1.7Software-Patente und andere Ärgernisse
Vieles deutet darauf hin, dass Linux in Zukunft eine noch höhere Bedeutung und Verbreitung finden wird: Die Entwicklung schreitet auf allen Ebenen (Kernel, Server-Programme, Anwendungen) rasch voran, immer mehr Behörden und Firmen erkennen die Vorteile von Linux etc. Es gibt aber auch Stolpersteine, die das Thema dieses Abschnitts sind.
Software-Patente schützen in den USA und anderen Ländern Software-Ideen, -Konzepte und Algorithmen. Alles Mögliche und Unmögliche ist schon patentiert, bisweilen vollkommen triviale Dinge wie die Darstellung eines Fortschrittsbalkens oder die berühmte 1-Click-Bestellung (Amazon). Der Missbrauch derartiger Trivialpatente und die für die schnelllebige Software-Branche unsinnig langen Laufzeiten von 20 Jahren tragen zum Widerwillen gegen Software-Patente bei. Sie können davon ausgehen, dass jedes Programm mit einigen 100 Zeilen Code weltweit irgendwelche Patente verletzt ...
Die Entscheidung des Europäischen Patentamts gegen die Einführung von Software-Patenten in Europa im Sommer 2005 war einer der wenigen Lichtblicke. Da Linux aber auch außerhalb Europas eingesetzt wird, beschränken Software-Patente den Lieferumfang vieler Distributionen: Beispielsweise verzichten viele Distributionen aus Angst vor Klagen darauf, Bibliotheken zum Abspielen von MP3-Dateien mitzuliefern; die darin eingesetzten Algorithmen sind durch Patente geschützt. Es bleibt jedem Benutzer überlassen, entsprechende Bibliotheken selbst zu installieren.
Während Patente selten ein Risiko für einzelne Software-Entwickler sind, spielen sie im Kampf um Marktanteile eine immer größere Rolle, besonders im heiß umkämpften Smartphone- und Tablet-Markt. Jeder große Hersteller verklagt jeden anderen, mit ungewissem Ausgang, aber auf jeden Fall zur Freude der beteiligten Rechtsanwälte und Kanzleien. Besonders geschickt agiert Microsoft: In Form von Lizenzierungsverträgen für die Hersteller von Smartphones verdient die Firma am Verkauf von Android-Handys – ohne selbst eine Zeile Code dafür geschrieben zu haben.
Ganz aussichtslos ist die Lage freilich nicht. Das liegt vor allem daran, dass einige Linux nahestehende Firmen wie IBM selbst über riesige Patent-Pools verfügen. Gleichzeitig haben diverse Linux-Firmen damit begonnen, selbst Patente zu sammeln, die teilweise von anderen Firmen gleichsam für Open-Source-Zwecke »gespendet« wurden. Das Absurde der Situation besteht darin, dass ein verfehltes Patentrecht die Open-Source-Gemeinde dazu zwingt, selbst Patente einzusetzen, um sich gegen eventuelle Klagen zu schützen. Details über Patent-Tools der Open-Source-Gemeinde finden Sie hier:
http://www.openinventionnetwork.com
Ein weiteres Problemfeld ist der Multimedia-Markt. Schon jetzt können Sie unter Linux DVDs nicht ohne Weiteres abspielen. Diese Einschränkung ist juristischer Natur, nicht technischer. Diverse Gesetze verbieten in vielen Ländern sowohl die Weitergabe der erforderlichen Bibliotheken als auch die bloße Beschreibung, wie diese zu installieren sind – z.B. das Urheberrechtsgesetz in Deutschland.
Nicht besser sieht es mit online erworbenen Daten (Videos, eBooks etc.) aus, die durch DRM geschützt sind. DRM steht für Digital Rights Management und bezeichnet diverse Verfahren, um die Nutzung der Daten so einzuschränken, dass sie nur auf einem ganz bestimmten Rechner möglich ist. Sozusagen nebenbei werden Sie dadurch auf eine bestimmte Hardware (z.B. iPod oder iPhone) bzw. auf ein bestimmtes Betriebssystem (z.B. Windows, OS X) beschränkt. DRM-Gegner bezeichnen das System nicht umsonst als Digital Restriction Management.
DRM und Open Source sind fundamental inkompatibel zueinander. Deswegen erfordert der legale Zugriff auf DRM-geschützte Inhalte kommerzielle Closed-Source-Programme, die für Linux aber selten verfügbar sind.