13

VITTORIA

I ch verdaue immer noch, was Amadeo getan hat. Er hat das, was der Schmuck kostet, verdoppelt. So etwas habe ich wohl nicht von ihm erwartet. Es war nichts weiter als ein kleiner Spaß auf seine Kosten, aber er hat den Spieß umgedreht, und ich weiß nicht, ob ich das mag. Ich erinnere mich daran, dass er kein Mensch ist. Er ist ein Monster. Nur ein Monster kann einer Leiche das antun, was er der Leiche meines Vaters angetan hat. Nur ein Monster würde eine Frau entführen und ihre Zuneigung zu ihrer kleinen Schwester benutzen, um sie dazu zu bringen, sich seinem Willen zu beugen. Nur ein Monster würde ein Kind als Kollateralschaden betrachten.

Die Tür geht auf, als ich gerade meinem Make-up den letzten Schliff verpasse. Ich erwarte Amadeo, aber als ich mich umdrehe und Bastian vor mir steht, bin ich unvorbereitet. Mein Herz schlägt schneller und ich lasse fast den Lippenstift auf das hübsche karamellgoldene Kleid fallen.

„Vorsichtig. Das gibt einen Fleck“, sagt er schroff und mit einem verächtlichen Gesichtsausdruck.

Er trägt einen dunklen Anzug, der seine Muskeln kaum verhüllt. Sein Haar ist zurückgekämmt, der Bartschatten entlang seines Kiefers betont die Härte und die Narbe ist irgendwie nicht hässlich. Ich erinnere mich an ihre Frage in der Bibliothek und muss mich zwingen zu blinzeln, als sich Hitze in meinem Nacken und auf meinen Wangen ausbreitet. Ich bin mir nicht sicher, was mit mir los ist. Warum ich mich auch nur im Entferntesten zu einem von ihnen hingezogen fühle.

Sein Blick streift über die Diamanten an meinem Hals und meinen Ohren. Er konzentriert sich auf den Ring an meinem Finger, während ich den Lippenstift auftrage, und ich schwöre, dass er noch wütender geworden ist, als seine Augen wieder auf meine treffen. Diese Wut lässt seine bernsteinfarbenen Augen glühen, als würde ein Feuer unter der Asche schwelen. Als würde dieses Feuer wieder auflodern und alles in seinem Weg verzehren.

Der Gedanke daran lässt mich erschaudern.

„Bist du bereit, Pusteblume?“

„Wo ist Amadeo?“

„Warum? Bin ich nicht gut genug? Oder mache ich dich nervös, wenn er nicht da ist?“

„Du machst mich nicht nervös“, sage ich und stehe auf. Ich durchquere den Raum, um das Tuch, das zum Kleid gehört, vom Bügel zu nehmen, und will es mir gerade über die Schultern legen, als er hinter mir auftaucht. Seine Finger streifen meine, als er mir das Tuch abnimmt.

Mein Herz setzt aus. Er ist mir so nahe, dass ich die Hitze seines Körpers spüren kann. Ich rieche sein Aftershave, Leder und Gewürze und einen unbeugsamen Mann.

Ich werfe einen Blick nach hinten und erinnere mich wieder an letzte Nacht. Wie sie mich damit aufgezogen haben, zwei Männer auf einmal zu ficken. Mit ihnen zu ficken.

Meine Kehle wird trocken.

Er sieht mich an, sein Blick wandert über mein Gesicht und hält an meinem Mund inne. Er lehnt sich nah heran, so nah, dass die Bartstoppeln meine Wange streifen und sich alle Haare in meinem Nacken aufstellen. Er atmet ein und ich ertappe mich dabei, wie ich mich nach hinten lehne und mich gerade noch aufhalten kann, bevor mein Körper den seinen berührt.

Ich schlucke schwer, als er das Tuch über meinen Schultern richtet. Ich ziehe das Kleid zurecht, weil ich mich ablenken muss. Das hübsche Seidenkleid reicht bis zum Boden und hat einen tiefen Ausschnitt, wo der schwere Diamantanhänger an meiner Halskette zwischen meinen Brüsten ruht. Die Tropfenohrringe passen zur Kette. Ich werde sie morgen in den Laden zurückbringen. Mr. Preston war damit einverstanden, sie mir zu leihen, als ich ihm vorschlug, dass er auch das Geld nehmen und der Wohltätigkeitsorganisation spenden sollte. Er konnte nicht ablehnen, obwohl ich weiß, dass es ihm wehtat. Seiner Brieftasche hat es sicher wehgetan. Aber Gier ist eine hässliche Sache, und außerdem werde ich heute Abend seine Diamanten und sein Geschäft vorzeigen.

„Fühlst du dich sicherer, wenn Amadeo in der Nähe ist, Pusteblume?“ Er bringt seinen Mund an mein Ohr und ich muss mich zusammenreißen, um still zu halten. „Denn das bist du nicht.“

Ich erschaudere.

Zufrieden geht er weg, und ich kann wieder atmen.

„Mein Bruder wird uns im Restaurant treffen. Er musste sich noch um ein paar Dinge kümmern.“ Er begutachtet mich und deutet auf die Diamanten. „Hat er dir die gekauft?“

„Bist du eifersüchtig? Soll dir dein großer Bruder auch ein bisschen Schmuck kaufen?“

„Denk einfach daran, dass Amadeo immer einen Hintergedanken hat. Man muss kein Genie sein, um zu erraten, was das ist.“

Durcheinander suche ich verzweifelt nach einer Antwort.

„Lass uns gehen. Du willst doch nicht zu spät kommen, wenn dein Verlobter eure Verlobung bekannt gibt. Das wäre wirklich peinlich.“

Er deutet zur Tür und ich bewege mich und versuche, Abstand zwischen uns zu halten, was mir nicht gelingt. Als wir die Eingangstür erreichen, sehe ich dieselben Wachen wie zuvor und beschließe, sie Gorilla eins und Gorilla zwei zu nennen. Wir gehen zu viert zu dem wartenden SUV, die beiden Gorillas sitzen vorne, Bastian und ich hinten. Die Fahrt ist angespannt, denn Bastian schreibt die ganze Zeit Nachrichten, und ich versuche, ihn nicht anzusehen.

Ich brauche keine Angst vor Bastian zu haben. Amadeo wird nicht zulassen, dass er mir wehtut. Er sagte, sie würden mich beschützen. Sie. Aber wenn ich so nahe bei Bastian bin, ist es, als würde er alle Luft aus dem Raum saugen. Als gäbe es nicht genug Sauerstoff für ihn, seinen Hass und mich. Ich kann nicht mit Amadeo über ihn sprechen. Ich will nicht verraten, dass Bastian mir Angst macht. Nicht, dass Amadeo das nicht auch täte, aber Amadeo wird mir nicht wehtun. Jedenfalls noch nicht. Ich habe das Gefühl, dass er der Vernünftigere von beiden ist.

Zwanzig Minuten später erreichen wir das elegante Restaurant. Bastian begleitet mich zur Eingangstür und ich stelle fest, dass sich eine Menschenmenge versammelt hat – Journalisten, wie ich feststelle, als die Kameras aufblitzen.

„Was soll das?“, frage ich ihn.

„Eine große Show für deinen Bruder“, sagt er mit einem Gesichtsausdruck, dass die Zuschauer für ein Lächeln halten würden, aber ich weiß, dass es Spott ist.

„Mein Bruder?“

Alle Tische im Restaurant sind besetzt und jeder einzelne Kopf dreht sich um, als wir eintreten. Die Gespräche kommen kurzzeitig zum Stillstand.

„Er scheint dich zu vermissen“, sagt Bastian, während er mir das Tuch von den Schultern nimmt und seine Hand auf meinen unteren Rücken legt.

Ich verspanne mich augenblicklich, als seine heiße Hand auf meiner Haut zum liegen kommt. Sein Blick verrät mir, dass er es auch spürt.

„Auf gehts.“

Ich schaue zu ihm hoch und er zu mir hinunter. Sein Blick ist hart. Resting asshole face , nennt man das, oder?

„Ms. Russo, mein aufrichtiges Beileid“, sagt ein Mann, der aufsteht, als wir an seinem Tisch vorbeikommen.

„Vielen Dank“, sage ich zu ihm, obwohl ich ihn nicht kenne.

„Ihr Vater und ich hatten geschäftlich miteinander zu tun. Ich bin sicher, wir werden –“

„Entschuldigen Sie uns“, sagt Bastian und macht sich nicht einmal die Mühe, ein falsches Lächeln aufzusetzen. Wir gehen zwischen den Tischen durch, alle Augen auf uns gerichtet, und ganz hinten entdecke ich Amadeo.

Er steht auf, zusammen mit den Männern, die mit am Tisch sitzen. Die Frau dort bleibt sitzen. Einer der Männer ist Ende fünfzig oder Anfang sechzig, und er kommt mir irgendwie bekannt vor. Der andere ist jünger, vielleicht vierzig. Der ältere Mann mustert mich, als wir uns nähern, und ich spüre, wie sein Blick wie eine kalte, feuchte Hand über mich gleitet. Ich erschaudere und werde langsamer. Bastian spürt das wohl, denn er drückt seine Hand auf meinen Rücken und drängt mich, weiterzugehen.

„Das ist unser Onkel Sonny. So wirkt er auf alle“, sagt Bastian.

Ich schaue zu Bastian auf und versuche, das zu verstehen. Aber sein Mund ist eine schmale Linie und er deutet in Richtung des Tisches.

Der Mann auf Amadeos anderer Seite sieht mich auch an, aber bei ihm ist es anders. Er ist nicht schmierig. Er lächelt und nickt zur Begrüßung, aber ich muss mich daran erinnern, dass das nur eine Fassade ist. Wenn er ein Freund von Amadeo oder Bastian ist, dann sind seine Hände nicht sauber.

Ich denke an den Bericht, den Amadeo mir gezeigt hat, an den Kommentar über die Finanzen unserer Firma und wie mein Bruder sie benutzt hat. Aber nein. Das kann nicht richtig sein. Mein Vater hätte es gewusst, wenn so etwas vor sich gegangen wäre.

„Bruder“, sagt Bastian, als wir Amadeo erreichen. Ich sehe sie an, wie sie da zusammen stehen. Zwei gefährliche Männer. Zwei gefährliche Männer, die die identischen Narben in ihren Gesichtern nur noch attraktiver machen. Und ich fühle mich zu beiden hingezogen, so sehr ich mich auch dagegen wehren oder es leugnen möchte.

Aber sie sind beide Monster. Das muss ich mir immer wieder vor Augen führen.

Amadeo trägt einen ähnlichen Anzug wie Bastian, schwarz auf schwarz, die dunklen Haare nach hinten gekämmt, mit einem permanenten Bartschatten entlang der harten Linie seines Kiefers.

„Du siehst wunderschön aus. Gold ist deine Farbe“, sagt Amadeo, während er mich ansieht. Sein Blick wandert langsam über mich, so langsam, dass meine Brustwarzen hart werden und sich die Härchen auf meinen Armen aufrichten. „Danke, Bruder“, sagt er. Sie wechseln einen Blick, eine stille Kommunikation.

„Ich hole mir etwas zu trinken“, murmelt Bastian und übergibt mich an Amadeo.

Wir sehen beide, wie er sich auf einem Hocker an der Bar auf der anderen Seite des Raumes niederlässt. Er ist uns zugewandt und selbst aus dieser Entfernung sehe ich, wie sich seine Augen in meine bohren.

Ich wende meinen Blick von ihm ab und schaue mich um. Die Unterhaltungen kommen wieder in Gang, obwohl ich neugierige Blicke bemerke. Amadeo zieht mich an seine Seite und lässt seinen Handrücken über meine Wirbelsäule gleiten, was mir eine Gänsehaut beschert.

„Die Diamanten stehen dir gut“, sagt er.

„Du warst heute Nachmittag sehr großzügig.“

„Du hast mir keine große Wahl gelassen.“ Er lehnt sich nah an mich heran, bis es so aussieht, als würde er meine Wange küssen. „Und ich habe es ernst gemeint, was ich gesagt habe. Ich freue mich schon darauf, nur sie auf deiner nackten Haut zu sehen.“

Ich schlucke, nicht sicher, ob es seine Worte, sein Atem, der meinen Nacken streift, oder die Finger, die meinen unteren Rücken entlang spielen, sind, die Schmetterlinge in meinem Bauch aufsteigen lassen.

Ich werde nicht mit ihnen ficken. Ich werde nicht mit ihnen ficken. Wie ein Mantra wiederhole ich die Worte.

„Denk an unsere Abmachung“, flüstert er.

Mein Gesicht fühlt sich heiß an, als er sich zurückzieht. Seine Augen sind dunkel und stürmisch wie zuvor. Und ich bemerke, dass alle Augen auf uns gerichtet sind. Die Erwartung.

Überzeuge sie.

Ich blicke zu ihm auf. Er wartet auf meine Reaktion. Er wartet darauf, zu sehen, was ich tun werde. Ich hebe die linke Hand zu seinem Gesicht, wodurch der Diamant gut sichtbar ist. Lege die Hand darauf. Auf die vernarbte Seite.

Kameras blitzen auf und eine Frau keucht, als das Licht von dem lupenreinen Diamanten reflektiert wird, der von den kleineren Hofdamen umgeben ist. Ich lecke mir über die Lippen und atme tief ein, während mein Herz rast. Und ich sage mir, dass ich das tue, um überzeugend zu sein. Nicht, weil ich es will. Ich sage mir, dass ich es tue, weil ich es tun muss, während ich auf die Zehenspitzen gehe, ihm in die Augen schaue und ihn küsse. Ich lege meine Lippen auf seine und küsse ihn.

Amadeos flache Hand bedeckt meinen unteren Rücken, als er mich an sich zieht und den Kuss auf eine andere Ebene bringt. Eine, auf die ich ihn nicht bringen wollte. Überrascht sträube ich mich, aber er lässt sich nicht stören. Er drückt meinen Kopf nach hinten und als sich mein Mund öffnet, schiebt er seine Zunge hinein. Ich schnappe nach Luft, reiße die Augen auf und treffe kurz seinen Blick, bevor sich jemand räuspert und er unseren Kuss unterbricht.

Ich atme zitternd aus und starre zu ihm auf, während ich mich an einer Stuhllehne festklammere. In diesem Moment sehe ich Bastians bernsteinfarbene Augen auf mich gerichtet. Er neigt sein Glas, trinkt den Inhalt aus und schenkt sich aus der Flasche auf dem Tresen einen neuen Drink ein.

„Vittoria“, sagt Amadeo und dreht mich von seinem Bruder weg zu den anderen am Tisch. „Das ist mein Onkel, Sonny Caballero.“ Er deutet auf den Widerling, der nicht aufsteht, sondern nickt, und es kostet mich alles, um nicht zu erschaudern, als mich das gleiche Gefühl wie vorhin überkommt. Ich mag ihn nicht. Und wenn ich zwischen ihm und Amadeo oder sogar Bastian wählen müsste, würde ich nicht zögern, den Brüdern in die Arme zu rennen.

„Es freut mich, Sie kennenzulernen, Ms. Russo“, sagt er. Er lehnt sich in seinem Stuhl zurück und nimmt seinen Drink in die Hand, während seine Augen offen über mich wandern. Amadeos Hand umfasst meine Taille, und er dreht mich zu der Frau an Sonnys Seite.

„Seine Frau, Anna.“

Anna macht sich nicht einmal die Mühe, etwas zu sagen. Sie formt ihre Lippen zu etwas, das wie der Anfang eines Lächelns aussieht, und hört dann auf. Sie hält Augenkontakt, als würde sie mir allein dadurch mitteilen, was sie von mir hält.

„Und Bruno Cocci.“

Bruno streckt mir eine Hand entgegen und verbeugt sich mit einer freundlichen Geste ein klein wenig. „Schön, Sie kennenzulernen, Ms. Russo.“

Ich schüttle seine Hand. „Ebenso, Mr. Cocci.“

„Bruno, bitte.“

„Nur, wenn Sie mich Vittoria nennen.“

Er nickt, lässt meine Hand los und Amadeo zieht mir einen Stuhl heran, sodass ich zwischen ihm und Bruno sitze. Bastian kommt auch zu uns, stellt sein Glas und die Flasche ab und setzt sich auf Brunos andere Seite. Amadeos Augen sind auf seinen Bruder gerichtet, und er sieht nicht glücklich aus.

Da ist die Kluft.

Amadeo hebt eine Hand und die Kellner erscheinen, einer mit einer Flasche Champagner, ein anderer mit einem Tablett mit Kristallflöten.

„Vittoria und ich freuen uns sehr, dass ihr hier seid, um diesen bedeutsamen Anlass mit uns zu feiern.“ Ich spüre, wie meine Augenbrauen auf meiner Stirn immer höher wandern. „Denn wir geben unsere Verlobung bekannt.“

Einen Moment lang herrscht fassungsloses Schweigen. Jemand räuspert sich.

„Ziemlich plötzlich, findest du nicht?“, fragt Sonny und nimmt seinen Whiskey.

„Liebe auf den ersten Blick. Nicht wahr, Vittoria?“

Ich sehe Amadeo an. Wenn ich irgendetwas anderes sage, wenn ich diese Farce anspreche, wird mir dann jemand helfen? Mich zurück nach Hause bringen? Ich werfe Bastian einen Blick zu, dessen Kiefer so verkrampft ist, dass ich Angst habe, er bricht sich einen Zahn ab.

„Das stimmt“, sage ich.

„Wie heißt es doch so schön? Wahre Liebe besiegt alles“, fügt Amadeo trocken hinzu. „Ich weiß nicht, woher die Zeitungen den Eindruck haben, dass sie entführt wurde, du etwa, Onkel?“

Sein Onkel beobachtet Amadeo, während er sein Glas leert, und wendet sich dann an mich. „Ich habe gehört, dass die Beerdigung deines Vaters … ereignisreich war.“

Ich werfe Amadeo einen Blick zu. Die Leute wissen, was passiert ist, oder? Es muss zumindest Gerüchte geben. Ich blicke Sonny in die Augen. „Ich weiß nicht, was Sie meinen“, sage ich.

„Hm.“

„Wie ich schon sagte, möchte ich Vittoria der Familie vorstellen und unsere Verlobung bekannt geben. Jetzt, wo das traurige Ereignis von Geno Russos Tod hinter uns liegt, hoffe ich, dass ihr mit uns anstoßen werdet.“ Er lässt den Korken knallen, und ich zucke zusammen, wie ich es immer tue, wenn ein Korken knallt. Der Champagner schäumt oben aus der Flasche, er schenkt sechs Gläser ein und schiebt sie gezielt vor jede Person, die am Tisch sitzt.

Er nimmt sein Glas, ebenso wie Bruno. Sie wenden sich mir zu und warten. Ich nehme mein Glas.

Alle Blicke richten sich auf Bastian, und obwohl er sichtlich zögert, erhebt auch er sein Glas.

„Onkel?“, sagt Amadeo.

Sonny starrt ihn an. Er hasst ihn. Ich muss herausfinden, warum. Sonny blickt seine Frau an und deutet auf ihr Glas. Sie nimmt ihr Glas, und er tut dasselbe.

„Glückwunsch, Neffe“, sagt er und trinkt einen winzigen Schluck, bevor er es abstellt.

Amadeo nickt und dreht sich dann zu seinem Bruder um, der sein Glas leert, seinen Stuhl laut zurückschiebt und aufsteht. „Entschuldigt mich.“ Einen Moment später ist er weg, aber in diesem Moment kommen die Kellner, um den ersten Gang zu servieren, und es kommen Leute an den Tisch. Alle gehen zuerst zu Amadeo – manche freundlich, manche nicht –, bevor sie seinen Onkel begrüßen und mich ansehen, als wäre ich eine neue Nummer im Zirkus. Der neueste Freak in der Show. Es gibt eine ganze Reihe von Presseleuten und Politikern, von denen ich einige wiedererkenne, und sogar zwei Detectives und einen Chief, der mir seine Karte zusteckt. Mir fällt auf, dass sie sich sofort an Sonny wenden und Amadeo nicht die Hand schütteln. Die Polizei hat er also nicht in der Tasche. Das ist interessant.

„Chief Greco“, sagt Amadeo, zupft mir die Karte aus der Hand und steckt sie ein. „Schön, dass Sie hier sind.“

Der Chief atmet langsam und tief ein und geht, ohne ein Wort zu sagen, davon. Amadeo sieht ihm belustigt hinterher.

Als der Nachtisch serviert wird, entschuldige ich mich, um kurz zur Damentoilette zu gehen. Ich bin gerade zwei Schritte vom Tisch entfernt, als Amadeo nickt und Gorilla eins und Gorilla zwei mich flankieren. Keiner der beiden berührt mich, als ich mich auf den Weg zur Toilette mache. Als Gorilla eins die Tür aufstößt und so aussieht, als wolle er eintreten, halte ich ihn auf.

„Das ist eine Damentoilette. Das Schlüsselwort ist Damen, was ihr beide nicht seid.“

„Ich muss sie kontrollieren.“

„Warum genau? Glaubst du, ich finde ein kleines Fenster, durch das ich rauskriechen kann?“

In diesem Moment kommt Bastian um die Ecke.

„Sir“, sagt Gorilla eins oder zwei. Ich weiß nicht mehr, wen ich wie genannt habe.

Bastian sieht mich an. „Ich kümmere mich darum“, sagt er zu ihnen. „Geht eine rauchen.“

„Danke“, sagt einer von ihnen, und einen Moment später sind sie verschwunden. Bastian dreht sich zu mir um.

„Rein.“

„Ich glaube nicht, dass das angemessen –“

Er unterbricht mich, nimmt meinen Arm und führt mich in die Toilette, wo eine Spülung ertönt und eine Frau aus einer der kleinen Kabinen herauskommt. Sie bleibt stehen, als sie uns sieht, aber Bastians Blick sorgt dafür, dass sie zum Waschbecken eilt, wo sie sich schnell die Hände wäscht und nach draußen huscht.

Sobald die Tür geschlossen ist und wir allein sind, richtet Bastian seine ganze Aufmerksamkeit auf mich. Er stützt sich mit einem Arm an der Wand ab und sein Blick wandert über die Diamanten an meinen Ohren hinunter zu dem großen Anhänger, der zwischen meinen Brüsten hängt. Er hebt ihn mit einer Hand an, um das Gewicht zu bestimmen. Ich frage mich, ob er weiß, wie viel er wert ist.

Ich hebe meinen Blick von seiner Hand zu seinem dunklen Kopf, und in dem Moment, in dem ich das tue, sieht auch er mich an, hält meinen Blick und betrachtet mich durch Wimpern, die so dick sind wie die seines Bruders. Da ist wieder diese Glut. Und es gibt ein Wort, das mir in den Sinn kommt, wenn ich ihn ansehe. Ein sehr konkretes Wort.

Gefahr.

Ich lecke mir über die Lippen und öffne den Mund, um etwas zu sagen. Was, weiß ich nicht genau. Aber in diesem Moment streicht er mit den Fingerknöcheln der Hand, die den Anhänger hält, über die Rundung meiner Brust, und ich keuche auf.

Sein Gesichtsausdruck verändert sich nicht, und ich bewege mich nicht oder ziehe mich zurück. Das kann ich nicht. Nicht, als er die nackte Haut berührt und den Fingerknöchel gerade so weit bewegt, dass er die harte Brustwarze kitzelt, was meinen Atem stocken lässt.

Ein Mundwinkel verzieht sich zu einem verschmitzten Grinsen. „Zeig es mir.“

Ich blinzle, als ich aus meiner Trance erwache. Die Gänsehaut, die sich auf jedem Zentimeter meiner Haut gebildet hat, lässt mich zittern.

„Zeig mir, wie die Diamanten auf nackter Haut aussehen.“

Ich weiß nicht, ob es seine Worte oder seine Berührung sind, die mir etwas wie einen Stromstoß versetzen. Was ich weiß, ist, dass ich das nicht fühlen sollte. Ich sollte nicht hier stehen und so etwas fühlen.

Ich fasse nach seinem Handgelenk. „Hör auf.“

„Das glaube ich nicht.“

„Amadeo“

„Ich habe Neuigkeiten, Pusteblume“, sagt er mit tiefer, gefährlicher Stimme. „Du gehörst uns beiden. Diese Verlobung? Die Hochzeit, falls sie stattfindet, ist ein Mittel zum Zweck. Amadeo wird der Erste sein, der dir das sagt. Also werde ich es dir noch einmal sagen. Zeig. Es. Mir.“

Ich kann nicht denken. Nicht, wenn er so beiläufig meine Brustwarze umkreist, wie er es tut. Seine Haut ist wie Feuer auf meiner. Ich muss weg von ihm. Raus hier.

Es kostet mich alle Kraft, an ihm vorbei zur Tür zu gehen. Ich bin mir sicher, dass er mich stoppen wird, aber er tut es nicht. Er lässt mich einfach gehen und sieht mir mit einem überheblichen Grinsen im Gesicht nach. Doch gerade als ich meine Hand nach dem Türknauf ausstrecke, fliegt sie mit voller Wucht gegen die Wand, und ich springe mit einem kleinen Aufschrei nach hinten.

Amadeo steht im Türrahmen, als die Tür durch den Aufprall gegen die Wand vibriert. Er sieht mich an. Dann seinen Bruder.

Ich stehe zwischen den beiden und starre in Amadeos Gesicht, das vor Wut glüht. Nur langsam lenkt er seinen Blick wieder auf mich und lässt ihn dorthin wandern, wo sein Bruder mich gerade berührt hat. Weiß er es? Kann er die Asche sehen, die Bastians brennende Berührung hinterlassen hat?

„Pusteblume. Da bist du ja.“ Sein Tonfall klingt viel lässiger, als es sein Gesicht aussagt. Er zieht die Tür hinter sich zu und schließt sie ab. Er lächelt und ich drehe mich um und sehe, wie Bastian sich aufrechter hinstellt und die Arme vor der Brust verschränkt.

„Ich war …“ Ich stolpere über meine Worte. „Ich –“ In diesem Moment bewegt sich Bastian hinter mir. Ich bin verwirrt, als sich sein großer Körper gegen meinen presst und werfe einen verwirrten Blick nach hinten. Als ich mich wieder zu Amadeo umdrehe, kommt er auf mich zu.

„Bruder, was habt ihr beide gemacht?“, fragt Amadeo, sieht dabei aber mich an. „Sie sieht so schuldbewusst aus.“

„Ich hatte nicht vor, ohne dich anzufangen, aber ich konnte einfach nicht anders.“ Bastians Hände umschließen meine Handgelenke und er zieht meine Arme hinter mich. „Nicht, als ich all die schönen Diamanten gesehen habe. So viele Geschenke.“

Amadeo streicht mir die Haare von den Schultern und lächelt mich an.

„Lass mich los“, sage ich schwach und drehe meine Handgelenke, die Bastian fest in seinem Griff hält.

„Ich wollte nicht, dass du dich von ihrem Glanz ablenken lässt“, fährt Bastian fort.

Amadeos Hand gleitet über meinen Hals und seine Fingerspitzen streichen sanft über den tiefen Ausschnitt meines Kleides, fast genauso wie sein Bruder es gerade getan hat, und ich ringe nach Luft, als er den Anhänger in die Hand nimmt.

„Sie ist ablenkend“, sagt Amadeo, und er sieht mich zwar an, aber die Brüder führen eine Unterhaltung unter sich.

Ich bin … nun, ich weiß nicht, was ich bin. Ich weiß nur, dass ich angewidert sein sollte. Ich sollte fliehen wollen. Aber ich kann nur zusehen, wie Amadeos raue Hände über meine Schlüsselbeine wandern und dann unter mein Haar gleiten, wo das Kleid im Nacken gebunden ist.

„So strahlend wie die Diamanten.“ Er zieht an der Seide und das Oberteil des Kleides öffnet sich. Die Seidenstücke, die den Träger bilden, rutschen einfach über meine Brüste und das Kleid bleibt nur oben, weil die Taille eng anliegt.

Amadeo tritt zurück, betrachtet meine entblößten Brüste und hebt dann seinen Blick über meinen Kopf zu Bastian.

„Aber ich verliere das Ziel nicht aus den Augen, Bruder.“

Ich schlucke schwer, dann hebe ich den Blick von meinen entblößten Brüsten und dem Anhänger, der zwischen ihnen hängt, zu Amadeo hinauf. Zu unserem Spiegelbild hinter seiner Schulter. Zwei massige Männer. Ich zwischen ihnen.

„Lasst mich gehen“, sage ich schwach.

Bastian umfasst meine Handgelenke mit einer Hand und hebt mit der anderen meine Haare hoch, sodass sein Mund an meinem Ohr liegt, als er sein Gesicht zu mir neigt.

„Nein“, flüstert er und streicht mit der Nase an meinem Hals entlang, während er tief einatmet. „Amadeo“, sagt er.

Amadeo hebt die Augenbrauen, als Bastian mit einer Hand meine Brust umschließt. Ich stoße ein Wimmern aus und winde mich. Ich muss weg von ihnen. Raus hier. Jetzt, bevor es noch intensiver wird. Ich darf das, was ich in meinem Innersten fühle, nicht für meine Entführer fühlen.

Bastian spielt mit meiner Brustwarze. Er ist mir so nah, dass ich seine Hitze an meinem Rücken, meinem Nacken spüren kann. Ich rieche sein Aftershave und den Whiskey, den er getrunken hat.

„Du weißt, dass ich ein Auge für solche Dinge habe“, fährt er fort, als Amadeo mein Kinn anhebt, wodurch ich ihm in die Augen schaue. „Und ich würde sagen, unsere kleine Pusteblume ist schon wieder erregt.“

„Ist sie das? Warum überrascht mich das nicht?“, fragt Amadeo.

Ich schlucke schwer, denn ich weiß, was sie tun. Was als Nächstes kommt.

„Das Kleid ist perfekt. Ich habe es aus einem bestimmten Grund ausgesucht, wusstest du das?“, fragt mich Amadeo.

Ich schüttle den Kopf.

„Nicht nur, weil ich wusste, dass dir Gold perfekt stehen würde.“ Er tritt noch näher und ergreift die fließende Seide. Das Kleid hat in der Mitte einen Schlitz, der fast bis zur Taille reicht. Es ist so geschnitten, dass es sich beim Gehen oder Sitzen nicht so weit öffnet, aber das tut es jetzt, als Amadeo es ergreift.

„Hör auf“, schreie ich, als er das Kleid weiter auseinanderzieht und meine Oberschenkel und das Höschen, aus karamellfarbener Spitze, das nicht mal für eine Augenklappe reichen würde, entblößt.

„Na das ist ein Anblick“, sagt Bastian und macht eine Show daraus, über meine Schulter zu schauen. „Was denkst du? Habe ich recht?“, fragt er Amadeo.

Ich schließe die Augen und wende den Kopf ab, als ich Amadeos Hand auf der Innenseite meines Oberschenkels spüre.

„Nein, Pusteblume. So geht das nicht. Mach die Augen auf.“

Ich tue es.

„Gut. Jetzt sieh mich an“, sagt er, während seine Finger über die Spitze des Höschens streichen.

Ich schlucke schwer, aber ich tue, was er sagt.

„Braves Mädchen. Weißt du, was wir wollen?“, fragt er, während er seine Hand in das Höschen schiebt und meinen intimsten Bereich umfasst.

Ich erwische mich dabei, wie ich mich winde und hasse mich dafür, dass ich mich näher an ihn drücke und nicht zurückziehe.

„Wir wollen zusehen, wie du kommst.“

„Nein. Ich … Nein.“

„Schhh.“ Bastian legt seine Lippen auf den Puls an meinem Hals und saugt daran und ich gehe unweigerlich auf die Zehenspitzen, als Amadeo meinen Kitzler reibt. Ich höre das Geräusch der Nässe, und ich rieche meine Erregung. Es dauert nicht lange, bis meine Knie nachgeben und ich nur noch aufrecht stehe, weil ich mich an Bastian lehne.

„Das ist es“, sagt Amadeo. „Gib dich dem Ganzen hin. Du gehörst uns.“

„Ich … kann nicht …“

Er bringt sein Gesicht nahe an meins, und die Bartstoppeln kitzeln mich an der Wange, während er mir ins Ohr flüstert. „Du kannst. Du wirst. Komm für uns, Pusteblume.“

Bei diesen Worten macht er etwas mit seinen Fingern, schiebt zwei in mich und krümmt sie, während sein Daumen schnell über meine Klitoris streift. Ich atme laut aus, lehne meine Stirn an seine Schulter und schließe die Augen, weil mein Körper nicht mehr unter meiner Kontrolle ist. Er gehört ihnen. Und ich komme. Ich komme so heftig, dass ich mir auf die Lippe beiße und zwischen dem Schmerz davon und dem Gefühl von Amadeos Fingern in mir aufschreie. Bastians Mund drückt sich immer noch auf meinen Hals, seine Finger spielen mit meiner Brustwarze. Ich komme. Und als es vorbei ist, als mein Orgasmus abklingt und ich nur noch zittere, trifft mich die Erniedrigung, als die Brüder mich ansehen, mich mit brennenden Augen beobachten und identische Lächeln auf ihren Lippen spielen.

„Auf die Knie, Pusteblume“, sagt Bastian und lässt mich zu Boden sinken, während er es tut.

Ich muss gehorchen, denn meine Beine sind nur noch Brei und ich kann nicht mehr alleine stehen.

Er geht hinter mir in die Hocke, Amadeo vor mir.

„Du bist sehr hübsch, wenn du kommst“, sagt Amadeo. Er drückt seine Finger auf meine Lippen und schmiert meine Erregung wie glänzenden Lipgloss auf den purpurnen Lippenstift. „Sehr hübsch.“

Sie erheben sich, und von meinem Platz aus sehe ich, dass auch sie erregt sind. Ich bleibe, wo ich bin, während Bastian neben seinen Bruder tritt und beide auf mich herabblicken, während sie über mir aufragen, und da ist wieder dieses Spiegelbild. Ich, mit entblößten Brüsten, errötetem Gesicht und verschmierter Wimperntusche an der Schläfe, vor ihnen auf den Knien.

Sie warten, bis ich meinen Blick wieder zu ihnen hebe, und eine einzelne Träne gleitet über eine Wange, denn was habe ich da gerade zugelassen? Wie konnte ich nur für sie kommen? Wie konnte ich Lust bei ihren Berührungen empfinden?

„Jetzt bedank dich bei uns, Pusteblume“, sagt Bastian. „Bedanke dich, weil wir dich zum Kommen gebracht haben.“

„Ich hasse euch“, sage ich und wische mir die Träne und die darauffolgenden ab.

„Du hasst uns, weil du gekommen bist. Weil es dir gefallen hat“, sagt Bastian.

„Hat es nicht.“

Amadeo hebt die Finger an die Nase, als wäre das der Beweis für das Gegenteil, und ich denke, das ist es auch.

„Bedank dich trotzdem bei uns“, sagt Amadeo. „Und wir können alle nach Hause gehen. Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber es war eine lange Nacht.“

„Fick dich“, sage ich ihm.

Sie sehen sich an und lächeln. Amadeo tritt hinter mich und ich will gerade aufstehen, als Bastian mit der Zunge schnalzt und eine Hand auf seinen Gürtel legt.

„Bleib“, sagt er.

Ich tue es.

Amadeo nimmt meine Haare und verdreht sie oben auf meinem Kopf. Ich weiß, was jetzt kommt, und mache mich bereit, aber es tut trotzdem weh, als er daran zieht.

Bastian geht in die Hocke und lehnt sich so nah zu mir, dass sich unsere Nasen berühren.

„Bedanke. Dich.“

Ich höre die Warnung. Das „Sonst“. Er muss es nicht sagen.

In diesem Moment versucht jemand, die Tür zu den Toiletten zu öffnen, rüttelt am Türknauf und klopft dann. „Ist da jemand drin?“, fragt eine Frau.

„Ich bin gleich wieder draußen“, ruft Bastian, ohne den Blick von mir abzuwenden. Er grinst. „Ich könnte sie reinlassen …“ Er steht auf und streckt einen Arm nach dem Schloss aus.

„Danke! Danke, ihr verdammten Arschlöcher!“

„So ist es schon besser. Nicht perfekt, aber wir arbeiten daran“, sagt Bastian.

„Sie wird lange brauchen, bis sie das lernt“, sagt Amadeo, während Bastian die beiden Seiten, die das Oberteil meines Kleides bilden, nach oben zieht und sie im Nacken zusammenbindet. Dann helfen sie mir auf, überraschend sanft. Bastian hält mich mit der Hand am Ellbogen fest und Amadeo dreht mich zum Spiegel, richtet mein Haar und wischt den Fleck von der Wimperntusche weg, bevor er mir in die Augen sieht. „Wir werden dich genießen, Pusteblume. Und du wirst uns genießen und dich jedes einzelne Mal hassen, wenn du für uns kommst.“