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Das Böse |
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Sie können nicht größer sein, als Sie bereit sind, anzuerkennen, klein zu sein . |
Man könnte sagen, dass das Böse das Opfern der Lebendigkeit in Beziehungen um des Rechthabens willen ist. Ich bin hier nicht daran interessiert, Ihnen mitzuteilen, dass es in der Welt Böses gibt. Ich bin sicher, Sie wissen das. Was ich will, ist, das Böse bis zur Abstraktion auszudehnen, die es ihm ermöglicht, zu einem natürlichen Ende zu kommen. Alles, was bis auf die angemessene Ebene der Abstraktion ausgedehnt wird, löst sich auf – mit Ausnahme der fundamentalen Gesetze, welche das Universum bestimmen. Schwerkraft zum Beispiel wird sich auch bei absoluter Abstraktion nicht auflösen, da sie selbst eine absolute Abstraktion ist. Abstraktion (z.B. Schwerkraft) erzeugt Erleben (z.B. „etwas fällt“), und Erleben erzeugt Verstand. Das ist das genaue Gegenteil von dem, was Ihnen beigebracht worden ist: dass nämlich der Verstand Erleben erzeugt, und dies wiederum Abstraktion. Abstraktionen existieren jedoch nicht in Abhängigkeit von Ihrem Erleben. Die zutreffende Abfolge ist also: Abstraktion, Erleben, Verstand. Dann entwickelt der Verstand Begriffe, wie es seine Art des Zusammensetzens oder „Verstehens“ der Abstraktionen ist. Begriff ist aber nicht Abstraktion. Sie stehen sich diametral gegenüber. Das Böse wird ebenso wie die Begriffe vom Verstand hervorgebracht. Im Universum gibt es keine Abstraktion, die „das Böse“ genannt wird. Das Böse kann in der Abstraktion nicht einmal existieren, geschweige denn im Nichts, aus dem Abstraktion herrührt.
Das Böse wird so lange Bestand haben, wie ihm widerstanden wird . Der Widerstand dem Bösen gegenüber ist im Grunde genommen nichts anderes, als dass das Böse in einem Kontext des „Schlecht“-Seins gehalten wird. Die Konsequenzen des Bösen beziehe ich nicht in den ihm entgegengebrachten „Widerstand“ mit ein. Konsequenzen sind einfach Konsequenzen. Widerstand ist dasjenige, was das Weiterbestehen des Bösen verursacht. Mit anderen Worten: das Gesetz ist das Gesetz. Das Gesetz ist nicht „Widerstand“ und hat mit dem Andauern oder Nichtandauern des Bösen nichts zu tun, wie Sie vielleicht schon bemerkt haben. Was den Fortbestand des Bösen erlaubt, ja erst ermöglicht, ist das rechthaberische Urteil, das wir ihm überstülpen. Das ist der Treibstoffvorrat für das Böse, um seinen Motor laufen zu lassen. Es ist also unsere mangelnde Bereitschaft, uns mit der Quelle des Bösen zu konfrontieren: unserem eigenen Verstand. Das ermöglicht den Fortbestand des Bösen.
Merkwürdig ist die individuelle Wahrnehmung des Bösen. Vom Verstand aus gesehen existiert das Böse immer „außerhalb“ des Verstandes. Das sollte Sie nicht weiter überraschen, denn Sie wissen, der Verstand denkt, er würde dadurch überleben, dass er sich selbst recht gibt. Dazu definiert er das Böse so, dass er sich nicht damit konfrontieren muss. Da die Definition des Verstandes vom Bösen nicht funktioniert, um dessen Verschwinden verursachen zu können, lassen Sie uns genauer betrachten, was das Böse ist. Dann werden wir uns die Definition ansehen, die das Böse bis auf die Ebene der Abstraktion ausweitet und ihm erlaubt, zu verschwinden. Der Verstand definiert das Böse folgendermaßen: alles, was irgendjemand tut (vielleicht sogar denkt) und was merklich außerhalb dessen liegt, was der Verstand für richtig hält. Diese Definition taugt dazu, Leuten unrecht zu geben; und wenn sie zum Gesetz gemacht und angewandt wird, taugt sie dazu, Leute einzusperren. Unglücklicherweise tut sie nichts, was das Verschwinden des Bösen bewirken könnte. Was ist das Böse wirklich? Ich meine, was ist die Definition, die die Wahrheit repräsentiert und dem Bösen erlaubt, zu sein und zu verschwinden?
Das Böse ist jeder Gedanke mit der Intention, irgendein Individuum oder eine Gruppe von Individuen auszuschließen, um so eine Handlung gegen sie zu rechtfertigen, die ihre Lebendigkeit und das Erleben ihres Wertes beeinträchtigt. Es ist der Ausverkauf der Lebendigkeit, um recht zu haben und andere ins Unrecht zu setzen. Beachten Sie, dass der Gedanke das Böse ist, nicht die Handlung. Es ist, wenn Sie so wollen, das Urteil, was dem Handeln vorausgeht und was die Handlung rechtfertigt. „Handeln“ umfasst in manchen Fällen übrigens auch das Unterlassen einer Handlung, wenn etwa das Wort oder die Tat mit der Absicht vorenthalten wird, dem anderen unrecht zu geben und dessen Lebendigkeit oder das Erleben seines Wertes zu stören. Diese Definition ist aus der fundamentalen Abstraktion abgeleitet, deren exakte Formulierung lautet: „Sie können nicht größer sein, als Sie bereit sind, anzuerkennen, klein zu sein“. Wenn Sie das Böse bis zu dieser Abstraktion anheben, fängt es an, in Ihrem Erleben des Lebens zu verschwinden.
Der Verstand legt das Böse jedoch dort fest, wo es nicht ist („da draußen“), um ihm zu gestatten, dort zu bleiben, wo es ist („hier drin“). Jedesmal, wenn Sie einem anderen unrecht geben, haben Sie Böses erschaffen und den Weg für das offene Ausagieren dieses Bösen vorbereitet. Vielleicht wählen Sie, es nicht selbst auszuagieren. Vielleicht ermutigen Sie andere oder sogar die Gesellschaft, es für Sie zu tun.
Also, ist das Böse nun schlecht? Nein, es ist lediglich böse. Ist das, was Sie tun oder andere ermutigen zu tun, schlecht? Nein, und es gibt Konsequenzen. Sie können anderen Leuten nichts Schlechtes zufügen. Sie können sich nur selbst Schlechtes zufügen. Dem äußeren Anschein nach mögen Sie anderen Schaden zugefügt haben. Die werden darüber hinwegkommen. Sie nicht. Sie werden es für den Rest Ihres Lebens mit sich herumtragen. Sie können es ableugnen, rechtfertigen, ignorieren, es wird immer noch da sein. Ist das nun schlecht? Nein. Es ist lediglich die der Natur eigene Art und Weise, sich selbst zu erhalten. Wenn Sie so etwas in ausreichendem Umfang tun, werden Sie anfangen, schlecht zu schlafen. Ein bisschen mehr, und andere körperliche Beschwerden werden auftreten. Noch mehr, und Sie werden im Zustand des lebenden Todes sein. Also, ist das nun schlecht? Nein. Bringt es etwas, wenn Sie sich selbst für das Böse, das Sie anderen zugefügt haben, ins Unrecht setzen? Nein. Es bringt nichts, sich selbst recht oder unrecht zu geben. Sie werden schlichtweg größer sein müssen als die Fehler, die Sie gemacht haben.
Es ist nun mal so, dass im Rahmen der Gesetzgebung alles Böse legal ist. Man kann Sie nicht für das bestrafen, was Sie denken. Es ist auch so, dass das Meiste von Ihrem Bösen, was Sie auszuagieren beschließen, der Gesetzgebung nach legal ist. In den meisten Gesellschaftsformen ist anderen Unrecht zu geben nicht ungesetzlich.
Wir sind durch diese Besprechung des Bösen gegangen, damit Sie, wenn wir in den folgenden Kapiteln die verschiedenen Formen besprechen, einen Kontext haben, in dem Sie das Böse halten können. Ich kann nicht genug betonen, dass der alte Kontext: „Das Böse ist schlecht“ nicht dazu taugt, das Böse zum Verschwinden zu bringen. Der neue Kontext: „Das Böse ist, und es gibt Konsequenzen“ funktioniert, wenn Sie dafür Verantwortung übernehmen. Das ist die nächste Ebene nach der Ebene der Übernahme der Verantwortung für Ihr eigenes Leben. Offensichtlich können Sie nicht auf diese Ebene kommen, solange Sie keine Verantwortung auf der persönlichen Ebene getragen haben. Sie können nicht herumsitzen und warten, dass jemand anders die Welt in Ordnung bringt. Das wird nicht passieren. Vielleicht fragen Sie, warum gerade ich? Nun, warum nicht Sie? Seien Sie einfach bereit, die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass dies der Beginn eines Zeitalters ist und dass Sie zufälligerweise zu dessen Beginn leben. Sie haben somit das Privileg, das Zeitalter der Erleuchtung einzuleiten. Aber warum gerade jetzt? Warum nicht jetzt? Irgendwann muss es geschehen, und das ist es. Ich muss Ihnen nochmals sagen, dass Sie die Verantwortung dafür übernehmen müssen, um das Zeitalter der Erleuchtung zu erleben. Wenn die ganze Welt erleuchtet würde und Sie verdunkelt blieben, würde Ihre Welt immer noch im Dunkeln liegen. Wenn Sie auf der Ebene der Welt erleuchtet werden, können Sie all das, was ist, auf der Ebene der Welt erleben. Sie sollten dies nicht als ein frei schwebendes Gedankengebäude auffassen. Ganz wörtlich: Damit die Welt erleuchtet wird, müssen Sie persönlich die Verantwortung dafür übernehmen. Nicht als Last, sondern als Privileg. Schließlich ist dies Ihre Welt. Das Böseste, das Sie tun können, ist, ihr Ihre Liebe vorzuenthalten.