an.«
Panisch wühlte Olga in der Tasche, bis sie das Handy endlich fand. Der schwarze SUV gab sich nicht geschlagen und raste uns hinterher, aber der Motor meines Porsche war zum Glück stärker. Wir hatten eine Chance zu entkommen.
»Du musst ihn nur anrufen. Das Telefon ist mit der Freisprechanlage verbunden.«
Olga drückte das grüne Hörersymbol, ich hörte es klingeln und betete, Domenico möge rangehen.
»Wo bleibt ihr denn so lange?«, fragte die Stimme meines zukünftigen Schwagers endlich.
»Domenico, wir werden verfolgt!«, schrie ich, als ich ihn hörte.
»Laura, was ist passiert? Wer verfolgt euch? Wo seid ihr?«
»Unsere Securitys sind verrückt geworden, die haben uns gerammt. Was soll ich verdammt nochmal machen?«
»Das sind sie nicht. Sie haben mich vor fünf Minuten angerufen, dass sie immer noch vor dem Spa warten.«
Eine Welle des Entsetzens überkam mich. Ich durfte nicht in Panik verfallen, aber ich wusste auch nicht, was ich tun sollte .
»Bleib dran«, sagte er.
Ich hörte, wie er irgendetwas auf Italienisch schrie, dann meldete er sich wieder.
»Die Leute sind jetzt losgefahren. Gleich haben wir euch auf dem Bildschirm. Keine Angst, sie kriegen euch. Wie schnell seid ihr?«
Ich sah auf den Tacho.
»Zweihundertsieben.«
»Schau, ich weiß nicht, was für ein Auto hinter euch her ist, aber wenn du dachtest, dass es unsere Leute sind, ist es wahrscheinlich ein Range Rover. Er hat nicht so viel Leistung wie dein Porsche. Wenn du dich traust, kannst du sie vielleicht abhängen.«
Ich drückte das Gaspedal durch, das Auto schoss voran, und die Lichter des hinter uns fahrenden Wagens blieben zurück.
»In fünfzehn Kilometern gibt es eine Ausfahrt nach Messina, nimm die. Meine Leute fahren schon in eure Richtung, und eure Security ist etwa dreißig Kilometer hinter euch. Du weißt, nach der Ausfahrt kommt die Bezahlstation, also musst du bremsen. Wenn ihr ihnen bis dahin nicht entwischt seid, dann öffnet auf keinen Fall das Fenster und bleibt im Wagen sitzen. Der ist kugelsicher, es passiert euch also nichts.«
»Was? Die wollen auf uns schießen?«
»Ich weiß nicht, was die wollen, aber im Auto seid ihr sicher.«
Als ich das hörte, klingelten mir die Ohren, mein Herz schlug wie verrückt. Ich nahm alle mir verbliebene Kraft zusammen. Ein Blick in den Spiegel sagte mir, dass die Lichter des Autos hinter mir kaum mehr zu sehen waren. Erneut gab ich Gas. Wie dumm, dachte ich. Entweder ich habe einen Unfall und sterbe, oder sie bringen mich um. Dann sah ich das Schild für die nächste Ausfahrt.
»Domenico, da ist die Ausfahrt.«
Ich hörte, wie er etwas auf Italienisch sagte, dann wandte er sich auf Englisch an mich: »Sehr gut. Sie sind schon fast an der Station. Ein schwarzer BMW mit vier Männern. Paulo kennst du schon. Wenn du sie siehst, fährst du so dicht wie möglich an den Wagen heran.«
Auf der Ausfahrt bremste ich ab und betete, dass sie schon da waren. Als ich um die Kurve fuhr, sah ich, wie der schwarze BMW anhielt und vier Männer ausstiegen. Kurz vor dem Heck des Autos stoppte ich.
Paolo öffnete die Tür und zog mich aus dem Wagen. Er setzte mich auf den Rücksitz des SUV und fuhr mit quietschenden Reifen an. Ich versuchte, gleichmäßig zu atmen, um mein Herz zu beruhigen. Aus der Freisprechanlage hörte ich Domenico, der ruhig mit meinem Fahrer sprach.
In der ganzen Aufregung hatte ich Olga total vergessen. Aber zum Glück saß sie schon vorn, den Blick allerdings starr auf die Windschutzscheibe gerichtet.
»Olga, ist alles okay?«, fragte ich und griff nach ihrem Arm.
Sie drehte sich zu mir um, aus ihren Augen liefen Tränen. Dann schnallte sie sich ab, kam zu mir nach hinten und fiel mir schluchzend um den Hals.
»Gott, Lari, was war das?«
Ich umarmte sie, wir weinten und zitterten zusammen. Ich spürte, wie erschrocken sie war, zum ersten Mal sah ich sie so schwach. Obwohl ich mich selbst gerade noch schwach gefühlt hatte, musste ich mich jetzt um sie kümmern.
»Es ist alles in Ordnung, wir sind jetzt sicher. Sie wollten uns nur erschrecken.«
Ich glaubte selbst nicht, was ich da sagte.
Zu Hause wartete Domenico schon auf uns. Sobald das Auto angehalten hatte, öffnete er die Tür auf meiner Seite. Ich stieg aus und warf mich in seine Arme.
»Ist alles in Ordnung? Oder geht es dir schlecht? Der Arzt ist schon unterwegs.«
»Mir ist nichts passiert«, flüsterte ich, ohne ihn loszulassen.
Olga stieg aus und presste sich in Domenicos zweiten Arm.
Domenico brachte uns in den großen Salon im Erdgeschoss. Zwanzig Minuten später kam der Arzt, maß mir den Blutdruck und gab mir Herztabletten. Anschließend kümmerte er sich um Olga. Sie war noch immer ganz aufgelöst, also verabreichte er ihr ein Beruhigungsmittel. Domenico nahm sie bei der Hand und führte sie in ihr Zimmer. Als die beiden verschwunden waren, riet mir der Arzt, unverzüglich einen Termin beim Frauenarzt zu vereinbaren, um sicherzugehen, dass dem Kind nichts passiert war. Ich fühlte mich ziemlich gut, sofern das nach einem solchen Zwischenfall möglich war, deshalb war ich auch nicht beunruhigt. Der Stoß war nicht stark gewesen, der Gurt hatte eher am Schlüsselbein gescheuert als am Bauch, aber ich teilte seine Meinung, dass es besser war, das nachzuprüfen. Dann kam Domenico zurück, und der Arzt verabschiedete sich .
»Hör mal, Laura, du musst mir jetzt ganz genau sagen, was passiert ist.«
»Wir sind aus dem Spa gekommen, und der Portier hat mir den Schlüssel gegeben.«
»Wie hat der Portier ausgesehen?«, unterbrach er mich.
»Weiß ich nicht. Er sah aus wie ein Italiener, aber ich habe ihn mir nicht genau angesehen. Dann sind wir eingestiegen, und hinter uns ist ein schwarzer SUV losgefahren. Ich dachte, das wären unsere Securityleute. Und dann fing auf der Autobahn dieser Horror an. Den Rest weißt du.«
Als ich geendet hatte, klingelte sein Telefon, und er verließ wütend das Zimmer.
Beunruhigt lief ich ihm hinterher. Domenico rannte durch die Tür nach draußen zu unseren Securityleuten, die gerade vor dem Haus hielten.
Als die Männer ausstiegen, verpasste er erst dem einen, dann dem anderen einen Faustschlag und trat dann zu dem Fahrer. Die Leute aus dem BMW , die auch dabeistanden, hielten den Fahrer fest, während Domenico ihn wütend mit den Fäusten traktierte und zu Boden warf, wo er weiter auf ihn einschlug.
»Domenico!«, schrie ich erschrocken.
Er erhob sich und ließ den reglosen Mann auf dem Boden liegen. Er kam zu mir.
»Mein Bruder wird sie sowieso umbringen«, verkündete er und wischte sich die blutverschmierten Hände an der Hose ab. »Ich bring dich in dein Zimmer, komm.«
Oben setzte ich mich aufs Bett, während sich Domenico waschen ging. Die Medikamente wirkten allmählich, und ich wurde müde .
»Laura, keine Angst, diese Situation wird sich nicht wiederholen. Wir werden die Arschlöcher finden.«
»Versprich mir, dass du die Security nicht umbringst«, flüsterte ich und sah ihm in die Augen.
Er verzog das Gesicht und lehnte sich gegen den Türrahmen.
»Ich kann dir das schon versprechen, aber letztlich trifft Massimo die Entscheidung. Hör auf, daran zu denken. Es ist alles vorbei.«
Ich hörte, wie jemand an der Tür klopfte, und Domenico ging nach unten und kam mit einer Tasse Kakao zurück.
»Eigentlich würde ich dir jetzt einen Schnaps bringen«, sagte er und stellte die Tasse auf den Nachttisch. »Aber momentan bleibt dir nur Kakao. Ich muss gleich gehen, aber ich warte noch, bis du im Bett bist.«
Ich ging ins Ankleidezimmer, zog ein T-Shirt von Massimo an und legte mich ins Bett.
»Gute Nacht, Domenico. Und danke für alles.«
»Entschuldigung«, sagte er und ging zur Treppe. »Du weißt, beim Bett ist ein Knopf. Wenn du etwas brauchst, musst du nur drücken.«
Ich drehte mich auf die Seite und machte den Fernseher an. Dann schaltete ich mit der Fernbedienung alle Lichter aus und ließ den Kopf ins Kissen sinken. Ich sah noch einen Moment lang die Nachrichten, dann schlief ich irgendwann ein.
Mitten in der Nacht wachte ich auf, der Fernseher lief noch immer. Ich drehte mich nach der Fernbedienung auf dem Nachttisch um und erstarrte. Im Sessel neben dem Bett saß Massimo und betrachtete mich. Ich blieb liegen und sah ihn an, unsicher, ob ich noch schlief oder ob er tatsächlich da war.
Dann erhob Massimo sich, fiel auf die Knie und legte den Kopf an meinen Bauch.
»Mein Liebling, es tut mir so leid«, flüsterte er und umarmte mich.
Ich schlüpfte aus dem Bett und schlang meine Arme um ihn. Eng umschlungen saßen wir auf dem Boden.
»Du darfst sie nicht umbringen, hörst du? Ich habe dich noch nie um etwas gebeten, aber jetzt muss ich. Ich will nicht, dass wegen mir noch mehr Menschen sterben.«
Massimo sagte nichts, sondern blieb einfach sitzen. So saßen wir eine Viertelstunde, und ich hörte seinem Atem zu.
»Es ist meine Schuld«, sagte er, hob mich vom Boden auf, legte mich aufs Bett und deckte mich zu. Dann setzte er sich neben mich. Er war offensichtlich überstürzt aufgebrochen, denn er trug noch immer seinen Smoking. Ich strich über sein Jackett.
»Warst du auf einer Party?«
Massimo sah nach unten und zog sich die lockere Fliege aus dem Kragen.
»Ich habe dich enttäuscht. Ich habe dir versprochen, dich zu beschützen, damit dir nichts passiert. Nur drei Tage war ich weg, und du bist wie durch ein Wunder dem Tod entkommen. Ich weiß immer noch nicht, wer das war und wie es passieren konnte, aber ich verspreche dir, ich werde diese Leute finden«, knurrte er und stand auf. »Laura, vielleicht ist das alles keine gute Idee. Ich liebe dich so sehr, aber ich finde es schrecklich, mir vorzustellen, dass du wegen mir sterben könntest. Dass ich dich hergebracht habe, war sehr egoistisch, und jetzt, wo die Situation so instabil ist, bin ich mir überhaupt nicht mehr sicher.«
Ich sah ihn erschrocken an.
»Ich glaube, du solltest für eine Weile untertauchen. Es stehen einige Veränderungen an, und so lange sie nicht eingeführt sind, bist du auf Sizilien nicht sicher.«
»Was redest du da, Massimo?«, sagte ich und sprang aus dem Bett. »Du willst mich wegschicken? Zwei Tage vor der Hochzeit?«
Er drehte sich um, nahm mich beim Arm und sah mir in die Augen. »Willst du das denn überhaupt, Laura – mich heiraten? Vielleicht wäre es besser, ich bliebe allein. Andernfalls verurteile ich dich zu einem Leben in ständiger Gefahr.«
Er ließ mich los und ging zur Treppe.
»Ich war dumm zu glauben, dass wir eine Zukunft haben.« Er blieb stehen und drehte sich um. »Du hast einen besseren Mann verdient, Kleines.«
»Scheiße, ich glaub’s einfach nicht!«, schrie ich und rannte zu ihm. »Das fällt dir jetzt ein? Nach fast drei Monaten, nach dem Heiratsantrag und nachdem du mir ein Kind gemacht hast?«