KAPITEL 18
JUDE
Die Zitadelle von Pallas Athos befand sich auf einem Felsplateau, das aus der zweithöchsten Ebene der Stadt herausragte. Von hier oben konnte Jude die ganze Stadt – von den leuchtenden Kalksteingebäuden der Oberstadt bis zu den ärmeren Vierteln, die sich zwischen dem Berghang und dem Hafen drängten – überblicken.
Hector und er trafen den Hauptmann der Stadtwache im Innenhof der Zitadelle, einem großen, mit hellen Steinquadern gepflasterten Sechseck, um das sich die Hauptgebäude reihten – die Arrestzellen, die Kaserne und der Gefängnisturm.
»Zum Henker«, brummte der Hauptmann, als er auf sie zutrat. »Ich habe darum gebeten, den Hüter der Botschaft zu sprechen, und bekomme stattdessen einen Kastraten geschickt.«
Jude stieg die Hitze ins Gesicht, und er setzte zu einer Erwiderung an, um den Hauptmann zu korrigieren.
Aber Hector war schneller. »Das ist der Hüter der Botschaft, an Eurer Stelle würde ich also etwas mehr Respekt zeigen.«
Der Hauptmann ließ sichtlich unbeeindruckt den Blick über Jude wandern. »Ihr seid der Hüter? Tja … wenn das so ist, stehen wir nicht länger hier herum. Ich habe schließlich nicht den ganzen Tag Zeit.« Er wandte sich um und marschierte über den Hof davon.
Jude fing Hectors Blick auf, als sie ihm folgten. Der schüttelte mit einem kleinen Lächeln den Kopf, was Jude hinsichtlich des ungehobelten Benehmens des Hauptmanns ein winziges bisschen besänftigte.
»Der Archon basileus hat mich gebeten, Euch zu treffen«, sagte der Hauptmann, als er sie entlang der Außenmauer eine Treppe hinaufführte.
»Warum hat er das nicht selbst übernommen?«, fragte Jude.
Der Hauptmann schnaubte. »Ihr werdet schon sehr bald herausfinden, dass so gut wie niemand in dieser Stadt für irgendetwas selbst den Finger rührt, es sei denn, um sich mit Huren zu betrinken.«
Jude zuckte zusammen. »Was wollt Ihr damit sagen? Diese Stadt wird vom priesterlichen Konklave regiert, einem Vorbild an Frömmigkeit und Glauben für Pallas Athos – und die ganze Welt.«
Der Hauptmann schnaubte erneut. »Vielleicht vor hundert Jahren, als diese Stadt noch einen Glauben hatte . Heute gibt es hier nur noch Parasiten, die ihr das Mark aussaugen.«
Jude war fassungslos über die Worte des Hauptmanns und die Ungerührtheit, mit der er sie aussprach. Wenn in dem, was er gesagt hatte, auch nur ein Funken Wahrheit steckte, war Pallas Athos weit davon entfernt, der Inbegriff von Glauben und Frömmigkeit zu sein, der diese Stadt gewesen war, als sie noch der Hauptsitz des Ordens war. Bei dem Gedanken, dass die Stadt des Glaubens eine Brutstätte für Laster und Verderbtheit geworden war, schauderte ihn. Es verstieß gegen alles, woran der Orden glaubte und was er selbst so verzweifelt aufrechtzuerhalten versuchte.
»Wie … fühlt Ihr Euch etwa gekränkt?« Der Hauptmann warf Jude einen Blick über die Schulter zu. »Was habt Ihr denn geglaubt, was mit dieser Stadt passiert ist, nachdem der Orden sie im Stich gelassen hat? Oder habt ihr einfach alle die Augen davor verschlossen und so getan, als wären die Propheten nie verschwunden und alles wäre seitdem so geblieben, wie es war?«
»Der Orden verschließt vor nichts die Augen«, erwiderte Jude scharf.
»Mit Verlaub, Hauptmann«, ging Hector dazwischen. »Wir wissen, dass der Orden schon sehr lange nichts mehr für die Verteidigung dieser Stadt getan hat, aber nun sind wir hier.«
Dankbarkeit durchströmte Jude für Hectors wohlgesetzte Worte.
»Und was genau bedeutet das?«, fragte der Hauptmann. »Wollt ihr, dass Pallas Athos wieder so wird, wie es war? Dafür ist es zu spät. Als ihr Euch aus dem Staub gemacht habt, gab es in dieser Stadt niemanden mehr, der für ihre Einwohner eingestanden ist. Die Priester scheren sich nicht darum, was hier vor sich geht, solange sie weiterhin tun und lassen können, wonach ihnen ihr lasterhafter Sinn steht. Man hat es den Stadtwächtern übertragen, für Recht und Ordnung zu sorgen, aber wir sind nicht begnadet so wie Ihr.«
Zum ersten Mal in seinem Leben fragte Jude sich, ob seine Vorgänger einen Fehler begangen hatten. Die Paladine waren die Diener der Propheten und hatten die Stadt verlassen, um ihr letztes Geheimnis zu wahren. Aber was, wenn sie damit die Untertanen der Propheten im Stich gelassen hatten, als diese sie am meisten gebraucht hätten? Läge es dann nicht in ihrer Verantwortung, was aus der Stadt des Glaubens geworden war?
»Aber damit nicht genug«, fuhr der Hauptmann fort und nickte zwei an ihnen vorbeieilenden Wächtern zu. »Seit die Blasse Hand hier ihr Unwesen treibt, müssen wir auch noch verstärkt Patrouillen in der Oberstadt gehen und haben keine ruhige Minute mehr.«
»Die Blasse Hand?«, fragte Jude.
Hector, der neben ihm ging, blieb wie angewurzelt stehen.
»Genau«, erwiderte der Hauptmann, der nun ebenfalls stehen blieb und sich zu ihnen umwandte. »Letzte Woche wurde ein Priester umgebracht. Er hatte einen hellen Handabdruck auf seiner Kehle. Wirklich mysteriös. Unsere Männer suchen Nacht für Nacht die Stadt nach ihr ab, bisher ohne Erfolg. Und offenbar sind wir nicht die erste Stadt, die von der Blassen Hand heimgesucht wird.«
»Wir haben von den Todesfällen in anderen Städten gehört«, sagte Jude vorsichtig. »Aber uns war nicht bekannt, dass es auch hier in Pallas Athos ein Opfer gegeben hat.«
In so unmittelbarer Nähe zum Letzten Propheten.
Jude sah zu Hector, der seltsam still geworden war und seine dunklen Augen gespannt auf den Hauptmann der Stadtwache geheftet hatte.
Der Hauptmann ließ den Blick zwischen ihnen hin und her wandern. »Es überrascht mich ehrlich gesagt, dass Ihr von einer Handvoll mysteriöser Morde gehört habt, aber nichts darüber zu wissen scheint, was in dieser Stadt vor sich geht, seit Ihr sie verlassen habt.«
Jude schluckte. »Es ist möglich, dass wir nicht über sämtliche Vorkommnisse im Einzelnen unterrichtet sind«, sagte er. Was auch immer jenseits der Mauern des Kastells von Kerameikos vor sich ging, war für den Orden nur dann von Bedeutung gewesen, wenn es etwas mit dem Auffinden des Propheten zu tun hatte. Er fragte sich, was der Orden sonst noch unbeachtet gelassen hatte.
»Wie dem auch sei«, sagte der Hauptmann. »Kommen wir zum eigentlichen Grund, aus dem ich Euch hierhergebeten habe.«
»Die Priester möchten wissen, warum wir zurückgekehrt sind«, sagte Hector.
Der Hauptmann zog eine Braue hoch. »Das würde so ziemlich jeder hier gerne wissen.«
Noch durfte nicht zu viel über die letzte Prophezeiung und Prinz Hassan nach außen gelangen, weshalb Jude ihm nur die halbe Wahrheit sagte. »Der Orden ist sehr besorgt über die zunehmende Stärke und den wachsenden Einfluss des Hierophanten. Die Zeugen sind mittlerweile in fast jeder der Sechs Prophetischen Städte in großer Zahl präsent, und der Hierophant, der in der Vergangenheit lediglich eine Handvoll verzweifelter Anhänger anführte, hat in der Zwischenzeit die Hauptstadt von Herat eingenommen.«
Der Hauptmann nickte. »Das ist uns nicht entgangen. Die Zahl der Zeugen nimmt schon seit einer Weile stetig zu, aber seit der Ankunft der Flüchtlinge aus Herat kommen sie zunehmend aus der Deckung. Es ist erst wenige Wochen her, da haben sie am Rand der Oberstadt den Schrein eines Priesters niedergebrannt. Und sie haben sich auch schon bis zum Tempel von Pallas vorgewagt. Sie behaupten, der Hierophant wäre einst irgendwo Akolyth gewesen. Wisst Ihr irgendetwas darüber?«
»Das ist eine Lüge«, antwortete Jude, »die seine Anhänger glauben machen soll, er verfüge in Bezug auf die Propheten und die Begnadeten über alles Wissen. Denn so kann er ihnen weiter einreden, dass die Macht der Begnadeten die Wurzel allen Übels ist und ausgemerzt werden muss.«
»Dann ist er nichts weiter als ein Scharlatan?«, fragte der Hauptmann. »Ein Opportunist, der aus purem Machthunger Lügen verbreitet?«
Jude zögerte. »Er führt die Menschen hinters Licht, aber sein Fanatismus ist echt. Er hasst die Begnadeten zutiefst und ist bereit, alles zu tun, um sie auszulöschen.«
Der Hierophant war ein Betrüger, ein meisterhafter Rhetoriker und Lügner, dessen Ziel es war, so viele Anhänger wie möglich um sich zu scharen. Aber dem Kern seiner Lügen schien eine unerschütterliche Überzeugung zugrunde zu liegen – dass die Welt ein besserer Ort wäre, wenn es ihm gelänge, die Begnadeten auszulöschen.
»Dann ist es den Zeugen mit ihrem Gerede über diesen Tag der Vergeltung also ernst?«, fragte der Hauptmann. »Und deswegen seid Ihr aus Eurem Versteck herausgekommen?«
Jude mahlte mit dem Kiefer. Der Orden hatte sich nicht in Kerameikos versteckt . Er hatte gewartet.
Bevor er sich für eine angemessene Antwort entscheiden konnte, die nicht zu viel preisgeben würde, setzte lautes Glockengeläut ein. Es folgte einem sich wiederholenden Rhythmus – einmal lang, zweimal kurz. Aus der Ferne drang das Geräusch eiliger Schritte und hektisch gebellter Befehle zu ihnen.
»Was haben diese Glocken zu bedeuten?«, rief Hector, um den Lärm zu übertönen.
»Dass einer unserer Gefangenen zu fliehen versucht«, antwortete der Hauptmann, wirkte aber nicht sonderlich alarmiert.
Jude verstand nicht, wie der Hauptmann so ruhig bleiben konnte. »Kommt so etwas oft vor?«
»Nein«, antwortete der Hauptmann. »Keine Angst. Wer innerhalb dieser Mauern zu fliehen versucht, kommt nicht weit.«
Vom Exerzierhof unter ihnen drang lautes Geschrei herauf. Als Jude hinunterschaute, sah er, wie drei schon ziemlich außer Atem wirkende Wächter eine schwarz gekleidete Gestalt verfolgten.
Ohne nachzudenken, führte Jude in schneller Abfolge zwei Koahs aus und sprang von den Stufen auf den Platz hinunter. Aus dem Augenwinkel sah er, dass Hector es ihm gleichtat.
Jude sprintete zum Rand des Hofs, um dem Flüchtigen den Weg abzuschneiden. Ihm fiel erst einen Augenblick später auf, dass es ein Mädchen war, das seinem Aussehen nach aus dem Ödland im Osten des Pelagos stammte. Auf ihrem Gesicht lag ein entschlossener Ausdruck, und als sie ihn entdeckte, scherte sie aus und rannte hinter einen Ständer mit hölzernen Übungsschwertern.
Bevor Jude Zeit zu reagieren hatte, hatte Hector schon einen Satz gemacht und kam direkt vor dem Mädchen wieder auf dem Boden auf, das sich jedoch nicht länger mit dem eben gescheiterten Plan aufhielt, sondern stattdessen versuchte, über eine niedrige Mauer zu springen, die den Platz säumte.
Aber Hector war schneller. Bevor sie auch nur einen Fuß auf die Mauer stellen konnte, hatte er sie am Arm gepackt und riss sie zurück. Sie wehrte sich mit aller Kraft gegen seinen Griff, bis es Hector gelang, auch ihren anderen Arm zu packen und sie so zu sich umzudrehen, dass sie sich gegenüberstanden.
Jude beobachtete verwirrt und besorgt, wie Hectors Augen sich weiteten und ein fassungsloser Ausdruck über sein Gesicht huschte.
Das Mädchen nutzte den Moment seiner seltsamen Erstarrung, um sich loszureißen und an ihm vorbei auf das Tor zuzuhetzen.
Doch sie kam nicht weit. Mittlerweile strömten von allen Seiten Stadtwächter auf den Platz und umzingelten sie. Das Mädchen wich zurück, versuchte aber nicht wirklich, sich zu wehren, als ihr die Hände auf den Rücken gebunden wurden.
»Mit einem Fluchtversuch machst du deine Lage nicht besser«, sagte der Wächter, der direkt hinter ihr stand. »Du hättest in deiner Zelle bleiben sollen.«
Der Wächter konnte ihren finsteren Blick nicht sehen, aber Jude schon.
»Legt sie in ihrer Zelle an die Kette«, rief er zwei anderen Wächtern hinterher, als sie sich daranmachten, sie vom Hof zu zerren.
Jude ging über den Platz auf Hector zu, der immer noch wie versteinert dastand, einen bestürzten Ausdruck in seinem aschfahlen Gesicht.
»Hector?« Jude musterte seinen Freund besorgt. »Was ist mit dir?«
»Diese Gefangene«, sagte Hector, aber er richtete die Worte nicht an Jude, sondern an den Hauptmann der Stadtwache, der ihnen mittlerweile gefolgt war. »Wer ist sie?«
Der Hauptmann schüttelte den Kopf. »Das wissen wir nicht genau. Die Patrouille hat sie im Tarseistempel aufgegriffen. Sie und noch einen weiteren Übeltäter. Wir glauben, dass sie versucht haben, ihn zu plündern.«
Die Stadtwächter hatten das Mädchen mittlerweile abgeführt, aber Hectors Blick war noch immer auf das Tor gerichtet, durch das sie mit ihr verschwunden waren.
»Hector«, raunte Jude. »Was geht hier vor?«
»Das ist keine Tempelplünderin«, sagte Hector. »Das ist die Blasse Hand.«
»Was?« Der Hauptmann schüttelte ungläubig den Kopf. »Das ist ausgeschlossen. Ich habe Euch doch gesagt, dass meine Männer seit dem Mord an dem Priester Nacht für Nacht jeden Winkel in dieser Stadt nach der Blassen Hand absuchen.«
»Nun, sieht ganz so aus, als hätten sie sie gefunden.«
Der Hauptmann zog seine buschigen Brauen zusammen. Er sah so verwirrt aus, wie Jude sich fühlte.
Aber Hector war nicht davon abzubringen. »Lasst mich mit ihr sprechen, dann beweise ich es.«
Der Blick des Hauptmanns wanderte zu Jude, als wollte er zuerst abwarten, was er dazu zu sagen hatte. Als Jude schwieg, atmete er tief durch, murmelte: »Ich werde sehen, was ich tun kann«, und marschierte davon.
Sobald sie allein waren, wandte Jude sich wieder Hector zu. »Jetzt rede endlich. Was hat das alles zu bedeuten?«
»Sie ist die Blasse Hand, Jude. Ich weiß es.«
»Woher willst du das so genau wissen?«, fragte Jude.
»Weil ich sie schon einmal gesehen habe«, antwortete Hector.
»Was?«, sagte Jude. Das konnte nicht sein. »Wovon sprichst du?«
»Ich habe die Blasse Hand gesehen«, wiederholte Hector. »Vor fünf Jahren.«
Vor fünf Jahren. Kurz bevor Hector von den Akolythen des Ordens im Kerictempel gefunden worden war. Kurz bevor Hectors Eltern gestorben waren.
Jude trat einen Schritt zurück, ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken. »Deine Eltern …«
»Ich erinnere mich noch genau an den Handabdruck, den sie auf der Brust meines Vaters hinterlassen hat«, sagte Hector mit gequältem Blick. »Ich sehe ihn immer noch vor mir, wenn ich nachts wach liege.«
Jude wusste, dass Hector eine Waise war, aber sie hatten nie über die Zeit gesprochen, bevor er nach Kerameikos gekommen war.
»Warum hast du mir nie etwas davon gesagt?«, fragte Jude. »In all den Jahren, die wir gemeinsam in Kerameikos verbracht haben, hast du mir nie erzählt, wie deine Eltern gestorben sind.«
Zu Beginn ihrer Freundschaft hatte Jude ihn immer wieder vorsichtig darauf angesprochen, weil er geglaubt hatte, ihm vielleicht ein bisschen Trost spenden zu können. Aber jedes Mal, wenn Jude von seiner Vergangenheit angefangen hatte, hatte Hector verschlossen reagiert und war kühl und distanziert geworden. Bis Jude es irgendwann aufgegeben hatte.
Hector senkte den Blick. »Ich … ich wusste nicht, wie.«
»Aber du hast all die Zeit gewusst, wer die Blasse Hand ist?«, sagte Jude. »Und es … vor dem Orden geheim gehalten?«
»So war es nicht«, sagte Hector. »Als meine Eltern starben, wusste ich noch nichts von der Prophezeiung. Selbst nachdem ich nach Kerameikos gekommen war, wusste ich nicht, dass die Blasse Hand etwas damit zu tun hat. Das änderte sich erst, als du dein Jahr der inneren Betrachtung begonnen hast und ich achtzehn wurde.«
Natürlich. Als Nachkomme des Hüters der Botschaft war er schon seit seiner Kindheit mit dem Inhalt der letzten Prophezeiung vertraut. Die anderen Paladinanwärter, die wie Hector in Kerameikos aufgezogen wurden, wurden erst eingeweiht, wenn sie ihre Mündigkeit erreichten. Hector kannte den genauen Wortlaut der Prophezeiung also erst, seit Jude sein Jahr der inneren Betrachtung angetreten hatte. War das der Grund dafür gewesen, warum er den Orden verlassen hatte?
»Und du bist dir sicher«, begann Jude, »dass dieses Mädchen, das du zuletzt vor fünf Jahren gesehen hast, wirklich diese … Gefangene ist? Du hast sie nur einen Moment lang gesehen.«
»Jude«, sagte Hector und sah ihm fest in die Augen. »Sie ist es.«
Die blasse Hand des Todes bringt die Frevler zu Fall. Die zweite Vorbotin des Zeitalters der Dunkelheit. Hier, in derselben Stadt wie der Letzte Prophet.
»Gut«, sagte Jude. »Dann sprechen wir mit ihr und finden die Wahrheit heraus.«
Hector nickte und trat an ihm vorbei auf das Tor zu, durch das die Wächter das Mädchen abgeführt hatten. Jude zögerte. Er fragte sich, ob Hector sich nicht zu viel zumutete. Wenn er recht hatte, würde er gleich der Mörderin seiner Eltern gegenübertreten. Sollte er nicht erst einmal versuchen, ohne Hector mit ihr zu sprechen?
Doch schließlich schüttelte er seine Zweifel ab und folgte ihm. Hector hatte einen Eid abgelegt, denselben wie Jude. Er war der Prophezeiung verpflichtet. Dem Letzten Propheten. Ganz gleich, was für Gefühle er sonst noch hegte, er würde sie beiseiteschieben müssen.