Damit wir auf der gleichen Wellenlänge sind, will ich hier „Streit“ definieren. Ein Streit ist ein verbaler Konflikt von Überzeugungs-Systemen, dessen Zweck darin besteht, den anderen ins Unrecht zu setzen und die Gründe dafür zusammenzutragen, warum die Beziehung nicht funktioniert, statt eine funktionierende Beziehung zu haben. Wenn es dieser Definition nicht entspricht, ist es kein Streit, und was ich gleich sagen werde, trifft nicht zu. Es ist nun einmal so, dass Streitigkeiten mit viel Unbewusstem vollgekleistert sind. Es wird für Sie schwer sein, zu erkennen, ob das, was Sie haben, Streitgespräche sind oder nicht. Wenn Sie nicht sicher sind, dann sind es welche. Der entscheidende Anhaltspunkt ist Ihre mangelnde Klarheit.
Nun, es kursiert die Lüge, dass Streit unvermeidlich sei. Eine Menge Leute sind dieser Lüge verhaftet und versuchen, aus einer schlechten Situation das Bestmögliche zu machen, indem sie streiten für „therapeutisch“ erklären. Das ist völlig in Ordnung, und wenn Sie der Lüge Glaube schenken, Streit sei unvermeidlich, dann wird „therapeutisches“ Streiten das sein, worum es in Ihren Beziehungen geht.
Lassen Sie mich Ihnen eine Frage stellen. Wenn Sie in einen Streit verwickelt wären und plötzlich die andere Person würden, was würde dann mit dem Streit geschehen? Würden Sie weiterhin Ihre Einstellungen, Überzeugungen und Urteile verteidigen und dem anderen unrecht geben? Bedenken Sie, Sie sind jetzt die andere Person geworden, und Sie sind immer noch Sie selbst. Der Streit würde überflüssig werden, nicht wahr? Also lassen Sie mich Ihnen diesbezüglich die letztendliche Wahrheit sagen: Sie sind die andere Person. Wenn Sie wirklich wissen, wer Sie sind, sind Sie die/der andere. Die/der „andere“ ist eine Ausweitung Ihrer eigenen Wahrnehmungen. Darüber noch hinausgehend, einer genauen Beschreibung trotzend: Sie sind die/der andere. Deren Selbst ist das gleiche Selbst wie Ihres. Offensichtlich hat jeder einen anderen Verstand. Das ist aber, außer für das Streiten, irrelevant.
Ich spreche hier nicht von Kommunikation. Kommunikation ist ein Prozess, in dem Menschen einander klar werden, um sich das Leben gemeinsam befriedigend zu gestalten. Ich spreche von Streitgesprächen, bei denen der Zweck darin besteht, dem anderen unrecht zu geben. Streitgespräche sind nicht notwendigerweise laut und ausfallend. Sie können sehr gelassen und feinsinnig sein. Andererseits muss Kommunikation nicht notwendigerweise feinsinnig und höflich sein. Ob das, was Sie haben, eine Kommunikation oder ein Streitgespräch ist, hängt von Ihrer Intention bzw. deren Nichtvorhandensein ab. Der Diskussionsinhalt bestimmt nicht Ihre Intention in der Diskussion. Zweck von Streitgesprächen ist es, andere zu beherrschen, sie ins Unrecht zu setzen und zu kontrollieren. Das bringt nichts, aber machen Sie sich nichts draus. Zweck von Kommunikation ist es, Zufriedenheit in einer Beziehung herzustellen. Sie können jemanden total niederbrüllen, wenn Ihr Ausgangspunkt Kommunikation ist, wird es etwas bringen. Sie können vernünftig sein, was das Zeug hält – wenn es Ihrer Absicht entspricht, zu streiten, wird es niemals etwas bringen.
Wenn Sie einem Verstandes-Schema, sich mit Leuten zu streiten, verhaftet sind, werden Sie so lange daran festkleben, bis Sie es akzeptieren und anerkennen, dass Sie es verursachen. Bis Sie die Tatsache einsehen, dass es weder gut noch schlecht ist, dass es nur diese eine Sache, Konsequenzen genannt, gibt, bleiben Sie dem verhaftet. Wenn Sie meinen, es sei schlecht, sind Sie dem verhaftet. Ganz gleich, worüber Sie ein Urteil (Widerstand) haben, Sie werden daran in irgendeiner Form festhängen. Was Sie mit Sicht-zu-streiten machen können, ist: Es akzeptieren. Wenn Sie es akzeptieren, werden Sie merken, dass Sie dieses brennende Bedürfnis, im Recht zu sein, nicht mehr haben. Nun, so werden Sie auch wissen, dass Sie es akzeptiert haben: Es wird anfangen, sich aufzulösen. Das trifft übrigens auch für all Ihre anderen „Probleme“ zu. Als Nächstes werden Sie merken, dass Sie sich sowieso nur über Dinge streiten, die für Sie mit Zeug verbunden sind. Dann werden Sie sich entsinnen: Eine Sache mit Zeug zu verbinden, bedeutet, dass Sie mit einer falschen Ursache hantieren. Seien Sie sich dann dessen bewusst, dass Ihr Überleben nicht vom Rechthaben und dem „Gewinnen“ von Streitgesprächen abhängt. An diesem Punkt angelangt, sind Sie jetzt, was Streit betrifft, Ursache und haben jetzt die Wahl. Erkennen Sie, dass sich zu streiten nichts bringt, dass es immer Ihrer Teilnahme bedarf (es braucht immer zwei, um sich zu streiten). Dann kommunizieren Sie, wenn Sie etwas zu kommunizieren haben. Wenn nicht, seien Sie still. Ich versichere Ihnen, es ist in Ordnung, still zu sein oder einfach zu sein.
Schließlich gibt es da noch diese Überzeugung, Streit sei unvermeidlich. Die müssen Sie aufgeben, um Streit aus Ihrer Welt „auszuerleben“. Solange Sie diese Überzeugung für die Wahrheit halten, können Sie nicht beim Ursprung Ihrer Streitgespräche sein und haben nicht die Wahl, aufzuhören oder weiterzumachen. Streit ist nicht unvermeidlich. Sie müssen sich nicht streiten. Es gibt in der Welt keine diabolische Macht, die Sie zwingen kann, zu streiten. Die Vorstellung, dass es sie gäbe, ist ein kosmischer Witz, und ich finde ihn amüsant und erleichternd/erleuchtend. Und Erleuchtung ist der Zustand, in dem Sich-zu-streiten nicht nur nicht vorkommt, es ist nicht einmal angebracht, noch wird jemals daran gedacht. Die Welt mag im Dunklen liegen, aber Sie müssen das nicht.