35.
»Ein Fall von Hysterie«

Ich bin sehr beunruhigt über diese Oppenheimer-Sache. Das ist, als würde man das Sicherheitsrisiko eines Newton oder eines Galilei ermitteln.
John J. McCloy zu Präsident Dwight D. Eisenhower

Nachdem Oppenheimer aus dem Zeugenstand entlassen worden war, konnte Garrison über zwei Dutzend Zeugen aufmarschieren lassen, die sich für Oppenheimers Charakter und Loyalität verbürgen wollten: Hans Bethe, George Kennan, John J. McCloy, Gordon Dean, Vannevar Bush und James Conant sowie weitere bedeutende Männer aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft. 1141 Der wohl interessanteste dieser Zeugen war John Lansdale, der Sicherheitschef des Manhattan-Projekts und jetztige Partner einer großen Anwaltskanzlei in Cleveland. Dass der wichtigste Sicherheitsoffizier der Armee aus den Jahren von Los Alamos für die Verteidigung aussagte, hätte großes Gewicht für das Anhörungsforum haben sollen. Nicht zuletzt, weil Lansdale, anders als Oppenheimer, sofort wusste, wie er den aggressiven Taktiken Robbs zu begegnen hatte. Er sei, so sagte er im Kreuzverhör, fest von Oppenheimers Loyalität überzeugt, und fügte hinzu: »Ich bin außerordentlich beunruhigt durch die grassierende Hysterie dieser Tage, die sich auch hier manifestiert.« Das konnte Robb nicht durchgehen lassen und hakte nach.

Robb: »Sie meinen, diese Untersuchung ist eine Manifestation von Hysterie?«

Lansdale: »Ich denke …«

Robb: »Ja oder nein?«

Lansdale: »Ich will diese Frage nicht mit Ja oder Nein beantworten. Wenn Sie es auf diese Weise versuchen wollen – wenn Sie mich fortfahren lassen, werde ich Ihre Frage gerne beantworten.«

Robb: »In Ordnung.«

Lansdale: »Ich denke, die aktuelle Hysterie in Sachen Kommunismus ist äußerst gefährlich. … Und was ich für einen Fall von Hysterie halte, ist, dass Verbindungen von 1940 genauso ernsthaft betrachtet werden, wie man ähnliche Verbindungen heute betrachten würde.«


Der gleichen Ansicht wie Lansdale war John J. McCloy, inzwischen Vorsitzender der Chase National Bank. Als Mitglied von Eisenhowers »Küchenkabinett« war er auch Vorsitzender des Council of Foreign Relations, und er saß im Aufsichtsrat der Ford Foundation sowie eines weiteren halben Dutzends der reichsten Unternehmen des Landes. Am Morgen des 13. April 1954 hatte er Restons Artikel über den Fall Oppenheimer gelesen, eine Nachricht, die er »beunruhigend« fand: »Mir war es gleich, wenn er mit einer Frau schlief, die Kommunistin war«, erinnerte er sich später. 1142 McCloy, der Oppenheimer regelmäßig im Council of Foreign Relations getroffen hatte, hegte keine Zweifel an dessen Loyalität – und zögerte auch nicht, seinen Eindruck Eisenhower sofort mitzuteilen: »Ich bin, wie Sie wohl auch, sehr beunruhigt über diese Oppenheimer-Sache. Das ist, als würde man das Sicherheitsrisiko eines Newton oder eines Galilei ermitteln. Solche Menschen sind selber stets top secret.« Eisenhowers Antwort war ziemlich lahm: Er hoffe, der Gray-Ausschuss werde Oppenheimer rehabilitieren. 1143

McCloy nahm das Ganze so ernst, dass es Garrison Ende April nicht schwerfiel, ihn – den er seit ihrer gemeinsamen Zeit in Harvard kannte – in letzter Minute als Zeugen der Verteidigung zu gewinnen. Mit seiner Aussage provozierte McCloy einige denkwürdige Wortgefechte: Er versuchte nämlich, Fragen aufzuwerfen, die direkt auf die Legitimität der Anhörung zielten. Seine Verteidigung Oppenheimers begann er damit, die Definition von Sicherheit, der der Ausschuss folgte, in Frage zu stellen: »Ich weiß nicht genau, was Sie unter einem Sicherheitsrisiko verstehen. Ich weiß, dass ich ein Sicherheitsrisiko bin, und ich denke, jedes Individuum ist ein Sicherheitsrisiko. … Ich denke, es gibt auch ein umgekehrtes Sicherheitsrisiko. … Wir sind nämlich nur sicher, wenn wir über die besten Köpfe und den weitesten geistigen Horizont verfügen.« 1144

Garrisons Frage nach der Affäre Chevalier beantwortete er mit dem Hinweis, der Gray-Ausschuss müsse abwägen zwischen Oppenheimers Bereitschaft zu lügen, um einen Freund zu schützen, und dem Wert, den er als theoretischer Physiker für das Land habe. Das konnte Grays Kommission nur beunruhigen, denn zu Ende gedacht bedeutete dies, dass es so etwas wie absolute Sicherheit kaum geben könne. Denn diesem Gedanken zu folgen hieß, den Wert jedes Einzelnen zu beurteilen – und eben das empfahlen die Sicherheitsregularien der AEC tatsächlich.

Dann aber übernahm Robb, und gleich zu Beginn seines Kreuzverhörs konfrontierte er den Zeugen mit einer geschickten Analogie: Ob denn der Vorsitzende der Chase National Bank jemanden einstellen würde, der für eine gewisse Zeit Beziehungen zu Bankräubern unterhalten hätte? »Nein«, antwortete McCloy, »aber ich kenne auch keinen.« Ob McCloy denn von einem Filialleiter, der davon rede, Leute zu kennen, die einen Banküberfall planten, nicht erwarte, dass er davon berichte? Diese Frage musste McCloy wohl oder übel mit »Ja« beantworten – und, wie er wohl wusste, Oppenheimer damit schaden, umso mehr, als Gray diese Analogie kurz darauf noch einmal aufgriff: »Würden Sie jemandem die Verantwortung für den Tresor überlassen, dem gegenüber Sie irgendeinen Zweifel hegten?«

Nein, sagte McCloy, fügte aber rasch hinzu, dass er es sich gleichwohl »zweimal überlegen würde, einen Angestellten mit zweifelhaftem Hintergrund gehen zu lassen, wenn dieser über die Feinheiten von Zeitschlössern mehr wüsste als irgendwer sonst auf der Welt. Ich würde die Risiken in dieser Beziehung abwägen.« Ginge es um den Verstand eines Dr. Oppenheimer, dann »würde ich für dieses nur Eingeweihten zugängliche, für dieses ziemlich unbegrenzte theoretische Denken, von dem ich annehme, dass die uns folgende Generation davon abhängig sein wird, ein ziemliches Maß an politischer Unreife in Kauf nehmen.«


Solche dramatischen Wortwechsel entwickelten sich immer wieder. Der düstere Anhörungsraum wurde rasch zu einer Bühne, auf der ein Ensemble außerordentlicher Akteure sich zu Themen mit Shakespeare’schen Dimensionen äußerte. Wie sollte man einen Mann beurteilen: nach seinem Umgang oder nach seinen Taten? Ist Kritik an Entscheidungen der Regierung gleichbedeutend mit Illoyalität zum Land? Kann Demokratie in einer Atmosphäre überleben, die verlangt, dass man persönliche Beziehungen der Staatspolitik opfert? Dient man der nationalen Sicherheit tatsächlich, wenn man die politische Konformität von Mitarbeitern der Regierung engstirnigen Tests unterzieht?

Die zu Oppenheimers Charakter befragten Zeugen lieferten eloquente, manchmal ergreifende Zeugnisse. Unmissverständlich sagte George Kennan, Oppenheimer sei einer »der großen Köpfe dieser Generation von Amerikanern«. Ein solcher Mann könne nicht »unredlich über ein Thema sprechen, dem er sich mit intellektueller Verantwortung gewidmet hat … Meiner Meinung nach könnten Sie ebenso gut einen Leonardo da Vinci auffordern, eine seiner anatomischen Zeichnungen zu entstellen, wie Sie Oppenheimer auffordern könnten, sich … unredlich zu äußern.« 1145


Später an diesem Dienstag, dem 20. April nahm David Lilienthal auf dem Zeugenstuhl Platz. Kennan war ohne Blessuren davongekommen, doch für den neuen Zeugen hatte Robb eine Falle vorbereitet. Am Tag zuvor war Lilienthal gestattet worden, seine eigenen AEC-Unterlagen einzusehen, um seine Erinnerung aufzufrischen. Doch als Robb sein Kreuzverhör begann, wurde rasch klar, dass er im Besitz einiger Dokumente war, die man Lilienthal vorenthalten hatte. Robb veranlasste Lilienthal dazu, von dem zu sprechen, was er von Oppenheimers Sicherheitsüberprüfung im Jahr 1947 wusste, und unerwartet präsentierte er Memoranden, aus denen hervorging, dass Lilienthal selbst empfohlen hatte, »eine Überprüfungskommission ausgewiesener Juristen einzusetzen, um eine gründliche Untersuchung« des Falls Oppenheimer durchzuführen. Robb: »Mit anderen Worten: Sie haben 1947 empfohlen, genau das zu tun, was hier und heute stattfindet?«

Nervös und erregt gab Lilienthal dummerweise zu, dass dies so gewesen sei, allerdings habe er gewiss keine »Star-Chamber-Prozedur, wie sie hier und heute abläuft«, im Sinn gehabt. Als Robb ungerührt weiterbohrte, protestierte Lilienthal: »Ein einfacher Weg zu Wahrheit und Genauigkeit wäre gewesen, mir gestern, als ich darum bat, auch diese Akten auszuhändigen, so dass ich hier als der bestmögliche Zeuge auftreten und so genau wie möglich hätte aufdecken können, was damals wirklich passierte.« 1146

Hier unterbrach Garrison, um ein weiteres Mal gegen die »überraschende Präsentation von Dokumenten« zu protestieren. Dies sei nicht »der kürzeste Weg zur Wahrheit. Mir erscheint das wie ein Strafprozess und nicht wie eine Anhörung, und ich bedaure, wie das hier abläuft.« Ein weiteres Mal wischte der Vorsitzende Gray Garrisons Einspruch beiseite. Und wieder versank Garrison in Schweigen. 1147

Am Ende dieses sehr langen Tages notierte Lilienthal in sein Tagebuch, er habe nicht schlafen können, »so erregt und wütend war ich über diese Taktik des Fallenstellens … Trauer und Ekel über das ganze Schauspiel.« 1148


War Lilienthal nach diesen Erfahrungen ernüchtert und verärgert, so verließ der unvergleichliche, durch nichts zu erschütternde Isidor Rabi den Anhörungsraum trotzig und unberührt. Von ihm stammt eines der bemerkenswertesten Statements der gesamten Veranstaltung:


Ich habe Dr. Strauss nie verhehlt, dass ich dieses ganze Verfahren für höchst unglücklich halte … dass die Suspendierung der Unbedenklichkeitsbescheinigung von Dr. Oppenheimer etwas höchst Unglückliches war und nicht hätte geschehen dürfen. Mit anderen Worten, da war er; er ist ein Berater, und wenn man sich den Rat dieses Mannes nicht anhören will, dann konsultiert man ihn nicht, Punkt. Warum nur müssen Sie die Unbedenklichkeitsbescheinigung suspendieren und das Ganze hier durchziehen? Er ist nur da, wenn man ihn ruft, mehr nicht. Also ist das Ganze beileibe keine Angelegenheit, die ein solches Verfahren erfordert hätte, zumal gegen einen Mann, der geleistet hat, was Dr. Oppenheimer geleistet hat. Es gibt eine wirklich vorzügliche Bilanz, wie ich einem Freund sagte. Wir haben eine A-Bombe und eine ganze Reihe davon … [Verschlusssache, gelöscht], was wollt ihr Waschweiber noch? Das ist eine ungeheure Leistung. Wenn am Ende dieses Weges eine derartige Anhörung steht, die gar nicht anders als demütigend verlaufen kann, dann ist dies meiner Meinung nach eine ziemlich miese Veranstaltung. Und so denke ich immer noch.« 1149

Im Kreuzverhör versuchte Robb Rabis Selbstbewusstsein zu erschüttern, indem er wieder eine seiner hypothetischen Fragen zur Affäre Chevalier stellte: 1150 ob er, Rabi, unter solchen Umständen »die ganze Wahrheit darüber gesagt hätte«.

Rabi: »Ich sage Ihnen, was ich heute denke. Gott allein weiß, was ich damals getan hätte. Dies ist, was ich jetzt denke.«

Kurz darauf fragte Robb: »Natürlich, Doktor, wissen Sie nicht, was Oppenheimer vor diesem Ausschuss ausgesagt haben könnte, oder?«

Rabi: »Nein.«

Robb: »So könnte der Ausschuss bei der Beurteilung dieses Vorfalls doch in der Lage sein, das alles besser beurteilen zu können als Sie?«

Nie um eine Antwort verlegen, parierte Rabi: »Möglicherweise. Andererseits aber verfüge ich über eine lange Erfahrung mit diesem Mann, sie reicht zurück bis 1929, immerhin 25 Jahre also, und es gibt so eine Art Bauchgefühl, auf das ich großes Gewicht lege. Mit anderen Worten, ich würde es sogar riskieren, zu einem anderen Urteil zu kommen als der Ausschuss, ohne dessen Integrität damit in Frage stellen zu wollen. … Man muss die ganze Geschichte sehen. So funktionieren Romane. Es gibt ein dramatisches Ereignis, und es gibt die Geschichte eines Mannes, was ihn zum Handeln trieb, was er tat, was für ein Mensch er war. Das ist es, was Sie hier tatsächlich tun. Sie schreiben die Lebensgeschichte eines Mannes.«

Niederschmetternd genug fand Rabi die feindselige Atmosphäre im Anhörungsraum, schlimmer aber erschien ihm die Wandlung, die mit Oppenheimer vor sich gegangen war. Robert hatte den Raum 2022 als bedeutender, stolzer und selbstsicherer Wissenschaftler und Staatsmann betreten – und jetzt spielte er die Rolle eines politischen Märtyrers. »Er war ein sehr wandlungsfähiger Mann«, hat Rabi später gesagt, »wenn er auf dem hohen Ross saß, konnte er sehr arrogant sein. Und wenn sich die Dinge gegen ihn kehrten, konnte er das Opfer spielen. Er war ein höchst erstaunlicher Kerl.«


Am Montag, den 26. April nahm Kitty Oppenheimer im Zeugenstand Platz, um zu ihrer kommunistischen Vergangenheit auszusagen. Sie hielt sich gut, beantwortete die Fragen ohne Mühe, kühl und präzise. Ihrer Freundin Pat Sherr gestand sie hinterher, wie nervös sie gewesen sei, vor dem Gray-Ausschuss aber erschien sie offen und völlig ruhig. Den Grund dafür hatte sie Verna Hobson einmal erzählt: Ihre deutschstämmigen Eltern hätten ihr als kleinem Mädchen beigebracht, ohne zu zappeln stillzusitzen. Das Training half ihr offenbar: Sie bot ein Beispiel perfekter Selbstkontrolle. Als der Vorsitzende sie fragte, ob man einen Unterschied machen könne zwischen dem Sowjetkommunismus und der Kommunistischen Partei Amerikas, sagte sie: »Es gibt darauf, soweit es mich betrifft, zwei Antworten. Damals, als ich Mitglied der KP war, dachte ich, dass dies eindeutig zwei Dinge seien. Die Sowjetunion hatte eine Kommunistische Partei, und unser Land hatte eine Kommunistische Partei. Und ich dachte, dass die KPUSA sich mit innenpolitischen Angelegenheiten befasst. Das glaube ich heute nicht mehr. Ich denke, die beiden Dinge hängen zusammen und sind in aller Welt verbreitet.«

Auf Dr. Evans’ Frage, ob es zwei Arten von Kommunisten gebe, »einen intellektuellen Kommunisten und einen einfachen, ganz gewöhnlichen Roten«, antwortete Kitty geistesgegenwärtig: »Ich könnte das nicht beantworten.«

»Ich auch nicht«, sagte Dr. Evans. 1151


Die meisten zu Oppenheimers Verteidigung aufgerufenen Zeugen waren enge Freunde oder Partner im Beruf. Bei John von Neumann war das anders. Zwar hatten auch sie eine freundliche persönliche Beziehung zueinander, politisch jedoch tiefe Differenzen. Aus diesem Grund hätte von Neumann, ein leidenschaftlicher Befürworter des Wasserstoffbomben-Programms, ein möglicherweise besonders überzeugender Zeuge der Verteidigung sein können. Oppenheimer, so erklärte er, habe versucht, ihn von seinen Ansichten zu überzeugen – und umgekehrt habe er, von Neumann, das Gleiche getan –, doch könne er nicht sagen, dass Oppenheimer sich je in seine Arbeit an der Superbombe eingemischt habe. Zur Affäre Chevalier befragt, erklärte von Neumann treuherzig: »Das hätte mich auf die gleiche Weise berührt, als hätte ich plötzlich von jemandem erfahren, dass er sich in seiner Jugend irgendwelche außergewöhnlichen Eskapaden geleistet habe.« Und als Robb auch ihn mit seiner üblichen hypothetischen Frage der Lüge gegenüber Sicherheitsoffizieren bedrängte, antwortete von Neumann: »Sir. Ich weiß nicht, wie ich diese Frage beantworten soll. Natürlich hoffe ich, dass ich es nicht getan hätte. Doch – Sie wollen mich nun dazu bringen, einzuräumen, dass sich jemand falsch verhalten hat, und mich dann fragen, ob ich genauso gehandelt hätte. Ist das nicht die Frage danach, wann ich aufgehört habe, meine Frau zu schlagen?«

An dieser Stelle intervenierten die Ausschussmitglieder: Von Neumann solle die hypothetische Frage beantworten.

Dr. Evans: »Wenn jemand bei Ihnen aufgetaucht wäre und Ihnen gesagt hätte, er wisse einen Weg, geheime Informationen nach Russland zu liefern, wären Sie sehr überrascht gewesen, dass dieser Mann sich an Sie gewandt hat?«

Dr. von Neumann: »Das hängt davon ab, wer dieser Mann ist.«

Dr. Evans: »Angenommen, ein Freund von Ihnen. … Hätten Sie umgehend darüber berichtet?«

Dr. von Neumann: »Das hängt davon ab, wann das gewesen wäre. Ich meine, bevor ich auf Sicherheitsfragen konditioniert wurde, sicher nicht. Nach der Sicherheitsschulung hätte ich es gewiss getan. … Was ich damit sagen will, ist, dass ich vor 1941 noch nicht einmal das Wort ›Verschlusssache‹ kannte. So weiß Gott allein, wie intelligent ich mich in entsprechenden Situationen verhalten hätte. Ich bin sicher, dass ich das recht schnell gelernt habe. Doch gab es eine Zeit des Lernens, in der ich Fehler hätte machen können, möglicherweise auch gemacht habe.« 1152


Im Laufe der Anhörung hatte Robb verkündet, dass er – es sei denn, er werde durch den Ausschuss ausdrücklich dazu aufgefordert – »Mr. Garrison die Namen der Zeugen, die wir aufzurufen gedenken, nicht im Voraus nennen werde«. 1153 Garrison hatte seine Zeugenliste vor Beginn der Anhörung bekanntgegeben und Robb damit ermöglicht, detailliert Fragen vorzubereiten, oft mit Hilfe der geheimen Dokumente. Nun erklärte er, er könne seinen Gegner nicht mit dem gleichen höflichen Entgegenkommen behandeln, denn: »Ich will das ganz offen sagen, es könnte im Fall von Zeugen aus der wissenschaftlichen Welt möglich sein, dass Druck auf sie ausgeübt wird.« Dies war eine überaus durchsichtige Argumentation, gegen die Garrison hätte energisch protestieren müssen. Jeder Beteiligte wusste zudem, welche Wissenschaftler Robb aufrufen würde, nämlich Dr. Teller, Ernest Lawrence oder Luis Alvarez. Und die vorgetäuschte Besorgnis des Anklägers bekommt dadurch noch eine ironische Note, dass Lewis Strauss, der Regisseur des Schauprozesses, ungehemmt jedem Zeugen die Hölle heißmachte, der nicht spurte.

Eine Woche nach seiner Befragung traf Rabi in Oak Ridge zufällig auf Ernest Lawrence und fragte ihn, was er über Oppenheimer aussagen werde. Lawrence, der seinen alten Freund gründlich leid war, hatte sich tatsächlich bereit erklärt, gegen ihn auszusagen. Oppenheimer hatte sich in Sachen Wasserstoffbombe gegen ihn gestellt, hatte opponiert, als es um den Aufbau eines Geheimwaffenlabors in Livermore ging. Und in jüngerer Zeit hatte er auf einer Party erfahren und sich darüber erregt, dass er vor Jahren ein Verhältnis mit Ruth Tolman gehabt hatte, der Frau seines guten Freundes Richard. Ihm reichte das, und er hatte Strauss zugesagt, nach Washington zu kommen. Doch am Abend vor seinem geplanten Auftritt erkrankte Lawrence an einer Darmentzündung. So erklärte er Strauss am nächsten Morgen am Telefon, dass er nicht kommen könne. In der Gewissheit, dass dies nur eine Ausflucht war, begann Strauss mit dem Wissenschaftler zu streiten und nannte ihn einen Feigling. 1154

Lawrence saß also nicht auf dem Zeugenstuhl. Doch Robb hatte zuvor schon mit Lawrence gesprochen und stellte sicher, dass der Ausschuss – nicht aber Garrison – das Protokoll dieses Gesprächs erhielt. So ging Lawrence’ Meinung, Oppenheimer habe sich so vieler Fehlentscheidungen schuldig gemacht, »dass er niemals wieder irgendwelchen Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen sollte«, 1155 von Oppenheimers Anwälten ungesehen und unbefragt in das Urteil des Ausschusses ein. Natürlich war auch dies eine Verletzung jeglicher juristischer Regeln – Grund genug, das Verfahren abzubrechen.


Edward Teller dagegen hatte keinerlei Bedenken auszusagen. Am 22. April, sechs Tage vor seiner Befragung, hatte er ein stundenlanges Gespräch mit Charter Heslep geführt, einem Öffentlichkeitsbeauftragten der AEC, in dessen Verlauf er seine tiefe Feindschaft gegen Oppenheimer und die »Oppie-Maschine« zum Ausdruck gebracht hatte. Man müsse einen Weg finden, Oppenheimer jeglichen Einfluss zu nehmen. Nicht wegen der Sicherheitsfragen, Oppenheimer sei nicht illoyal, sondern eher eine Art »Pazifist«. Man müsse, selbst wenn dies nicht leicht sei, der Wissenschaftlergemeinschaft zeigen, dass Oppenheimer kein Störenfried sei, sondern für das Programm nicht länger brauchbar. Es werde schwer sein, ihm »in der eigenen Kirche das Priesteramt zu nehmen«. Auch Hesleps Memo zeigt, in welcher Absicht das Verfahren gehandhabt wurde. 1156

Am 27. April trafen sich Teller und Robb; dieser wollte sichergehen, dass der streitbare Physiker noch immer bereit war, gegen seinen alten Freund auszusagen. Später behauptete Teller, dieses Gespräch habe am folgenden Tag stattgefunden, nur Minuten vor seiner Vereidigung. Doch dieser Erinnerung widerspricht eine handgeschriebene Notiz, die er später an Strauss sandte und in der er festhielt, sich am Vorabend seiner Befragung mit Robb getroffen zu haben. Robb, so Tellers Darstellung, habe ihn direkt gefragt: »Soll Oppenheimer für unbedenklich erklärt werden?« Und er habe geantwortet: »Ja, Oppenheimer sollte für unbedenklich erklärt werden.« Daraufhin gab ihm Robb einen Auszug aus Oppenheimers Aussage zu lesen – die Stelle, an der er zugab, ein »Ammenmärchen« erfunden zu haben. Er sei überrascht gewesen, erklärte Teller später, dass Oppenheimer seine Lüge so kühl habe zugeben können, und er habe Robb im Unklaren gelassen, ob er immer noch dabei bleibe, dass Oppenheimer die Clearance verdiene.

Diese Darstellung Tellers ist unaufrichtig. Seit mehr als zehn Jahren hatten ihn Oppenheimers Einfluss und seine Beliebtheit unter den Wissenschaftlern zutiefst verärgert. 1954 war er bereit, Oppenheimer »in der eigenen Kirche« unmöglich zu machen. Was ihm Robb aus den damals noch geheimen Ausschussprotokollen gezeigt hatte, erleichterte es ihm, gegen Oppenheimer auszusagen.

Und Teller war nicht der einzige Zeuge, den Robb auf diese Weise präpariert hat. Eines Abends arbeitete Garrisons Assistent Allan Ecker noch spät im Ausschussraum, als er von lauten Stimmen auf dem Gang abgelenkt wurde. »Ich hörte, wie ein Tonband abgespielt wurde«, berichtete er später. Und dann habe er gesehen, wie Robb und eine Gruppe von Leuten, die später als Zeugen fungierten, auf den Gang traten: »Mr. Robb hatte Leute mitgebracht, die später als Zeugen aussagen sollten, und sie hatten das Band einer Befragung [Oberst Pashs Befragung Oppenheimers im Jahr 1943] gehört.« 1157


Am folgenden Nachmittag, während Oppenheimer ein paar Schritte hinter ihm auf der Couch saß, nahm Teller im Zeugenstand Platz. Robb ließ ihn ausführlich Stellung nehmen zu Oppenheimers Haltung zur Entwicklung der H-Bombe und zu anderen Themen. Als er jedoch spürte, dass Teller sich nicht festlegen wollte, brachte ihn Robb dazu, nur noch das Notwendige zu sagen.

Robb: »Um die Dinge einfacher zu machen, lassen Sie mich diese Frage stellen: Wollten Sie mit irgendeiner Einzelheit dessen, was Sie gerade ausgesagt haben, nahelegen, dass Dr. Oppenheimer den Vereinigten Staaten gegenüber illoyal ist?«

Teller: »Ich möchte nichts dergleichen nahelegen. Ich kenne Oppenheimer als intellektuell höchst wachsame und sehr vielschichtige Persönlichkeit, und ich denke, es wäre voreingenommen und falsch von meiner Seite, wenn ich seine Motive auf irgendeine Weise analysierte. Doch ich bin immer davon ausgegangen und tue dies auch jetzt, dass er loyal zu den Vereinigten Staaten steht. Ich tue das, bis man mir schlüssig das Gegenteil beweist.«

Robb: »Nun, eine Frage, die das vorbereitet. Glauben Sie oder glauben Sie nicht, dass Dr. Oppenheimer ein Sicherheitsrisiko ist?«

Teller: »Ich habe Dr. Oppenheimer in vielen Fällen handeln sehen – und mir wurde klar, dass Dr. Oppenheimer auf eine Weise handelte, die ich nur außerordentlich schwer nachvollziehen konnte. Ich bin in zahlreichen Fragen völlig anderer Meinung als er, und seine Handlungen, offen gesagt, erschienen mir verwirrend und verworren. Und dies in einem Maß, dass ich es wohl lieber sähe, wenn die vitalen Interessen dieses Landes in Händen lägen, die ich besser verstehe und denen ich darum auch mehr vertraue.«

Im Kreuzverhör durch den Vorsitzenden erweiterte Teller diese Äußerung mit den Worten: »Wenn es sich um eine Frage der Klugheit und des Urteils handelt, wie sie sich in Handlungen seit 1945 gezeigt hat, dann würde ich sagen, man handelte klüger, wenn man die Clearance nicht erteilte. Ich muss dazusagen, dass ich mich in dieser Sache konfus fühle, insbesondere weil sie eine Person von Oppenheimers Prestige und Einfluss betrifft. Kann ich es bei diesen Ausführungen belassen?« 1158

Mehr brauchte Robb tatsächlich nicht. Aus dem Zeugenstand entlassen, drehte sich Teller um, und als er an Oppenheimer, der auf seiner Ledercouch saß, vorbeikam, streckte er ihm die Hand entgegen und sagte: »Es tut mir leid.«

Oppenheimer nahm die Hand und erwiderte lakonisch: »Nach allem, was Sie gesagt haben, weiß ich nicht, was Sie meinen.« 1159

Teller sollte bitter zahlen für seine Aussage. Als er im Sommer 1954 nach Los Alamos kam, entdeckte er im Speisesaal seinen alten Freund Bob Christie. Teller ging hinüber, um ihn zu begrüßen. Und musste erstaunt erleben, dass Christie die ausgestreckte Hand nicht nahm, sondern sich auf dem Absatz umdrehte. Direkt daneben stand der zornige Rabi: »Ich werde Ihnen die Hand auch nicht geben, Edward.« 1160 Teller ging zurück in sein Hotel und packte seine Sachen.


Nach Tellers Auftritt zog sich die Anhörung noch eine weitere Woche hin, ohne besondere Höhepunkte. Am 4. Mai – das Verfahren ging in die dritte Woche – wurde Kitty Oppenheimer noch einmal in den Zeugenstand gerufen. Der Vorsitzende Gray und Dr. Evans bedrängten sie noch einmal wegen des Zeitpunkts, an dem sie mit der Partei gebrochen hatte. Wieder antwortete Kitty, sie habe nach 1936 »nichts mehr mit der Kommunistischen Partei zu tun gehabt«. Der Wortwechsel wurde nun ziemlich gereizt.

Gray: »Ist es richtig zu sagen, Dr. Oppenheimers Zuwendungen in so späten Jahren wie möglicherweise 1942 bedeuten, dass er nicht aufgehört hat, etwas mit der Kommunistischen Partei zu tun zu haben? Ich bestehe nicht darauf, dass Sie mit Ja oder Nein antworten. Sie können so antworten, wie Sie wollen.«

Kitty Oppenheimer: »Das weiß ich. Danke. Ich glaube nicht, dass die Frage richtig gestellt ist.«

Gray: »Verstehen Sie, worauf ich hinauswill?«

Kitty Oppenheimer: »Ja, das verstehe ich.«

Gray: »Warum beantworten Sie dann meine Frage nicht?«

Kitty: »Der Grund ist, dass mir die Formulierung ›aufgehört, etwas mit der Kommunistischen Partei zu tun zu haben‹ nicht gefällt. … Und zwar weil ich nicht denke, dass Robert jemals etwas mit der Kommunistischen Partei als solcher zu tun hatte. Ich weiß, dass er Geld spendete für spanische Flüchtlinge; ich weiß, dass er es über die Kommunistische Partei spendete.«

Gray: »Wenn er Isaac Folkoff Geld gab, zum Beispiel, dann war das doch nicht notwendig für spanische Flüchtlinge, oder?«

Kitty: »Ich denke doch.«

Gray: »Noch 1942?«

Kitty: »Ich glaube nicht, dass dies so spät geschah …«

Als Gray sie daran erinnerte, dass ihr Mann dieses Datum genannt habe, antwortete sie: »Mr. Gray, Robert und ich sind nicht in allen Dingen einer Meinung. Er erinnert sich an manches anders als ich.«

Einer von Oppenheimers Anwälten versuchte an dieser Stelle zu unterbrechen, doch Gray bestand darauf, die Befragung in dieser Richtung fortzusetzen. Er wolle herausfinden, wann die Verbindungen ihres Ehemanns mit der Kommunistischen Partei beendet waren.

Kitty Oppenheimer: »Ich weiß es nicht, Mr. Gray. Ich weiß, dass wir immer noch einen Freund haben, von dem gesagt wurde, er sei Mitglied der Kommunistischen Partei.« (Damit meinte sie Chevalier.) Aufgescheucht von dieser beiläufigen Bemerkung rief Robb dazwischen: »Wie bitte?« Doch Gray drängte voran und fragte noch einmal nach dem »Mechanismus«, durch den sich jemand »eindeutig löst« von der KP. Durchaus vernünftig antwortete Kitty: »Ich denke, das ist von Person zu Person verschieden, Mr. Gray. Manche vollziehen dies mit einem Schlag, schreiben womöglich einen Artikel darüber. Andere tun es langsam. Ich habe die Kommunistische Partei verlassen. Ich habe nicht meine Vergangenheit verlassen, die Freundschaften, nicht so ohne weiteres. Manche bestanden noch eine Weile. Ich traf Kommunisten, nachdem ich die Partei verlassen hatte.«

Noch immer ließ der Ausschuss nicht locker. Dr. Evans forderte sie auf, den Unterschied zwischen einem Kommunisten und einem Mitläufer zu definieren. Kitty antwortete einfach: »Für mich ist ein Kommunist ein Mitglied der Kommunistischen Partei, der mehr oder weniger tut, was von ihm verlangt wird.« 1161

Kitty Oppenheimer wankte nicht. Nicht einmal Robb konnte sie erschüttern. Ruhig und doch wachsam auf jede Nuance achtend, war sie wohl eine bessere Zeugin als ihr Ehemann, den sie verteidigte.


Am 5. Mai, dem letzten Tag der Anhörung, als Oppenheimer gerade das letzte Mal aus dem Zeugenstand entlassen werden sollte, bat er darum, eine Erklärung abgeben zu dürfen. Nachdem er vier Wochen quälender Demütigungen über sich hatte ergehen lassen, spielte er den letzten Akt von Garrisons Taktik der Versöhnung und dankte seinen Folterern: »Ich bin dankbar – und hoffe das auch angemessen zum Ausdruck gebracht zu haben – für die Geduld und das Verständnis, die der Ausschuss mir während dieses Abschnitts des Verfahrens entgegengebracht hat.« Es war ein Akt der Unterwerfung, darauf angelegt, dem Gray-Ausschuss zu zeigen, dass Robert Oppenheimer eine vernünftige, kooperative Person sei, ein Mitglied des Establishments, mit dem man zusammenarbeiten und dem man vertrauen könne. Der Vorsitzende zeigte sich unbeeindruckt und antwortete trocken: »Vielen Dank, Dr. Oppenheimer.« 1162


Am folgenden Morgen verwandte Garrison drei Stunden auf seine Zusammenfassung des Falls. Noch einmal protestierte er, diesmal nicht ganz so sanft, dagegen, dass die Anhörung zu einem Prozess gemacht worden sei. Er erinnerte daran, dass sich die Ausschussmitglieder, noch bevor die Anhörung überhaupt begonnen hatte, eine Woche in das Oppenheimer-Dossier des FBI vertieft hätten. »Ich erinnere mich an eine Art Untergangsgefühl, das ich an dieser Stelle hatte – bei dem Gedanken an eine Woche Studium der Akten, die einzusehen ich nie das Privileg hatte.« Doch Garrison, der noch immer glaubte, er sollte besser nicht allzu vehement protestieren, wich sofort wieder zurück. Es sei wahr, dass sie sich »unerwartet in einem Verfahren« befunden hätten, »das uns in seiner Anlage als feindlich erscheinen musste. … Ich möchte mit allem Ernst erklären, dass ich die Fairness wohl gesehen habe und sehr zu schätzen weiß, die die Mitglieder des Ausschusses gezeigt haben.« 1163

Bei aller Unterwürfigkeit war Garrisons Zusammenfassung sehr gewandt formuliert. Er warnte den Ausschuss vor der »Illusion, die aus einer Verzerrung der Zeit entspringt, eine für mich grässliche Angelegenheit und sehr, sehr irreführend.« Was 1943 in der Affäre Chevalier geschehen sei, müsse aus der Atmosphäre jener Zeit bewertet werden. »Russland war unser, wie es hieß, heldenhafter Verbündeter. Die ganze Haltung gegenüber Russland, gegenüber Personen, die mit Russland sympathisierten, alles war anders, als dies heute gesehen wird.« Im Hinblick auf Oppenheimers Charakter und Integrität erklärte er dem Ausschuss: »Sie waren nun dreieinhalb Wochen mit diesem Gentleman, der dort auf dem Sofa sitzt, zusammen. Sie haben eine Menge über ihn erfahren. Es gibt eine Menge Dinge um ihn, die Sie nicht erfahren haben, von denen Sie nichts wissen. Sie haben nicht mit ihm zusammengelebt.«

Garrison fuhr fort: »Es steht in diesem Raum mehr auf dem Prüfstand als Dr. Oppenheimer. Auch die Regierung der Vereinigten Staaten steht auf dem Prüfstand.« Indirekt auf den McCarthyismus anspielend, sprach Garrison von »der Angst, die sich im Land breitmacht«. Antikommunistische Hysterie habe die Regierungen Truman und Eisenhower dermaßen angesteckt, dass sich der Sicherheitsapparat derzeit verhalte »wie eine Art monolithischer Maschinerie, die zur Vernichtung von Männern mit großer Begabung führen wird. … Amerika darf die eigenen Kinder nicht verschlingen.« Mit dieser Bemerkung und der nochmaligen Aufforderung, der Ausschuss möge »den ganzen Mann« beurteilen, beendete Garrison sein Plädoyer. 1164


Das Verfahren war vorüber, und am Abend des 6. Mai 1954 kehrte der Angeklagte nach Princeton zurück, wo er das Urteil des Ausschusses abwarten wollte.

Wie Garrison – allerdings zu spät – zu zeigen versucht hatte, war die Anhörung des Gray-Ausschusses offensichtlich unfair und lief juristischen Normen empörend zuwider. Die Verantwortung dafür lag vor allem bei Lewis Strauss. Doch als Ausschussvorsitzender hätte Gordon Gray für einen fairen und rechtlichen Normen entsprechenden Verlauf der Verhandlungen sorgen können. Er hat seine Aufgabe nicht erfüllt. Statt tatsächlich die Leitung des Verfahrens zu übernehmen und für Fairness zu sorgen, wozu er Robbs illegitime Taktiken hätte unterbinden müssen, hat er zugelassen, dass dieser sich zum Herrn des Verfahrens machte. Er hat zugelassen, dass sich Robb vor der Anhörung hinter verschlossenen Türen mit den Ausschussmitgliedern traf, um die FBI-Akten durchzugehen – eine eindeutige Verletzung der »Security Clearance Procedures« der AEC von 1950. 1165 Er ist Robbs Empfehlung gefolgt, Garrison Akteneinsicht zu verweigern; er hat Lawrence’ beschädigende schriftliche Aussage der Verteidigung nicht zugänglich gemacht; hat nichts dafür unternommen, dass Garrison eine Unbedenklichkeitsbescheinigung erhielt. Kurz, der Gray-Ausschuss war eine Art Femegericht, in dem der leitende Richter die Führung an den Ankläger abgab. Wie Henry D. Smyth, der Beauftragte der AEC, später sagte, hätte jede objektiv juristische Überprüfung der Verfahrensführung unbedingt zur Aufhebung des Urteils führen müssen.