Volda, 1999, Tag 40
Er trat gerade aus der Dusche, als er in der Küche das Handy klingeln hörte. Schnell warf er sich ein Handtuch über. Nach vier Schritten hatte er das Zimmer durchquert und blickte auf das Display. Er kannte die Nummer. Es war die Telefonzelle, von der aus Rebekka immer anrief.
»Ach, ich musste gerade an dich denken«, sagte er.
»Hallo …«
Die Schwangerschaftsstimme. Da war sie wieder. Und das war eigentlich kein Problem, wenn sie denn schwanger gewesen wäre. Er zog einen Stuhl heran, setzte sich, starrte aus dem Fenster und wartete darauf, dass sie den Grund ihres Anrufs nannte, obwohl sie sich eigentlich den Atem dafür sparen konnte, denn es war genauso gekommen, wie er vermutet hatte. Oder beinahe. Als er ihren Tonfall hörte, war ihm unmittelbar klar geworden, dass sie für den Abend absagen würde. Dass sie jedoch jetzt mit Trine nach Mandal fahren wollte, überraschte ihn.
»Es dürfte bestimmt spät werden«, sagte sie. »Und unser Flugzeug geht morgen früh um Viertel nach sechs. Wenn wir es erreichen wollen, müssen wir um halb fünf aufstehen.«
Er sagte nichts, während er zusah, wie auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein Auto mit Anhänger rückwärts auf ein Grundstück fuhr.
»Es tut mir so leid«, fuhr sie fort.
»Vielleicht … vielleicht sollte ich mit euch kommen?« Er stand auf, trat hinter den Stuhl und beugte sich über die Rückenlehne.
Ein wenig Wasser tropfte von seinen Haaren herunter. Er fuhr sich mit der Hand über die Stirn und den Kopf. »Dann überraschen wir deine Eltern.«
»Hör auf. Bitte.«
Er stieß ein trockenes Lachen aus und sagte: »Du, das ist völlig in Ordnung, dass deine Eltern nicht so wie andere sind, aber wenn sie sehen, was du da am Finger hast, werden selbst sie begreifen, dass ich ein seriöser Mann bin, der nur das Beste für dich will.«
»Jetzt lass es. Du hast es versprochen.«
Er verdrehte die Augen, krallte die Finger um den Stuhlrücken, sodass die Knöchel weiß wurden.
»Aber kannst du dann nicht heute Nachmittag vorbeikommen? Die Königskrabben liegen im Kühlschrank, ich muss nur schnell zum Laden und ein paar Zutaten kaufen. Wir könnten uns da treffen?«
»Ich bin doch am Nachmittag schon verabredet.«
Das Quiz im Grünen Baum . Jetzt fiel es ihm ein.
»Hab ich dir doch gestern erzählt«, fuhr sie fort. »Du … Können wir uns nicht am Montag unterhalten, wenn ich wieder zurück bin?«
»Willst du etwa fast eine Woche lang kein Lebenszeichen von dir geben?«
»Ich …« Sie seufzte. »Ich weiß nicht.«
»Ist das dein Ernst? Gut möglich, dass ich nicht so viel über Mandal weiß, aber Telefonleitungen werden die da unten doch wohl haben?«
»Du brauchst jetzt gar nicht so spitz zu werden.«
»Entschuldige. Das war nicht meine Absicht. Aber …« Er setzte sich wieder und krallte die Finger um eines der Stuhlbeine. »Wieso fährst du überhaupt nach Mandal? Jetzt wäre doch eigentlich die perfekte Gelegenheit, dass du zu Hause mal deine Ruhe hast. Ich dachte, wir wü…«
»Mein Onkel ist krank«, unterbrach sie ihn. »Ich muss ein paar Tage mit meiner Familie verbringen.«
»Dein Onkel? Trines Vater?«
»Nein, mütterlicherseits.«
»Wollte Trine ursprünglich deswegen nach Hause?«
»Auf Mutters Seite, hab ich gesagt. Sie hat vorhin angerufen und gesagt, dass es ihm schlecht geht.«
Das hat sie nicht, dachte er, und du lügst.