Kapitel 37
Hope
Kaum, dass ich den Lastenaufzug verlassen habe, nehme ich einen himmlischen Geruch wahr.
»Hast du etwa was von unserem Lieblings-Take-Away geholt?«, rufe ich, während ich die Schuhe sowie meine Jacke ausziehe. Als ich mich umdrehe, steht Jesse direkt hinter mir und ich stoße ein erschrockenes Quietschen aus.
»Da bist du ja endlich«, begrüßt er mich und legt die Hände an meine Taille. »Eigentlich wollte ich behaupten, ich hätte uns Essen gemacht, doch wir beide kennen mein Talent in dieser Hinsicht … es ist ähnlich mies wie das meines Vaters.« Ich lache leise und stelle mich auf die Zehenspitzen, um ihm einen Kuss zu geben. »Liam war bis vor einer halben Stunde hier und hat mir geholfen … nein, ehrlicherweise muss ich sagen, er hat gekocht und ich bloß geschnippelt.« Er neigt den Kopf und küsst mich zärtlich. Dass er so entspannt zu sein scheint, freut mich, aber wie jedes Mal in den vergangenen Wochen bin ich auch wachsam.
»Es riecht jedenfalls superlecker«, erwidere ich schmunzelnd. »Ob der Tag, an dem er den Zwillingen derart unter die Arme greifen muss, jemals kommen wird?«, überlege ich laut und Jesse grinst.
»Unwahrscheinlich«, antwortet er, klingt dabei allerdings, als würde er es nicht ganz ernst meinen. »Doch zurück zu uns, das Beste ist, dass dieses Gericht einfach auf niedriger Flamme vor sich hin kocht und wir es später essen können.« Parallel zu seinen Worten greift er an meinen Hintern und presst mich gegen seinen Körper. »Viel später«, setzt er verführerisch hinterher und lässt mich seine beginnende Erektion spüren.
»Das hört sich gut an«, murmele ich an seinen Lippen. Unsere letzte leidenschaftliche Nacht ist etwas her, ich leide unter Entzugserscheinungen und habe Sehnsucht nach meinem Freund.
Ernsthaftigkeit überzieht sein Gesicht. »Du hast mir gefehlt … wir haben mir gefehlt.« Er gibt mir keine Gelegenheit für eine Antwort, stattdessen verschließt er meinen Mund mit seinem und küsst mich mit einer Gier, die mein Blut in Brand setzt und mein eigenes Verlangen endgültig weckt. »Ich erkläre dir alles nachher, aber ich verspreche dir, ich lasse mir helfen und arbeite daran, dass es mir wieder gutgeht.«
Verwundert lehne ich mich zurück und suche seinen Blick. »Jesse, was ist denn …« Seine Lippen stoppen mich, er stiehlt mir einen weiteren, hemmungsloseren und deutlich zielgerichteteren Kuss.
»Später«, raunt er und dirigiert mich mit seinem Körper in Richtung des Schlafbereichs. Dort angekommen schubst er mich auf das Bett, folgt mir und ist so schnell über mir, dass ich kaum Luft holen kann. Ich beschließe, ihm seinen Willen zu lassen und darauf zu vertrauen, dass er mir nachher alles erzählen wird.
Vorsichtig greife ich nach der Brille, die er noch auf seiner Nase trägt, und ziehe sie hinunter. Wie jedes Mal seit seinem Ausraster deswegen bemühe ich mich, seine Narbe nicht zu berühren, um keine unguten Erinnerungen abzurufen. Doch zu meiner Überraschung ergreift Jesse mein Handgelenk und schmiegt sich mit der verletzten Seite in meine Handinnenfläche.
»Es ist okay«, versichert er mir und gleitet mit der freien Hand in meine Haare.
»Ist es auch okay, dir zu sagen, dass du mit Brille nicht weniger sexy für mich bist? Offengestanden törnt es mich ziemlich an, wenn du sie aufhast, hast du etwas von einem total verschärften jungen Dozenten«, flüstere ich schließlich zögerlich und er nickt grinsend.
Unsere Blicke verschmelzen und obwohl wir nichts weiter miteinander machen, fühlt sich das hier unfassbar intim an. Bedeutend. Behutsam fahre ich die Erhebung nach, inzwischen ist die Narbe so gut abgeheilt, dass man sie nur noch leicht spürt. Ich lasse die Beine auseinanderfallen und stöhne lustvoll, als seine Erektion gegen meine Mitte drückt. Vorsichtig lege ich die Brille auf den Nachttisch und schlinge anschließend die Arme um seinen Hals.
»Bist du wirklich wieder da?«, erkundige ich mich so leise, dass ich mir nicht sicher bin, ob er mich überhaupt verstanden hat. Angst davor, dass sich wiederholt, was nach jener letzten leidenschaftlichen Nacht passiert ist, ergreift gegen meinen Willen Besitz von mir.
»Ich liebe dich, Hope Walker«, sagt er statt einer Antwort auf meine Frage und nun schießen mir doch tatsächlich Tränen in die Augen. »Und ja, bin ich.« Er streicht mit der Nasenspitze über meine Wange und drückt seine Lippen dann auf meinen Mundwinkel. »Was brauchst du? Meine Finger? Meine Zunge? Oder meinen Schwanz? Sag mir, was du brauchst, und ich gebe es dir.« Er ruft die Erinnerung an vergangene Momente zwischen uns wach und bringt mich so zum Lächeln. »Du wirst dieses Bett nicht verlassen, ehe ich dich nicht mindestens einmal um den Verstand gefingert, geleckt und gevögelt habe … Reihenfolge egal.« Sein Grinsen wird teuflisch. »Nein, sorry, ich korrigiere, ich werde dich nicht aus diesem Bett lassen, ehe ich nicht deine Orgasmus-Quote aus unserer ersten Nacht getoppt habe.«
Meine Augen weiten sich in einer Mischung aus Entsetzen und Begeisterung. »Da hast du dir aber einiges vorgenommen, darf ich dich daran erinnern, wie oft ich damals gekommen bin?« Mein Schoß pocht vor Vorfreude auf eine Nacht voller Sex, mein Magen jedoch, der fürchtet, vor morgen nichts zu futtern zu bekommen, protestiert und knurrt tatsächlich vernehmlich.
Jesse lacht herzhaft auf. Die Angst in mir schwindet allmählich, zunehmend stärker habe ich das Gefühl, er ist wirklich befreit und täuscht mich nicht wieder, damit ich mich in falscher Sicherheit wiege.
»Gerade eben habe ich nichts erwidert, aber ich glaube, ich habe mich schon auf der Dachterrasse in dich verliebt«, gestehe ich ernst und sein Lachen klingt langsam ab. »Du warst so sexy und selbstbewusst, als gäbe es gar keinen Zweifel daran, dass du der Richtige für mich bist.« Sanft streiche ich mit den Fingerspitzen über seine Wange und fahre dann in seine Haare. »Was du alles auf dich genommen hast, um mich doch noch zu erobern … ich schäme mich, dass ich dir diese ganze Dating-Sache zugemutet habe, bloß, weil ich es nicht wahrhaben wollte. Dass ich mich hinter meinen Ängsten und Ausflüchten versteckt habe, tut mir so leid. Ich …«
»Sweetheart, hör auf damit, du hast ein wenig länger gebraucht als ich, na und? Dafür hast du jetzt auf mich gewartet, eine Engelsgeduld mit mir gehabt und alles ertragen, was ich dir in meinem Zorn vorgeworfen habe.« Noch einmal küsst er mich. »Du bist nicht geflohen, hast es immer wieder versucht und mir Halt gegeben, als ich nicht mal sehen wollte, dass ich welchen brauche.« Er schüttelt lachend den Kopf und ich mustere ihn verwundert. »Ehrlich, an unserem Vorspiel müssen wir arbeiten, das hier ist nicht erektionsfördernd.«
Mit einem Kichern klammere ich mich an seine Oberarme und lasse mein Becken gegen seines kreisen. »Besser?«, murmele ich, als ich das Zucken seines Schwanzes spüre, und er brummt leise. »Dann sage ich jetzt nur noch eins, ehe wir mit dem Gequatsche aufhören und du anfängst, deinen Plan in die Tat umzusetzen.« Er stöhnt rau, nickt und betrachtet mich ernst. »Ich liebe dich auch, Jesse Davenport.«