Venedigs Glücksstern beginnt zu sinken
Anfang des 16. Jh. bahnte sich die Wende an. Das Osmanische Reich im Osten und die europäischen Großmächte auf der anderen Seite nahmen die stets um Unabhängigkeit bemühte Serenissima in die Zange und drängten sie langsam dahin zurück, wo sie hergekommen war - in die Lagune.
Ohne Vorwarnung begann der Sultan des Türkenreichs systematisch damit, einen Kordon um das östliche Mittelmeer zu legen und sich einen venezianischen Handelsstützpunkt nach dem anderen einzuverleiben. 1517 eroberte die türkische Kriegsflotte Syrien und Ägypten, 1522 Rhodos und 1529 folgte sogar Algier. Allein war Venedig den türkischen Flottenverbänden im Mittelmeer nicht mehr gewachsen. Nahezu widerstandslos musste die Serenissima zusehen, wie ihr Seestaat langsam zerbröckelte und ihr Handelsimperium zu schrumpfen begann.
Die von der venezianischen Regierung betriebene Italienpolitik, die die Bewahrung des Gleichgewichts zwischen den italienischen Städten und Kleinstaaten anstrebte, geriet angesichts ständig wechselnder Bündnisse bald außer Kontrolle und brachte Venedig in den Verdacht, die Herrschaft über ganz Italien anzustreben. Eine fast gesamteuropäische Front, initiiert vom Papst und den konkurrierenden italienischen Städten, bildete sich gegen die isolierte Serenissima. Diese Koalition, die Liga von Cambrai, schlug die venezianischen Söldnerheere am 14. Mai 1509 in der Schlacht von Agnadello vernichtend und brachte Venedig an den Rand des Zusammenbruchs. Dem diplomatischen Geschick des greisen Dogen Leonardo Loredan war es zu verdanken, dass das verhängnisvolle Bündnis gesprengt werden konnte, bevor es Venedig gänzlich ruinierte. Indem der Doge dem Papst die bisher verweigerten Kirchensteuern zusicherte und auf die eigenmächtige Ernennung venezianischer Bischöfe verzichtete, setzte sich Julius II. für Venedig ein und bewirkte das Ende der antivenezianischen Offensive seitens der Liga von Cambrai.
Abgesehen von den Kriegen im Osten und im Westen, die Venedig zermürbten, kündigten sich folgenschwere globale Veränderungen an. Das Zeitalter der großen Entdecker war angebrochen. 1492 hatte Christoph Kolumbus die Neue Welt betreten, und sechs Jahre später war es der Portugiese Vasco da Gama, der den Seeweg nach Indien entdeckte. Der Welthandel begann sich infolgedessen zu verändern. Das Mittelmeer verlor zusehends an Bedeutung und im gewinnträchtigen Gewürzhandel liefen Lissabon und Antwerpen der Serenissima bald den Rang ab.