Oliver
Als ich mich nach meinen verkürzten Donnerstags-Ritualen auf den Weg zu Sebastians Wohnung mache, frage ich mich ernsthaft, was mich geritten hat, mich auf diesen Deal einzulassen.
Es gibt durchaus gute Gründe dafür.
Erstens kann ich dadurch meine Wochenroutine brechen und habe vielleicht eine Chance, irgendwann wieder ohne diese strikten Tagesabläufe zu funktionieren.
Zweitens ist ein Sexpartner ganz sicher die bessere Wahl, wenn es um die Minimierung von Risiken geht.
Drittens habe ich nicht die Befürchtung, dass Sebastian mich, aus welchen Gründen auch immer, mal schlagen könnte.
Im Gegenteil, wenn ich an den vergangenen Freitag und den Sex mit ihm denke, muss ich zugeben, dass er mich … nun ja … beschützt, zumindest aber vor einem Sturz auf den Boden des Darkrooms bewahrt hat.
Was mich wiederum daran erinnert, dass ich einen Blackout hatte, als wir fertig waren.
Zu Anfang habe ich diesen Umstand verdrängt, aber je näher der Termin für das Treffen gerückt ist, umso klarer stand es in meinen Gedanken.
Es ist müßig, jetzt Ursachenforschung zu betreiben. Dafür kann es einfach zu viele Gründe geben.
Deshalb ist es wohl besser, das alles auf mich zukommen zu lassen.
Ich drücke pünktlich um fünf nach neun am Donnerstagabend auf den Klingelknopf neben dem Namensschild ‚S. Heidemann‘ und der Türsummer erklingt sehr rasch.
Kaum bin ich die Treppen zu seiner Wohnung hinaufgegangen, erblicke ich ihn in der geöffneten Tür.
Einen Moment lang verschlägt mir sein Anblick die Sprache und ich starre ihn nur an.
Sebastian lächelt. „Guten Abend. Komm rein!“
„Guten Abend“, bringe ich endlich heraus und folge seiner einladenden Geste.
Minuten später hängt meine Jacke an der Garderobe und wir sitzen auf dem Sofa in seinem Wohnzimmer.
Eine Flasche Bier steht vor mir, an der das Kondenswasser herabperlt.
Sebastian hat seine in der Hand und prostet mir zu.
Wieso fühle ich mich so linkisch?
Immer wieder gleitet mein Blick über seine Gestalt und mir wird zum wiederholten Male bewusst, wie groß und breit er ist. Er sieht gut aus, ich meine, so richtig gut!
Das dunkle Haar und die grünbraunen Augen faszinieren mich jedes Mal aufs Neue und ich mag seine gerade Nase und den leichten Schwung seiner Lippen.
„Wie geht es dir?“, frage ich, um mich von weiteren Überlegungen abzuhalten.
„Gut, und dir?“
„Auch.“ Oh Mann, wenn wir nicht bald mit irgendetwas anfangen, das nichts mit Reden zu tun hat, schlafen wir ein!
Ich rücke näher zu ihm und lasse meine Hand über seinen Oberschenkel gleiten. „Wir sind nicht zum Reden hier, oder?“
Er lacht kehlig und sein Arm umschlingt meine Schultern. „Nein, sind wir nicht. Aber ein Schweigegelübde haben wir auch nicht abgelegt.“
„Stimmt“, raune ich und klettere auf seinen Schoß, um die Knöpfe seines Hemdes zu öffnen.
Meine Hände suchen den Kontakt, zerren an seinem Hemd.
Wenn wir schon nicht in einem Darkroom sind, will ich ihn ausziehen!
Zumindest etwas mehr als sonst …
Sobald wir die Oberteile losgeworden sind, schiebt er mich von sich und steht auf.
„Warte hier.“ Er verschwindet kurz und kehrt mit mehreren Dingen in den Händen zurück.
Eine Spritze mit Gleitgel, wie ich erkenne, als er sie auf der Rückenlehne des großen Sessels ablegt, dazu ein Kondom und ein Handtuch.
„Komm her“, verlangt er und ich umrunde den Tisch und den Sessel, um zu ihm zu gelangen. Sofort dreht er mich zum Sessel um.
Seine Hände gleiten an meinen Seiten herab zu meinem Hosenbund, er öffnet die Knöpfe meiner Jeans und streift sie nach unten.
„Beug dich über die Lehne.“
Ich mache es – wortlos und willig.
Sebastian nimmt die Spritze auf und Sekunden später spüre ich seine warmen Hände an meinem Eingang. Er drückt den Inhalt der Spritze in mich und allein das lässt mich vor Vorfreude erschauern.
Dann sind seine Hände weg, vermutlich öffnet er seine Jeans, denn das kurz darauf folgende Knistern verrät, dass er ein Gummi auspackt und überstreift.
Kompromisslos und ohne Vorspiel dringt er mit zwei Fingern in mich ein, prüft meine Weichheit und brummt zufrieden.
Die Finger verschwinden, dann spüre ich den Druck seiner Eichel an meinem Eingang und strecke den Arsch noch ein wenig in seine Richtung.
Hier über den Sessel gebeugt zu liegen, hat etwas Geiles an sich.
Ich bin ihm ausgeliefert und will genau das!
Kein Vorspiel, keine langen Gespräche, nur geilen, erfüllenden Sex.
Wir stöhnen beide, als er eindringt und sich tief in mich schiebt. Seine Hände halten meine Hüften, als er sich in mir zu bewegen beginnt.
Ich gebe mich diesem Gefühl hin, will kommen, möglichst schnell.
Mein harter Schwanz reibt immer wieder gegen das weiche Polster des Sessels.
Die Reibung verschwindet, als Sebastians Linke sich fest um meine Härte legt und mich heftig massiert.
„Ja!“, keuche ich und dränge mich abwechselnd in seine Hand und auf seinen Schwanz, folge seinem Rhythmus und lasse mich hart und tief ficken.
Der Höhepunkt rückt sprunghaft näher, mein Atem geht schwer und ich höre sein Stöhnen, lasse mich davon weitertreiben wie von seinen Bewegungen.
Es dauert nicht lange, bis ich komme.
Erbarmungslos hat Sebastian mich in den Orgasmus getrieben und ich schreie meine Lust heraus.
Ich will die Bilder sehen, die Erinnerungen, die heile Welt, aus der man mich vor zehn Monaten vertrieben hat!
Flackernd tauchen sie auf, während Sebastian mich weiter fickt. Undeutliche Szenen, nichts Klares, als läge ein schwarzer Schleier über allem, was in meiner Vergangenheit auf mich wartet.
Ich will frustriert aufschnauben, als das Flackern verschwindet und nur die Schwärze bleibt. Will fluchen und …
Sebastians Schrei der Erlösung reißt mich aus allem heraus, was in meinem Kopf bislang um die Vorherrschaft gekämpft hat.
Ich bin wieder ganz hier, in seinem Wohnzimmer, spüre ihn in mir, das Zucken seines Schwanzes, das Pumpen, mit dem er sich in mir entlädt.
Kraftlos sinke ich, ohne jede Körperspannung, auf die Lehne und keuche.
Warme Hände säubern meinen Schwanz und vermutlich auch Sebastians Hand von meinem Sperma, dann gleiten sie über meinen Rücken, unter meine Brust, und ich fühle mich angehoben und an ihn gezogen.
Glatt und hart fühlt sich die Brust in meinem Rücken an, als er mich fest umschlingt.
Noch immer ist er in mir, groß, präsent. Genauso wie außerhalb meines Körpers.
Ich bin bei Sebastian, nicht bei Elmar.
Diese Erkenntnis ernüchtert mich, wie nur die absolute Realität mich ernüchtern kann.
Ich bin im Hier und Jetzt, keine Trance mehr, keine Erinnerungen an Vergangenes. Nichts.
Nur Sebastian hinter mir, in mir.
Ich muss aus dieser Umarmung heraus, muss versuchen, zu verstehen, was vor sich geht.
Er gibt mich frei, rutscht dabei aus mir heraus und mustert mich ernst.
„Ist es das, was du wolltest?“, fragt er mit einem Ton, den ich nicht sofort einschätzen kann.
Hart? Kalt? Emotionslos?
Ja, das trifft es.
Er wirkt distanziert und so unaufgeregt, als hätte er mich nicht eben noch gefickt.
Ich sehe zu ihm hoch, fragend. „Was …?“
Statt einer Antwort schnaubt er nur und streift das Gummi ab, um es auf das Handtuch zu legen.
Dann denke ich über seine Frage nach und muss sie mir – und ihm – endlich beantworten.
Wenn ich jetzt ‚ja‘ sage, lüge ich, denn ich habe nicht erlebt, worauf ich so scharf bin.
Aber ist das seine Schuld?
Ich hebe die Schultern. „Ich weiß es nicht.“
Wieder schnaubt er unwillig. „Dann bringt dir ein erbarmungsloser, schneller Fick nicht das, weshalb du hergekommen bist?“
Die ehrliche Antwort wäre ‚nein‘. Aber vielleicht …
„Es war geil. Reicht dir das als Antwort?“, frage ich provokant.
„Es geht hier nicht darum, was mir reicht, Oliver“, stellt er klar. „Es geht darum, was du brauchst und willst.“
Zögerlich nicke ich, weil er recht hat.
„Zieh dich an“, verlangt er und deutet auf meine herabhängenden Jeans.
Ich folge seiner Geste und beeile mich, die Hosen hochzuziehen und zu schließen.
Mein Blick hastet zum Sofa, irgendwo dort muss mein Shirt liegen.