BLÜMCHENKAFFEE
Ich liebe Kaffee. Als ich als Jugendliche von »Caro«-Kaffee auf echten Bohnenkaffee umsteigen durf‌te, war ich stolz wie eine Primelkönigin. Kaffeetrinken war ein Synonym für Erwachsensein. Ich trank Espresso und kam mir mondän vor, türkischen Kaffee und fühlte mich kosmopolitisch. Im Sommer gab es Eiskaffee mit Schlagsahne und Vanilleeis, Cappuccino wurde grundsätzlich mit Sahne serviert. Ich trank literweise Filterkaffee, der in allen Filmproduktionsbüros aus riesigen Kaffeemaschinen rann und stundenlang vor sich hin köchelte, bis er nach grenzenloser Verbitterung über die Gesamtsituation schmeckte.
Und dann fingen mit einem Mal alle an, italienischen Cappuccino mit Milchschaum zu trinken, und fühlten sich über die Maßen gebildet, wenn sie grammatikalisch korrekt zwei Cappuccini bestellten. Ich trank nun auch morgens, mittags, abends Cappuccino, was kein Italiener versteht, denn in Italien ist um 12 Uhr Schluss damit, ab da trinkt man nur noch Espresso. Die Steigerung von Cappuccino war »die Latte macchiato«, die korrekterweise »der Latte macchiato« heißen muss, aber das sagt man lieber nicht bei uns, sonst wird man knallhart korrigiert. In Amerika beschwerte ich mich über den schwachen Blümchenkaffee, aber liebte die freien »ref‌ills« . Bald hieß es, zu viel Kaffee sei gesundheitsschädlich und führe zu Herzproblemen und Falten, aber kaum wollte ich deshalb meinen Kaffeekonsum einschränken, eröffnete an jeder Ecke ein Starbucks.
Als Kette verabscheut, lümmelte ich mich dennoch ab und an gern in den lila Sofas und freute mich über meinen falsch geschriebenen Namen auf dem Pappbecher. Kaffeekochen war plötzlich eine höchst komplizierte Angelegenheit, für die man die Ausbildung zum Barista brauchte. Kurz nachdem ich endlich begriffen habe, dass die kleinste Größe bei Starbucks »tall« heißt, ist jetzt bald wieder Schluss mit Starbucks, denn mit einem Mal sehen wir nicht mehr ein, warum wir uns jahrelang ewig angestellt haben, um schlechten und überteuerten Kaffee zu trinken und die Welt mit Pappbechern zu überziehen.
Inzwischen haben wir ja alle unsere eigene Kapselkaffeemaschine zu Hause, für die George Clooney so schön Reklame gemacht hat, auf dass wir umgerechnet pro Kaffee ein Vielfaches zahlen und die Aluminiumvorkommen der Welt ausbeuten, bevor wir die Kapseln in den ungetrennten Müll schmeißen und mit schlechtem Gewissen beim Filterkaffee unserer Ahnen schwören, nur noch recyclefähige Kapseln zu verwenden oder die gebrauchten brav zurückzubringen. Bevor wir das wirklich in die Tat umsetzen, sind die Kapseln schon wieder out, denn jetzt trinken wir gebrühten Kaffee, für den wir allerdings eine lachhaft teure Maschine benötigen, die eher an ein Chemielabor erinnert als an simples Kaffeekochen. Und neuerdings ist Kaffeetrinken sogar gesund – allerdings nur bei drei bis vier Tassen am Tag. Zwei oder fünf sind weiterhin schädlich. Und wie groß muss die Tasse sein? Mir wird das Kaffeetrinken zu kompliziert, ich glaube, ich steige um auf Tee. Wenn nur nicht die Teezeremonie wäre.