34.
»Das Verfahren war eine ausgemachte Posse«

Das Ganze lief schief, von Anfang an.
Allan Ecker, Anwalt in Oppenheimers Team

Lewis Strauss drängte. Der Ausschuss sollte seine Arbeit rasch aufnehmen. Zum einen fürchtete er, dass seine Beute das Land verlassen könnte. In der Hoffnung, dass man Oppenheimers Pass einziehen werde, schrieb er ans Justizministerium: »Wenn er sich absetzt, während die Klage der AEC anhängig ist, wäre dies äußerst unglücklich.« 1098 Zum anderen fürchtete er, dass Senator McCarthy seine Pläne durchkreuzen könnte. Am 6. April erhob dieser – im Gegenzug zu einer Attacke des CBS-Kommentators Edward R. Murrow – die Anklage, das amerikanische Wasserstoffbombenprojekt sei bewusst verzögert worden. Insofern stand tatsächlich zu befürchten, dass der unberechenbare Senator der Öffentlichkeit mitteilen würde, was er über den Fall Oppenheimer wusste.

Entsprechend erleichtert war Strauss, als der AEC-Untersuchungsausschuss am 12. April 1954 zusammentrat. In Gebäude T-3, einem heruntergekommenen Behelfsbau aus Kriegszeiten in der Nähe des Washington-Denkmals in der 16. Straße, damals Sitz des Forschungsdirektors der AEC, war Raum 2022 zu einem nüchternen Gerichtssaal umfunktioniert worden. Am einen Ende des langgestreckten dunklen Raums saßen die drei Mitglieder der Untersuchungskommission hinter einem großen Mahagonitisch, auf dem sich die Aktenordner mit geheimen FBI-Dokumenten stapelten. Allan Ecker, einer der Assistenten Garrisons, erinnert sich, wie entsetzt die Anwälte waren, als sie sahen, dass jedes Mitglied der Kommission diese gebundenen Akten vor sich hatte: »Es war der Schock dieses Tages und der Schock des ganzen Prozesses, denn die klassische Voraussetzung eines juristischen Verfahrens ist die tabula rasa. Nichts liegt vor dem Richter als das, was ihm öffentlich vorgelegt wird und worauf die angeklagte oder beschuldigte Person auch reagieren kann. … Die hatten das alles bereits gelesen. Sie wussten, was in diesen Akten stand. Wir nicht. Wir hatten keine Kopien. Also keine Chance, Dokumente, die nicht öffentlich vorgelegt wurden, in Frage zu stellen. … Das Ganze lief schief, von Anfang an.«

Die gegnerischen Anwaltsteams saßen einander an zwei langen Tischen gegenüber, die mit dem Richtertisch ein »U« bildeten. 1099 Auf der einen Seite die Anwälte der AEC, Roger Robb und Carl Arthur Rolander Jr., der stellvertretende Sicherheitsdirektor der AEC, und ihnen gegenüber Oppenheimers Verteidiger, Lloyd Garrison, Herbert Marks, Samuel J. Silverman und Allan B. Ecker. Am offenen Ende des »U«, den Richtern gegenüber, befand sich der Zeugenstand. Wenn Oppenheimer nicht befragt wurde, saß er auf einer Ledercouch, die hinter dem Zeugenstand an die Wand gerückt war. Im Verlauf des nächsten Monats sollte Oppenheimer rund siebenundzwanzig Stunden auf dem Zeugenstuhl verbringen – und viele Stunden mehr auf der Couch, wo er entweder Kette rauchte oder den Raum mit dem Tabakduft aus seiner Pfeife füllte.

An jenem ersten Verhandlungstag trafen Oppenheimer und seine Anwälte mit fast einer Stunde Verspätung ein. Ein paar Tage zuvor hatte Kitty Oppenheimer einen ihrer üblichen Unfälle erlitten, war die Treppe hinuntergefallen, und ihr Bein steckte in einem Gipsverband. Auf Krücken humpelte sie zur Ledercouch, auf der sie neben ihrem Mann den Beginn der Verhandlung erwartete. Oppenheimer erschien gedämpft, so als habe er sich mit seinem Schicksal abgefunden. »Als wir … eintraten, boten wir einen ziemlich zerzausten Anblick«, so Garrison, »ihre Erscheinung trug wenig zu einem eleganten Eintritt unserer Gruppe bei.« 1100 Die Verspätung habe die Kommission »einigermaßen verärgert«. Vage auf die Presse anspielend, die hinter der Geschichte her sei, erklärte Garrison, man habe einen Dammbruch verhindern wollen.

Den Vormittag verbrachte der Vorsitzende Gray damit, die »Anklageschrift« der AEC und Oppenheimers Stellungnahme zu verlesen. Mehrfach sollte Gray in den folgenden dreieinhalb Wochen darauf hinweisen, dass die Verhandlungen vor dem Ausschuss eine »Untersuchung« seien und kein Gerichtsprozess. 1101 Doch jeder, der den Brief der AEC hörte, musste das Gefühl bekommen, dass Oppenheimer vor einem Gericht stand. Zu den ihm unterstellten Verbrechen gehörten seine Mitgliedschaft in verschiedenen Organisationen der Kommunistischen Partei; seine »intime Beziehung« zu der bekannten Kommunistin Jean Tatlock; seine Verbindungen zu weiteren »bekannten« Kommunisten wie Dr. Thomas Addis, Kenneth May, Steve Nelson und Isaac Folkoff; seine Verantwortung dafür, dass bekannte Kommunisten wie Joseph W. Weinberg, David Bohm, Rossi Lomanitz (ehemalige Schüler Oppenheimers) und David Hawkins für das Atombombenprojekt eingestellt wurden; seine monatlichen Zahlungen von 150 Dollar an die Kommunistische Partei in San Francisco; und, am schwerwiegendsten, sein Versäumnis, umgehend von jenem Anfang 1943 geführten Gespräch mit Haakon Chevalier über George Eltentons Vorschlag zu berichten, dem sowjetischen Konsulat Informationen aus dem Radiation Laboratory zuzuspielen.

In seinem Erwiderungsschreiben bestätigte Oppenheimer seine Freundschaft mit Tatlock, Addis und anderen Linken – bestritt aber, dass mit diesen Freundschaften irgendetwas Ruchloses verbunden sei. »Mir gefiel diese neue Art der Kameradschaft«, schrieb er. 1102 Ebenso offen gab er zu, in den 1930er Jahren mit der Partei sympathisiert zu haben, auch seine Spenden für bestimmte Aktionen der Kommunisten räumte er ein. Und im Hinblick auf die Affäre Chevalier bestätigte er, dass dieser mit ihm über Eltentons Vorschlag gesprochen habe: »Unmissverständlich habe ich mich in dem Sinn geäußert, dass ich diesen Vorschlag für absolut falsch hielt. Und damit war das Gespräch darüber zu Ende. Nichts in unserer langen Freundschaft hätte mich glauben machen können, dass Chevalier tatsächlich Informationen sammelte; und ich war sicher, dass er keine Vorstellung davon hatte, woran ich arbeitete.« Was seinen verspäteten Bericht über diese Unterhaltung angehe, so hätte er tatsächlich umgehend darüber berichten sollen. Doch habe er schließlich von sich aus dem Sicherheitsbeauftragten über Eltenton berichtet – er glaube nicht, dass diese Angelegenheit »ohne meinen Bericht« überhaupt bekannt geworden wäre. 1103

Insgesamt erschienen Oppenheimers Erwiderungen stimmig. Betrachtete man die gegen ihn erhobenen Vorwürfe im Zusammenhang seines Lebens und der Zeit, dann war sein Verhalten keineswegs unüblich für einen Liberalen der 1930er Jahre. Doch die Anklageschrift der AEC enthielt eine weitere Behauptung, die zu entkräften sich als schwierig erwies; das Gleiche galt für die Vorwürfe im Zusammenhang mit der Chevalier-Affäre. Für »die Zeit zwischen 1942 und 1945« verwies die AEC auf Berichte, aus denen hervorgehe, »dass Sie [Oppenheimer] Mitglied der Kommunistischen Partei waren; dass Sie zu dieser Zeit nicht aktiv in der Partei mitarbeiten konnten; dass Ihr Name aus dem Postverteiler der Partei gelöscht werden und auch sonst nicht erwähnt werden sollte; dass Sie in dieser Zeit mit Parteimitgliedern über die Frage der Atombombe diskutiert haben; und dass Sie einige Jahre vor 1945 zu Steve Nelson gesagt haben, die Armee arbeite an der Atombombe«. Als Quellen wurden »Berichte verschiedener Funktionäre der Kommunistischen Partei« angeführt, so von Dr. Hannah Peters – Leiterin der akademischen Sektion –, von Bernadette Doyle, der Sekretärin der Kommunistischen Partei von Alameda County, sowie von Steve Nelson, David Adelson, Paul Pinsky, Jack Manly und Katrina Sandow.

Die Genannten hatten nicht mit den Behörden gesprochen. Vor das HUAC zitiert, hatten sie sich geweigert, Namen zu nennen. So konnten diese Vorwürfe nur auf illegalen Abhöraktionen des FBI basieren, deren Abschriften sich in den schwarzen Ordnern auf den Tischen der Anhörungskommission befanden. In einem Gerichtsprozess wären sie unzulässig gewesen, in Grays »Untersuchung« konnten diese ungeprüften Transkriptionen unangefochten verwendet werden. Alle drei Kommissionsmitglieder hatten FBI-Zusammenfassungen dieser zehn Jahre alten Gespräche gelesen – Oppenheimers Anwälten dagegen war es verwehrt, die Akten einzusehen, sie konnten also auch deren Inhalt nicht in Frage stellen.

Garrison und Marks hätten erkennen müssen, dass sich gegen den Vorwurf einer verdeckten Mitgliedschaft in der KP, so wie er präsentiert wurde, unmöglich eine Verteidigung aufbauen ließ. Oppenheimer bestritt die Behauptungen: »Ihr Brief enthält Erklärungen aus den Jahren 1942–45, die von Personen vorgebracht worden seien, die als Funktionäre der Kommunistischen Partei hingestellt werden, und die darauf hinauslaufen, dass ich verdecktes Mitglied der Kommunistischen Partei gewesen sein soll. Ich habe keine Kenntnisse darüber, was diese Menschen gesagt haben könnten. Was ich allerdings weiß, ist, dass ich niemals, weder verdeckt noch offen, Mitglied der Partei war.« 1104 Vor Gericht wären diese Aussagen von der Beweisaufnahme ausgeschlossen worden – als Beweise durch doppeltes Hörensagen oder als Behauptungen Dritter über das, was sie über einen Angeklagten gehört haben wollten. In dieser »Untersuchung« jedoch wurden die Unterlagen des FBI unbesehen übernommen, die »Zeugen« galten, auch ohne direkte Befragung, als gut informierte Kommunisten und ihre Behauptung, Oppenheimer sei einer der Ihren gewesen, als stichhaltig.

Einige der Unterlagen in den schwarzen Ordnern waren sogar zu Oppenheimers Nachteil manipuliert worden. Eine wichtige Quelle waren die beiden FBI-Informanten Dickson und Sylvia Hill, die in die Parteizelle von Montclair, Kalifornien, eingeschleust worden waren. Im November 1945 hatte dieses Ehepaar im FBI-Büro San Francisco vorgesprochen und von einem KP-Treffen berichtet, das sie kurz nach dem Abwurf der Bombe über Hiroshima besucht hätten. Sylvia Hill wollte gehört haben, wie ein Parteifunktionär, nämlich Jack Manley, Oppenheimer »als einen unserer Leute« bezeichnet habe. Dem allerdings hinzugefügt, dass »sie Manleys Äußerung zu dem Genannten nicht unbedingt so verstanden habe, als sei dieser ein Parteimitglied mit Ausweis. Sie glaube, ihr Eindruck damals sei der gewesen, dass der Genannte vermutlich kein tatsächliches Mitglied sei, sondern kommunistische Ideen vertrete.« 1105 Zumindest Sylvia Hills Aussage war nicht heranzuziehen als »Beweis« dafür, dass bekannte Kommunisten Oppenheimer als Parteimitglied bezeichnet hätten. Doch in der FBI-Zusammenfassung, die dem Ausschuss vorlag, »fehlte« der Zusatz, und schon war aus dem Hörensagen eine Information geworden, die Oppenheimer zum Sicherheitsrisiko machte.

Nachdem Gray Anklageschrift und Erwiderung verlesen hatte, fragte er Oppenheimer, ob er »in diesem Verfahren unter Eid aussagen« wolle. Und als er zustimmte, belehrte ihn Gray, dann müsse er die Wahrheit und nichts als die Wahrheit sagen, wie vor jedem Gericht. Die Untersuchung hatte begonnen. Oppenheimer nahm auf dem Zeugenstuhl Platz und wurde den Rest des Nachmittags von seinen Verteidigern befragt.


Am Dienstag, den 13. April 1954, am nächsten Morgen also, brachte die New York Times auf ihrer Titelseite James Restons Exklusivbericht; unter der Schlagzeile:


Dr. Oppenheimer von der AEC im Sicherheitsverfahren suspendiert. Wissenschaftler verteidigt seine Vergangenheit. Verhöre beginnen; dem Atomexperten Zugang zu Geheim-Informationen verweigert – rote Verbindungen unterstellt.


veröffentlichte die Zeitung in vollem Wortlaut die »Anklage« von General Manager Nichols und Oppenheimers Erwiderung. Zeitungen im In- und Ausland griffen Meldung und Kommentare auf. Millionen Leser erfuhren also intime Details aus Oppenheimers politischem und privatem Leben. Und sofort polarisierte die Nachricht die öffentliche Meinung.

Der Ausschussvorsitzende Gray war empört über Restons Artikel. Zu Garrison sagte er: »Und Sie haben gestern erklärt, Sie kämen zu spät, weil Sie den Damm hätten stopfen müssen.« Garrison erwiderte, Reston wisse von Oppenheimers Suspendierung seit Mitte Januar. Gray wischte das beiseite und bohrte nach: Wann Gray dem Journalisten den Brief des AEC übergeben habe? Oppenheimer unterbrach: »Diese Dokumente wurden Mr. Reston am Freitagabend übergeben, soweit ich weiß.« Das schürte Grays Ärger noch: »So wussten Sie also, als Sie gestern Morgen erklärten, dass Sie den Damm gestopft hätten, dass diese Dokumente … bereits im Besitz der New York Times waren?« – »Ja, das wussten wir«, antwortete Oppenheimer. 1106

Gray, eindeutig verärgert über Oppenheimer und seine Anwälte, gab diesen die Schuld an den undichten Stellen. Er sollte nie erfahren, dass sich sein Zorn gegen Lewis Strauss hätte richten müssen. Denn der hatte längst von Restons Anrufen bei Oppenheimer erfahren, und er war es auch, nicht Oppenheimer, der der New York Times grünes Licht gegeben hatte.

Strauss fürchtete, dass Senator McCarthy die Nachricht als Erster lancieren könnte, und fand es darum an der Zeit, dass die Meldung erschien – nicht zuletzt, weil man das Leck dann Oppenheimers Anwälten ankreiden konnte. Also holte er sich die Zustimmung von Eisenhowers Pressesprecher James C. Hagerty, rief am 9. April bei Arthur Hays Sulzberger, dem Herausgeber der New York Times, an und befreite diesen von der zuvor getroffenen Vereinbarung, die Nachricht zurückzuhalten. 1107

Allerdings war Strauss nun unwohl bei dem Gedanken, dass der Fall »in der Presse verhandelt« wurde und dass es sich zu Oppenheimers Gunsten auswirken könnte, wenn sich die Anhörung zu lange hinzog. Umso länger nämlich hätten Oppenheimers Verbündete Zeit, die »Wissenschaftlergemeinschaft propagandistisch zu beeinflussen«. Gegen Ende der Woche drängte er Robb schriftlich, die Anhörung zu beschleunigen. 1108


Ein paar Tage zuvor hatte Abraham Pais in Princeton erfahren, dass die New York Times berichten werde. Er wusste, dass Journalisten Einstein zu einer Stellungnahme drängen würden, also fuhr er zu ihm. Als er den Grund seine Besuches nannte, gluckste Einstein: »Oppenheimers Problem ist, dass er eine Frau liebt, die ihn nicht liebt – die Regierung der Vereinigten Staaten. … Ist doch ganz einfach: Oppenheimer hätte nichts anderes tun müssen, als nach Washington zu fahren, den Leuten dort sagen, dass sie Narren seien, und nach Hause gehen.« Privat mochte Pais dem zugestimmt haben, als offizielle Pressemitteilung fand er es unpassend. Also überredete er Einstein, einen kurzen Satz zu formulieren und am Telefon zu verlesen: »Ich bewundere ihn nicht nur als Wissenschaftler, sondern auch als einen großen Menschen.« 1109

Am Mittwoch, den 14. April – Tag drei der Anhörung –, hatte Oppenheimer Garrisons Fragen zu seinem Bruder Frank zu beantworten. Beunruhigend fand Oppenheimer, dass es im AEC-Schreiben hieß: »Chevalier hat in dieser Angelegenheit entweder direkt oder über Frank Friedman Oppenheimer, Ihren Bruder, Kontakt zu Ihnen aufgenommen.« Auf Garrisons Frage, ob Frank tatsächlich involviert gewesen sei, antwortete sein Mandant: »In dieser Sache bin ich mir ganz sicher. Ich habe ein waches und, ich denke, nicht zu trügendes Gedächtnis. Er hatte überhaupt nichts damit zu tun. Es hätte, wie ich sagen kann, auch keinen Sinn ergeben, denn Chevalier war mein Freund. Ich meine damit nicht, dass Frank ihn nicht kannte, doch wäre dies eine besonders umständliche und unnatürliche Sache gewesen.« 1110 Durchaus einleuchtend, doch Strauss, Robb und Nichols hielten es für eine Lüge, und ohne das je zu belegen, behaupteten sie von nun an, Oppenheimer habe den Ausschuss belogen.


Garrisons direkte Befragung endete also, wie sie begonnen hatte: als Bestätigung seiner Erwiderung auf die Vorwürfe der AEC. Es war, wie Oppenheimer und seine Anwälte glaubten, gut gelaufen. Doch als Robb mit seinem Kreuzverhör begann, wurde klar, dass er nicht nur willens, sondern auch gut darauf vorbereitet war, diesen Eindruck zu zerstören. Fast zwei Monate lang hatte er sich in die FBI-Akten vertieft. Man »sagte … mir, mit einem Kreuzverhör könne man bei Oppenheimer nichts erreichen, er sei zu gescheit«, erklärte er später, »zu schnell und zu schlüpfrig. Ich sagte: Vielleicht, aber er ist noch nie bei mir im Kreuzverhör gewesen. Ich setzte mich also hin und plante mein Kreuzverhör sehr sorgfältig, die Reihenfolge und die Bezugnahmen auf die FBI-Berichte und so weiter. Meine Theorie war, dass Oppenheimer, wenn ich ihn zu Beginn aus der Ruhe bringen könnte, nachher wahrscheinlich mitteilsamer wäre.« 1111

Mittwoch, der 14. April war der möglicherweise demütigendste Tag in Oppenheimers ganzem Leben. Robbs Befragung war erbarmungslos hart. Oppenheimer wurde ausgequetscht, wie er es noch nie erlebt hatte – und Robbs Methoden trafen ihn völlig unvorbereitet. Der Anwalt begann, indem er Oppenheimer dazu brachte, zuzugeben, dass eine enge Verbindung zur KP »unvereinbar mit der Arbeit an einem geheimen Kriegsprojekt« sei. Dann befragte er ihn nach ehemaligen Mitgliedern der Partei. Ob es in Ordnung sei, wenn eine solche Person an einem geheimen Kriegsprojekt mitarbeite?

Oppenheimer: »Sprechen wir von heute oder von damals?«

Robb: »Fragen wir Sie nach heute, dann können wir auf damals zurückkommen.«

Oppenheimer: »Ich denke, das hängt ab vom Charakter, von der Vollständigkeit seiner Loslösung und vom Wesen eines solchen Menschen, davon, ob er ehrlich ist.«

Robb: »War das Ihre Meinung 1941, 1942 und 1943?«

Oppenheimer: »Im Wesentlichen.«

Robb: »Welche Art Prüfung nutzen Sie und haben Sie 1941, 1942 und 1943 genutzt, um sich zu vergewissern, dass ein ehemaliges Parteimitglied nicht länger gefährlich ist?«

Oppenheimer: »Wie gesagt, wusste ich sehr wenig davon, wer ein ehemaliges Parteimitglied war. Im Fall meiner Frau war es vollkommen klar, dass sie nicht länger gefährlich war. Im Fall meines Bruders vertraute ich auf seinen Anstand und seine Aufrichtigkeit und auf seine Loyalität mir gegenüber.«

Robb: »Nehmen wir Ihren Bruder als Beispiel. Sagen Sie uns, welcher Art Prüfung Sie ihn unterzogen haben, um das Vertrauen zu gewinnen, von dem Sie gesprochen haben?«

Oppenheimer: »Wenn es um den Bruder geht, veranstaltet man keine Prüfungen, zumindest ich habe das nicht getan.« 1112


Robb verfolgte eine doppelte Absicht: Zum einen Oppenheimer in Widersprüche zu den Akten zu verwickeln, zu denen weder Oppenheimer noch seine Anwälte Zugang gehabt hatten; zum anderen die Dinge, die Oppenheimer zugestand, so erscheinen zu lassen, dass er Los Alamos im besten Fall unverantwortlich geleitet – oder, im schlimmsten Fall, bewusst und gezielt Kommunisten eingestellt hatte. Zudem hatte Robb sich vorgenommen, seinen Zeugen jedes Mal dazu zu bringen, noch einmal zu wiederholen, was er bereits eingestanden hatte.

Während seiner Vorbereitungen hatte Robb in den FBI-Akten zahlreiche Hinweise auf das Gespräch gefunden, das Oppenheimer 1943 mit Oberstleutnant Boris Pash geführt hatte. Der Akte war zu entnehmen, dass es aufgezeichnet worden war. Robb fragte nach. Und bald hatte das FBI die zehn Jahre alten Presto-Platten gefunden, so dass sich Robb Oppenheimers erste Darstellung des Küchengesprächs mit Chevalier anhören konnte: Sie wich deutlich ab von dem, was Oppenheimer 1946 gegenüber dem FBI ausgesagt hatte. 1113 In einem dieser beiden Gespräche musste er gelogen haben. Robb war entschlossen, das auszuschlachten. Von der Aufzeichnung seines Gesprächs mit Pash wusste Oppenheimer natürlich nichts. Und Robb kannte, als er auf die Chevalier-Affäre zu sprechen kam, die Einzelheiten natürlich weitaus besser, als Oppenheimer sie erinnern konnte.

Zum Einstieg erinnerte Robb Oppenheimer an dessen kurzes Gespräch mit Leutnant Johnson in Berkeley am 25. August 1943.

Oppenheimer: »Das ist richtig. Ich glaube, ich sagte nicht viel mehr, als dass Eltenton jemand sei, dessentwegen man sich Sorgen machen müsse.«

Robb: »Ja.«

Oppenheimer: »Dann fragte man mich, warum ich das gesagt habe. Und ich erfand ein Ammenmärchen.«

Ohne auf dieses überraschende Eingeständnis einzugehen, fragte Robb nun nach Oppenheimers Aussagen gegenüber Lieutenant Colonel Pash am nächsten Tag, dem 26. August.

Robb: »Haben Sie Pash die Wahrheit in dieser Angelegenheit gesagt?«

Oppenheimer: »Nein.«

Robb: »Sie haben ihn belogen?«

Oppenheimer: »Ja.«

Robb: »Was von dem, was Sie zu Pash gesagt haben, war nicht wahr?«

Oppenheimer: »Dass Eltenton versucht habe, über Mittelsmänner Mitarbeiter des Projekts – drei Mitarbeiter – anzusprechen.«

Augenblicke später fragte Robb: »Haben Sie Pash gesagt, dass X [Chevalier] drei Personen im Projekt angesprochen hat?«

Oppenheimer: »Ich weiß nicht mehr genau, ob ich sagte, da seien drei X oder dass X drei Personen angesprochen habe.«

Robb: »Warum haben Sie das getan, Doktor?«

Oppenheimer: »Weil ich ein Narr war.« 1114

Ein Narr – warum hat Oppenheimer das gesagt? Robb zufolge fühlte sich Oppenheimer unbehaglich, in die Ecke gedrängt von ihm, dem geschickten Strafverfolger. Später hat Robb, diesen Augenblick dramatisierend, einem Journalisten erklärt, Oppenheimer sei, indem er diese Worte gesagt habe, »händeringend in sich zusammengesunken, weiß wie ein Blatt Papier. Mir war schauderhaft zumute. Als ich an diesem Abend nach Hause kam, habe ich zu meiner Frau gesagt: Ich habe miterlebt, wie sich ein Mann selbst zerstört hat.« 1115 Das war natürlich Unfug, Selbstbeweihräucherung; so konnte er sein Image als Strafverfolger aufpolieren und sich zugleich menschlich geben: Schauderhaft will er sich gefühlt haben. Und Journalisten wie Historiker haben Robbs Darstellung übernommen, woran sich zeigt, wie geschickt Robb und Strauss die Anhörung noch im Nachhinein zu manipulieren wussten. Denn im Gegensatz zu Robbs Behauptung sollte Oppenheimers »Weil ich ein Narr war« nur die Zweideutigkeiten ausräumen, die den Zwischenfall mit Chevalier umgaben. Er wollte nichts weiter sagen, als dass er keine rationale Erklärung dafür hatte, warum er die drei Personen ins Spiel gebracht hatte. Alle wussten, dass er kein Narr war, Oppenheimer selbst eingeschlossen. Er griff zu dieser umgangssprachlichen Wendung, weil er den Vernehmenden entwaffnen wollte, indem er sich selbst herabsetzte. Nur Minuten dauerte es, bis ihm klarwurde, dass dies misslungen war – er hatte einen Gegner vor sich, der ihn vernichten wollte.

Und Robb hatte gerade erst begonnen. Nach Oppenheimers Eingeständnis, die Unwahrheit gesagt zu haben, konfrontierte ihn Robb mit Beweisen, und mit immer neuen, quälenden Einzelheiten begann er die Lüge zu dramatisieren. Er förderte eine Abschrift des Gesprächs vom 26. August 1943 mit Pash zutage und sagte: »Doktor … ich werde Ihnen nun einige Auszüge aus der Aufzeichnung dieses Gesprächs vorlesen.« Und aus dem elf Jahre alten Dokument las er jene Aussage Oppenheimers, dass jemand im sowjetischen Konsulat bereit sei, die Information weiterzuleiten »ohne jedes Risiko einer undichten Stelle oder eines Skandals …«

Als Robb fragte, ob sich Oppenheimer erinnere, dies zu Pash gesagt zu haben, erklärte dieser, er könne sich definitiv nicht daran erinnern. »Würden Sie bestreiten, dies gesagt zu haben?« Oppenheimer, der ja nicht wusste, dass Robb eine Mitschrift vorliegen hatte, antwortete: »Nein.«

Robb, melodramatisch: »Doktor, nur zu Ihrer Information, ich kann sagen, dass uns eine Aufzeichnung Ihrer Stimme vorliegt.«

»Gewiss«, erwiderte Oppenheimer. Und sagte gleich darauf, er sei ziemlich sicher, dass Chevalier, als ihm der von Eltentons Vorschlag berichtete, nichts von einer Person aus dem sowjetischen Konsulat gesagt habe. Er habe Pash dieses Detail gegeben und dazu gesagt, es hätte »einige« Versuche – nicht nur einen – gegeben, Wissenschaftler anzusprechen.

Robb: »Sie haben ihm ausdrücklich und ausführlich dargelegt, dass mehrere Personen kontaktiert worden seien?«

Oppenheimer: »Richtig.«

Robb: »Und Ihre Aussage heute ist, dass dies eine Lüge war?«

Oppenheimer: »Richtig.«

Robb zitierte weiter aus der Aufzeichnung von 1943. Oppenheimer habe Pash gesagt: »Natürlich ist es eine Tatsache, dass dieses Gespräch, weil es eigentlich gar nicht stattfinden dürfte, Landesverrat ist.«

Robb: »Haben Sie das gesagt?«

Oppenheimer: »Gewiss. Ich meine, ich erinnere mich nicht an das Gespräch, aber ich akzeptiere es.«

Robb: »Sie dachten also, es ist in jedem Fall landesverräterisch?«

Oppenheimer: »Gewiss.«

Robb, erneut zitierend: »Doch wurde es nicht auf diese Art vorgebracht. Es ist eine Art, Politik zu machen, die mehr oder weniger Politik der Regierung war. Die Art, sie darzustellen, lief darauf hinaus, ob nicht ein Gespräch mit diesem Mann Eltenton arrangiert werden konnte, der wiederum gute Kontakte zu einem Mann aus der Botschaft hatte, der Verbindungen hatte zum Konsulat, ein verlässlicher Kerl sei und über eine Menge Erfahrung mit Mikrofilmen und dergleichen verfügte.«

Robbs Frage dazu: »Haben Sie Oberst Pash gesagt, dass von Mikrofilmen die Rede war?«

Oppenheimer: »Offensichtlich.«

Robb: »Entsprach dies der Wahrheit?«

Oppenheimer: »Nein.«

Robb: »Daraufhin sagte Pash zu Ihnen: ›Nun, dann möchte ich zurückkommen zu einem kleinen systematischen Bild. Von diesen Leute, die Sie erwähnten, sind zwei da unten [in Los Alamos] bei Ihnen. Wurden sie von Eltenton direkt angesprochen?‹ Sie verneinten das. Und als Pash fragte: ›Von anderer Seite?‹, antworteten Sie mit Ja. – Mit anderen Worten, Sie erklärten Pash, dass X [Chevalier] diese anderen Kontakte hergestellt hat?«

Oppenheimer: »Es scheint so.«

Robb: »Das stimmte aber nicht?«

Oppenheimer: »Das ist richtig. Das Ganze war reine Erfindung. Mit Ausnahme des Namens Eltenton.« 1116

Reichlich spät – erst jetzt, als sein Mandant in die Enge getrieben war – unterbrach Garrison diese quälende Befragung und wandte sich an Gray: »Herr Vorsitzender, kann ich zu diesem Punkt eine kurze Frage stellen?«

Gray: »Ja.«

Höflich fragte Garrison, ob es nicht auch »zu den Regeln dieser Art Verfahren gehört, dass wir, wenn der Ankläger aus einer Mitschrift liest, mit einer Kopie dieser Mitschrift versorgt werden, wenn er daraus vorliest? In einem Gerichtsverfahren wäre dies natürlich üblich. …« Nach einigem Hin und Her stimmten Gray und Robb zu – aber nur ein Klassifizierungsbeauftragter könne entscheiden, ob man das Dokument aushändigen dürfe oder nicht –, dabei war Robb längst dabei, es auszugsweise vorzulesen, und der Wortlaut ging ins Protokoll ein. 1117

Garrisons Intervention war überfällig und viel zu verbindlich formuliert. Jedenfalls half sie nicht, seinen Mandanten aus der Falle zu befreien, die Robb ihm gestellt hatte. Und genüsslich zitierte Robb weiterhin aus dem Oppenheimer-Pash-Gespräch.

Robb: »Dr. Oppenheimer … finden Sie nicht auch, dass Sie eine Geschichte sehr detailliert erzählt haben, die reine Erfindung war?«

Oppenheimer: »Das habe ich wohl getan.«

Robb: »Warum haben Sie sich so umständlich ausgelassen, wenn doch alles erfunden war?«

Oppenheimer: »Ich fürchte, diese ganze Sache war eine ziemliche Narretei. Ich kann wirklich nicht erklären, warum es da einen Konsul gab, warum den Mikrofilm, warum es drei Leute aus dem Projekt waren, warum zwei davon in Los Alamos gewesen sein sollen. Das alles kommt mir ziemlich unecht vor.«

Robb: »Sie werden mir doch sicher zustimmen, Sir, dass die Dinge ziemlich schlecht gestanden hätten für Mr. Chevalier, wenn sich das alles als wahr herausgestellt hätte?«

Oppenheimer: »Für jeden, der darin verwickelt gewesen wäre, ja, Sir.«

Robb: »Sie eingeschlossen?«

Oppenheimer: »Richtig.«

Robb: »Ist es angemessen, Dr. Oppenheimer, wenn wir für heute festhalten, dass Sie Oberst Pash nicht eine Lüge aufgetischt haben, sondern ein ganzes Lügengespinst?« 1118

Oppenheimer, möglicherweise übernervös, antwortete, ohne groß nachzudenken: »Richtig.«

Mit seiner erbarmungslosen Befragung hatte Robb Oppenheimer vor sich hergetrieben und immer hilfloser gemacht. Er erinnerte sich nicht an seine Unterredung mit Pash, zumindest nicht so genau, dass er Robbs Fragen hätte angemessen beantworten können. Und so akzeptierte er die selektive Präsentation der Mitschrift, die sein Folterer lieferte. Wäre Garrison ein erfahrener Strafverteidiger gewesen, hätte er sehr viel früher darauf bestehen müssen, dass sein Mandant keine weitere dieser Fragen zu beantworten brauche, bevor er nicht Gelegenheit bekäme, das Dokument einzusehen. Auch der Strategie, Oppenheimer mit diesen Zitaten in einen Hinterhalt zu locken, hätte er widersprechen müssen. Doch Garrison ließ die Tür zu diesem Verhör weit offen, und stoisch marschierte Oppenheimer mitten hindurch.

Doch so ohne weiteres hätte er auch nicht kapitulieren müssen. Es gab ja eine Erklärung für die verwickelte Geschichte, die er Pash aufgetischt hatte; eine, die weit weniger schädlich gewesen wäre als die Interpretation, in die ihn Robb hineinmanövrierte. Man erinnere sich daran, dass Eltenton dem FBI 1946 erklärt hatte, der russische Konsularbeamte Pjotr Iwanow habe ihm zunächst vorgeschlagen, drei Wissenschaftler anzusprechen, die mit dem Radiation Lab in Berkeley in Verbindung standen: Oppenheimer, Ernest Lawrence und Luis Alvarez. Eltenton kannte nur Oppenheimer, und auch diesen nicht so gut, dass er ihn hätte direkt auffordern können, Informationen an die Russen weiterzuleiten. Dass Eltenton Chevalier gegenüber diese drei Namen genannt haben könnte, ist nicht unplausibel; ebenso wenig, dass Chevalier diese Namen Oppenheimer genannt haben könnte – oder zumindest angedeutet, dass Eltenton über zwei weitere ungenannte Personen gesprochen habe. Und darum könnte Oppenheimer, als er Pash berichtete, was er über Eltentons Aktivitäten wusste, durchaus von drei Wissenschaftlern gesprochen haben. Unter allen Interpretationen zu Oppenheimers »Ammenmärchen« scheint dies die plausibelste, zumal sie sich mit Hinweisen aus den FBI-Akten deckt. Immerhin kamen Richard G. Hewlett und Jack M. Holl, die offiziellen Historiker der AEC, zu einem ähnlichen Schluss: »Oppenheimers Geschichte führte in die Irre, doch sie war insoweit zutreffend. Unglücklicherweise wurde sie danach durcheinandergebracht und verzerrt.« 1119

Warum? Die klarste und überzeugendste Erklärung dafür, dass Oppenheimer Pash eine derart konfuse Darstellung seines Küchengesprächs mit Chevalier lieferte, stammt von Oppenheimer selbst – geäußert einen Tag vor Abschluss der Sicherheitsanhörung. Und sie entspricht nicht nur den bekannten Fakten, sondern auch Oppenheimers Charakter – insbesondere seiner Neigung, die er David Bohm fünf Jahre zuvor eingestanden hatte, »irrationale Dinge« zu sagen, »wenn mir alles zu viel wird«. Als ihn der Vorsitzende Gray fragte, ob er nicht möglicherweise 1943 Pash und Lansdale gegenüber die Wahrheit gesagt habe und hier und heute Erfindungen zur Affäre Chevalier produziere, antwortete Oppenheimer:


Was ich Pash sagte, war nicht die Wahrheit. Es gab keine drei oder mehr Personen, die am Projekt mitarbeiteten. Es gab nur eine beteiligte Person. Und das war ich. Ich war in Los Alamos. Niemand sonst in Los Alamos war involviert. Und auch niemand aus Berkeley war involviert. … Ich habe ausgesagt, dass das sowjetische Konsulat von Chevalier nicht erwähnt wurde. Das entspricht genau meiner Erinnerung. Es ist denkbar, dass ich von Eltentons Verbindungen zum Konsulat wusste, doch ich kann nur so viel sagen, dass die in umständlichen Details erzählte Geschichte, zu der mir immer weitere Details entlockt wurden, eine falsche Geschichte war. Es fällt mir nicht leicht, das zu sagen. Wenn Sie mich nun nach einem überzeugenderen Grund für mein Tun fragen als dem, dass ich ein Narr war, dann habe ich einige Probleme, mich verständlich zu machen. Was mich damals bewegte, waren, glaube ich, zwei oder drei Gründe. Zum einen hatte ich das Gefühl, dass, wenn es tatsächlich, wie Lansdale andeutete, Probleme im Radiation Lab gab, Eltenton der Kerl war, der darin verwickelt sein musste, und dann war die Sache ernst. Ob ich die Geschichte ausgeschmückt habe, um den Ernst zu unterstreichen oder weil ich sie erträglicher machen wollte, warum ich also nicht einfach erzählt habe, was los war, insbesondere, dass Chevalier mich angesprochen hatte, weiß ich nicht. Es waren keine anderen Personen involviert, die Unterhaltung mit Chevalier war kurz, sie war nach Lage der Dinge doch nicht völlig beiläufig, aber ich denke, dass ich den Ton und sein eigenes Gefühl, damit nichts zu tun haben zu wollen, korrekt wiedergegeben habe.

Sodann führte Oppie weiter aus:


Ich hätte das sofort erzählen müssen, und ich hätte es völlig korrekt erzählen müssen. Doch ich befand mich in einem Konflikt, und ich dachte wohl, ich sollte den Geheimdienstleuten einen Tipp geben, ohne mir aber klarzumachen, dass man, wenn man einen Hinweis gibt, auch die ganze Geschichte erzählen muss. Als ich gebeten wurde, das auszuführen, ging ich von falschen Voraussetzungen aus. … Die Vorstellung, dass er [Chevalier] zu einer Reihe von Leuten im Projekt gehen und mit ihnen sprechen würde, statt zu mir zu kommen und das durchzusprechen, wie wir es getan haben, schien mir nicht einleuchtend. Er war ein so … Es war so unwahrscheinlich und absurd, dass er der Vermittler in einer solchen Sache war … es gab keine Verschwörung. … Als ich dann Chevaliers Namen tatsächlich genannt habe, im Gespräch mit General Groves, habe ich ihm natürlich gesagt, dass es diese drei Leute nicht gab, dass das Ganze in unserer Wohnung stattgefunden hatte, dass ich das war. So dass klar ist, dass ich, als ich diese schädliche Geschichte fabrizierte, dies eindeutig in der Absicht tat, nicht offenlegen zu müssen, wer der Vermittler war. 1120

Robbs nächster Punkt – Oppenheimers Affäre mit Jean Tatlock – hatte vor allem den Zweck, Oppenheimer zu demütigen.

Robb: »Zwischen 1939 und 1944 war, so wie ich das verstehe, Ihre Bekanntschaft mit Miss Tatlock ziemlich flüchtig. Ist das korrekt?«

Oppenheimer: »Wir trafen uns selten. Ich glaube nicht, dass es korrekt wäre zu sagen, unsere Bekanntschaft war beiläufig. Wir hatten uns sehr aufeinander eingelassen, und da waren immer noch tiefe Gefühle, wenn wir einander sahen.«

Robb: »Wie oft, würden Sie sagen, haben Sie sich zwischen 1939 und 1944 gesehen?«

Oppenheimer: »Das sind fünf Jahre. Kommt zehnmal hin?« […]

Robb: »Warum mussten Sie sie sehen?«

Oppenheimer: »Sie hatte sehr deutlich gemacht, dass sie mich unbedingt treffen wollte, bevor wir abreisten. Damals konnte ich nicht zu ihr gehen. Zum einen war ich nicht befugt zu sagen, wohin wir gingen oder sonst etwas. Ich spürte, dass sie mich sehen musste. Sie befand sich in psychiatrischer Behandlung. Sie war äußerst unglücklich.«

Robb: »Haben Sie herausgefunden, warum sie Sie sehen musste?«

Oppenheimer: »Weil sie mich noch immer liebte.«

Robb: »Wo haben Sie sie getroffen?«

Oppenheimer: »In ihrer Wohnung.«

Robb: »Wo war das?«

Oppenheimer: »Am Telegraph Hill.«

Robb: »Wann haben Sie sie danach gesehen?«

Oppenheimer: »Sie brachte mich zum Flughafen, und dann sah ich sie nie wieder.«

Robb: »Das war 1943?«

Oppenheimer: »Ja.«

Robb: »War sie Kommunistin zu dieser Zeit?«

Oppemnheimer: »Wir haben darüber nicht einmal gesprochen. Ich bezweifle das.«

Robb: »Sie haben in Ihrer Erwiderung geschrieben, dass Sie wussten, dass sie Kommunistin war?«

Oppenheimer: »Ja. Ich wusste es im Herbst 1937.«

Robb: »Hatten Sie irgendeinen Grund anzunehmen, dass sie 1943 keine Kommunistin mehr war?«

Oppenheimer: »Nein.«

Robb: »Wie bitte?«

Oppenheimer: »Es gab keinen, außer dem, was ich allgemein zu dem gesagt habe, was ich von ihrer Beziehung zur KP denke und gedacht habe. Ich weiß nicht, was sie 1943 gemacht hat.«

Robb: »Sie haben keinen Grund anzunehmen, dass sie keine Kommunistin war, nicht wahr?«

Oppenheimer: »Nein.«

Robb: »Sie haben die Nacht miteinander verbracht, nicht wahr?«

Oppenheimer: »Ja.«

Robb: »Fanden Sie, dass sich das mit den Sicherheitsanforderungen vertrug?«

Oppenheimer: »Eigentlich schon. Kein Wort – eine kluge Handlungsweise war es nicht.«

Robb: »Haben Sie nicht daran gedacht, dass Sie dies in eine ziemlich schwierige Situation bringen würde, wenn sie denn die Art Kommunistin war, die Sie heute Morgen beschrieben, von der Sie gesprochen haben?«

Oppenheimer: »Oh, aber das war sie nicht.«

Robb: »Woher wussten Sie das?«

Oppenheimer: »Ich kannte sie.« 1121

Nachdem er die Peinlichkeit hatte über sich ergehen lassen, zu einer Affäre aussagen zu müssen, die drei Jahre in seine Ehe mit Kitty hineinreichte, forderte Robb Oppenheimer auf, die Namen der Freunde seiner Geliebten zu nennen und auch zu erklären, wer von ihnen Kommunist gewesen sei und wer bloßer Mitläufer. Die Frage war im Hinblick auf den Zweck der Anhörung sinnlos, doch wurde sie nicht ohne Absicht gestellt. Die Anhörung fand 1954 statt, auf dem Höhepunkt der McCarthy-Jahre, und es gehörte durchaus zum politischen Spiel der McCarthyisten, ehemalige Kommunisten, Mitläufer oder linke Aktivisten, die vor Kongressausschüsse zitiert worden waren, zu zwingen, Namen zu nennen. Es war eine erniedrigende Erfahrung in einer Kultur, in der »Verräter« als Judasgestalten verachtet wurden. Aber darum genau ging es: die Selbstachtung und Integrität eines Zeugen zu zerstören. 1122

Oppenheimer nannte Namen: Dr. Thomas Addis habe der Partei nahegestanden, sei aber kein Mitglied gewesen; Chevalier sei ein Sympathisant gewesen; Kenneth May, John Pitman, Aubrey Grossman und Edith Arnstein Parteimitglieder. Oppenheimer, dem das Erniedrigende dieser Prozedur wohl bewusst war, fragte Robb sarkastisch: »Ist die Liste lang genug?« 1123 Und wie so oft, waren die Namen auch diesmal bekannt. Doch Robbs unablässiges Bohren zeigte Wirkung. Oppenheimer begann, unüberlegt zu reagieren, »wie ein Soldat in der Schlacht, nehme ich an«, sagte er später einem Journalisten. »Es geschieht so viel oder geschieht vielleicht im nächsten Augenblick, dass keine Zeit bleibt, sich auf irgendetwas anderes zu konzentrieren als auf den nächsten Zug. Wie in einem Kampf – und das war ein Kampf. Ich hatte sehr wenig Ichgefühl.« 1124

Noch Jahre später erinnerte sich Garrison an Oppenheimers Stimmung während dieser quälenden Tage: »Von Anfang an hatte er etwas Verzweifeltes an sich. … Ich denke, wir alle litten unter der Atmosphäre jener Zeit, aber Oppenheimer besonders. …« 1125


Robb schickte Strauss täglich einen Bericht über das Geschehen in der nichtöffentlichen Verhandlung, und der Präsident der AEC sah zufrieden, wie sich die Dinge entwickelten. An Präsident Eisenhower schrieb er: »Am Mittwoch brach Oppenheimer zusammen und gestand unter Eid, dass er gelogen habe. …« Im Ausschuss habe sich, so berichtete er schadenfroh, »bereits ein extrem schlechter Eindruck von Oppenheimer entwickelt«. Von seinem Feriensitz in Augusta, Georgia, dankte Ike telegrafisch für den »Zwischenbericht«; er habe ihn, wie er Strauss mitteilte, verbrannt – offenbar wollte er keinen Hinweis darauf hinterlassen, dass er oder Strauss die Sicherheitsanhörung auf anfechtbare Weise verfolgten. 1126


Am Morgen des 15. April, dem vierten Verhandlungstag, wurde General Leslie Groves als Zeuge vereidigt. In der Befragung durch Garrison lobte er Oppenheimers Verhalten in Los Alamos, und auf die Frage, ob er Oppenheimer ein bewusst illoyales Verhalten zutrauen würde, antwortete Groves emphatisch: »Es würde mich wundern, wenn er so etwas getan haben sollte.« Direkt zur Affäre Chevalier befragt, gab der General zu Protokoll: »Ich habe so viele Versionen des Vorgangs gesehen. Ich denke, bislang war ich nicht verwirrt in dieser Sache, seit heute aber gerät alles durcheinander. … Ich kam zu dem Schluss, dass eine Annährung stattgefunden hatte, dass Dr. Oppenheimer von dieser Annäherung wusste. …« 1127

Als er zum ersten Mal von der Angelegenheit gehört habe, fuhr Groves fort, habe er gedacht, Oppenheimers Verschwiegenheit könnte »mit der für amerikanische Schuljungen typischen Haltung erklärt werden, dass es gemein ist, einen Freund anzuschwärzen. Ich war mir nie dessen sicher, was er sagte. Eins jedoch wusste ich: Er tat stets, was er für notwendig hielt, nämlich mir über die Gefahren eben dieses Versuchs zu berichten, in das Projekt einzudringen, und vor allem, dass sich das auf die Situation draußen in Berkeley bezog – ich denke, es war das Shell Laboratory, bei dem Eltenton wohl einer der Hauptmitarbeiter war. Dies war eine Gefahr für das Projekt, das machte ihm Sorgen. Ich hatte stets den Eindruck, dass Dr. Oppenheimer seine langjährigen Freunde schützen wollte, möglicherweise seinen Bruder. Ich hatte stets den Eindruck, dass er seinen Bruder schützen wollte, und dass sein Bruder mitbetroffen, mit in dieser Kette gewesen sein könnte  …«

Offenbar war Groves von zwei Dingen überzeugt: zum einen davon, dass Chevalier in Eltentons Namen an Oppenheimer herangetreten war; zweitens, dass dieser 1943 etwas gesagt habe, was ihm, Groves, klarmachen sollte, dass Frank seinem Bruder Robert umgehend von irgendwelchen unangebrachten Fragen Chevaliers berichtet hatte. Alles Nähere ist der Geschichtsschreibung verlorengegangen. Immerhin hat Groves ja auch gesagt: »Ich war mir dessen nie sicher, was er sagte.« Und in einem älteren Brief heißt es: »Es fiel mir schwer, zu sagen, wie weit Frank involviert war und wie weit Robert involviert war.« 1128

Nimmt man alle Befragungen und alle FBI-Dokumente zusammen, scheint klar, dass Frank in der Affäre Chevalier weder Eltentons noch Chevaliers Kontaktmann gewesen sein kann. Nach allen Quellen – den gleichzeitigen Befragungen von Chevalier und Eltenton durch das FBI 1946, Kitty Oppenheimers Erinnerung gegenüber Verna Hobson, Franks Erklärung vor dem FBI Anfang Januar 1954 und schließlich Roberts Erklärungen vor dem FBI 1946 sowie seinen abschließenden Zeugenaussage – muss es Haakon Chevalier gewesen sein, der Oppenheimer angesprochen hat.

Dennoch fand sich Groves, der an Oppenheimers »Geschichte« geglaubt hatte – und versprochen hatte, sie nicht ans FBI weiterzuleiten –, seinerseits kompromittiert. Wie der Historiker Gregg Herken plausibel darstellt, glaubten Strauss wie J. Edgar Hoover, sie könnten den Umstand, dass sich Groves an einer »Vertuschung« beteiligt hatte, nutzen, um Druck auf den General auszuüben: Er sollte in der anstehenden Sicherheitsanhörung gegen Oppenheimer aussagen. 1129 Dies legt ein Schreiben nahe, das Alan Belmont, einer von Hoovers nächsten Beratern, an seinen Chef richtete. Es scheint, heißt es da, »ganz offensichtlich, dass Groves versucht hat, wichtige Informationen zu einer Spionage-Verschwörung zurückzuhalten und vor dem FBI zu verstecken. Selbst jetzt verhält sich Groves, was seine Handlungsweisen und Einlassungen angeht, dem Büro gegenüber mit einer gewissen Zurückhaltung.«

Groves, überrumpelt durch die Entdeckung des FBI, zeigte sich gleichwohl nicht reumütig, was sein Oppenheimer gegebenes Versprechen anbelangt, dem FBI den Namen Franks nicht zu offenbaren. Ja, er verteidigte diese Zusage auch 1953: »Der General sagte, er habe, wenn er jetzt mit den Agenten spreche, nicht das Gefühl, gegen den Geist des Versprechens zu handeln, das er Oppenheim gab, weil die Angelegenheit den Behörden bereits bekannt sei. Er sagte, man möge das in die Niederschrift aufnehmen, denn es könne ja sein, dass ein Freund Oppenheimers eines Tages diese Akte einsehen und zu dem Schluss gelangen werde, ›dass ich mein Versprechen zuletzt doch gebrochen habe‹.« 1130 Hätte Groves zu irgendeinem Zeitpunkt auch nur für einen Augenblick gedacht, Oppenheimer schütze einen Spion, wäre er zweifellos zum FBI gegangen. Allem Anschein nach war er von Oppenheimers Loyalität überzeugt.

Strauss natürlich sah die Dinge völlig anders. Was als entlasten-der Hinweis hätte interpretiert werden können, wurde übergangen. Stattdessen ließ Strauss nicht von General Groves ab und bestellte ihn im Februar 1954 zu einer neuen Befragung nach Washington. Damals wurde Groves klar, dass man ihn auffordern werde, gegen Oppenheimer auszusagen, und dass man ihn, sollte er sich weigern, beschuldigen würde, sich an einer Vertuschung beteiligt zu haben. 1131


Erstaunlicherweise ging Robb auf Groves’ Spekulationen über Frank nicht ein; zweifellos wäre Oppenheimer sonst als jemand erschienen, der für seinen Bruder den Kopf hinhielt. Darum wohl ließ Robb weder die Jury noch Oppenheimers Anwälte wissen, dass Groves Oppenheimer versprochen hatte, dem FBI Franks Namen nicht zu nennen. Auch das nämlich hätte die Schweinwerfer von Oppenheimer abgezogen. Dieser Teil der Geschichte blieb, als geheim klassifiziert, für fünfundzwanzig Jahre in den Akten des FBI. 1132 In Robbs Kreuzverhör blieb Groves dabei, dass seine Entscheidung von 1943, Oppenheimer die Unbedenklichkeitsbescheinigung zu erteilen, damals die richtige gewesen sei. Darauf fragte Robb direkt: »Würden Sie Dr. Oppenheimer heute die Unbedenklichkeitsbescheinigung erteilen?« Groves wich aus: »Ich glaube, bevor ich diese Frage beantworte, würde ich gerne erläutern, wie ich die Anforderungen des Atomic Energy Act verstehe.« Nehme man das Gesetz wörtlich, schreibe es vor, dass die AEC darüber entscheiden müsse, dass Menschen, die Zugang zu sensiblen Daten erhielten, »die allgemeine Verteidigung und Sicherheit nicht gefährden«. Daran, so Groves, führe kein Weg vorbei. »Es geht nicht darum, zu belegen, dass ein Mann eine Gefahr darstellt. Es geht darum, dass man denkt, er könnte eine Gefahr darstellen …« Gehe man davon aus, betrachte zudem Oppenheimers Verbindungen der Vergangenheit, »würde ich, wäre ich Mitglied der Kommission, Dr. Oppenheimer heute nicht freistellen.« 1133 Mehr wollte und brauchte Robb nicht zu hören.

Warum wandte sich Groves jetzt gegen den Mann, den er bis dahin so entschieden verteidigt hatte? Strauss wusste, warum. Er hatte dem General, und keineswegs durch die Blume, zu verstehen gegeben, dass er mit ernsthaften Konsequenzen zu rechnen hätte, sollte er nicht kooperieren.


Am Freitag, den 16. April setzte Robb sein Kreuzverhör mit Oppenheimer fort. Nun nahm er ihn in die Mangel, was seine Beziehungen zu den Serbers, zu David Bohm und Joe Weinberg anging, und gegen Ende des Tages kam er dann auf den Widerstand des Physikers gegen die Wasserstoffbombe zu sprechen. Nach annähernd fünf Tagen intensiver Befragung muss Oppenheimer körperlich und geistig erschöpft gewesen sein. Doch an diesem Tag, seinem letzten im Zeugenstand, bewies er seinen rasiermesserscharfen Verstand. Gewitzt durch die Erfahrung, in Fallen gelockt zu werden, und kristallklar in dieser Frage, war er in der Lage, Robbs diesbezügliche Fragen besser zu parieren.

Robb: »Haben Sie nach der Entscheidung des Präsidenten vom Januar 1950 jemals irgendwelche moralisch begründeten Einwände gegen den Bau der Wasserstoffbombe zum Ausdruck gebracht?«

Oppenheimer: »Ich dächte, dass ich sehr wohl gesagt haben könnte, dass dies eine grauenvolle Waffe ist, oder etwas in dieser Art. Ich habe keine genaue Erinnerung, insofern wäre es mir lieber, wenn Sie mich an den spezifischen Kontext oder das Gespräch erinnern würden, die Sie im Sinn haben, und mich danach fragten.«

Robb: »Warum denken Sie, dass Sie das sehr wohl gesagt haben könnten?«

Oppenheimer: »Weil ich stets davon überzeugt war, dass es eine grauenvolle Waffe ist. Auch wenn es vom technischen Standpunkt her eine angenehme (›sweet‹) und reizende, eine schöne Aufgabe war, so habe ich doch gedacht, es ist eine grauenvolle Waffe.«

Robb: »Und das auch gesagt?«

Oppenheimer: »Ich sollte annehmen, dass ich das gesagt habe, ja.«

Robb: »Sie meinen, Sie hatten einen moralischen Abscheu davor, diese grauenvolle Waffe zu bauen?«

Oppenheimer: »Das ist zu stark.«

Robb: »Was ist zu stark, die Waffe oder meine Formulierung?«

Oppenheimer: »Ihre Formulierung. Ich war sehr besorgt und beängstigt.«

Robb: »Sie hatten moralische Bedenken, ist das richtig?«

Oppenheimer: »Lassen Sie uns auf das Wort ›moralisch‹ verzichten.«

Robb: »Sie hatten Bedenken.«

Oppenheimer: »Wie sollte jemand keine Bedenken haben? Ich kenne niemanden, der keine Bedenken dabei hat.« 1134

Etwas später präsentierte Robb einen Brief, den Oppenheimer am 21. Oktober 1949 an James Conant geschrieben hatte. Auch dieser Brief stammte aus Oppenheimers Akten – er befand sich unter den Papieren, die das FBI im Dezember 1953 konfisziert hatte. In diesem Brief an »Dear Uncle Jim«, heißt es, dass »zwei erfahrene Promoter am Werk sind, Ernest Lawrence und Edward Teller«, beide als Lobbyisten der Wasserstoffbombe. In einem ersten Vorgeplänkel fragte Robb:

»Würden Sie mir zustimmen, Doktor, dass Ihre Anspielungen auf Dr. Lawrence und Dr. Teller … ein wenig herabsetzend sind?«

Oppenheimer: »Dr. Lawrence kam nach Washington. Er sprach nicht mit der Kommission. Er sprach vor dem gemeinsamen Ausschuss des Kongresses und vor Angehörigen des militärischen Establishments. Ich denke, das verdient ein wenig Herabsetzung.«

Robb: »So würden Sie zustimmen, dass Ihre Anspielungen auf diese Männer in diesem Brief herabsetzend sind?«

Oppenheimer: »Nein. Ich habe große Hochachtung vor ihnen als Promoter. Ich glaube nicht, dass ich ihnen Gerechtigkeit widerfahren ließ.«

Robb: »Sie verwenden das Wort ›Promoter‹ in einem gehässigen Sinn, nicht wahr?«

Oppenheimer: »Ich habe keine Ahnung.«

Robb: »Wenn Sie das Wort jetzt in Bezug auf Lawrence und Teller verwenden, soll es dann nicht gehässig klingen?«

Oppenheimer: »Nein.«

Robb: »Sie halten ihre Arbeit als Promoter für bewundernswert, ist das richtig?«

Oppenheimer: »Ich denke, als Promoter haben sie einen bewundernswerten Job hingelegt.« 1135


Am Freitag war allen klar, dass Robb und Oppenheimer einander hassten. »Mein Gefühl war«, so erinnert sich Robb, »dass er nur Gehirn war und kalt wie ein Fisch, und er hatte die eisigsten blauen Augen, die ich je sah.« Oppenheimer wiederum spürte in Robbs Gegenwart nichts als Abscheu. Während einer kurzen Pause an einem der Verhandlungstage standen die beiden Männer zufällig nahe beieinander, als Oppenheimer einen seiner Hustenanfälle erlitt. Als Robb sich besorgt zeigte, unterbrach ihn Oppenheimer ärgerlich und sagte etwas, das Robb veranlasste, auf dem Absatz kehrtzumachen und davonzugehen. 1136

Nach jedem Verhandlungstag zogen Robb und Strauss unter vier Augen Bilanz. Sie hatten wenig Zweifel am Ausgang der Anhörung. Einem FBI-Agenten erklärte Strauss, er sei »überzeugt, dass die Kommission aus Sicht der bisherigen Zeugenbefragung nur empfehlen kann, Oppenheimer die Unbedenklichkeitsbescheinigung zu entziehen; eine andere Möglichkeit hat sie nicht.« 1137

Oppenheimers Anwälte dachten kaum anders. Um der Neugier der Presseleute zu entgehen, verbrachten die Oppenheimers nun jeden Abend in Georgetown, im Haus von Randolph Paul, einem der Partner Garrisons. Eine Woche gelang es den Presseleuten nicht, sie aufzuspüren. Doch FBI-Agenten überwachten das Haus und berichteten, dass Oppenheimer lange aufblieb und im Zimmer auf und ab lief. 1138 An den meisten Abenden waren auch Garrison und Marks mehrere Stunden in Pauls Haus, gemeinsam planten sie die Strategie für den nächsten Tag. »Unsere Energie reichte gerade noch für weitere Vorbereitungen, zum Trauern waren wir viel zu erschöpft«, sagte Garrison, »natürlich war Robert total mitgenommen – auch Kitty, aber Robert noch mehr.« 1139

Paul hörte mit wachsendem Unbehagen, was die Oppenheimers berichteten. Alles klang mehr nach einem Gerichtsprozess als nach einer internen Anhörung. So bat Paul am Ostersonntagabend – am 18. April 1954 – Garrison und Marks zu einer Besprechung mit Joe Volpe in sein Haus. Als die Drinks serviert waren, wandte sich Oppenheimer an den früheren Chefsyndikus der AEC: »Joe, ich hätte gerne, dass du dir von den beiden beschreiben lässt, was da während der Anhörung vor sich geht.« Und eine Stunde lang, mit wachsender Empörung, hörte sich Volpe an, was Marks und Garrison zusammenfassend über Robbs feindselige Taktik und Oppenheimers tägliches Martyrium zu berichten hatten. Als sie fertig waren, wandte sich Volpe an Oppenheimer: »Robert, sagen Sie ihnen, sie sollen es bleibenlassen, ziehen Sie sich zurück, machen Sie nicht weiter mit; ich glaube nicht, dass Sie gewinnen können.« 1140

Das hatten Oppenheimer bereits andere gesagt, auch Einstein. Diesmal jedoch kam der Rat von einem erfahrenen Anwalt, einem der Mitverfasser der Regeln für die AEC-Anhörungen, und ausgerechnet er war der Meinung, dass Geist und Buchstaben des Regelwerks auf empörende Weise verletzt wurden. Und dennoch sah Oppenheimer keine andere Möglichkeit, als den Prozess bis zum Ende durchzustehen. Eine stoische, eher passive Reaktion, die daran erinnert, wie er auch als kleiner Junge im Sommercamp alles hingenommen hatte, bis er schließlich ins Kühlhaus eingesperrt wurde.