Satan
„Du hast seit zwei Wochen nichts von ihm gehört?“, fragt Sean perplex und starrt mich aus großen Augen über den Terrassentisch hinweg an.
Ich seufze tief und nicke. „Was soll ich machen? Ich habe ihm gesagt, dass er in Ruhe nachdenken soll und das hat er offenbar.“
„Teufelchen?“ Seans Stimme klingt plötzlich so sanft, dass ich tief durchatmen muss, um mich zu beruhigen.
„Ich kann das nicht. Es wird einfach dauern, bis ich wieder ich selbst bin“, erkläre ich.
„Du glaubst doch nicht, dass du das hinkriegen wirst?“, fragt er skeptisch.
„Lass mir die Hoffnung, Seany. Ich brauche Zeit, um ihn zu vergessen.“
„Du willst ihn nicht vergessen! Hör auf, dir so einen Scheiß einzureden!“, schnauzt er sehr energisch und ich starre ihn nun meinerseits verwundert an.
„Du erwartest von mir, dass ich auf verlorenem Posten um etwas kämpfe, das möglicherweise niemals da war?“
„Ich habe euch im Applepie gesehen. Ihr wart so verliebt und vollkommen in eurer eigenen Welt! Olli wollte dich und niemanden sonst. Wieso sollte sich das so plötzlich geändert haben?“
Auch wenn ich in den vergangenen Wochen grundsätzlich abgeblockt habe, sobald das Thema zwischen Sean und mir in diese Richtung ging, jetzt schaffe ich es nicht mehr.
„Ich habe dir nie erzählt, wieso er so war und was es mit seiner Sucht nach dieser heilen Welt auf sich hatte“, beginne ich und erzähle von Elmar und Benjamin, von Olivers Vergangenheit, von seiner Routine, die er sich aufgebaut hat, von allem, an das ich mich erinnere.
Sean lauscht schweigend und trinkt, genau wie ich, hin und wieder von seinem Bier.
Zuletzt erwähne ich, dass die zwei wieder aufgetaucht sind und Olli zu einem Neuanfang überreden wollten.
„Meiner Meinung nach hat er genau den nun mit ihnen gestartet“, sage ich und lasse die Schultern sinken.
„Verrückt!“, befindet Sean überrascht. „Erst bauen sie so einen Scheiß und nun … Bist du sicher, dass er zu diesen Idioten zurückgegangen ist?“
Das Zusammenzucken kann ich nicht ganz verhindern, aber letztlich …
„Es ist seine Sache, Seany. Wenn er sich so entschieden hat, muss ich damit leben und sollte mich einfach raushalten.“
„Du vergisst gerade, dass ich sehe, wie scheiße es dir deshalb geht, oder?“ Seans strenger Blick reizt mich zu einem Lächeln, das natürlich sehr schief gerät.
„Nein, mir ist klar, dass du das bemerkst. Ich kann es nur nicht ändern!“
„Du könntest dich unverbindlich melden und mal hören, ob und wie er sich entschieden hat. Ich denke nämlich, dass du zumindest ein Recht auf eine klare Antwort hast.“
Das sehe ich genauso, aber ich will einfach nichts erzwingen.
„Denkst du, die würde er mir geben, wenn ich ihn antexte oder anrufe?“, hake ich nach.
„Du solltest es auf einen Versuch ankommen lassen.“
„Hm“, mache ich und habe mein Smartphone bereits in der Hand.
„Braves Teufelchen!“, sagt Sean und prostet mir zu. „Cheers!“
„Cheers!“, erwidere ich und hebe meine Flasche, bevor ich einen Schluck trinke und danach den Messenger aufrufe, über den Oliver und ich geschrieben haben.
> Hallo Olli. Ich will dich nicht lange stören, nur mal hören, wie es dir geht. Ich mache mir Sorgen, weil du so lange nichts gesagt hast. LG Sebi
Ich lese Sean den Text vor und er scheint halbwegs zufrieden damit, auch wenn er sagt, dass ich ruhig etwas aufdringlicher hätte sein dürfen.
„Nein, je weniger Druck ich ausübe, umso besser“, sage ich und lege das Handy weg.
Danach wendet sich das Thema anderen Dingen zu und gegen zwei Uhr morgens gehen wir ins Bett.
Seltsam, neben Sean zu liegen, und nichts weiter zu tun, als zu schlafen …
Aber seitdem das mit Oliver ernster wurde, haben wir wohl beide keine Ambitionen mehr, uns gegenseitig flachzulegen.