Satan
Mangelnder Schlaf und Hausarbeit vertragen sich nicht wirklich gut miteinander, aber Herumsitzen und Nichtstun scheiden vollkommen aus.
Mein Hirn zerdenkt alles und nichts, ich bin unruhig, rastlos und genervt von allem.
Nicht nur der Samstag gestaltet sich, bis auf den Abend in der Cocktailbar, als derart nervenaufreibend, sondern auch der Sonntag, an dem ich nicht einmal mehr Hausarbeiten finde, die ich erledigen könnte, um meinen Kopf wenigstens halbwegs zur Ruhe zu bringen.
Vielleicht war es auch nicht besonders hilfreich, mehrere Cocktails zu trinken, denn von solchen Mixgetränken bekomme ich schnell einen Kater.
Diesen pflege ich am Sonntag bis in den Nachmittag hinein, bis Sean klingelt und mich zu einem Spaziergang einsammelt.
Die Woche startet mit dem Ausfall einer unserer CNC-Fräsen in der Firma, so dass wir alle Hände voll zu tun haben, um die anstehenden Aufträge zu erfüllen.
Auch wenn ich diesen Druck und das Chaos normalerweise hassen würde, kommt mir beides nun sehr gelegen, um mich endlich auf etwas anderes zu konzentrieren als darauf, dass mein Herz schreit und mein Kopf das Grübeln nicht einstellen will.
Ich bin schlicht süchtig nach Olli und dessen Nähe und es wird mit jedem Tag schlimmer, anstatt besser.
Und das, obwohl ich doch am Wochenende eindeutig gesehen habe, wie und für wen er sich entschieden hat.
Ich hasse es!
Sobald ich ausstempele und nach Hause fahre, ist Oliver wieder da. Überall.
In meinem Kopf, in meinem sich zusammenziehenden Herzen. Ich kann nicht dagegen kämpfen und weiß auch nicht, wie ich um ihn kämpfen soll, wenn er das offensichtlich nicht will.
~*~
Am Dienstagabend liege ich heulend im Bett und kann mir nicht erklären, wieso eigentlich.
Ja, ich leide, es ist scheiße, dass Olli sich gegen mich entschieden hat, aber ich kann es nicht ändern!
Obwohl ich Sean gebeten habe, mir ein paar Tage Ruhe zu gönnen, um wieder auf die Reihe zu kommen, schafft er es natürlich nicht, mir den Freiraum zu lassen.
Er steht, nachdem er keine Antworten auf seine Nachrichten und Anrufversuche bekommen hat, am späten Dienstagabend bei mir auf der Matte.
Ein Wunder, dass ich überhaupt aufgestanden bin, um ihm die Tür zu öffnen – liegt vermutlich daran, dass er Sturm geschellt hat.
„Teufelchen, so geht das nicht weiter!“, erklärt er mir und schiebt mich in meine Wohnung, um die Tür mit dem Fuß hinter sich zu schließen.
Statt einer Antwort brumme ich nur und befreie mich aus seinem Griff, um mich zur Küche umzuwenden und Kaffee zu kochen.
Den kann Sean nämlich auch mitten in der Nacht trinken, während ich mir lieber ein Wasser hole.
Er folgt mir, sobald er seine Schuhe im Flur losgeworden ist, und steht abwartend und schweigend in der Küchentür, während ich mich an einfachsten Dingen festklammere.
Wasser in die Kaffeemaschine, anschalten, warten, bis die richtigen Lämpchen leuchten … Idiotenarbeit, um nur ja nicht zu ihm zu sehen und ihm mein verheultes Gesicht zu zeigen.
„Dir geht es furchtbar“, fasst er das Offensichtliche schließlich leise zusammen und seufzt tief.
Ich nicke und sehe nun doch zu ihm, was ihn dazu bringt, den Abstand zwischen uns eilig zu überbrücken und mich zu sich zu drehen.
„Scheiße, Sebi!“, murmelt er schockiert und ich schließe bestätigend die Augen, anstatt etwas zu sagen.
Der Kloß in meinem Hals versperrt meine Kehle und ich schlucke mühsam.
Sofort lehnt er sich an mich, umschlingt mich und sieht zu mir hoch.
„Wir müssen etwas tun, sonst wird es dir immer schlechter gehen.“
Nach einer Pause bringe ich es fertig, zu sprechen. „Und was? Er hat sich doch entschieden!“
Sean lächelt traurig. „Ja, so sieht es aus, aber ich kann das irgendwie nicht glauben.“
Ich schnaube unmutig. „Ich schon. Ich will es nur nicht.“
„Aber du tust es bereits. Du hast zu trauern begonnen, obwohl du nicht sicher sein kannst, dass es wirklich an der Zeit dafür ist.“
Irgendwann gehen wir ins Wohnzimmer und setzen uns, reden den Rest der Nacht und verlassen gemeinsam das Haus, als ich zur Arbeit muss.
Natürlich ist Sean nicht begeistert davon, dass ich mit meiner momentanen Gefühlslage und nach der durchgemachten Nacht arbeiten will, aber er gibt murrend nach und setzt mich an der Firma ab, um mich zum Feierabend wieder dort einzusammeln.