Samstag, 23. November
Das Ermittlerteam war im Laufe der Nacht auf achtzehn Männer und Frauen angewachsen. Für drei von ihnen hatte der Platz am Tisch nicht ausgereicht, weshalb sie an der Wand Aufstellung genommen hatten. Magnus stand neben dem Polizeichef an der Tür. Vor ziemlich genau zwei Minuten hatte Lars Weberg die Kollegen über den Ring informiert, den Magnus am Abend zuvor im Briefkasten von Cecilie Olins Mann gefunden hatte.
»Laut Kriminaltechnik ist der Briefkasten schon am Mittwochvormittag untersucht worden«, sagte Lars Weberg, der am Ende des Tisches stand, »und Fredrik Olin hat seitdem nicht mehr hineingesehen. Daher ist nicht ganz sicher, wann derjenige, der Cecilie entführt und ermordet hat, ihn dort hineingelegt haben kann. Dieser Fund allerdings lässt relativ sicher darauf schließen, dass auch Lisette Ness tot ist. Bis jetzt ist Kristin Mayer, unsere Kollegin aus Moss, die heute hier bei uns ist«, er deutete auf die Ermittlerin mit den knallroten Haaren, die auf der anderen Seite des Tisches saß, »von der These ausgegangen, dass sich Lisette Ness aufgrund von Eheproblemen freiwillig unauffindbar gemacht hat. Die Kollegen in Moss hatten beschlossen, bis nach dem Wochenende abzuwarten, ehe weitere Ermittlungen in Gang gesetzt würden. Ich habe gesehen, was von eurer Seite getan wurde, Mayer, aber darüber kannst du die Kollegen ja selbst informieren.«
Lars Weberg nahm Platz, und Kristin Mayer räusperte sich. Sie beugte den Oberkörper etwas vor und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Im Laufe der nächsten Minuten erläuterte sie dem Team den Handlungsverlauf. Sie berichtete von der Vermisstenmeldung, die Elias Ness am Mittwochmorgen in der Polizeistation Moss aufgegeben hatte, sowie darüber, was Lisettes Kollegin bei Moss Beauty über die kränkelnde Ehe, das verlorene Kind, die Arbeitssituation des Ehemanns und den Liebhaber – der übrigens als Verdächtiger ausgeschieden war – erzählt hatte.
»Er ist als Verdächtiger ausgeschieden?«, fragte Magnus aus der anderen Ecke des Raums. »Heißt das, er hat ein Alibi?«
»Dieser Seitensprung wurde schon vor mehreren Wochen beendet, und die beiden hatten danach keinen Kontakt mehr miteinander. Das hat der Liebhaber ausgesagt, und nach Abgleich seiner Informationen mit seinen Handydaten bei Telenor entspricht das den Tatsachen. Ich möchte hinzufügen, dass er glaubwürdig wirkt.«
»Was ist mit dem Ehemann?«
Ehe Kristin Mayer antworten konnte, sagte Lars Weberg: »Da ist weiter ja noch nichts nachgeprüft worden, oder?«
»Nein«, erwiderte sie.
»Dann rede heute noch mal mit ihm.«
»Gibt es da irgendeine Vorgeschichte?«, wollte Magnus wissen. »In deren Beziehung?«
»Vorgeschichte?« Kristin Mayer sah ihn an. »Meinst du, ob wir bei denen früher schon mal was von Streitereien und Ähnlichem gehört haben?«
»Zum Beispiel.«
»Nein. Bei mir sind auch keine Alarmglocken losgegangen, weder bei der ersten noch bei der zweiten Begegnung mit ihm. Allerdings … Wie schon gesagt, habe ich ja angenommen, die Antwort bereits zu kennen, und jetzt liegen die Dinge anders.«
»Gibt es überhaupt eine Verbindung zwischen Lisette Ness und Cecilie Olin?«, fragte der Polizeichef, der seit Beginn des Treffens zum ersten Mal den Mund aufmachte.
»Nein«, erwiderte Lars Weberg, »allerdings konnten wir uns bis jetzt nur die sozialen Medien anschauen, und da gibt es nichts.« Er blickte auf die Papiere vor sich. »Torp, du wolltest noch was sagen.«
Magnus trat einen Schritt vor und stellte sich in die Mitte des Raums. Er berichtete von dem Anruf des Rechtsmediziners Mogens Poulsen am Donnerstagabend, dem Gespräch mit dem Lensmann von Volda og Ørsta und dass er den gestrigen Vormittag dort verbracht hatte.
»Ich kann mich gut an diesen Fall erinnern«, sagte einer der Ermittler und erntete auch von anderen ein Kopfnicken. »Aber weißt du, dass die Fälle zusammenhängen, oder ist das eine Theorie?«
»Es ist eine Theorie«, erwiderte Magnus. »Als ich das erste Mal mit Mogens Poulsen darüber gesprochen habe, fand ich das ziemlich dünn. Bis ich dann die Fotos von Rebekka Vehler gesehen habe. Die beiden Fälle ähneln einander so sehr, dass wir gezwungen sind, uns das näher anzuschauen.« Magnus stellte sich wieder neben den Polizeichef. »Bis ich Kristin Mayers Briefing gehört habe, wollte ich in erster Linie herausfinden, wo Fredrik Olin und Bjørn Farsund sich 1999 aufgehalten haben. Aber, Mayer …«, er warf einen Blick auf die Ermittlerin aus Moss. »Wie alt ist Elias Ness?«
»Vierundvierzig.«
Magnus nickte in sich hinein. Dann sagte er: »Journalismus ist eine der Studienrichtungen an der Hochschule in Volda.«