Oliver
Nach mehr als zwei Wochen täglicher Treffen mit Sebastian muss ich mir möglicherweise eingestehen, dass irgendetwas an dem Sex mit ihm gänzlich anders ist, als ich es erwartet hätte.
Die Erinnerungen tauchen nicht mehr auf.
Sie sind weg. Können allein aus diesem Grund schon keine wohlig-warmen Glücksgefühle mehr in mir auslösen.
Trotzdem schaffe ich es nicht, diesen bescheuerten Deal mit Sebastian zu beenden.
Vielleicht, weil sich etwas verändert hat.
Ich kann es nicht genau benennen, nicht den Finger darauf legen, aber da ist etwas.
Nachdenklich gehe ich durch meine Wohnung und räume ein wenig auf.
Viel Unordnung kann ich in meiner täglichen Stundenplan-Routine nicht machen, außerdem habe ich eine sehr zuverlässige Putzhilfe, die zweimal wöchentlich das gesamte Haus wienert.
Da Frau Siegmunds aber nicht jeden Scheiß hinter mir herräumen soll und muss, erledige ich Kleinkram und meine Wäsche durchaus selbst.
Heute verstecken sich die Fernbedienungen irgendwo im Sofapolster, die Kissen sind plattgedrückt und liegen als Haufen herum.
Das ändere ich nun, schüttle die Kissen auf und platziere sie wieder so, wie sie eigentlich liegen sollen.
Anschließend falte ich meine Kuscheldecke zusammen und lege sie auf die linke Armlehne, danach räume ich den Geschirrspüler aus und sehe – ganz getreu meiner Routine – in Kühl- und Vorratsschrank nach, was ich einkaufen muss.
Die Einkaufsliste diktiere ich meiner Alexa und mittendrin kommt eine Nachricht auf meinem Smartphone an.
> Hey Olli, magst du heute eher vorbeikommen und wir essen zusammen?
Ich starre auf das Display und merke erst verzögert, dass ich den Kopf schüttle.
Zu eng, zu nah.
> Nein, tut mir leid, das kann ich nicht.
Ob er mit dieser Antwort leben kann? Ich sehe auf die Uhrzeit, es ist sechzehn Uhr.
Seine Reaktion lässt nicht lange auf sich warten.
> Ist okay, Olli. Ich bin noch im Fitnessstudio. Dann sehen wir uns zur gewohnten Zeit?
Darauf kann ich auf jeden Fall positiv antworten.
> Ja, alles klar. Viel Erfolg beim Training.
Ich lege das Handy beiseite und diktiere wieder meine Einkaufsliste, damit ich das gleich erledigen kann.
~*~
Während ich den Einkaufswagen durch die Gänge des gigantischen Supermarktes schiebe, in dem ich stets meinen Wochenendeinkauf absolviere, wird mir bewusst, dass ich bislang nicht einmal auf die Idee gekommen bin, Sebastian zum Zweck unseres Deals in mein Haus einzuladen.
Mache ich das, weil ich Sorge habe, ihn nicht schnell genug wieder loszuwerden?
Will ich ihn nicht in meine Privatsphäre eindringen lassen?
Schon seltsam, dass er bisher nicht einmal gefragt hat, ob wir uns nicht auch bei mir treffen könnten …
Hm.
Eine Tüte Chips und drei Tüten Weingummi landen im Wagen, dann gehe ich weiter zur Obst- und Gemüseabteilung.
Obwohl ich nach wie vor viel einkaufe und auch jede Menge an Nahrung zu mir nehme, bleibt nichts davon an mir hängen.
Dabei würde ich gern endlich wieder fitter und gesünder aussehen als momentan.
Da ich daran jedoch aktuell nichts ändern kann, ändere ich auch nichts an meinen Gewohnheiten.
Zumindest nicht an allen anderen, außer der einen, die mich sonst heute Abend ins La Bouche
geführt hätte.
Stattdessen werde ich in ein paar Stunden bei Sebastian auf der Matte stehen und mich ficken lassen …
~*~
„Hallo, komm herein“, sagt der Hüne, als ich auf seiner Etage ankomme.
Ich nicke.
„Hallo.“ Ein zaghaftes Lächeln kann ich nicht unterdrücken.
Vielleicht, weil ich ihn einfach gern sehe?
Sebastian, der so überhaupt nichts Teuflisches an sich hat, obwohl er sich selbst so nennt, ist ein angenehmer Zeitgenosse. Vor allem einer, der nicht alles hinterfragt und nicht ständig versucht, mich davon zu überzeugen, dass Sex weitaus mehr sein könnte, als wir tatsächlich ausleben.
Dieses Unkomplizierte mag ich sehr an ihm.
Und seine Augen …
Und das Lächeln, das er mir jetzt schenkt!
Ich schüttle innerlich den Kopf, ziehe meine Jacke aus und folge ihm ins Wohnzimmer.
Seine Wohnung gefällt mir. Sebastian hat, im Gegensatz zu mir, keine Fotoserien auf Kommoden stehen und die wenige Deko, die er besitzt, besteht aus Teelichtleuchtern, die an den Wänden und auf dem Highboard zu finden sind.
Allesamt schwarz lackiert, aber ich glaube zu wissen, dass er sie zumindest zum Teil selbst hergestellt hat.
Auf dem Tisch stehen wie immer zwei kleine Flaschen Bier. Ich werde vermutlich von meiner nicht einmal die Hälfte trinken – auch wie immer.
Bevor ich mich hinsetzen kann, ist er bei mir und mustert mich aufmerksam.
„Geht es dir gut?“, fragt er und ich ahne, dass es keine Floskel ist.
„Ja, denke schon“, erwidere ich deshalb möglichst ehrlich.
Er nickt zufrieden und setzt sich in den Sessel, wie er es in den vergangenen zwei Wochen immer mal wieder getan hat.
Seine Geste legt fest, was heute Abend passieren wird, und lässt meinen Schwanz anschwellen.
Nach einem Schluck Bier, den ich im Stehen trinke, gehe ich zu ihm und er zieht mich übergangslos auf seinen Schoß.
Sofort spüre ich seine Härte an meinem Hintern und die Erregung und Vorfreude haben mich fest im Griff.
„Zieh dich aus“, raunt er und ich stehe auf, um der Aufforderung Folge zu leisten.
Während ich Schuhe, Socken, Jeans, Pants und Shirt abstreife, kann ich immer wieder kurz beobachten, wie er sich auszieht, bevor er wieder Platz nimmt. Breitbeinig, aufreizend, sehr erregt.
Ich mag die Stellung sehr, in der er mich heute offensichtlich nehmen wird, weil ich so die nicht alltägliche Gelegenheit bekomme, vorher seinen wunderbar trainierten Körper zu mustern.
Das Muskelspiel unter der glatten Haut, das Kraft und Geschmeidigkeit zugleich verheißt.
Sobald ich wieder dichter zu ihm trete, steht er auf und nickt zum Sessel. „Setz dich, Oliver.“
Mache ich natürlich, ganz nah an die Kante der Sitzfläche, bevor ich mich nach hinten sinken lasse.
Mein Blick schweift erneut über seine Gestalt, versucht, jedes bisschen in mein Hirn zu brennen, weil Sebastian einfach unendlich gut aussieht.
An seiner unübersehbaren Erregung bleibe ich hängen, lecke mir über die Lippen und ziehe instinktiv die Beine an den Leib, um ihm möglichst schnell vollen Zugriff zu bieten.
Ich will, dass er sich in mir versenkt, mich fickt, mich kommen lässt!
Nichts von dem, was wir hier tun, hat mit Emotionen zu tun.
Allein mein Trieb, mein Wille, gefickt zu werden und Sebastians Bereitschaft, mir genau das zu geben, regieren unsere Handlungen.
Er knurrt und kommt näher, betrachtet mich ebenso hungrig wie ich ihn, dann kniet er sich vor mich und spritzt mir das benötigte Gleitgel rein.
„Mach schon!“, verlange ich gierig, weil ich will, dass es losgeht. Er soll sich das Gummi überstreifen!
„So ungeduldig?“, erkundigt er sich und grinst mich diabolisch an, während er endlich das Kondompäckchen öffnet und seinen Schwanz verpackt.
Gierig, voller Erwartung keuche ich auf, als er näher rückt.
Statt noch näher zu kommen, lässt er seinen Daumen über mein zuckendes Loch streichen, stippt hinein und lässt mich aufjaulen.
Ich bin so süchtig nach Sex, dass ich einfach nicht mehr warten will, und meine Ungeduld immer deutlicher wird.
„Bitte, Sebi, lass mich nicht warten!“, bringe ich hervor und er brummt zustimmend, bevor er endlich nah genug heranrückt, um seine Eichel zu platzieren.
Erwartungsvoll beobachte ich ihn, kann in dieser Haltung den Kopf nicht in den Nacken werfen, als er eindringt, und sehe dabei zu, wie sein Schwanz in mir verschwindet, mich ausfüllt.
Der angenehme Druck facht meine Erregung weiter an und ich stöhne ungehemmt, als er sich bis zum Anschlag in mich getrieben hat.
Am liebsten würde ich meine Beine loslassen, aber das geht nicht!
Sebastian verharrt in mir und mustert mich, leckt sich über die Lippen und lässt seine Hände über meine Beine streichen, bis er an meinen Hüften ankommt. Er greift fest zu und hält mich, um sich in mir zu bewegen.
Lange, langsame Stöße, mit denen er mich und meine Gier weiter aufpeitscht.
„Ja!“, schreie ich atemlos und will mich winden.
Seine Hände wandern weiter, als er wieder tief in mir verhält, lässt sie zu meinen Knien wandern und schiebt sie weiter auseinander. Er beugt sich über mich, seine Lippen senken sich auf meine Brust, küssen meine schweißfeuchte Haut, seine Zunge umkreist meine Nippel.
Ich keuche haltlos, lasse meine Beine wirklich los, schlinge sie um seinen Körper und fasse hart in sein Haar.
Er hebt den Kopf etwas, sieht mich an und ich versinke in seinen grünbraunen Augen. Leidenschaft und pure Geilheit stehen darin.
Ich erschauere, eine prickelnde Gänsehaut überzieht mich, die er nun wegküsst oder weiter anfacht – ich weiß es nicht.
Weiß gar nichts mehr.
Seine Finger streifen über meinen Leib, necken, kneifen, liebkosen mich, fordern mich dazu heraus, immer wildere Töne auszustoßen, mich immer weiter in meine Ekstase zu versenken.
Was er mit mir tut, weckt Erinnerungen und doch wieder nicht.
Wie Blitzlichter zucken Rückblicke, halbfertig, nicht zu Ende gedacht, durch meinen Kopf.
An ihrem Ende sehe ich jedes Mal nur einen – Sebastian.
Den Mann, der mich abholt, mitnimmt, dort hinbringt, wohin ich will.
Schauer auf Schauer durchläuft mich, während er sich endlich wieder in mir bewegt. Kurze, bedächtige Stöße, die meine Muskelringe reizen und kitzeln, bis sie sich immer wieder unkontrolliert zusammenziehen.
Köstliche Vorboten dessen, was noch kommen wird.
Meine Ungeduld ist ein wenig gewichen.
Noch immer steht das große Ziel des Orgasmus’ deutlich vor mir, aber der Weg dorthin wird von Sebastians Rhythmus und seinen Streicheleinheiten versüßt.
Immer wieder kehren die Blitzlichter zurück, verändern sich, lassen mehr Raum für Sebastian.
Er ist hier. Bei mir, in mir, an mir.
Meine Beine schlingen sich fester um ihn, ich will diesen Kontakt.
„Hör nicht auf!“, zischele ich, ringe nach Luft und lasse mich treiben.
„Das würde ich nie tun, Oliver“, raunt er mit kehliger Stimme und einem Timbre, das mich in den Wahnsinn treibt.
So weich, grollend, heiß und vor allem verheißungsvoll!
Ich strecke die Arme nach ihm aus, schlinge sie um seinen Hals und ziehe mich an ihn, will mehr spüren, mehr von ihm berühren.
Er versteht meine Bemühung!
Seine Hände gleiten an meinen Rücken und er hilft mir, mich aufzurichten, drückt mich an sich, soweit es geht, während er den Rhythmus in mir abermals verändert.
Tiefe, lange Bewegungen, die den geilen Druck in mir weiter aufbauen und mich seinen Blick suchen lassen.
Atemlos keuchend sehen wir uns in die Augen.
Ich recke das Kinn, meine Lippen kribbeln. Mein Blick wandert über Sebastians Nase zu seinem Mund, Sekunden später küsse ich
ihn.
Elektrisierende Berührungen, sacht, forschend, dann erwidert er endlich und unser Kuss wird hungrig und gierig.
Ich öffne die Lippen, lasse seine Zunge ein.
Keuchend spüre ich dieser irren Sensation nach.
Sebastian ist überall!
Sein Schwanz verhält tief in mir, seine Arme umschlingen mich, pressen mich an seine Brust, seine Zunge tanzt mit meiner.
Meine Arme schlingen sich instinktiv fester um seinen Hals, das hier darf auf keinen Fall aufhören. Ich brauche diese Intensität, diese Nähe!
Schreiend rote Warnlichter, schrille Sirenen lassen jedes andere Bild hinter meiner Stirn explodieren.
Nähe?!
Ich schrecke zurück, starre ihn an, sehe seine Verständnislosigkeit, als ich die Verschränkung meiner Beine löse, ebenso die meiner Arme, um eilig von ihm loszukommen.
„Das geht nicht!“, brülle ich, endgültig von meiner Panik übermannt, und suche hektisch meine Kleidung zusammen.
Reinschlüpfen, abhauen!
Die Tür seiner Wohnung fällt hinter mir ins Schloss und ich stürme die Treppen hinab, springe in meinen Wagen und rase davon.
Zitternd und von einer unnatürlichen Kälte erfasst betrete ich mein Haus und gehe schnurstracks nach oben ins Bad.
Klamotten aus, duschen, alles abwaschen, loswerden!
Eine halbe Stunde bleibe ich unter der heißen Regendusche stehen, erst danach schnappe ich mir ein Handtuch und rubbele mich trocken.
Schnell etwas überziehen, dann ab aufs Sofa, die Kuscheldecke überwerfen und nicht mehr nachdenken.