Kapitel 7

Volda, 1999, Tag 38

Schwanger.

Rebekka musste schwanger sein. Er blieb stehen und lehnte sich mit dem Hintern an die Kante der niedrigen Mauer, die vom Parkplatz in Richtung Ärztezentrum verlief.

Eine Schwangerschaft würde bedeuten, dass Rebekka ihr Pädagogikstudium abbrechen und alles auf Wartemodus stellen müsste. Nicht nur das Studium, sondern das ganze Leben. Einschließlich ihn selbst, denn im schlimmsten Fall müsste sie mit dem Kind zurück nach Mandal ziehen, damit alles funktionierte. Natürlich hatte er gedacht, dass sie eines Tages zusammenwohnen würden, aber doch nicht jetzt. Nicht in Volda, und auf keinen Fall in dem verschissenen Mandal. Es müsste schon eine Stadt von gewisser Größe sein. Kristiansand könnte gehen, doch am allerliebsten Oslo. Vielleicht Trondheim. Zur Not Bergen. Zur Not. Er war schon das Dreckswetter leid, das während acht von zehn Tagen an diesem Ort herrschte, und in dieser Hinsicht war Bergen keinen Deut besser, aber immerhin eine Stadt von einer gewissen Größe.

Er blickte auf den Parkplatz. Sein Hasenherz beruhigte sich wieder. Sollte sich zeigen, dass Rebekka schwanger war, so musste das nicht zwangsläufig den Anfang vom Ende bedeuten. Im Gegenteil. Dann würde sie für immer die Seine sein. Sie würde ihn auf dem Rasen vor der Hochschule küssen, ohne Angst zu haben, dass jemand sie sah, würde ihn in den Armen halten, während die Cousine am Küchentisch eifersüchtig zu ihnen herüberspähte. Sie würde ihn anflehen, vor ihr auf die Knie zu gehen. Denn er wusste genauso gut wie Rebekka, dass Vater Vehler ihr die Tür weisen und ihr klarmachen würde, dass sie sich nie wieder blicken zu lassen brauchte, wenn sie mit einem dicken Bauch, aber ohne Ring am Finger, auf dem Bauernhof in Mandal auftauchte.

Er war vielleicht nicht derjenige, den ihre Eltern sich vorgestellt hatten. Sie wünschten sich wohl eher jemanden, der sich in der Zukunft um den Bauernhof kümmern könnte, den Rebekka eines Tages erben sollte. Darüber hinaus wünschten sie sich jemanden, der Jesus hoch achtete. Das würde er zwar niemals tun, aber er könnte ja so tun als ob? Er könnte sich eine Bibel kaufen und darin herumblättern, ein paar Stellen auswendig lernen, um sie bei passenden Gelegenheiten zu zitieren. Das würde ihren Vater doch sicher beeindrucken. Er könnte auch in die Bibliothek gehen und ein paar Bücher über das Christentum ausleihen. Lächelnd sah er zu den geparkten Autos hinüber.

Was könnte es also sonst sein, das so wichtig war. Das musste doch bedeuten, dass sie ein Kind erwartete.

Er dachte nach. Wollte ihre Cousine vielleicht ausziehen? Aber mitten im Semester aufhören? Nein, das glaubte er nicht. Jedenfalls war es unwahrscheinlich, dass Rebekka deswegen umziehen würde. Dafür ging es ihr viel zu gut. Und sie mochte ihn viel zu sehr. Das hatte sie gesagt. Dass sie dabei war, sich in ihn zu verlieben.

Gesetzt den Fall, dass sie weder schwanger war noch die Missgeburt von Cousine ausziehen wollte, was könnte es dann sein?

Er musste sie sehen, musste wissen, dass alles noch so war wie vor zwei Tagen, als sie sich zum elften Mal getroffen hatten. Dass sich nichts geändert hatte. Er bewegte sich in Richtung Osten.

Ein paar Minuten später kam er zur Hochschule, zog die Kapuze seines Shirts über den Kopf, verlangsamte das Tempo und musterte die kleinen Gruppen aus Studenten, die sich über den frisch gemähten Campusrasen verteilt hatten. Er ließ den Blick diskret umherschweifen und hielt Ausschau nach dem herzförmigen Gesicht mit den langen blonden Locken.

Als er sie entdeckte, wäre er beinahe erstarrt. Sie stand auf der Steinbrücke, die vom Campus zum Parkplatz hinüberführte. Sie lächelte, lachte. Genauso hatte er es sich vorgestellt. Wenn sie bloß nicht so dicht neben einem anderen Kerl gestanden hätte, dass sein Hasenherz gleich wieder einen Haken schlug.