DIE MAGIE DER PETERSILIE
Ich liebe Farben. Für mich muss es bunt sein, auch auf dem Teller. Das Auge isst mit, heißt es doch, und meins freut sich besonders über hübsche farbliche Kompositionen in Komplementärfarben. Also zum Beispiel Tomatensalat mit Gurke und blauen Zwiebeln. Oder rote Beete mit Grünkohl. Melone mit Minze und Feigen. Granatapfel und grüner Salat. Beige-gelb-braune Gerichte wie Kartoffelbrei und Bratwurst, Hühnerfricassée oder Königsberger Klopse deprimieren mich, und es juckt mir in den Fingern, sie farblich aufzupeppen und wenigstens einen kleinen Farbtupfer wie ein bisschen Petersilie drüberzustreuen. Petersilie ist so oft die Rettung. Ein Hohelied auf die Petersilie! Kaum eine Küche kommt ohne sie aus. Sie galt bereits im alten Griechenland als heilige Pflanze, wo man sie als Aphrodisiakum einsetzte. Das hatte ich zwar nicht im Sinn, als ich sie für meinen Zukünftigen zubereitete, aber sie hat tatsächlich eine schon über zwanzig Jahre anhaltende Liebesbeziehung
gestiftet, wie sich vielleicht manche Leser*innen erinnern. Auf jeden Fall ist sie meine heißgeliebte Farbretterin in Not. Fakt ist, dass Farben auf dem Teller nicht nur optisch, sondern auch ernährungsphysiologisch wünschenswert sind: Chlorophyll. Lycopin und Anthozyane sorgen für grüne, rote und blaue Lebensmittel. Für dezidierte Farbfans gibt es sogar eine Regenbogendiät, die den Tag in farbige Lebensmittel unterteilt: Morgens isst man rot-gelb-orange mit Kirschen, Bananen und Karotten, mittags grün-gelb-blau mit Salat, Kartoffeln und Brombeeren, abends violett-indigo-gold mit Auberginen, Rotkohl und Mirabellen. Nun ja, für das Auge vielleicht toll, für den Gaumen nur begrenzt attraktiv, aber Lebensmittel in Knallfarben sind in der Regel teuflisch gesund und die beigen nicht. (Allerdings gibt es auch Alkohol in hübschen Farben von Campari-Rot über Bols-Blau bis zu Eierlikör-Gelb und Absinth-Grün, da trinkt dann eher das Auge mit.) Orangefarbene Lebensmittel sollen gut gegen depressive Verstimmungen helfen, gelbe die Konzentration fördern, rote schützen vor Zellalterung und fangen freie Radikale ein, grüne sind gut für Muskeln und Nerven, violette fürs Gedächtnis, und weiße wirken antibakteriell. Die Apotheke auf dem Teller – so schön, dass man es erst fast malen sollte, bevor man es isst. (Vielleicht
auch eine interessante Diätidee: alles, was man isst, erst zu malen.) Ganz ohne Farben schmeckt uns das Essen einfach nicht. Auch nicht, wenn die Farben vertauscht sind: der Kartoffelbrei blau, die Bananen rot, die Gurke gelb, die Petersilie orange. Was die Petersilie genau mit meinem Mann zu tun hat? O.k., hier also noch mal: Er hatte großen Hunger, aber nur ein paar Spaghetti, Olivenöl und ein welkes Bund Petersilie in seiner Junggesellenküche. Ich kochte die Spaghetti, briet mit dem letzten Rest Olivenöl die Petersilie und streute sie über die Spaghetti, er hielt mich von da an für eine großartige Köchin und zog umgehend mit mir zusammen. Das war vor zwanzig Jahren. Inzwischen weiß ich, dass der, der uns wirklich liebt, uns immer sagen wird, wenn wir Petersilie zwischen den Zähnen haben. Und das macht er.