Chapter Opener

Die meisten sexuellen Funktionsstörungen finden sich bei jungen Frauen und älteren Männern. Bei Frauen im fortgeschrittenen Alter gilt zwar allgemein, wie schon beschrieben, dass die Scheidenwand nach der Menopause weniger elastisch und die Schleimhäute reizbarer sind und dass die unerregte Vagina weniger feucht ist. Hinzu kommt ein zumindest empfundener Verlust an äußerlicher Attraktivität, während grau melierte ältere Männer angeblich noch interessanter werden. Im Großen und Ganzen lässt sich aber feststellen, dass im Hinblick auf Sex besonders Männer von den unmittelbaren physiologischen Folgen des Älterwerdens eingeschränkt werden. Oft entsteht ein regelrechter Kampf um die eigene Erregung, wenn das schnelle Rein und Raus allein nicht mehr genügt, um die Erektion zu halten oder einen befriedigenden Höhepunkt zu erreichen. Kulminierend in der Sorge, dass der Penis bald seinen Dienst für immer versagen könnte, sind das für Männer die am schwersten wiegenden Probleme der Andropause.

Im Grunde besteht die sexuelle Funktionalität des Mannes aus drei Fähigkeiten: der Erektion, also dem Anschwellen des Penis, der Ejakulation, dem Samenerguss, und drittens schließlich aus seiner Zeugungsfähigkeit. Unter dem ersten Faktor kann jeder Mann sich etwas vorstellen, auch hat das Ejakulieren, lustvoll zelebriert oder peinlich berührt weggeputzt, meistens eine große Wichtigkeit. Meist wird der Heranwachsende in seiner Jugend von einem »feuchten Traum« überrascht oder ejakuliert mehr oder weniger zufällig, während er an sich herumspielt, je denfalls funktioniert es wie selbstverständlich. Der dritte und letzte Faktor, das Erzeugen von Nachkommen, bleibt dem Mann bis ins hohe Alter erhalten. Mit den sexuellen Einschränkungen, die das Altern für den Mann mit sich bringt, sind folglich im Allgemeinen Aspekte gemeint, die Erektion und Ejakulation betreffen.

Irgendwann ab fünfzig, manchmal auch schon ab vierzig, halten Veränderungen seiner sexuellen Reaktion Einzug ins tägliche Leben des Mannes. Die Gedanken kreisen nicht mehr ganz so oft um das Thema Sex, und die Orgasmen sind, wenn sie kommen, längst nicht mehr so lang und intensiv wie gewünscht; manchmal bleiben sie sogar ganz aus. Die Menge an Ejakulat pro Erguss verringert sich, und generell dauert es länger, bis es zur Ejakulation kommt. Es besteht auch kein so dringender Wunsch mehr zu ejakulieren. Der Penis benötigt nun auch längere Erholungszeiten, bevor erneut eine vollständige Erektion realisiert werden kann, und der Sex mit Penetration wird schwieriger: Ein Betroffener beschrieb es in der sexologischen Praxis mit den treffenden Worten: »Sex ab sechzig ist wie Billardspielen mit einem Seil.« Was viele Frauen zu diesem Zeitpunkt längst erlebt haben - dass Sexualität beschwerlich sein kann und sich deswegen mitunter regelrechte Unlust breitmacht betrifft nun mehr und mehr Männer.

Einfach aufhören mit dem Sex ist aber keine gute Strategie, denn: »Was man nicht benutzt, bildet sich zurück.« Genauer gesagt: Sexualhormone beeinflussen das Sexualverhalten ebenso, wie das Verhalten sich auf den Hormonspiegel auswirkt. Zum Beispiel ist der Testosterongehalt im Körper vor, während und nach dem Sex höher als in Zeiten der Enthaltsamkeit. Wer dennoch den Rückzug antritt, wird manchmal vom Partner mit dem Vorwurf der Impotenz konfrontiert, so wie Frauen in der gleichen Situation mit dem Schlagwort Frigidität. Beide Begriffe klingen so unnötig endgültig, wie sie falsch sind. Die Erregungsdefizite, die während der Wechseljahre bei beiden Geschlechtern zutage treten, sind glücklicherweise vorübergehende Begleiterscheinungen des körperlichen Umbruchs und definitiv keine Persönlichkeitsmerkmale.

Die Prostata Zwischen dem männlichen Harnsystem und den Sexualorganen, direkt unter der Blase und tief im Beckeninneren, liegt die Prostata. Etwa so groß wie eine Walnuss, besteht sie zu 75 Prozent aus Drüsengewebe und steht vordergründig im Dienste der Sexualität. Sie produziert und speichert ein Drittel des Substrats, das als Ejakulat den Körper verlässt. Beim Orgasmus wird diese Prostataflüssigkeit durch Muskelkontraktion aus dem Penis katapultiert, wobei sie sich vor dem Austritt mit Spermien und der Samenflüssigkeit vermischt. Die Prostata wird von Adern und Nervensträngen durchzogen, die direkt in den Penis laufen und Informationen von dort an das Gehirn weiterleiten. Somit spielt die Drüse eine wichtige Rolle für lustvolle sexuelle Erfahrungen.

Irgendwann während oder nach der Hormonumstellung in den mittleren Jahren vergrößert sich die Prostata bei den meisten Männern. Die Blase bekommt es als Erste zu spüren, weil der Harnleiter, der durch die Prostata verläuft, in Bedrängnis gerät. Die Meldung »Blase voll« erreicht das Gehirn von nun an häufiger, während der Urinstrahl oft etwas dünner ausfällt und der gesamte Prozess des Wasserlassens sich mühsamer anlässt. Auch wenn die beschriebene Vergrößerung in den meisten Fällen nicht besorgniserregend ist, sollte man die Drüse im Auge behalten: Prostatakrebs ist in Deutschland mit etwa 63 400 Neuerkrankungen pro Jahr die häufigste Krebsart unter Männern, wenn auch die Sterblichkeitsrate bei dieser Krebsform seit Mitte der 1990er Jahre rückläufig ist.

STEIFER WIRD'S NICHT

Störungen der Erektion beim Mann treten in verschiedenen Formen auf. Im Falle einer kompletten erektilen Dysfunktion ist man kaum oder gar nicht in der Lage, Geschlechtsverkehr zu haben. Laut Statistik ist jeder vierte Mann ab sechzig von dieser schwerwiegenden Störung betroffen, ein paar erwischt es sogar noch früher. Fast alle Männer jedoch machen irgendwann in ihrem Leben, wenn auch nur vorübergehend, die Erfahrung einer instabilen Erektion, das heißt, sie erleben, dass sie nicht immer so können, wie sie gern möchten. Diese beiden Dysfunktionstypen zu unterscheiden ist wichtig, weil ein Mann für ein aktives Sexualleben gar keine andauernde und vollständige Erektion braucht. Mindestens genauso wichtig ist, dass man beim Sex etwas spürt, und das kann ein völlig entspanntes genauso gut wie ein Glied auf Halbmast oder ein Phallus erectus. Das »Stehvermögen« sagt letztlich also gar nicht viel über den Genuss am Sex aus wie gemeinhin angenommen. Mehr noch: Frauen merken zwar, dass es um die Liebhaberqualitäten ihrer Männer früher einmal besser bestellt gewesen ist, sagen aber oft, dass dieser Umstand ihrer Zuneigung zum Partner und ihrer Wertschätzung für ihn keinen Abbruch tut. Er selbst allerdings mag die Sache anders sehen. Und was den Sex allgemein betrifft, gibt es außer der Penetration zum Glück eine Vielzahl anderer schöner Dinge, die man gemeinsam tun und genießen kann. Im Fall des Falles kann, wer Lust, aber Schwierigkeiten mit der Erektion hat, nicht nur auf medikamentöse Stehhilfen zurückgreifen, sondern sollte sich ruhig die Kapitel über Erregung und über Techniken in diesem Buch zu Gemüte führen. Denn erlaubt und richtig ist alles, was beruhigt und Versagensängste abbaut - dann klappt’s auch wieder ohne Pille.

Chinesische Reinkarnationsübung für den Penis Mit dieser einfachen kleinen Übung können aufgeschlossene Paare die eine oder andere angenehme Überraschung erleben. Der halbsteife Penis darf sich dabei gemütlich in die Vagina kuscheln, und dann wartet man entspannt ab, wie er zu neuem Leben erwacht und auf welche Ideen er ganz von alleine kommt. Diese chinesische Technik wird von denen, die sie ausprobieren, oft als für beide Partner sehr anregend und vor allem als warmes und wohliges Gefühl beschrieben. Häufig reicht es vollkommen, sich tief in die Augen zu schauen und sich den Energien zu überlassen, die wie von selbst entstehen.

Die erste große Untersuchung zum Thema Erektionsstörung führte der berühmte Doktor Alfred Charles Kinsey in den 1940er Jahren durch, und fast fünf Jahrzehnte hindurch blieb sie auch die einzige. Im Zeitraum von 1987 bis 2004 wurde die Massachusetts Male Aging Study (MMAS) mit 1700 Teilnehmern durchgeführt und zeigte, dass die Hälfte der 40- bis 70-jährigen Männer unter Störungen der Potenz litt. Auch hier ist jedoch - wie stets bei derartigen Studien - wahrscheinlich von einer höheren Dunkelziffer auszugehen, da die Aussagen von Probanden über ihre Erektionsfähigkeit oft von Wunschdenken geprägt sind. Darüber hinaus blieben viele Fragen in dieser Studie ungestellt. Weiter reichende Antworten bezüglich des schwindenden Stehvermögens lieferte 1998 die Kölner Untersuchung anhand eines wesentlich umfangreicheren und differenzierteren Katalogs von Fragen wie zum Beispiel: »Wie häufig bemerken Sie morgendliche Erektionen? Reicht die Erektion für das Eindringen in den Partner/die Partnerin aus? Reicht die Dauer der Erektion für einen Geschlechtsverkehr aus? Erschlafft der Penis während des Geschlechtsverkehrs? Ist es Ihnen möglich, einen Orgasmus zu erreichen?«

Die Auswertung ergab, dass bei jedem fünften Mann zwischen dreißig und achtzig eine schwerwiegende Störung vorlag. Allerdings gaben nur knapp sieben Prozent aller Befragten an, unter der Störung zu leiden und deswegen einen Behandlungswunsch zu verspüren. Überraschenderweise hatten demnach gut zwei Drittel der betroffenen Männer kein Problem mit ihrer Potenzschwäche. Sobald man allerdings die Kategorie »geringfügige Dysfunktionalität« dazunimmt, steigt die Rate der Betroffenen auf etwa 50 Prozent, womit sie den Ergebnissen der MMAS entspricht. Nach Abzug der jüngeren Männer zwischen dreißig und fünfundvierzig, die tendenziell tatsächlich keine schwerwiegende und dauerhafte Beeinträchtigung aufweisen, ergibt sich als klares Fazit: Je älter ein Mann wird, desto höher ist das Risiko, dass bei ihm Erektionsstörungen auftreten.

Was ihre Häufigkeit betrifft, hat die erektile Dysfunktion andere typische Zivilisationskrankheiten wie Bluthochdruck, Diabetes oder Arteriosklerose inzwischen hinter sich gelassen. Falsche Ernährung und ungesunde Lebensweise leisten dazu ihren Beitrag. Hinzu kommt, dass noch immer viele Männer nicht genug über ihren Körper und insbesondere über Erregung wissen, um vorhandene Potenziale auszuschöpfen. Auch wenn Faktoren wie Krankheiten, Medikamente und deren Nebenwirkungen, der Hormonhaushalt sowie Hemmungen, Schuldgefühle, Scham, die Angst vor Intimität oder auch Schicksalsschläge, etwa der Verlust eines nahen Menschen, und Beziehungsstress Einfluss auf die Erregbarkeit und Erektion nehmen, ist es nämlich nie zu spät, weiter zu lernen und Verhaltensweisen zu ändern mit dem Ziel, die Selbstwahrnehmung deutlich zu erweitern - möglichst schon vor dem ersten großen »Störfall«.

DAS RICHTIGE TIMING

Apropos »Störfall«: Der vorzeitige Samenerguss, Ejaculatio praecox (EP), ist für ältere Männer ebenfalls ein häufig auftretendes Problem, auch wenn es fälschlicherweise oft als »Anfängerfehler« klassifiziert wird. Tatsächlich gehört das »schnelle Abspritzen« zu der sexuellen Steinzeit-Programmierung des Mannes. Und solange der Zweck sexueller Aktivität hauptsächlich in der Erzeugung von Nachwuchs gesehen wurde, bestand darin auch kein Problem. Im Zeitalter der Emanzipation sieht das anders aus: Die Frauen stehen nicht nur zu ihren sexuellen Bedürfnissen, sondern fordern auch die Erfüllung ihrer Wünsche ein, und für viele gehört das Penetriertwerden dazu - aber eben durchaus länger als nur für ein paar Minuten. Zu der Herausforderung an den Mann, eine Erektion zu bekommen und diese zu halten, kommt damit das Durchhalten und Hinauszögern der Ejakulation hinzu - nicht nur für die Frau, auch für ihn selbst.

Ein vorzeitiger Samenerguss tritt bei älteren Männern ungefähr ebenso häufig auf wie die eigentlichen Erektionsstörungen, nämlich laut einer amerikanischen Erhebung aus dem Jahr 2006 bei 30 Prozent der Männer zwischen 57 und 85 Jahren. Doch kaum einer von ihnen begibt sich in ärztliche Behandlung - vielleicht auch, weil es gegenwärtig kaum Therapieansätze und medizinische Behandlungsmethoden gibt, die nachhaltigen Erfolg versprechen, und weil für eine solche Behandlung in jedem Fall viel Zeit erforderlich ist. Selbst sexualtherapeutische Maßnahmen versagen an dieser Stelle oft, weil viele nur auf psychologischer Ursachenforschung beruhen, den Körper an sich aber außer Acht lassen. Wirksam gegensteuern kann aber nur, wer den Verlauf der eigenen Erregungskurve zu spüren gelernt hat.

Eher befremdlich muten hingegen die Versprechungen angeblich heilbringender Salben, Sprays und Cremes an, die, auf den Penis aufgetragen, das »Gefühl dämpfen« sollen. Ihre Wirkstoffe sind Anästhetika, die den Penis betäuben und dadurch angeblich die Dauer des Sex verlängern helfen. »Weniger spüren« lautet die Devise. Testpersonen hielten so »drei- bis achtmal länger« durch, wobei unklar bleibt, von welcher Dauer da ursprünglich ausgegangen wird. Ob ihn ein paar Stöße zusätzlich mehr befriedigen, mag jeder Mann selbst entscheiden. Tatsache bleibt, dass jede Form der Betäubung eigentlich nie Teil der Sexualität sein sollte. Auch der Tipp, mehrere Kon- dome auf einmal über den Penis zu stülpen, ist in diesem Sinne irreführend und geht vom Irrglauben aus, dass frühzeitiger Samenerguss von einer Überempfindlichkeit des Penis herrührt, was nur in den seltensten Fällen zutrifft. Im Gegenteil wird der Körper und die Erregung eher zu wenig wahrgenommen. Inzwischen sollte deutlich geworden sein, dass man wirkliche Kontrolle über den Körper und dessen Funktionen nur erreichen kann, wenn man ihn besser spürt.

DER PENIS IM KOPF

Natürlich spielen sich Erektionsstörungen auf mehreren Ebenen ab. Für Ärzte steht oft die physiologische Komponente im Vordergrund, bei der es in erster Linie um die Durchblutung des Penis geht. An dieser Stelle setzen Erektionshelfer wie zum Beispiel Viagra an. Wem es aber an Lust mangelt, dem wird mit den sogenannten Potenzmitteln nicht wirklich geholfen, da Lust nicht nur von genitalen Faktoren abhängt, sondern auch vom Kopf. Hier, das heißt auf der psychologischen Ebene, geht es um Faktoren wie bewusste und unbewusste Gefühle, Gedanken, Versagensängste und Leistungsdruck. Hat der Mann bereits einmal erlebt, dass ihn sein Penis »im Stich ließ«, kann das die Entstehung von Sorgen und Ängsten fördern. Und wie bereits beschrieben, beeinflussen körperliche und seelische Abläufe einander. Wer vermutet, seine Erektionsprobleme wären eine Kopfsache, liegt damit unter Umständen nicht ganz falsch. Kaum eine Partnerin kann wirklich nachvollziehen, was sich dort abspielt, wenn die eigene Sexualität so sehr von einem physiologischen Geschehen abhängt, das dem Willen nicht unterworfen ist, und wird deswegen mit dem Thema vorsichtig und respektvoll umgehen. Die Psychologie der männlichen »Standhaftigkeit« ist ein Leben lang von entscheidender Bedeutung: Für die meisten Männer ist ihre Erektion ein Beweis ihrer Männlichkeit und damit ein wesentlicher und unverzichtbarer Teil ihrer Identität. Sexuelles Versagen konfrontiert Männer mit der Angst, nicht länger ein »Mann« zu sein. Das spiegelt sich auch im alltäglichen Sprachgebrauch wider, wo mit einem Begriff wie »Schlappschwanz« gleich der ganze Mann beleidigt wird, nicht nur seine Weichteile. Wenn die physiologische Reaktion seines sensibelsten Körperteils unberechenbar wird, empfindet Mann das als existenzielle Bedrohung seines gesamten Systems.

Die dänische Sexologin und Fachärztin für Psychiatrie Birgit Dagmar Johansen hat das folgendermaßen auf den Punkt gebracht: »Für den jüngeren Mann ist es ein Problem, wenn er das erste Mal merkt, dass er ein zweites Mal nicht kann. Für den älteren Mann ist es ein Problem, zum zweiten Mal zu merken, dass er das erste Mal nicht kann.« Denn nun besteht eine offenkundige Diskrepanz zwischen dem Willen des Mannes und seiner körperlichen Fähigkeit, den Willen in die Tat umzusetzen. Psychologisch betrachtet heißt das, dass sich in vielen Männerköpfen das Gefühl festsetzt, allmählich die Kontrolle über die eigene Existenz zu verlieren. Diese Männer fühlen sich von ihrem Körper im Stich gelassen und »verraten«; oft reagieren sie gekränkt, verunsichert oder trotzig. Manche büßen ihr Selbstwertgefühl ein, empfinden Scham oder gar Schuld. Einige verzweifeln so sehr, dass sie depressiv werden. Der eine oder andere versucht seine Männlichkeit dadurch zu »retten«, dass er nun häufiger onaniert, weil die Erektion bei der Selbstbefriedigung, zumindest anfangs, weniger Probleme bereitet als beim Sex mit dem Partner. Aber meist dauert es nicht lang, bis es auch mit der Selbstbefriedigung nicht mehr ohne weiteres klappt. Stärkere Erregungsreize sind nötig. Auf Teufel komm raus wird reibend und pressend versucht, die Erektion zu halten; Orgasmus und Ejakulation sollen regelrecht erzwungen werden. Dabei steigt der Druck auf den Körper, was noch mehr Muskelspannung zur Folge hat, der mit noch extremeren Reizmitteln begegnet wird - erst mehr, dann extremeren Pornos. Beim Geschlechtsverkehr mit dem Partner - falls der überhaupt noch praktiziert wird - kommt es zu heftigerer Rammelei als je zuvor. In dieser Phase leidet auch der Penis unter abnehmender Wertschätzung. Häufig heißt es: »Das verdammte Ding soll einfach wieder funktionieren.« In gewisser Hinsicht leiden also gleich zwei Beziehungen, nämlich die zum Partner und die zum eigenen Glied.

Manche Männer führt der zunehmend verzweifelte Kampf um ihre Erregung und Erektion aus der gewohnten Beziehung hinaus: Sie flüchten sich in Außenbeziehungen und fühlen sich wieder männlich, gesund und stark. Diese Art der Selbstbestätigung hält üblicherweise aber nicht lange vor, weil das eigentliche Problem nicht gelöst wird. Das besteht nämlich in der Verunsicherung ihres Bewusstseins von der eigenen Männlichkeit und zeigt sich vor allem im Zusammenspiel mit dem langjähri- Oscar Wilde gen Beziehungspartner: Die Nähe mit ihr oder ihm wird jetzt zum Problem. Wer sich ihm nicht stellt, wird jede Intimität meiden, denn schließlich muss man befürchten, gerade vom Partner den Spiegel vorgehalten zu bekommen, in den man partout nicht blicken will. Doch wer den Rückzug ins Innere wählt, bringt sich um eine wichtige Chance, mit Hilfe des Zuspruchs von außen aus dem Teufelskreis auszubrechen. Viele Partner sehnen sich geradezu nach diesem Kontakt zu ihren Männern. Die aber wittern Gefahr und meinen oft, sich schnellstmöglich wieder ablenken zu müssen. Im Französischen existiert für diesen verunsicherten Zustand der Männer die treffende Redewendung le démon de midi, der Dämon der mittleren Lebensjahre. Manche scheinen von ihm regelrecht besessen zu sein, und die Partnerin eines solchen Mannes mag sich in diesem Lebensabschnitt mitunter tatsächlich einen Exorzisten herbeiwünschen für dieses egoistisch, eigensinnig und absurd agierende männliche Wesen, das einen Kampf gegen unsichtbare Mächte und sich selbst zu führen scheint.

Wenn Männer wegen Erektionsstörungen eine sexualtherapeutische Praxis aufsuchen und dort mit gutem Grund nach der Beziehung zu ihrem Genital befragt werden, reagieren viele von ihnen zunächst irritiert oder mit Unverständnis. Dabei ist es eine vielfach bestätigte Tatsache, dass auffällig viele Männer mit erektiler Dysfunktion gar keinen oder einen ungünstig besetzten Bezug zu ihrem Penis haben. Das in solchen Fällen oft vorgebrachte Argument lautet: »Nein, damit hat das nichts zu tun, das hat immer gut funktioniert. Ich mag ihn!« Dem unkontrollierbar erschlafften Geschlechtsteil aber wird in Wirklichkeit nichts als ein großes Maß an Verachtung entgegengebracht. Zwei Überlegungen mögen demonstrieren, wie kontraproduktiv diese Einstellung ist. Zum einen mag sich jeder einmal die Frage stellen, wie er sich behandelt wissen möchte, falls er mal nicht ganz auf der Höhe oder angeschlagen sein sollte - ob ihn wohl ein paar grobe Worte und Beschimpfungen wieder aufrichten oder doch eher ein wenig Verständnis- und liebevolle Zuwendung. Zum anderen: Jeder Musiker muss regelmäßig auf seinem Instrument üben und jeder Sportler trainieren, um ein gewisses Niveau zu halten oder sich gar zu verbessern. Wer es zum alten Meister bringen will, sollte sein Instrument beziehungsweise seinen Körper pflegen. Für die Stärkung der Männlichkeit ist ein liebevoller, stolzer Umgang mit dem Penis unerlässlich - genau wie damals, als der kleine Junge, ohne weiter darüber nachzudenken, bei jeder Gelegenheit große Begeisterung für seinen kleinen Pimmel zeigte. Und genau dort lässt sich anknüpfen, denn viele Frauen finden es äußerst anregend, beim Sex eine kräftige Männerhand zu sehen, die sich genussvoll dem eigenen Glied widmet.

WANN IST HANN EIN MANN?

Man könnte denken, dass die Andropause und die Probleme, die damit im Zusammenhang stehen, weniger mit dem Mann-Werden als mit dem Mann-Sein zu tun hätten. Es scheint aber, dass gerade, wer bestimmte Lernschritte bezüglich des Mann-Werdens nicht tiefgehend vollzogen hat, in den mittleren Jahren eher Probleme bekommt und auf seine schwindende Potenz umso verunsicherter reagiert. Den »problemfreien« Mann, bei dem alles optimal gelaufen ist, gibt es kaum. Viele sind darauf schlecht vorbereitet und versuchen ihre verunsicherte Männlichkeit über Faktoren wie zum Beispiel zwischenmenschliches Dominanzverhalten, oberflächliches Machogebaren oder Statussymbole zu vertuschen - bis ins Absurde.

Jede Kultur hat ihren eigenen Geschlechterkodex, in den ein Kind hineinwächst. Jungen lernen vom Vater oder anderen männliche Bezugspersonen, der erste Schritt ist allerdings die Erkenntnis, wie ein Mann nicht ist, nämlich wie die Mutter, der der Junge doch so innig verbunden ist. Mit der Loslösung von ihr beginnt der Prozess der Suche nach männlicher Identität. An die Stelle der Mutter treten männliche Bezugspersonen, aber der Weg zu ihnen ist nicht ohne Hindernisse und von mancher Zurückweisung begleitet. Wegen dieses »Lagerwechsels« ist im Allgemeinen für Jungen die Entwicklung ihrer Geschlechtsidentität mühevoller als für Mädchen, es ist schwieriger, die benötigten Lernschritte zu unternehmen, um sich als vollwertiger Mann zu fühlen. Erst wenn der Jungmann verinnerlicht hat, dass Männlichkeit nichts mit dem krampfhaften Versuch zu tun hat, sich mit übertriebener Härte von Weiblichkeit zu unterscheiden, kann er wirklich im Mann- Sein ankommen und betrachtet Frauen nicht als potenzielle Bedrohung seines Seins. Zentral ist dabei die Beziehung, die er zu seinem Penis aufgebaut hat.

In der zweiten Lebenshälfte findet bei sehr vielen Männern in dieser Hinsicht eine positive Wandlung statt, dieses Mal weg von der äußerlichen Männlichkeit und hin zu einer Art innerer Aufrichtung. Das Selbstbild des Mannes verändert sich. In dieser Phase entdecken viele Männer neue, oft emotionalere Seiten ihrer Persönlichkeit, und nicht wenige suchen, vom Partner ermutigt, paar- oder sexualtherapeutische Praxen auf, um sich in diesem Lebensabschnitt begleiten zu lassen. Oft ist der vordergründige Anlass für die therapeutische Hilfe allerdings die Diagnose »Burn-out«. Wer sich aber jetzt den Fragen stellt, die auftauchen, findet bald heraus, wie entspannend und wohltuend es sein kann, die Probleme in Angriff zu nehmen und sie zu klären; der Druck verfliegt förmlich. Nicht selten fällt dann der Satz: »Das hätte ich nicht gedacht - dann hätte ich ja viel früher damit angefangen!« Es ist der erste Schritt, sich noch tiefer mit sich und seinem Körper zu beschäftigen und ihn in seiner neuen Verfassung anzunehmen. So wird es endlich auch einfacher, sich zu öffnen und mit dem Partner auseinanderzusetzen, auch wenn es um sexuelle Dinge geht. Nicht wenige Männer erleben nun, wie breit das Spektrum erotischer Spielarten und intimer Beziehungsmöglichkeiten tatsächlich ist.

Freunde und Feinde der Erektion Es gibt Freunde und Feinde der Erektion. Anhand der beiden folgenden Kataloge kann jeder selbst überprüfen, ob bei ihm die Helfer oder die Gegenspieler überwiegen. Die Aufzählung folgt in etwa der Reihenfolge, in der die meisten Menschen die jeweiligen Schritte in ihrem Lernprozess machen.

Erektionsfreunde Kenntnisse über den eigenen Körper, fortwährendes sexuelles Lernen, Penetrationsfreude, positive Einstellung zur Sexualität, Fähigkeit zur Kontaktaufnahme und zur Kommunikation, Verführungskompetenz, Lust auf Sex, Kenntnis der Bandbreite dessen, was einen sexuell zu reizen vermag, Flexibilität beim Nutzen der bevorzugten Erregungsmethode, Gespür für Begehren, sexuelle Fantasien samt der dazugehörigen Emotionen, Beherrschung und Einsatz technischer Finessen, körperliche Gesundheit

Erektionsgegner Allgemeine Unwissenheit über körperliche Zusammenhänge, Schuldgefühl, Stress, Angst, Druck, Leistungsdenken, negative Einstellung zur Sexualität oder zum weiblichen Genital, Ablehnung oder Abwerten von Männlichkeit, wenig Gefühl für den Penis haben, Unkenntnis einsetzbarer sexueller Reize, nur an Vereinigung und Liebe denken statt an genitalen Genuss, sich beim Sex fast ausschließlich um den Partner kümmern, mangelnde Verführungskompetenz, geringe sexuelle Selbstsicherheit, Unkenntnis technischer Finessen, Unlust, mangelndes Begehren, Unruhe, Alter, Krankheit, Medikamente und medikamentöse Nebenwirkungen

An dieser Stelle sei schon einmal verraten, dass in den folgenden Kapiteln eine Vielzahl von Tipps und Techniken vorgestellt wird, wie man die Gegenspieler der Erektion in den Griff bekommt!

VERSTEIFT, VERKRAMPFT, VERSAGT?

Wie schon beschrieben kann auch der partnerschaftliche Sex zum Erektionshemmnis werden, wenn er nicht mehr als Erfüllung oder Vergnügen empfunden wird. Hat man sich zum Beispiel bei der Selbstbefriedigung angewöhnt, sein Glied hart und fest anzufassen, kommt es häufig vor, dass der Druck oder die Reibung, die die Vagina der Partnerin ausübt, als einziges Stimulanz nicht mehr ausreicht, weder für die Erektion noch für die Ejakulation. Für schwule Paare kann es ebenfalls schwierig werden, denn obgleich im engeren Anus mehr Druck entsteht, ist ein weicher Penis in diese Körperöffnung nur schwer einführbar. Solche Probleme führen rasch zur Einschränkung der Partnersexualität, wenn nicht sogar zu deren Einstellung. Und in den meisten Fällen leidet auch die Partnerin oder der Partner, weil sie die fehlende Erektion häufig auf eigenes Versagen oder mangelnde Attraktivität zurückführt. In Studien nennen Frauen als Begründung für ihre sexuelle Unzufriedenheit an erster Stelle Erektionsstörungen und an zweiter vorzeitige Ejakulation des Mannes. Weil Frauen aber wissen, wie labil eine Erektion mitunter sein kann, vermeiden sie es, ihren Mann darauf anzusprechen, um ihn nicht noch mehr unter Druck zu setzen. Dabei tun sie sich und dem Partner langfristig wahrscheinlich den größeren Gefallen, wenn sie das Problem zur Sprache bringen. Oft entsteht dadurch eine neue Nähe zwischen den Partnern, wenn sie die Sorge um ein gefährdetes oder in Schwierigkeiten geratenes Sexualleben miteinander teilen. Voraussetzung ist allerdings, dass der betroffene Partner die Auseinandersetzung aushält und offen für eine gemeinsame Problembewältigung ist. Viele Frauen suchen an dieser Stelle ohne ihren Mann Rat in der sexologischen Praxis, um sich nicht länger alleingelassen zu fühlen. Im Optimalfall kommen dann beide, und die therapeutischen Gespräche verwandeln irgendwann den Druck in Erleichterung, und innige Verbundenheit tritt an seine Stelle nach dem Motto: »Wäre doch gelacht, wenn wir das nicht auch gemeinsam durchstehen könnte.«

Erektionsstörungen können in jedem Alter überdies auch Warnsignale des Körpers sein. So weisen sie zahlreiche Gemeinsamkeiten mit Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems auf, die durch Rauchen, Diabetes, Übergewicht und Bluthochdruck begünstigt werden. Erektionsstörungen können ein erstes Anzeichen oder eine Vorläufererscheinung eines bevorstehenden Herzinfarktes oder Schlaganfalls sein.

Genau wie bei den Frauen gibt es auch für die Männer eine Reihe pflanzlicher Produkte, die dabei helfen können, besser mit den gesundheitlichen Folgen der Andropause zurechtzukommen. Bei gutartigen Vergrößerungen der Prostata nehmen manche Männer gegen Probleme beim Wasserlassen Serenosa repens, ein Extrakt aus den Früchten der Sägepalme, dessen Wirksamkeit in Untersuchungen bisher leider nicht bestätigt werden konnte. Ein positiver Einfluss auf das Gewebe der Prostata wird den in Soja enthaltenen Phyto- östrogenen zugeschrieben. Vor allem der verstärkte nächtliche Harndrang soll dadurch abgeschwächt werden. Eine darüber hinaus vermutete antikarzinogene Wirkung von Soja wird derzeit noch in Studien untersucht. In den Wechseljahren empfehlen viele Heilpraktiker ihren männlichen Patienten die zusätzliche Einnahme von Zink, ihm wird eine die Testosteron- und Spermienproduktion unterstützende Wirkung nachgesagt. Als natürliches Potenzmittel wird auch Arginin gehandelt. Es wirkt gefäßerweiternd und kann, als Nahrungsergänzungsmittel eingenommen, Erektionsstörungen vermindern. Und ganz allgemein sollen die Inhaltsstoffe des Gingko biloba extrem widerstandsfähig gegen viele weitere Einflüsse machen.

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Es braucht mehr als pflanzliche Ergänzungsstoffe, um einige der psychologischen Herausforderungen zu bewältigen, die Männer während der Andropause aus dem Gleichgewicht bringen können. Ein unerwartetes Problem zum Beispiel ist für viele Familienväter das Verlustgefühl angesichts des »leeren Nestes«. Gerade in der Lebensmitte entdecken immer mehr Männer das Familienleben für sich, wenn es damit fast schon vorbei ist, und leiden deswegen mehr unter den neuen Umständen als ihre Frauen. Auch fällt es ihnen weitaus schwerer, nach dem Auszug der Kinder den Kontakt zu ihnen zu halten und weiterhin aktiv an ihrem Leben teilzunehmen. Ein anderes Problemfeld in dieser Lebensphase ist, dass oft die eigenen Eltern hilfsbedürftig werden oder sterben; wichtige Bezugspersonen und Ratgeber gehen damit verloren und lassen ein Gefühl des Zurückgelassenseins entstehen. Hinzu kommt das Wissen darum, dass man nun selbst zu der Generation gehört, die als nächste abtreten wird. Und auch beruflich geht es in die letzten Runden; die Rente steht vor der Tür und damit die große Frage, was man mit dem Rest des Lebens anfangen will.

Die Andropause ist in vieler Hinsicht ein ernüchternder Lebensabschnitt. Es gehört viel Mut, Entschlossenheit und Ausdauer dazu, sich am eigenen Schopf aus der Sinnkrise zu ziehen und sein Leben neu auszurichten. Eine Antwort auf die Frage, woraus der neue Daseinszweck bestehen könnte, lautet: Generativität. Geprägt wurde dieser Ausdruck von dem deutsch-amerikanischen Psychoanalytiker Erik Erikson, der bereits in den 1950er Jahren die These aufstellte, dass nur derjenige, der die Krise der mittleren Lebensjahre zu überwinden vermag, das Gefühl bekomme, für künftige Generationen wertvoll zu sein. Konkret bedeutet das ein Engagement in Richtung Zukunft, indem man beispielsweise zum Mentor für einen Jüngeren wird, an den man seine Erfahrungen, sein Wissen und Können weitergibt. Auf diese Weise erweist man zugleich sich selbst einen großen Dienst, denn wer anderen hilft, ist nachweislich zufriedener mit dem eigenen Leben.

Vielleicht lohnt es sich in diesem Zusammenhang, auch einmal der Frage nachzugehen, ob es zwischen Himmel und Erde eventuell doch mehr gibt als das, was man mit dem Verstand erfassen und mit Technologie in den Griff bekommen kann - sei es Gott, das Universum oder das Gefühl, bei sich selbst angekommen zu sein. Nach Aussagen von Männern, die es erleben, fühlt es sich großartig, ruhig und zufrieden an. Danach befragt, beschreiben viele die Jahre nach dem großen Sturm der Wechseljahre als die leidenschaftlichsten, produktivsten und sinnvollsten, die ihr Leben für sie bereitgehalten habe. Anscheinend haben die wenigsten Männer in ihrer Sturm-und-Drang-Zeit einen Hang zu Spiritualität oder Emotionalität. Aber im Alter ändern sich die Bedürfnisse. Das Nachlassen der körperlichen Kraft und Leistungsfähigkeit spielt dieser Entwicklung in die Karten. Während der Körper unaufhaltsam altert, sucht die Seele nach neuen Energiequellen. Auch die früher als »absurd« abgetane Idee der Männergruppe leuchtet dem einen oder anderen jetzt eher ein. Der Austausch mit Gleichgesinnten über die Heimtücke der Hormone kann befreiend wirken. Vielleicht traut sich der eine oder andere sogar, die anderen wissen zu lassen, dass sie mit ihren Erektionsnöten nicht alleine dastehen. Und so verschieden die Erfahrungen und Erlebnisse im Einzelnen auch sein mögen, in den Geschichten der anderen erkennt man doch oft viel Eigenes wieder.

All diese Vorgänge brauchen Zeit und sind Teil der Andropause - ein organischer Vorgang, an dessen Ende vielleicht die sogenannte Altersweisheit steht, eine Ruhe, die sich wissenschaftlich bis auf die Zellebene nachweisen lässt. Wer es dabei über die Jahre schafft, eine positive Einstellung zur eigenen Existenz und Persönlichkeit zu erhalten, lebt auch noch länger.

SCHATZ, WIR MÜSSEN REDEN ...

In der Paarbeziehung sind die Zeiten des männlichen Dominanzstrebens im Optimalfall nun vorbei. Viele Männer hören nun öfter und besser zu, suchen körperliche Nähe, ohne dass daraus in jedem Fall Sex entsteht, zeigen Gefühle und machen sich kaum noch Gedanken darüber, das Gesicht zu verlieren. Diese Männer brauchen nun selbst mehr Zuwendung und Zärtlichkeit, pflegen Intimität und lassen vieles langsamer angehen. Natürlich gibt es diesen Typus Mann in Einzelfallen auch schon vor der Andropause, hier jedoch geht es um das Verhalten einer weitaus größeren Gruppe, der typischen Vertreter ihres Geschlechts. Die wichtigen Veränderungen des »Sich-selbst- Wahrnehmens« erleben im Allgemeinen auch die Frauen: Empfundene Ungerechtigkeiten und Unzufriedenheit mit Missständen werden nun meist schonungslos zur Sprache gebracht, weil es nicht länger zum weiblichen Programm gehört, die Beziehung um jeden Preis zu erhalten. Die meisten von ihnen erfahren Beziehungskrisen als häufige Begleiterscheinung des Klimakteriums.

Die zweite Lebenshälfte führt bei Paaren, die schon lange zusammenleben, nicht selten zu einem grundlegenden Rollenwechsel. Das Beziehungskonstrukt muss tiefgreifend renoviert werden, denn es funktioniert nicht mehr nach dem Bauplan, den man mit Mitte dreißig verfolgt hat. Männer könnten zum Beispiel Teile der täglichen Hausarbeit übernehmen und darin nun eine sinnvolle Aufgabe sehen, die weniger Stress verursacht als ihr gewohnter Alltag. Frauen orientieren sich in dieser Phase verstärkt nach außen, sowohl beruflich als auch in der Pflege von Sozialkontakten. Dieses Sich-Lösen von eingespielten familiären Programmierungen und gewohnten Abläufen bringt häufig Probleme und Unruhe mit sich, die sich über längere Zeit hinziehen können. Jeder Abschied von früher als selbstverständlich empfundenen Routinen ist mit Irritationen und mitunter schmerzhaften Zugeständnissen verbunden. Und doch gibt es in dem Umbauprozess der mittleren Jahre viel Neues und Schönes zu gewinnen, schließlich geht es darum, das Leben zu zweit gemeinsam zu verändern - und dazu gehört auch der Sex.