TOFU IST TOFU
T ough men don’t dance. Diese Ausrede kennen wir von Männern, die zu schüchtern zum Tanzen sind. Aber toughe Männer essen keinen Tofu? Tatsächlich kenne ich kaum einen Mann in Deutschland, der so richtig gern Tofu isst. Selbst vegane Männer nicht. Sie tun es aus Freundlichkeit, Höf‌lichkeit, aus politischen Gründen, weil nun bald jeder verstanden hat, dass hoher Fleischkonsum den Weltuntergang beschleunigt, aber er ist ihnen nicht geheuer, irgendwie zu weich, zu weiblich, vielleicht haben sie auch nur Angst, dass er sie schwach machen könnte. Standhaft behaupten sie, er schmecke nach nasser Katze, Wischlappen oder Wollstrumpf.
Und leider haben sie da oft recht. Deutscher Tofu ist meist wenig kulinarisch, was wohl daran liegt, dass er in wenig Vielfalt angeboten wird und wir nicht wissen, was wir mit ihm anstellen sollen. In Asien weiß jedes Kind, dass Tofu pur nach nix schmeckt. Also doof. Da haben die Männer recht. Aber da geht es ja erst los. Es ist höchste Zeit, den Tofu bei uns zu rehabilitieren, und damit meine ich nicht, dass er jetzt vorgeben soll, ein Wiener Schnitzel, eine Bratwurst oder Gyros zu sein. Das ist vielleicht nett gemeint, um unseren Männern, Söhnen und Geliebten Tofu unterzujubeln und nach dem Essen scheinheilig zu fragen: »Und? Wie hat es dir geschmeckt?« Um dann, wenn der Tofu-gefütterte Mann harmlos erwidert: »Jo, jo, ganz okay«, triumphierend aufzuheulen: »Das war TOFU !« Aber hat das schon mal geklappt? Nein, oder? Also: Entweder lernt man Tofu richtig zu würzen und zuzubereiten, oder man fährt gleich nach Kyoto in das schönste Tofu-Restaurant der Welt. Es liegt ein wenig versteckt in den Arashiyama-Bergen am jadegrünen Hozu-Fluss. Auf den ersten Blick ist es nur ein kleines Hexenhäuschen, aber es ist berühmt für seine Tofu-Küche, die hier an Ort und Stelle hergestellt wird. Man sitzt auf einer kleinen Holzveranda über dem Fluss, und als Vorspeise bekommt man Seidentofu, so weich und cremig wie Pudding, mit ein bisschen Salz und geriebenem Ingwer, gefolgt von verschiedenen Gemüsen auf Tofu-Blättern, die Yuba heißen und umwerfend fein schmecken, als Hauptgang dann herzhafte Suppe mit Tofu aus dem Tontopf und zum Abschluss Tofu-Eis, das so zart schmilzt wie das beste Joghurteis nicht. Tofu-Ekstase. Nichts schmeckt vergleichlich. Magisch. Danach will man eigentlich nur noch Tofu essen. Wenn das eingefleischte (!) Tofu-Feinde immer noch nicht überzeugt, hier ein Kommentar von Zen-Meister Dōgen Zenji aus dem 13. Jahrhundert: »Der Tofu-Macher denkt, Sojabohnen werden gekocht und werden zu Tofu. Es sieht so aus, als wären erst die Bohnen da und später der Tofu. Aber das ist eine Sichtweise von außen. Wenn man zum Tofu sagen würde: Dein früherer Körper waren harte Bohnen, und jetzt hast du einen weichen Körper, ganz anders als dein früherer Körper, würde der Tofu sagen: Blödsinn. Bohnen sind Bohnen, Tofu ist Tofu. Nicht ›dies‹ wird ›das‹, sondern es ist immer nur eins zu einer Zeit. Wende dieses Prinzip auf deinen Alltag an. Du kannst nichts werden. Nur sein. Von einem Augenblick zum nächsten. Kein Davor oder Danach. Immer nur, wie es ist.« – Alles klar? Der Tofu ist der Tofu. Der Mann ist der Mann. Die Frau die Frau. Guten Appetit. – Oje. Immer noch nicht überzeugt?
Dann noch ein Tofu-Rezept: Im Mixer ein halbes Päckchen Seidentofu und eine halbe Avocado vermischen. Aufs Gesicht schmieren. Nach zwanzig Minuten abwaschen. Staunen. Eine Haut wie ein Babypopo. Macht selbst toughe Tofu-Hasser weich.