Schlussbemerkung:
»Mein langer Ausritt mit Oppie«

Von Martin J. Sherwin

Robert Oppenheimer war ein ausgezeichneter Reiter, und so war es keine völlig aus der Luft gegriffene Idee, dass ich im Sommer 1979 dem, was Gelehrte Sitzfleisch [Deutsch im Original] nennen, eine neue Bedeutung geben wollte: Ich begann meine Recherchen für diese Biographie auf dem Rücken eines Pferdes. Mein Abenteuer begann auf der Los Pintos Ranch, etwa fünfzehn Kilometer oberhalb von Cowles in New Mexico, von wo aus Oppenheimer im Sommer 1922 zum ersten Mal die wundervollen Berge des Sangre de Cristo erkundet hatte. Ich hatte seit Jahren nicht mehr auf einem Pferd gesessen, und der lange Ausritt, den ich – real und übertragen – vor mir hatte, machte mir ein wenig bange. Mein Ziel war Oppenheimers Ranch Perro Caliente, die einfache Hütte auf einem über sechs Hektar großen Grundstück in den Bergen, die er in den 1930er Jahren gemietet, 1947 gekauft hatte – ein Ritt von mehreren Stunden über den Gipfel des 3000 Meter hohen Grass Montain.

Bill McSweeney, der Besitzer von Los Pinos, war unserer Führer und Lokalhistoriker. Unter anderem erzählte er uns (meine Frau und meine Kinder waren mit dabei) von Katherine Chaves Pages tragischem Tod – sie starb 1961 bei einem Einbruch in ihr Haus in Santa Fe. Oppenheimer hatte sie, die Vorbesitzerin von Los Pinos, bei seinem ersten Besuch in New Mexico kennengelernt, und seine jugendliche Schwärmerei war einer der Gründe, die ihn immer wieder in diese wundervolle Landschaft zogen. Nachdem er seine eigene Ranch erworben hatte, mietete Oppie, wie ihn seine Freunde nannten, jeden Sommer Pferde bei Katherine: für sich selbst, für seinen Bruder, nach 1940 auch für seine Frau Kitty und den Schwarm von Gästen, die er mitbrachte, meistens Physiker, die bis dahin vielleicht mal ein Fahrrad, in der Regel aber nicht etwas so Eigensinniges wie ein Pferd bestiegen hatten.

Zwei Absichten verfolgte ich mit dieser Reise. Zum einen wollte ich die Erfahrungen teilen, die Oppenheimer so oft mit seinen Freunden geteilt hatte, das befreiende Glück, auf einem Pferd durch diese Wildnis zu reiten. Zum anderen wollte ich mit seinem Sohn Peter sprechen, der auf der Ranch lebte. Und während ich ihm half, einen Pferch zu bauen, sprachen wir stundenlang über seine Familie und sein Leben – ein unvergesslicher Anfang.

Einige Monate später haben der Verleger Alfred A. Knopf und ich einen Vertrag über eine Oppenheimer-Biographie unterzeichnet. Das Manuskript, so die Verabredung mit Angus Cameron, meinem damaligen Lektor – dem, neben anderen, dieses Buch gewidmet ist –, sollte in vier, fünf Jahren vorliegen.

Ich reiste sechs Jahre quer durch das Land, auch ins Ausland, vorangetrieben von immer neuen Bekanntschaften und Empfehlungen, und führte mehr Gespräche mit Menschen, die Oppenheimer gekannt haben, als ich je für möglich gehalten hätte. Sammelte in Archiven und Bibliotheken zigtausend Briefe, Memoranden, regierungsamtliche Dokumente – allein 10000 Seiten aus den FBI Akten – und begriff schließlich, dass jede Monographie über Robert Oppenheimer weitaus mehr enthalten müsste als dessen Leben. Seine Geschichte mit all ihren öffentlichen Aspekten und Verzweigungen war vielschichtiger und wirft sehr viel mehr Licht auf das Amerika seiner Tage, als Angus und ich uns zunächst vorgestellt hatten. Es ist ein Hinweis auf die Vielschichtigkeit, die Tiefe und weite Resonanz dieses Lebens – ein Hinweis auf Oppenheimers Status als Ikone – und darauf, dass seine Geschichte nach seinem Tod ein eigenes Leben entwickelte: Bücher, Filme, Theaterstücke, Artikel und sogar eine Oper (Dr. Atomic) haben sein Profil auf den Seiten der amerikanischen und der Weltgeschichte immer schärfer herausgearbeitet.

Vor fünfundzwanzig Jahren bin ich zu meinem Ausritt nach Perro Caliente aufgebrochen, und meine Arbeit an Oppenheimers Lebensgeschichte hat mir gezeigt, wie komplex Biographien sein können. Es war eine zuweilen anstrengende, stets aber auch belebende Reise. Vor fünf Jahren, als mein Freund Kai Bird The Color of Truth, seine Doppelbiographie von McGeorge und William Bundy, vollendet hatte, bat ich ihn, mit mir zusammenzuarbeiten. Oppenheimer bot Stoff für uns beide, und mit Kai als Partner würde ich schneller vorankommen. Gemeinsam haben wir vollendet, was sich zu einem sehr langen Ausritt entwickelt hat.